Geschrieben am 19. Dezember 2013 von für Highlights 2013

CM-Jahreshighlights 2013, Teil III (M–Z)

Patrícia Melo_Der LeichendiebWillkommen

zum CM-Jahresrückblick, Teil III (M–Z): die Tops & Flops von LitMag, MusikMag & CrimeMag, so wie unsere Autorinnen und Autoren das Jahr 2013 sahen: Bücher, Filme, Musik, TV, Kino, Alltag und Wahnsinn … ungeordnet und undogmatisch. Viel Vergnügen! (Zu Teil I und Teil II)

Alf_MayerAlf Mayer

Fiction: Alte Meister, überbordende junge Talente, einige aufregende Sachbücher und eine verlegerische Großtat, das waren meine abseitigen Vergnügen in 2013.

Erstaunlich wenig literarisches Aufheben fand der 50. Jahrestag der Kennedy-Ermordung. In den Medien, oh unheiliger Zeitgeist, wurde mehr seinen Affären als den politischen Implikationen des Attentats nachgespürt, nur der hier ins Nirwana der Unübersetzten geratene Thrillerautor Stephen Hunter (67) riskierte es, seinen Scharfschützenhelden Bob Lee Swagger auf „The Third Bullet“ (Simon & Schuster, 486 S.) anzusetzen, all die Verschwörungs- und Schützentheorien durch zu deklinieren und sie mit etwas Neuem zu krönen.

Besser und überzeugender als all die anderen im Genre, das ist der britische Thrillerautor Gerald Seymour (72), der sich 2013 mit „The Corporal’s Wife“ nach einer langen Linie feinster Bücher selbst übertroffen hat. Unglaublich, was er aus einem „kleinen“ Fall des Agentenkampfes an Feuer schlägt: Der Chauffeur eines iranischen Offiziers wird von den Briten gekidnappt und ausgequetscht, bevor er aber weiter redet, will er seine Frau bei sich haben. Daraufhin wird sie in Teheran von „Kontraktoren“ entführt, hat jedoch ihre eigene Geschichte und Agenda. Was für ein Stoff. Gerald Seymour wird seit zehn Jahren nicht ins Deutsche übersetzt. Das hat er mit James Lee Burke (77) gemeinsam, der mit dem 20. Dave-Robicheaux-Roman „Light of the World“ (Simon & Schuster, 548 S.) ein vor Vitalität strotzendes Buch vorgelegt hat.

All die action-Handlung anderer Thriller kondensiert bei John le Carré (82) in einem USB-Stick, der am Ende von „Empfindliche Wahrheit / A Delicate Truth“ (Ullstein, 394 S.) in einen Laptop gesteckt wird. Mit minimaler action kommt auch Spionage-Altmeister Charles McCarry (83) in seinem 13. Roman „The Shanghai Factor“ (Mysterious Press, 292 S.) aus. Zu Recht für seinen Erstling gelobt wurde der ehemalige CIA-Offizier Jason Matthews für „Red Sparrow“ (Simon & Schuster, 436 S.). Bei diesen beiden Autoren, wie auch bei dem im heimischen England nun nicht mehr verlegten Brian Freemantle (77) in seinem 16. Charlie-Muffin-Roman „Red Star Falling“ (St. Martin’s Press, 346 S.) geht es überaus intelligent um „human intelligence“.

Scahill_Schmutzige KriegeNon fiction: Kriegsberichterstattung ist auch, was David Peace, ja der vom „Damned United“ und „Tokio Besetzte Stadt“ oder „1974“, „1977“ und „1980“, in „Red or Dead“ (faber and faber, 720 S.) zum Nägelbeißen spannend schildert: nämlich den Aufstieg des Liverpool Football Clubs unter Manager Bill Shankly zwischen 1959 und 1974. Was für ein geiles Buch aus der Abteilung Non-Fiction. Besser nicht nachts allein zuhause zu lesen, meinte die New York Times, sei das wegen Rechtsstreits um einige Jahre verzögerte „Im Gefängnis des Glaubens: Scientology, Hollywood und die Innenansicht einer modernen Kirche/ Going Clear“ von Lawrence Wright (DVA, 624 S.) Der Autor von „Der Tod wird euch finden: Al-Qaida und der Weg zum 11. September“, beschreibt entlang der Biographie des Filmregisseurs Paul Haggis (L.A. Crash) eine haarsträubende Sektenkarriere. Bedeutsam waren Jeremy Scahills „Schmutzige Kriege. Amerikas geheime Kommandoaktionen / Dirty Wars: The World Is A Battleground“ (Kunstmann, 720 S.), Radley Balkos Alarmruf „Rise of the Warrior Cop: The Militarization of America’s Police Forces“ (Public Affairs, 400 S.) und die unglaubliche Flugzeugentführerstory „The Skies Belong to Us: Love and Terror in the Golden Age of Hijacking von Brendan I. Koerner. (Crown, 336 S.), siehe auch hier.

