Geschrieben am 2. August 2024 von für Crimemag, Litmag, Special Thomas Wörtche, Thomas Wörtche

Liza Cody, Danny Dziuk, Claudia Denker, Anita Djafari, Krazy

Liza Cody: From one music lover…

Hi Alf,

I’m working on a new computer and, for some reason, it identified you’re email as ‚junk‘. Because of that I only saw it today. Is it too late to say, ‚Happy birthday, Doctor Tom, from one music lover to another.‘ ?

Best wishes, Liza Cody


Danny Dziuk

Ich hatte 2016 gerade ein Album rausgebracht, das ich für mein bislang bestes hielt. Pressereaktionen aber zunächst eher mau bis lauwarm, und mit diesem Gefühl im Rücken ging ich auch mal wieder auf eine meiner kleinen Release-Tourneen, und ein Gig davon fand auf einer Nordseeinsel statt, der ziemlich grauenhaft verlief. Ziemlich große Halle mit einem ziemlich einsamen Flügel auf der Bühne und ungefähr 15 ziemlich komischen Touristen, die nicht wussten, was sie mit mir anfangen sollten. Und ich auch nicht, was ich mit denen. Spirits low. Very low. Alle verlegen am Ende, und ich auch.

Auf dem Weg zurück ins Hotel gab‘ s ne Nachricht auf meinem Handy über eine weitere Rezension des Albums. Deprimiert wie ich war, dachte ich, na das wird schon wieder sowas sein, klickte es weg, wollte mich nicht noch weiter runterziehen lassen. Wahrscheinlich wieder so‘ n Mucker-Magazin, wo selbst gutgemeinte Rezensionen einem manchmal sogar peinlicher sind als solide Verrisse, denn was ist schlimmer, als aus den falschen Gründen gelobt zu werden? Man landet schließlich in einer Ecke, in die man nie wollte, und die guten Leute denken, was für ein Idiot. Im Hotel stellte ich dann selbstverständlich mal wieder meine gesamte Existenz in Frage, stand am Fenster, starrte auf die Dünen. Bis ich dachte, na da kannste dir die Rezension ja ruhig auch noch ansehen, viel bescheuerter kann’s ja nicht werden. Vorsichtig öffnete ich die Datei und warf einen trüben … 

HÄ? WAS WAR DAS DENN!? 

Um‘ s kurz zu machen: Nun, das war Thomas Wörtche. Noch kürzer: Der Abend war gerettet (und nicht nur der). Wir waren uns nie begegnet, und das Ding kam völlig aus dem Nichts. Dass später noch zweidreimal Ähnliches passierte, tut hier nichts mehr zur Sache, aber die richtigen Leute zum richtigen Zeitpunkt, also äh …das ist es, was man vielleicht manchmal braucht. 

Und wie schön, lieber Thomas, Dir mittlerweile auch ein paarmal privat über den Weg gelaufen zu sein. – Also Cheers & alles Beste zum 70ten!

Anm. d. Red.: „Der Große im Hintergrund“ (FAZ), Autor, Komponist, Sänger, Arrangeur und vieles mehr …Seine Webseite Dziuks Küche. Im Februar 2023 erschien sein Album Unterm Radar

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Claudia Denker: 70 Jahre? Fidelwipp! Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, lieber Thomas!

Ohne Thomas Wörtche gäbe es das Wort »Fidelwipp« nicht. Und ich hätte keinen »Horl«. Ich könnte nicht erzählen, dass ich mit dabei war, bei den gemeinsamen Essen – nach Lesungen mit u.a. Candice Fox, Donald R. Pollock, Jérôme Leroy, Gary Victor und William McIlvanney. Candice gestand damals, sie sei Fan von Céline Dion, sang auch ein bisschen, mit einem sehr pathetischen Gesichtsausdruck und entsprechenden Armbewegungen, Pollock verputzte einen Riesenberg Kaiserschmarrn, McIlvanney und seine Frau waren begeistert, als unser Lieblingsitaliener nach Geschäftsschluss noch einen Aschenbecher auf den Tisch stellte. Die Erinnerung an diesen Abend im April ist unvergesslich und traurig zugleich, denn im Dezember kam die Nachricht, dass McIlvanney verstorben ist. Conny Lösch, seine wunderbare Übersetzerin, war damals auch dabei – schade, dass wir ausgerechnet an diesem Abend keine Fotos gemacht haben.

