Geschrieben am 23. April 2009 von für Musikmag

Kreisky: Meine Schuld, meine Schuld, meine große Schuld

Kreisky: Meine SchuldNie daheim

Solch ein größenwahnsinniges, aus der Rolle fallendes, hintertriebenes, bitterböses, lustiges Album kann nur aus dem hassliebenden Österreich kommen. Von Tina Manske

Dass eine Band, die sich nach einem österreichischen Ex-Bundeskanzler benennt, sich in ihren Songs nicht ins Private zurückzieht, ist ziemlich logisch. Kreisky machen auf ihrem nach dem Schuldbekenntnis der katholischen Liturgie benannten Album das Private zum Politikum. Nichts läuft im Universum dieser vier Männer aus Wien reibungslos, Reibung wird hier gebraucht, denn sie erzeugt die Wärme, die im Alltag dieser Songs fehlt.

Gitarre, Bass, Schlagzeug, Gesang – mehr braucht es nicht. „Meine Schuld…“ ist eigentlich eine Ansammlung von abstrusen Kürzestgeschichten, die vor einer Wand von trickreichem Lärm erzählt werden, beeinflusst von Punk und Hardcore. „Glitzer“ zum Beispiel, eine bitterböse Satire über den gemeinsamen Urlaub, der zum Alptraum wird, wo sich die inneren Gefühle nach außen kehren und sich als Konfetti und „glitzerndem Scheiß“ über dem Ex-Liebespaar ergießen. Oder „Dow Jones“, dieser Rockkracher über eine nie endende Party mit todlangweiligen Gästen: „Und dann sagst du, um vier sind wir sicher daheim/ ich sag, das möcht ich sehen, dein Glas ist ja noch voll/ Du sagst, das stimmt, aber du trinkst ja schnell/ Hauptsache, sag ich, um vier sind wir daheim … Und wann sind wir endlich daheim? Wir sind nie daheim“. Ist ja alles auch kein Wunder, denn Sänger Franz Adrian Wenzl ist auch Schriftsteller – w.z.b.w.

Keine Zugeständnisse

Beim grandiosen „Feinde“ plötzlich wird die Wildheit kurzzeitig gezähmt – fast lauschig kommt das Lied anfangs daher. „Wir brauchen uns nicht zu mögen/ wir können uns ignorieren/wir brauchen nicht Freunde werden/ bleiben wir Feinde“, singt Wenzl, bevor dann am Ende doch der Wahnsinn aus ihm rausbricht. Referenzen kann man bei den Goldenen Zitronen finden oder bei Fugazi, Surrogat hört man raus, „Auf Ledersitze weint man nicht“ treibt Kettcars „Im Taxi weinen“ die letzten Zugeständnisse an den ganzen Scheiß aus.

„Meine Schuld…“ ist bemerkenswert gut produziert. Jeder Gitarrenton kommt glasklar aus den Boxen, man höre nur den Funk auf dem abschließenden „Die Menschen sind schlecht“. Solch ein größenwahnsinniges, aus der Rolle fallendes, hintertriebenes, bitterböses, lustiges Album kann nur aus dem hassliebenden Österreich kommen.

Tina Manske

Kreisky: Meine Schuld, meine Schuld, meine große Schuld. Wohnzimmer Records (Vertrieb: Cargo).