Comics: Für meinen Geschmack etwas Neues war „Hawkeye, Vol. 1: My Life as a Weapon“ von Matt Fraction, David Aja und Javier Pulido.

Talente: Ivy Pochoda: „Visitation Street“ (Dennis Lehane Books/ HarperCollins, 306 S.); Sergio de la Pava: „A Naked Singularity“ (Maclehouse Press/ Quercus, 864 S.); Eleanor Canton: „The Luminaries“ (Granta, 834 S.), die jemals jüngste Booker-Preisträgerin, Owen Fitzstephen: „Hammett Unwritten“ (Seventh Street Books, 176 S.) und die mit „State of Being“ abgeschlossene dystopische „God Head Trilogie“ von Sven Michael Davison (Bedouin Press, 410 S.), zu der auch „State of Union“ und „State of Mind“ gehören.

Eine verlegerische Großtat: die Ankunft von James Carlos Blake mit „Das Böse im Blut/ In the Rogue Blood“ in Deutschland (bei Liebeskind). Ein scharfes Buch aus Brasilien ist Ana Paul Maias „Krieg der Bastarde“ (A1 Verlag).

Fernsehserien/Filme: „Borgen“, Staffel 3; „Hatufim – In der Hand des Feindes“; „Top of the Lake“; „House of Cards“, die US-Serie wie erst recht das BBC-Original von 1990. James Dean wäre heutzutage tätowiert: Ein selten starker Auftritt von Ryan Gosling in „The Place Beyond the Pines“ (Studiocanal, 140 Min.), Derek Cianfrance ein Ausnahme-Regisseur. Quasi neu sind die auf Blue Ray remasterten Filme „Vertigo“ (Hitchcock), „Taxi Driver“ (Scorsese) und „Citizen Kane“ (Welles). Und dann gab es 2013 Mark Cousins „The Story of Film“ (5 DVDs, 914 Min, bei Arthaus) und die fulminante Citerion-Edition von „Zaitochi – The Blind Swordman“ mit allen 25 Filmen digital restauriert, zwei Dok-Filme und ein Begleitbuch dazu, zusammen 2.198 Minuten, alles in einer japanischer Verpackungskunst alle Ehre machenden Box, für schnäppchenhafte rund 120 US-Dollar im Netz zu fischen.

Und dann war da noch Elmore Leonard (11. Okt. 1925 – 20. Aug. 2013).

Zu den CM-Beiträgen von Alf Mayer.

christina_mohrChristina Mohr

Wow – 2013 war musikalisch betrachtet ein echter Knaller. Wie so oft wird das erst am Schluss so richtig klar, wenn man alle Platten, Videos, Bücher, Konzerterlebnisse der vergangenen zwölf Monate nochmal Revue passieren lässt.

Für mich persönlich waren die musikalischen Highlights schön gleichmäßig übers ganze Jahr verteilt: im Januar und Februar erschienen Tocotronics Großwerk „Wie wir leben wollen“, Tegan and Saras umstrittenes, von mir sehr lieb gehabtes Powerpop-Album „Heartthrob“, ebenso Nick Caves „Push the Sky Away“ und die grandiose Rückkehr von My Bloody Valentine, schlicht „mbv“ betitelt. Aufregend ging es (für mich) weiter mit Savages, The Knife, David Bowie, Daft Punk, Vampire Weekend, James Blake, Pet Shop Boys, Jessy Lanza, Janelle Monáe, Austra, Arcade Fire, Prefab Sprout, Justin Timberlake, den Goldenen Zitronen, Julia Holter, AlunaGeorge, Goldfrapp, Mazzy Star, Anna Calvi, Laura Mvula, Emika, Maya Jane Coles, MS MR, Michaela Melián, Nadine Shah, Cate Le Bon, Lorde, Justine Electra… tolle Platten allüberall, die wir zum Großteil im Culturmag gebührend gewürdigt haben.

