Geschrieben am 2. August 2024 von für Crimemag, Litmag, Special Thomas Wörtche, Thomas Wörtche

Sybille Ruge, Christian Y. Schmidt, Jürgen Schütz, Andrea Stumpf

Sybille Ruge: Mémoires

W saß mir gegenüber. Eine Bank im Nebel am Hauptbahnhof. Februar? Er in Lederjacke (Pelzfutter), mir fror das Gehirn ein (modische Klamotten). Wir legten langsam unsere Masken ab (Corona). Der Kaffee in den Pappbechern wurde kalt (Costa Coffee, ungenießbar). Ich machte ein fröhliches Gesicht dazu, immerhin saß mir W gegenüber.

Nachdem ich mit W gesessen hatte, schrieb er mir Bemerkungen an den Rand.

„Mimimi“
„Hä?“
„Versteht kein Mensch.“
„Puh.“
„Wo kommt das denn jetzt her?“
„Brauchen wir das?“
„Och, nee.“
„??????“

W liest zwischen den Zeilen (bevor sie fertig sind).
Plötzlich saß W in meinem Kopf.

W spielt für mich den Kommissar (wissend) und den Mörder (gestrichene Sätze), W lässt sich nicht reinlegen (Casino gewinnt immer), W hat Nerven wie Stahlbeton (mit Leichen im Fundament).  Soll ich noch einen umbringen? Ganz oder in Einzelteilen? W ist der Boss. Mit W sitzen ist spitze. Und noch was.

Happy Birthday!

Anm. d. Red.: Siehe bei bei uns: Lokaltermin bei Sybille Ruge – und ihren Stoffen. Ein Gespräch über Stoffe, Textildesign und Textildruck, den Modeschöpfer Issey Miyake und Haute Couture aus Mitlödi im Glarner Tal – von Alf Mayer.

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Shengri kuaile,

Thomas Wörtche.

Alles nur erdenklich Gute zum Siebzigsten, Dir, dem furchtlosem Durchschwimmer des nach Dir selbst benannten Wörtchensee, dem Durchmesser der globalen Krimiwelten von Bonn-Bad Godesberg bis Kaunakakai, unserem unbeirrbaren Leuchtfeuer in der Welt des Mord und Totschlags.

Wansui! Wansui! Wansui!

Mögest Du zehntausend Jahre alt werden! Ach, was, mindestens 15.000 Jahre wünsche ich Dir, und selbst das ist viel zu knapp, angesichts der unzähligen Krimis, die es zu lesen gibt und zu rezensieren.

Dein Christian Y. Schmidt

Anm. d. Red.: Sein Jahresrück 2024 bei uns: Christian Y. Schmidt: »So weit die Füsse radeln«

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Jürgen Schütz: Wegbereiter

Lieber Thomas,

das erste Mal als ich mich mit deinem Namen befasst hatte, war, als (den Septime Verlag gabs zu der Zeit noch lange nicht) ich hörte, dass ein Herr Wörtche den Unionsverlag verlassen wird.

Meine große Sorge war, ob dieser Thomas Wörtchen den Leonardo Padura mitnehmen könnte zu einem anderen Verlag. Ist nicht passiert und ich war beruhigt.

Das zweite mal als ich von dir hörte (den Septime Verlag gabs da schon), war von einer gemeinsamen Freundin.

Ich bat Andrea Stumpf an der James Tiptree Jr. Werkausgabe mitzuübersetzen. Kurz darauf erzählt sie mir, dass sie dir davon erzählte, in der Meinung, dir erklären zu müssen, wer oder was das überhaupt ist. Aber du sagtest zu ihr: „Was!! Die gibt´s wieder!“ Später hast auch du dich eingesetzt, dass der kleine Wiener Verlag die Sience-Fiction-Lady unter die Leute bekommen sollte.

Das dritte Mal war, als du dich für Ute Cohens Romanedebüt eingesetzt hattest und einer der besten Wegbereiter für diesen polarisierenden Roman warst.

Und heute, nachdem wir schon sehr oft über dies und das auf den Messen zu reden kamen, bist wieder du einer der wichtigen Fädenzieher dabei, die Septime suspense Reihe auf Spur zu bekommen und auch durch dich wurde unsere Pascal Garnier mehr als nur eine Geheimtipp für Noir-Fans.

Für das alles und vieles mehr, was du nicht nur für mein Haus, sondern für viele Leserinnen und Leser getan hast in deiner bewegten Vergangenheit, möchte ich dir zu deinem 70er herzlich danken. Hier an dieser Stelle diese Zeilen an dich zu schreiben, ist eine Ehre und ich bin sehr stolz darauf, dass auch ich dich ein paar Meter auf deiner Reise durch die Weltliteratur begleiten darf.

Alles Gute, lieber Thomas

Jürgen

Septime Verlag, Wien

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Andrea Stumpf: penser und pulp in einem Atemzug

Besser hätte man es sich nicht ausdenken können: Unter all den Badious, Agambens, Weils und Vogls große und kleine, schmutzige und blitzsaubere Kriminalromane, die Dystopie und Gewalt, Gesellschaft und Individuum, Eros und Überbau anders verarbeiten als ihre Regalnachbarn in der Verlagsbuchhandlung von Diaphanes und anderswo. Allein durch diese Nachbarschaft sollte pulp in einem anderen Licht erscheinen und als (mit aller Emphase gesprochen) ernst zu nehmende Gattung und spielerische Denkanstrengung gezeigt werden. Und umgekehrt würde die Nachbarschaft zu pulp das akademische Dreierlei aufmischen, Verkeilungen in Intellektuellenhirnen lösen, Lustzentren reaktivieren.

So oder ähnlich wurde mir die neue Reihe Penser Pulp von den Diaphanes-Leuten raunend angekündigt und mit ihr Thomas Wörtche, der als freier Herausgeber dafür verantwortlich zeichnete. Es fing hervorragend an: Max Annas, Nathan Larson, der Marodeur von Oxford und die Aussicht auf Jerome Charyn und den ganzen Himmel der Kriminalliteratur. Ich durfte mitübersetzen, lernte Thomas kennen und konnte endlich penser und pulp in einem Atemzug und ohne Erklärungsnot nennen.

Das Glück, man ahnt es schon, währte nur kurz, eine Dampfwalze fuhr drüber und machte die Reihe platt. Über die Gründe wird besser geschwiegen. Jedenfalls verzog sich irgendwann der Staub, und da standen wir beide, Thomas und ich, schüttelten den Dreck aus unseren Klamotten und machten weiter, woanders, aber oft gemeinsam.

Cheers, Thomas. Schön, dass wir dich haben.

Andrea Stumpf

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