Geschrieben am 2. August 2024 von für Crimemag, Litmag, Special Thomas Wörtche, Thomas Wörtche

Frank Nowatzki – mit Alf Mayer über pulp beginnings

Derek Raymond (Robin Cook) und TW in Frankfurt

Alf Mayer: Thomas Wörtche und du, ihr kennt euch schon eine ganze Weile. Erinnerst du dich an die Anfänge?
Was hast du damals gemacht – und was er?

Frank Nowatzki: Puh. Das ist ewig her. Ich meine, er hatte diese coole Kolumne namens Leichenberg im Nürnberger Plärrer, in der er immer Unerwartetes besprochen hat, auch Sachbücher, und ich habe als Rookie in Anlehnung an die Black Lizard Books die Reihe Black Lizard Bücher gestartet, um dem Krimi ein anderes, furioses Antlitz zu geben.

Und wie habt ihr euch kennengelernt? Hattest du davor etwas über ihn gehört?

Genaues weiß ich nicht mehr. Wer in den 1980ern dabei war und sich noch erinnern kann, kann nicht wirklich dabei gewesen sein.

Er war freiberuflicher Kritiker damals? Und hat trotzdem versucht, Autoren bei Verlagen unterzubringen?

Genau. Ich habe ihn damals als Kritiker und Networker kennengelernt, der die ganzen coolen Autoren meistens kannte und mit ihnen befreundet war. Die Werkausgaben von Ross Thomas im Alexanderverlag und die von Jerome Charyn bei Diaphanes gehen auf sein Konto und sind so Beispiele. Dass der neueste Ross Thomas „Die Narren sind auf unserer Seite“ jetzt im August 2024 auf der Bestenliste ganz oben steht, unterstreicht auch heute noch die Wichtigkeit des Autors. Eine um mehr als die Hälfte gekürzte deutsche Ausgabe erschien 1972 unter dem Titel „Unsere Stadt muss sauber werden.“ (Anm. d. Red.: Siehe auch „Mit der Sense übersetzt“, von Alf Mayer und sein Interview „Habt ihr solch einen Fall von Verstümmelung schon erlebt?“ mit den Übersetzern Gisbert und Julian Haefs im Juli-CrimeMag.)

Er ist in Berlin mit Autoren herumgezogen. Ist dir davon etwas in Erinnerung?

Ich weiß nur: Er hat Robin Cook (aka Derek Raymond) damals angeschleppt, der war wohl bei Bastei unzufrieden, wo die Factory-Romane mit so einer Art Edgar-Wallace-Bebilderung erschienen sind. Habe Derek Raymond dann nach dem Krimipreis 1991 für „Ich war Dora Suarez“ nach Frankfurt zur Buchmesse geholt und ein Jahr später dann zu mir nach Berlin. Weil ihm der Trip nach Frankfurt so gefallen hatte. Alles noch mit echtem Briefverkehr arrangiert. Robin brauchte Kohle, hatte wohl mehr Fame erwartet und Thomas und Pieke Biermann haben ihn dann zu Rotbuch vermittelt. Dort ist sein Nachfolgeroman aber gefloppt; war offenbar ein schlechter Zeitpunkt für Serienkiller. Das Momentum war vorbei. Danach kurze Funkstille mit Thomas. Ich hatte dann mit der Black Lizard Pleite zu tun.

Wie ging es weiter?

Dann folgte die Gründung von Pulp Master mit Derek Raymonds „Roter Nebel“ als Band 1, um seine Weltklasse noch mal zu unterstreichen. Dann holte ich Garry Disher zu uns und der bekam für GIER den Krimipreis (2000). Der Tipp dazu kam damals aus der Punkszene. Über Disher stand etwas in einem UK Fanzine. Dann machte Thomas bei Union den „Drachenmann“ und Disher sahnte 2002 wieder den Krimipreis ab und konnte sich im deutschsprachigen Raum etablieren.