Enttäuschungen gab es natürlich auch: CocoRosie machen weiterhin schöne, aber inzwischen komplett vorhersagbare Musik, weshalb mich „Tales of a Grass Widow“ nicht vom Hocker riss. MGMT, Phoenix, Franz Ferdinand, Little Boots, die Yeah Yeah Yeahs – sie alle machten Mal große Versprechungen, die nun nicht mehr eingelöst werden (können). Und Lady Gaga? Ach richtig, vor kurzem erschien „ARTPOP“ und verpuffte kläglich. Manche machen Katy Perry und Miley Cyrus für diesen Flop verantwortlich, ich nicht. Ich bedaure nur, dass Stefani Germanotta ihren Humor eingebüßt hat, der „The Fame“ zu einem so klasse Album machte – davon ist nix mehr übrig und die Musik nur Konfektionsware, weder Kunst noch Avantgarde. Schade.

Von Depeche Mode erwarte ich nun wirklich nichts Tolles mehr. Dass „Delta Machine“ ein unerträglich langweiliges, aufgeblasenes, pompöses Machwerk war, hielt mich indes nicht davon ab, im Frühsommer mit 80.000 anderen Menschen in die Frankfurter Commerzbank Arena zu pilgern, um auf riesigen Leinwänden von Anton Corbijn gedrehte Depeche-Mode-Videos zu gucken. Die Band war ebenfalls vor Ort (dank des sündhaft teuren Premium-Luxustickets konnte ich sie tatsächlich auch SEHEN) und rockte hart – ich liebte DeMo ja einst dafür, weil sie genau das nicht taten, aber well, tempi passati.

b52s

B52s

Innigere Konzerterlebnisse hatte ich zum Beispiel bei Savages, Hercules and Love Affair, den japanischen Riot Grrrls von Shonen Knife, Tegan and Sara, Brandt Brauer Frick, Charles Bradley, Adam Green beim Frankfurter LiteraTurm-Festival (!) und vor allem bei den unkaputtbaren B52s, die in Hanau (ausgerechnet!) anderthalb Stunden lang uns grau gewordenen Berufsjugendlichen die künstlichen Hüftgelenke auskugelten. Großartig, ich zehre noch immer davon.

Das von mir heiß erwartete Konzert vom Tom Tom Club fiel leider ohne Begründung aus, zu Peaches und Kat Frankie habe ich es aus unerfindlichen Gründen nicht geschafft, und bei Lana Del Rey habe ich mich im Vorfeld schon so gelangweilt, dass ich glatt vergaß, ein Ticket zu kaufen.

Was war noch? Ich habe bei der hoffnungslos überfüllten Ausstellungseröffnung in der Schirn Yoko Ono immerhin durch die Glasscheibe sehen dürfen; ich wurde Zeugin von Christiane Rösingers Auftritt als Schmerzenskönigin, als sie sich kurz vor dem Lesekonzert im Frankfurter Literaturhaus eine Rippe brach; habe hemmungslos zu „Get Lucky“ getanzt (im Bad, in der U-Bahn, im Club – sprichwörtlich überall), lauthals „Royals“ mitgesungen und kein einziges Mal „Voice of Germany“ geguckt, obwohl alle immer sagen, dass man VoG auf keinen Fall mit DSDS vergleichen darf.

Neenee, lieber mal was lesen, zum Beispiel Jonnie Schulz‘ herrliche Geschichte über die Butch Meier Band (erschienen bei Ventil) oder den dicken Metrolit-Bildband über das Berliner Nachtleben – highly recommended, Reviews folgen in Kürze an dieser Stelle!

Im Sommer las ich begeistert und gerührt Tracey Thorns Biographie „Bedsit Disco Queen“ und hörte mich parallel dazu durch das 5-CD-Set „Scared to Get Happy“, auf dem fast alle britischen wimpy Postpostpunkbands der 1980er-Jahre versammelt sind, inklusive Thorns erster Band, den Marine Girls… manchmal passt eben einfach alles zusammen – in diesem Sinne: thank you for the music, 2013!

Halt: eins verzeihe ich dir nicht, 2013: Dass Almut Klotz gestorben ist, und zwar eine Woche bevor ihr wundervolles Album mit Reverend Dabeler, „Lass die Lady rein“ erschien.

Zu den CM-Beiträgen von Christina Mohr.

Peter-Münder1Peter Münder

FC Nimmersatt: Die bayrische Raupe Nimmersatt frisst sich, seitdem Trainer Pep auf der Bank sitzt, nicht nur durch frischen Blattsalat, durch Leberkäs und Brezeln, nein sie putzt auch munter alle Konkurrenten weg – vor kurzem Werder Bremen mit 7:O. So weit so gut und bekannt. Aber darüber diesen grandiosen Kommentar von Ralf Wiegand („Ein Würstchen, ein Törtchen und Werder Bremen“) in der SZ zu lesen, diese köstlichen Apercus und Anspielungen auf Pippi Langstrumpfs Motto „Ich mach mir die Welt, widdewidde witt wie sie mir gefällt“ – das war feuilletonistische Sprachartistik in bester Alfred-Polgar-Tradition, so herrlich, dass ich einfach nur begeistert jubeln konnte. O-Ton Wiegand: „Manchester am Dienstag, Hamburg am Samstag, dann noch eine kleine Klub-WM. Es gibt noch viel zu futtern für die kleine Raupe Nimmersatt. Und erst am Ende wird sie zum Schmetterling!“ Einfach fabelhaft.