Zurück zum Geburtstagskind: Kennengelernt habe ich Thomas 1995. Damals hatte ich gerade die »Krimibuchhandlung Hammett« gegründet und war noch sehr grün hinter den Ohren. Er erschien eines Tages mit seiner damaligen Frau Pieke Biermann im Laden, stellte sich vor, und ein paar Wochen später waren wir schon gemeinsam im Berliner Brecht-Haus. Dort lief die Reihe »Cream of Crime«, wo Thomas über drei Jahre regelmäßig Weltstars der Kriminalliteratur präsentierte. Ich erinnere mich besonders an die beiden Abende mit John Harvey und Jerome Charyn. Das ist sehr lange her, leider werde auch ich älter, mein Gedächtnis lässt nach, es begann dann auch eine schwierige Zeit. Ich konnte damals von heute auf morgen aus schlechten Gründen für lange nicht mehr im Hammett sein. Später plante ich dann den Verkauf der Buchhandlung, der durch Zufall und mit viel Hängen und Würgen 1998 zustande kam. Mein alter Schulfreund Christian Koch kaufte den Laden, ich war erstmal raus aus dem Buchhandel und damit verlor ich auch den Kontakt zu Thomas. Aber ich kam zurück, sehr viel später, erst in den Buchhandel und dann auch wieder ins Hammett. Und dann wurde unsere einstige kollegiale Bekanntschaft zur Freundschaft. Wir hingen viel zusammen, er half mir beim Bewältigen größerer und kleinerer Probleme. Wir holten gemeinsam einen Hund aus dem Tierheim, tranken enorm viel Bier – in lustigen Spelunken (hallo »Quelle«!), und zu Buchmessenzeiten mit Freunden viel Apfelwein im »Fichtekränzi«, machten alle möglichen Pläne (siehe Foto), arbeiteten zusammen am »Leichenberg-Buch« – leider auch bis jetzt nur ein Plan geblieben. Und ich lernte von ihm unendlich viel.

Seinen Einstieg bei Suhrkamp habe ich mit Spannung verfolgt, nun sind schon 71 Kriminalromane erschienen in der »TW-Edition«, einige preisgekrönt, tatsächlich auch zwei von Johannes Groschupf, den ich in meinem ersten Berlin-Jahr 1987 bei einem Studentenjob in der Buchabteilung des KaDeWe kennengelernt habe. Meine Idee, ihn Thomas vorzustellen, war nicht ganz schlecht. Und überhaupt haben wir uns gegenseitig gerne unsere Freunde und Freundinnen vorgestellt, da hat sich einiges zusammengefunden.

Auch das CrimeMag kenne ich durch ihn. Seine Schuld ist, dass ich jetzt jeden Monat von Alf Mayer eine Erinnerung bekomme, mich an der »Schatzsuche« zu beteiligen, ein paar Krimineuerscheinungen herauszupicken. Und der Jahresrückblick steht ja auch bald wieder an, dann kann ich schreiben, wie ich mir einmal etwas zu Thomas Wörtches 70. Geburtstag ausdenken musste. Da fällt mir ein: Das hat er mir zu verdanken – zu dem Jahresrückblick der »Brauseboys«, die er durch mich kennen und lieben gelernt hat, gehen wir seit Jahren meistens gemeinsam.

Bis heute habe ich keine der Talkrunden in Berlin verpasst, erst war es der »Talk Noir« an verschiedenen Orten in Berlin, und bei der Suche nach der passenden Location für die neue Veranstaltung »Abweichendes Verhalten«, immer mit TW, Sonja Hartl, dem Lesebühnenautor und »Brauseboy« Robert Rescue (genau) und einem wechselnden Gast, in Max Schwarzloses »Studio 24« war ich beteiligt. Schön, dass es diese Treffen gibt, und dass das Publikum immer ein bisschen größer wird.

Siebzig – so alt ist Thomas nicht wirklich, auch wenn er manchmal mault, dass es an U-Bahnstationen keine Rolltreppen gibt, oder wenn es eine etwas steilere Straße hinaufgeht, behauptet, er müsse »die Alpen hoch«. Er fährt gerne Taxi und steht nicht gerne in der U-Bahn. Wenn ich ihn frage, ob er mal seinen Blutdruck gemessen hat, dann antwortet er »Ich habe keinen!« Wenn ich sage, er soll sein Herz mal untersuchen lassen, antwortet er: »Ich habe keins!« Und das ist nun wirklich gelogen, denn Thomas hat ein riesengroßes. Er ist einer der warmherzigsten, albernsten, lustigsten, großzügigsten und klügsten Menschen, die ich kenne. Er kann gut zuhören, und wenn man mit ihm befreundet ist, kann man mit jedem Scheiß zu ihm kommen.  