Von Garry Disher hast ja – bis heute – alle Wyatts gemacht, also die Räuberromane. Was hat dir an denen immer schon gefallen und warum bist du dabeigeblieben?

Damals war Australien als Location für Crime Fiction unterbewertet und Garry Disher so was wie ein Pionier oder gefühlt sogar ein Botschafter. Garry brachte die Richard-Stark-Parker-Romane mit seinen Wyatts auf ein ganz neues Level. Das war aufregend und exotisch, und er konnte ganze Landstriche oder Bevölkerungsschichten mit wenigen Worten skizzieren wie kaum ein Zweiter. Ich war selbst noch nie in down under, aber durch seine Romane bekam ich eine ziemlich gute Vorstellung davon.

Du hast damals dann vermutlich verfolgt, was Thomas beim Unionsverlag gemacht hat? Wie fandst du das – und gab es auch Austausch über Autoren?

Dass dort plötzlich ein anderer Wind herrschte, ist mir sofort aufgefallen. Um ein Beispiel zu nennen: Helen Zahavi „Donna und der Fettsack“ und „Schmutziges Wochenende.“ Man darf aber nicht vergessen, dass Union auflagentechnisch in einer höheren Liga spielte und Thomas auch dementsprechend Umsatz generieren musste.

Wie läuft das zwischen euch beiden heute? Ist das etwas Kollegiales geworden? Wellenlänge kompatibel?

Wir hatten stets einen guten Draht zueinander und haben uns immer mal wieder zu einem Bierchen verabredet. Als Droemer z.B. mal die Taschenbuchrechte von meinen Wyatt-Übersetzungen haben wollte, bin ich mit ihm in einer kleinen schäbigen Pizzeria das Angebot durchgegangen, weil ich als Kleinverleger keinen Schimmer hatte, wie das alles einzuordnen war. Thomas gab mir damals den Ratschlag: „Take the money and run.“

Im Lauf der Jahre kommen ja auch ordentlich tote Autoren und Begräbnisse zusammen. Habt ihr euch auch mal auf einer Beerdigung gesehen?

Nein, eigentlich nicht. Ich habe nur von ihm gehört, dass Derek Raymond in London mit einem T-Shirt seines letzten Factory-Romans „DEAD MAN UPRIGHT“ beerdigt wurde. Ich selbst war nicht dort, hatte durch die Black-Lizard-Pleite nicht das nötige Kleingeld für die Anreise und musste malochen. Meinen Respekt zollte ich später mit dem Publizieren von „Roter Nebel “ bei Pulp Master.

Kommen wir wieder zum Geburtstagskind. Weißt du noch, was dir an ihm in diesen frühen Jahren besonders gefallen hat?

Ohne seine Besprechungen, Entdeckungen, Connections wäre mir ein Haufen gutes Zeugs durch die Lappen gegangen.

Und heute?

Er hat Suhrkamp in die richtige Spur gebracht. Wenn man sich anschaut, was die vorher so verzapft haben, als sie noch Bücher wie „Der Geschmack der Gewalt“ von Frank Bill gemacht haben …und auf Country noir machen und auf jeden Zug aufspringen wollten, meine Güte. Thomas hat den Krimi bei Suhrkamp erfolgreich etabliert, in die Bestenlisten gebracht und hat da angeknüpft, worin er gut ist … Und in solch großen Publikumsverlagen geht es ja auch um Arbeitsplätze. Darf man nie vergessen …

Wenn du ihn jemand, der ihn nicht kennt, in einem Satz charakterisieren müsstest …

Dann würde ich ihn als eine Art Kriminalliteratur-Wissenschaftler beschreiben, der mit seinen Analysen bereichern und verblüffen kann.

Was wünscht du ihm zum Geburtstag?

LONG MAY HE RUN. Wir sehen uns z.B. beim nächsten Abweichenden-Verhalten-Krimi-Talk und stoßen zumindest mit einem Wässerchen an. Cheers!

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