2.Peace and Pitch: David Peace, Autor des Yorkshire-Ripper-Quartetts, ist ja bekannt für seine monomanische Art, sich auf ein Thema einzulassen. In „Tokyo Year Zero“ hört man als Hintergrund-Begleitmusik zum düsteren Plot immer wieder die wunderbare Lautmalerei, die eine alte japanische Standuhr von sich gibt: Tok tok tok , und das „Gari gari“- Kratzgeräusch des von Flöhen und anderem Ungeziefers heimgesuchten Detektivs Minami gibt er auch so naturalistisch wieder, dass man als Leser bald befürchtet, sich mit der Krätze infiziert zu haben.

Nach seinem 15jährigen Japan-Aufenthalt kehrte Peace nach England zurück und entdeckte dort die wirre Welt des Fußballs, genauer gesagt: Der besessenen Vereinsmanager und Trainer. Die atemberaubenden Auf-und Abstiege von Vereinen und Trainerlegenden sind ja tatsächlich so aufregend wie gute Krimis, aber David Peace hatte sich dermaßen intensiv auf die Kicker-Welt eingelassen, dass der Underdog-Aufstieg eines Drittligisten in die Premier League sich für ihn so so blutig, dramatisch und heldenhaft darstellte wie ein Weltkriegs-Epos. Daher steckte im verrückten Aufstieg und Fall des größenwahnsinnigen, streitsüchtigen Brian Clough – er war gerade mal für 42 Tage Trainer bei Leeds United – die Tragik eines antiken griechischen Dramas, das er dann in seinem Roman „The Damn United“ darstellte.

Peace_Red or deadNun hat Peace aber seine monomanische Masche total überdreht: Im 700 Seiten starken biografischen Roman „Red or Dead“ (rot ist die Clubfarbe vom FC Liverpool) über den legendären Liverpool-Trainer Bill Shankley, der seinen Verein aus dem Keller konsequent an die Tabellenspitze jagte und mit fast schon pathologischem Perfektionismus nur an Training, Aufstellungen und Tabellenpositionen denkt, hat sich Peace wie ein Neurochirug in die grauen Zellen des damaligen Trainer-Stars hineingewunden und ellenlange innere Monologe ausgewalzt, die einen beinah in den Wahnsinn treiben. Aber auch nicht mehr so richtig loslassen – jedenfalls hat meine Bürowand jetzt etliche Dellen und Kratzer vom mehrmals an die Wand geklatschten „Red or Dead“-Band, der bestimmt nie ins Deutsche übersetzt wird. Die Grenze zwischen Genie und Wahnsinn ist ja extrem schmal, OK, aber wer kann schon was anfangen mit endlosen Redundanz-Schlaufen, die direkt aus einer Oper von Philip Glass zu stammen scheinen und mehrmals fast seitenlang wiederholt werden? Bei Peace tendiert die Kunst maximaler Redundanz jedenfalls meistens zur kafkaesken Autisten-Nabelschau. Ein eher ambivalentes Aufreger-Highlight also. Hier eine kleine Kostprobe:

„In the house, in their hall. The letters never stopped coming. The first post and the second post. The letters always coming. The letters asking for tickets. Cup Final tickets. And Bill answered them all. Bill apologized to them all. In the house at their door. The callers never stopped knocking. Early in the morning, early in the evening. The callers always knocking. The callers begging for tickets. Cup final tickets. And Bill answered them all. Bill apologized to them all. In the house, in their hall…“ usw.

3.Gladiatoren mit Bleifuß: Der fulminante Ron Howard-Streifen „Rush“, der das gnadenlose Rennfahrer-Duell Niki Lauda gegen den britischen Rivalen James Hunt als moderne Gladiatoren-Saga aufarbeitet, ist vielleicht eher für Leute mit Benzin im Blut attraktiv. Für mich stellt es eine Art Gesamtkunstwerk dar: Sittengemälde der 70er Jahre, Charakterstudie völlig unterschiedlicher Typen. Der penible Buchhalter, Tüftler und Kalkulator Lauda einerseits und der „Now or Never“-Playboy James Hunt andererseits. Beeindruckend Daniel Brühl als Niki Lauda und wunderbar auf Speed, Sex und Show fixiert der hedonistische Hunt von Chris Helmsworth. Ein phonstarkes Helden-Epos, atemberaubendes Speed-Spektakel, anrührendes Porträt des beinah beim Nürburgring-Unfall verbrannten Österreichers.