Thomas arbeitet einfach zu viel, meine Meinung, aber er muss ja alles selbst machen! Und er hat mittlerweile Anna an seiner Seite (was für ein großes Glück!), deshalb sehen wir uns nicht mehr so oft. Durchzechte Nächte, die haben wir uns abgewöhnt, aber mittwochs treffen wir uns meistens im »Chatwins«, das ist eine der Buchhandlungen, in der ich heute arbeite. Dann gehen wir Kaffee trinken und bringen uns auf den neuesten Stand. Und das muss.

Thomas kann kochen, macht Tomatensalat mit Kapern. Er könnte alle Kriege, alle Schlachten mit irgendwelchen Figuren nachspielen, er kann Geschichte, Philosophie, Politik, Kunst, Musik, nur singen kann er nicht. Er liebt Fremdwörter und ist Fan von »Bayern München«. Wenn sein Verein gewinnt, bekomme ich eine Nachricht von ihm: »Stern des Südens«, mit Smileys, die lachen. Auch das hält unsere Freundschaft aus. Und auf die bin ich sehr, sehr stolz.

Tja, lieber Thomas, nun stehe ich vor einem Dilemma. Wenn ich mir bei Texten nicht sicher bin, dann frage ich Dich, ob Du mal drüberschauen kannst. Was nun?

Noch einmal alles, alles Gute zum Geburtstag – von Herzen – und danke für alles!

Anm. d. Red.: Freie Buchhändlerin in Berlin, Gründerin der Krimibuchhandlung „Hammett“ – und Freundin unseres Projekts CulturMag/ CrimeMag von Anfang an. Ihre Beiträge zu unserer monatlichen „Schatzsuche“ sind sehr geschätzt.

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TW, Laudatio, 2019

Anita Djafari: Einfach so. So einfach.

Thomas, du bist jetzt also auch 70. Ich weiß, das ist natürlich gar keine Kategorie für dich, genau so wenig wie Ruhestand oder Rente oder so was. ich gratuliere dir trotzdem zu diesem Ereignis und wünsche dir alles Gute. Wie sich das gehört. Und lasse es mir nicht nehmen, bei der Gelegenheit ein paar ultimative Lobhudeleien loszuwerden. Wir haben einfach viel zu lange viel zu gut zusammen gearbeitet.

Ob als Redakteurin der LiteraturNachrichten, als Verantwortliche für die Bestenliste Weltempfänger oder bei der Ausrichtung der Frankfurter Literaturtage – immer konnte ich auf dich zählen. Und es war immer so einfach.

Für die Zeitschrift hast du mir einen Vortrag über globale Kriminalliteratur zur Verfügung gestellt.  Nehmen Sie sich daraus, was Sie brauchen.  Einfach so. So einfach? Wir kannten uns gar nicht. Ich kannte natürlich deine Reihe metro im Unionsverlag und fand sie super. Später brauchte ich kompetente Jurorinnen und Juroren für die Etablierung des Weltempfängers. Du warst einer der ersten, den ich versucht habe zu gewinnen und du hast sofort zugesagt, vor allem ohne zu fragen, wer ist denn noch dabei oder wer sind Sie überhaupt. Einfach so. So einfach. 2008 erschien dann die erste Ausgabe.

2013 hat litprom den LiBeraturpreis übernommen. Ich musste improvisieren, um die Verleihung nicht auszusetzen und sie auf der Buchmesse zu ermöglichen. Brasilien war Gastland und Patricia Melo war unter den eingeladenen Autorinnen. Ich war mir hundertprozentig sicher, dass sie die richtige Preisträgerin war mit ihrem Thriller „Leichendieb“ und es konnte nur einen Laudator geben, von dem ich wusste, dass der sich ebenso sicher war und den ich fragen würde, nein musste! Den Kenner ihres Werks, den Kenner guter Kriminalliteratur, dich, lieber Thomas. Klar hast du zugesagt. Einfach so. So einfach.

2018 haben wir die 9. Frankfurter Literaturtage veranstaltet. Diesmal mit dem Schwerpunkt Global Crime.  Du warst zusammen mit unserem gemeinsamen „Ziehsohn“ Achim Stanislawski der Kurator. Natürlich. Wer bis dahin noch nicht begriffen hatte, dass gute Krimis gute Literatur sind, hat hier was gelernt. Es war eine der inhaltlich erfolgreichsten und interessantesten Veranstaltungen der Reihe. Und ging das wieder einfach so?  Nicht ganz bei so einem komplexen Ding wie einem zweitägigen Festival mit Autorinnen und Autoren aus aller Welt. Von Australien über Hongkong, Südkorea bis Argentinien, Südafrika und Haiti.  