Zu den CM-Beiträgen von Peter Münder.

noller
Foto: Irene Kliever

Ulrich Noller

2013 war kein schlechtes Krimi-Jahr. Es gab starke Einzeltitel, auch aus Deutschland. Meine  Höhepunkte: „Marmormänner“ von Matthias Wittekindt, außerdem „Quercher und die Thomasnacht“ von Martin Calsow. Die Amerikaner zeigten einmal mehr, was sie können, im Übersetzungsjahrgang 2013 insbesondere mit New Yorker Geschichten, „Gun Machine“ von Warren Ellis sowie Charyns „Unter dem Auge Gottes“. Auch klasse: Robert Crais mit seinem so was von zeitgenössischen Ermittlerthriller „Straße des Todes“. Und ein paar Brasilianer belieferten den Buchmessen-Schwerpunkt auch mit reichhaltigem Genre-Stoff; allen voran Patricia Melo mit ihrem grandiosen „Leichendieb“.

In der Breite war in diesem Jahr allerdings der Noir aus Italien herausragend: Mindestens ein halbes Dutzend toller Titel italienischer Autoren wurde ins Deutsche übersetzt; Geschichten und Romane, die in der Regel um die organisierte (Drogen-) Kriminalität kreisen – und die den schönen, alten Begriff des Noir auf neue, spannende Weise mit Leben füllen.

Zum Beispiel der Roman „Die Marseille Connection“ von Massimo Carlotto, der der Globalisierung des Verbrechens (respektive: der Mafia) nachspürt und dabei abenteuerlich konstruiert, ein Feuerwerk an Verbrechens-Geschichten zündet. Oder „Respekt“ von Vins Gallico, im Untertitel „Ein ‚Ndrangehta-Krimi“, der ausgerechnet eine Sportreporterin zur Heldin hat, die dem organisierten Verbrechen im ländlichen Kalabrien auf überraschende und informierte Weise auf die Spur und in die Quere kommt. Oder „In der Brandung“, ein gewieft konstruierter Noir von Ex-Staatsanwalt Gianrico Carofiglio, der aus den Therapiegesprächen eines ehemaligen Undercover-Ermittlers heraus ein Panoptikum des Verbrechens skizziert. Um bloß ein paar von Vielen zu nennen.

carlotto_marseille connectionGewagte Konstruktion, originelle Charaktere, sprachliche Klasse, das zeichnet (fast) alle neuen italienischen Kriminalromane aus – neben der Tatsache, dass sich ihre Autoren aufs Nötigste beschränken, statt sich in endlosen Schwarten zu verlieren. Wie gesagt: Eine große, alte Kultur, die des Noir, erlebt hier eine Blüte. Toll, dass das nun auch vermehrt auf dem deutschen Buchmarkt stattfindet. Diese Kunst der Verschärfung, Zuspitzung und Reduktion, sie hat ja in der hiesigen Literatur leider kaum, um nicht zu sagen: keine Bedeutung. Es fehlt die Übung, der Umgang mit dem Noir. Was man, sorry to say, mitunter auch an den Übersetzungen aus dem Italienischen bemerkt, die mitunter, siehe „Marseille Connection“, seltsam unbeholfen und steif nach Wegen über die Alpen suchen.

Wer sich in den italienischen Noir erstmal reinlesen will, der kann sich auch zwischen zwei gelungenen Erzählungsbänden entscheiden: „Richter“ von Andrea Camilleri, Giancarlo de Cataldo und Carlo Lucarelli versammelt drei tolle Geschichten um Richter aus verschiedenen Zeiten; in „Kokain“ von Massimo Carlotto, Gianrico Carofiglio und Giancarlo De Cataldo werden drei auf ganz unterschiedliche Weise beeindruckende Fälle aus dem Drogenmilieu erzählt. Wer diese beiden Bände gelesen hat, kommt um eine Erkenntnis nicht herum: In Italien gibt’s die Mafia, korrupte Politiker, ökonomische Probleme und all das – aber auch ein paar verdammt gute Kriminalschriftsteller, die aus diesen Rohstoffen Kunst gestalten.

Zu den CM-Beiträgen von Ulrich Noller.

osswaldRoland Oßwald

Carl Weissners Roman „Tod in Paris“ – und Stories, bei denen man auf die Knie geht und vor Glück in die Fußmatte beißt, versammelt in dem im Milena Verlag herausgegebenen Reader „Eine andere Liga“ (zur CM-Rezension), ist mein persönliches Highlight im Jahr 2013. Nach vier Jahrzehnten als Übersetzer (neben Agententätigkeit, Edition von Gesamtausgaben, gelegentlichen Feuilletons etc.) war Carl Weissner 2007 mit dem Roman „Tod in Paris als Autor in den Ring zurückgekehrt. Zusammen mit den Stories, beginnend im Jahr 1899 geben Interviews, Post von Bukowski und Burroughs, Essays und Kollaborationen mit anderen Autoren einen guten Einblick in das literarische Leben und Arbeiten Weissners. In der „Liga“ tritt er den Beweis an, dass der Umgang mit deutscher Sprache auch frei von Gleichschaltung sein kann. Plausiblere Prosa gab es für mich in diesem Jahr nicht.

Auch in 2013 war es wieder mal der Sender HBO, der nun schon in der dritten Staffel eine Serie ausstrahlt, die überzeugt und großartig unterhält. „Treme“ ist eine Serie über New Orleans, in erster Linie natürlich über den Stadtteil Treme. Inszeniert wird das Leben kurz nach Hurricane Katrina. Vieles ist zerstört. Die Aufräumarbeiten kommen nur langsam in Schwung. Die Korruption blüht. Und die Musik spielt weiter. Man kann wahrscheinlich auch sagen, Treme ist eine Serie über Musiker. Aber das liegt ja in The Big Easy auf der Hand. Ein Haufen alter Bekannter aus „The Wire“ tauchen hier wieder auf, angefangen beim Show Runner, der Produktionsfirma, Regisseuren, Schauspielern bis hin zu Entwicklern und Autoren wie z.B. George Pelecanos. Da Musik dem Ganzen den nötigen Drive gibt, ist die Serie gespickt mit Gastauftritten großartiger Musiker. Unter anderem die Tremé Brass Band, Trombone Shorty, Dr. John, Allen Toussaint, Elvis Costello, Steve Earle …

(Sein BuchI’ll Never Get Out of This World Alive“ ist übrigens auch sehr lesenswert. Es ist eine ungekünstelte Drogengeschichte, die in den frühen Sechziger Jahren stattfindet. Ein Heroinabhängiger (Earle spricht aus Erfahrung) muss darin mit dem Geist von Hank Williams in den Clinch gehen. Der Titel ist, für die, die Williams Werk nicht so gut kennen, ein Song des Countrystars, den er zusammen mit Fred Rose geschrieben hatte.

Und wer tiefer in die Welt von Hank Williams und vor allem in die Country Musik einsteigen möchte, sollte einfach Franz Doblers „The Boy Named Sue“ lesen. „I’ll never Get Out of This World Alive“ ist Williams’ letzte Single von 1952. Kurz nach seinem Tod im Januar 1953 erreichte sie Platz #1 in den Billboard-Charts der Country Singles. Ein Jahr später starb dann auch Fred Rose. Keine Angst, vor der Ironie muss man jetzt nicht gleich weglaufen. Song und Buch machen großen Spaß.) Wenn ich schon bei US-Serien bin, fällt mir ein, dass es in „House of Cards“ einige gute Dialoge und mitunter brillante Szenen gab. Die Netflix-Umsetzung (mit Kevin Spacey und einer umwerfenden Robin Wright) ist auf jeden Fall besser als die der BBC aus dem Jahr 1990.

In der Podcastlandschaft haben mich ein paar Produktionen aus dem küchenstudio überzeugt. Offshore-Leaks im Medienradio gehört meiner Meinung nach in jedes Schallarchiv, das der Aufklärung dienen will. Die Sendung ist es wert, mehrfach gehört zu werden, weil man die wichtigsten Hintergründe und die perfide Geschichte dieses Scoops noch einmal von Sebastian Mondial und Philip Banse aufgedröselt bekommt, und ganz nebenbei lernt, wie man Geld in Steuerparadiesen wäscht.

Mit Filmen ist das immer so eine Sache, da sie mir nicht sonderlich lang im Gedächtnis haften bleiben. Ausnahmen sind natürlich die Regel. Spontan fällt mir „The Place Beyond The Pines“ von Derek Cianfrance ein. Er hat eine recht witzige und ruhige Erzählweise.

In Sachen Comic habe ich dieses Jahr leider völlig gepennt, aber ich hoffe, hier in den Highlights vom Culturmag ein paar lohnenswerte Empfehlungen zu entdecken. Bin ich mir eigentlich sicher …(„Asterix bei den Pikten“ hat auf jeden Fall nicht sehr überzeugt).