Dazwischen war aber noch viel mehr. Unvergessen ganz am Anfang unserer litprom-Zusammenarbeit die Buchvorstellung in der Büchergilde Buchhandlung in Frankfurt, in dem du ein wahres Feuerwerk an Buchempfehlungen zum Gastland Argentinien abgebrannt hast oder unsere kleine Lesereise in Berlin und Leipzig mit der schönen Koreanerin Jo Kyung Ran und deren feiner Kost. Nur zwei Beispiele der immer fruchtbaren Kooperation mit deiner Expertise. Und immer war es so einfach.  Für mich jedenfalls. Das hat so vieles möglich gemacht. Einfach so.

Dafür war und bin ich dir dankbar. Auch für das immer offene Ohr, du Frühaufsteher und Vielarbeiter. Kein Getue und Gewese um die ach so kostbare Zeit des Vielbeschäftigten. Für gegenseitigen Austausch über professionelle (und manchmal auch persönliche) Höhen und Tiefen war immer Raum. Einfach so.

Aber jetzt hör ich auf. Klar habe ich dich nach deinem Ausstieg beim Weltempfänger vermisst.  2021 war das exakt mit Ausgabe Nr. 50, so viel Ästhetik musste bei dir schon sein. Wir alle haben dich vermisst. Aber ich glaube, das weißt du. Genieße alles, was da gerade ist in deinem Leben. Privat und beruflich, sogar mit Urlaub inzwischen (war früher mal auch keine Kategorie, wenn ich mich recht erinnere). Und das, was da noch kommen mag. 

Herzlichen Glückwunsch!

Anita Djafari

Anm. d. Red.: Literaturvermittlerin und längere Jahre Jurysprecherin der Litprom-Bestenliste WeltempfängerTexte bei uns von ihr hier.

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Krazy: Die Erwartung war eigentlich gedimmt …

Lieber Thomas,

Unserer ersten persönlichen Begegnung vor ein paar Jahren ging dein Ruf voraus, eine der gerne „Papst“ genannten Figuren des Kulturbetriebs zu sein: Kritiker, Herausgeber, Auskenner speziell in den Fachbereichen Krimi und Jazz, gediegenes Lametta, ellenlanges Oeuvre. Natürlich war ich gespannt auf den Mann, der auch ein paar Bücher in meinem Regal zu verantworten hat, mit denen ich angeregte Stunden verbracht habe. Aber ich war auch, sagen wir: vorsichtig gestimmt.

Leute der Literatur sind selten so cool wie ihre Werke. Das ist auch ganz in Ordnung: Wer in seiner eigenen Welt über Leben und Tod gebietet, wer die Schicksale erzählter Figuren lenkt, muss sich konzentrieren. Darf sich keinen Pfusch leisten, unter dem ein Plot einbrechen könnte, keinen Schwindel durchgehen lassen, der die ohnehin fragile Vertrauenswürdigkeit von Fiktion beschädigen würde. Wessen Urteilsvermögen das alles im Blick behalten will, muss unbestechlich bleiben. Gute Gründe genug, der realen Welt nervös zu begegnen. Man sollte von Leuten der Literatur nicht zu viel erwarten – etwa, dass sie so eloquente, angenehme Gesellschaft sind wie ihre Bücher… Entsprechend und zusätzlich gedimmt auch meine Erwartung an persönliche Begegnungen mit Koryphäen, Päpsten, Paten und dergleichen.

Vor diesem Hintergrund musst du dir meine positive Überraschung vorstellen, es mit einem schon auf den ersten Blick coolen Vertreter zu tun zu haben – einem offenkundigen Mann aus dem Leben, mit dem es mühelos ins Gespräch ging… Wie kurz die Wege und Querverweise unserer Standpunkte, und wie zuverlässig immer wieder die kulturellen Landkarten sind, die zu gemeinsamen Orten führen … Von da schien es mir auch nicht mehr so weit hergeholt, dass eine Auskenner-Koryphäe der Sparten Krimi und Jazz die erste Besprechung meines Albums schreiben würde… Der Abend hat mein Leben nicht verändert, aber weiter erhellt.

Ein Glas vom Feinsten auf deinen 70. Geburtstag: Bleib stabil und noch lange dabei!

Cheers / Krazy
www.krazysongster.de

– siehe auch bei uns: Krazy: Backstages, Rock’n Roll und wie ich ins Hotelbett kam

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