Carl Weissner: „Eine Andere Liga“, Milena Verlag
Florian Günther (Hrsg.): „DreckSack – Lesbare Zeitschrift für Literatur“, Edition Lükk Nösens
Charles Bukowski: „Noch Mehr Aufzeichnungen Eines Dirty Old Man“, Fischer
Franz Dobler: „The Boy Named Sue“, Edition Tiamat
Benedikt Maria Kramer (Hrsg.): „love child – superbastard extra #1“, Songdog Verlag Wien
Zu den CM-Beiträgen von Roland Oßwald.

 Andreas PittlerAndreas Pittler

Krimi: 2013 war rotweißrot. Der österreichische Krimi hat 2013 ein kräftiges Lebenszeichen von sich gegeben. Auch wenn bei weitem nicht alle AutorInnen aus der Alpenrepublik auch in Deutschland wahrgenommen werden, so etablierte sich zwischen Boden- und Neusiedlersee eine überaus lebendige Szene, die im vergangenen Jahr Beachtliches vorlegte. Allen voran fällt mir Stefan Slupetzkys „Polivka hat einen Traum“ ein, eine wortgewaltige Mischung aus Krimi und Politsatire, die erst dieser Tage durch das aberwitzige „Urteil“ des OGH (in genau jener Sache, die Slupetzky aufs Korn nimmt) getoppt wurde.

In die Abgründe von Politik und Wirtschaft führte uns 2013 auch Edwin Haberfellner mit seiner „Grazer Verschwörung“, ein Autor, der trotz seines schon eher fortgeschrittenen Alters erst noch entdeckt werden muss, dessen Werke aber alles beinhalten, was einen großartigen Kriminalroman ausmacht. Auch Thomas Raab hielt sein gewohnt hohes Niveau und geleitete uns 2013 in „Der Metzger kommt ins Paradies“ an die italienischen Adriastrände, was wohl nicht nur den Autor dieser Zeilen an die Urlaube aus Kindertagen erinnerte. Schließlich sei auch noch auf Christian Klingers „Gleichenfeier“ und Gerhard Loibelsbergers „Todeswalzer“ verwiesen. Rechnet der eine mit der heimischen Baumafia ab, so schildert der andere die Tage des Ausbruchs des Ersten Weltkriegs, wobei er erstaunliche Parallelen zu so manch heutiger Entwicklung bloßlegt.

rossbacher_SteirerkindDie vielen bemerkenswerten Romane aus der Feder männlicher Autoren finden ihr kongeniales Pendant auf Seiten der rotweißroten Crime-Ladies. Rechtzeitig zur Schi-WM in Schladming legte Claudia Rossbacher mit „Steierkind“ einen weiteren Band ihrer erfolgreichen Alpenkrimiserie vor, die mittlerweile sogar verfilmt wird. Sigrid Neureiter arbeitet sich mit „Kurschattenerbe“ weiter durch die mittelalterliche Südtiroler Literatur. War in ihrem Erstling Walther von der Vogelweide Dreh- und Angelpunkt höchst krimineller Machenschaften, so geht es diesmal um Oswald von Wolkenstein. Beide Autorinnen verstehen sich nicht nur auf die Kunst der spannenden Literatur, sie machen – so ganz nebenbei – auch Lust auf die von ihnen beschriebenen touristischen Destinationen. Auffällig ist schließlich auch Susanne Wiegele. Ihr „Fetzer und der Trost des Todes“ ist der mittlerweile dritte Band um einen Polizeiermittler, wie er unsympathischer nicht sein könnte. Nichts an dem pedantischen, rechthaberischen, übergriffigen und größenwahnsinnigen Misanthropen ist liebenswert, und genau deshalb legt man Wiegeles Bücher nur ganz schwer weg – als Optimist, weil man froh ist, nicht selbst so ein „Ungustl“ zu sein, als Pessimist, weil man sich bei der Frage ertappt, ob man nicht auch so manche abstoßende Eigenschaft von Fetzer besitzt.

Natürlich haben auch die Routiniers unter den österreichischen Kriminalautorinnen – von Edith Kneifl über Sabina Naber und Beate Maxian bis zu Eva Rossmann – im abgelaufenen Jahr neue Werke auf den Markt gebracht, und auch diese können an dieser Stelle getrost zur geneigten Lektüre empfohlen werden.

Das Jahr 2013 hat gezeigt, dass sich der österreichische Krimi keinesfalls vor dem deutschen zu verstecken braucht. Umso gespannter kann man auf die Produktionen des Jahres 2014 sein.

Als ein kleines Addendum sei mir an dieser Stelle noch einmal der Verweis auf Tanja Maljartschuks wunderbares Buch „Biographie eines zufälligen Wunders“ (siehe meine CM-Rezension) gestattet, für mich das belletristische Werk des Jahres!

Zu den CM-Beiträgen von Andreas Pittler.

Patrícia Melo_Der LeichendiebFrank Rumpel

Ein paar Highlights des Jahres: Vorneweg stehen da die brasilianische Autorin Patricia Melo mit ihrem Roman „Leichendieb“ und ihre Kollegin Ana Paula Maia mit ihrem rasanten „Krieg der Bastarde“. Pete Dexters „Paperboy“ ist zwar nur eine Neuauflage, aber immer noch klasse, und auch Dominique Manottis Roman „Zügellos“ und Jerome Charyns „Unter dem Auge Gottes“ sind echte Highlight in der diesjährigen Krimiproduktion. Auch sehr gut: Adrian McKinty cleverer Nordirland-Roman „Der katholische Bulle“, Friedrich Ani, der in seinem leisen Roman „M“ der rechten Szene auf den Zahn fühlt, Robert Hültner, der seiner Kajetan-Reihe, die im Bayern der 20er Jahre spielt, mit „Am Ende des Tages“ einen würdigen Abschluss geschrieben hat und dabei auch gleich zeigt, wie ein historischer Kriminalroman im besten Fall aussehen kann, Uta-Maria Heim, die mit „Wem sonst als Dir“ eine sich nah am Leben Hölderlins entlanghangelnde, komplexe Geschichte über den Umgang mit Schuld und die unterschiedlichen Vorstellungen von Gerechtigkeit erzählt, Donald Ray Pollock, der mit „Knockemstiff“ einen Erzählband mit wuchtigen Geschichten aus dem mittleren Westen der USA und damit die heuer wohl dichteste Sammlung scheiternder Existenzen geliefert hat.

Sehr schön auch, dass der Weidle-Verlag nach dem großartigen „Rocking Horse Road“ auch gleich Carl Nixons zweiten Roman „Settlers Creek“ veröffentlichte, eine hellwache literarische Auseinandersetzung mit nationaler, in diesem Fall neuseeländischer Identität. Der haitianische Autor Gary Victor erzählt, ausgestattet mit einer eher harthäutigen Sorte Humor, in seinem bei litradukt erschienem Roman „Schweinezeiten“ von einem Port-au-Prince, das eine Art Eingangsbereich zur Hölle ist – und dabei spielt seine Geschichte noch vor dem verheerenden Erdbeben von 2010. Der Zeit danach widmet sich Victors Kollegin Kettly Mars in ihrem glänzenden Roman „Vor dem Verdursten“.

Zu den CM-Beiträgen von Frank Rumpel.

Carlo_SchäferCarlo Schäfer

Das war ein Jahr! „Super“ (Hera Lind)! Man kann sich gar nicht entscheiden, welche Freuden man am intensivsten empfunden hat, wo das reine Glück schier unerträglich wurde und hinter dem Brustbein kratzte, schon fast wieder zu sehr quetschte und zwickte!

War es der herrliche Wahltag, wo unsere „Mutter“ (Jürgen Fliege) endgültig ins epochale, kohl-dynastische hinein gewählt, ach was: gewuchtet wurde? Wo man jetzt sein Apfelbäumchen pflanzen kann und in aller Ruhe verfolgen wird, wie sich Union und SPD katatonisch ineinander koitiert als großer Elendsbrocken aber auch gar nicht mehr rühren?

Gewiss, die Freude ist geschmälert durch die Auslöschung der FDP, dass man also wohl nie mehr den Guido bestaunen kann, aber was soll’s! Piraten und AFD und NPD, ohe, ohe, ohe, ohe!

Leiser, gleichsam im Verhältnis von Knospe zu Rosenhag, freilich auch erlesen: Der Rückzug der römischen Geiß. Bendiktus Sinalco der HIVte muss es halt doch irgendwie gemerkt haben: Dass er immer schon deppert ward? Wohl nicht. Aber dass er nicht mehr so recht durchblickte und von seiner eigenen Mafiatruppe heftig verarscht wurde, das wohl schon.

Hochoriginell die Netzattacken der anderen Art des Herrn Boris Becker, dem zwar die Denkerei ersichtlich eine große Mühsal ist, der aber – o du paradoxe Schöpfung – gerade deshalb „weltweit“ (Joschka Fischer) vertwitterte Karfunkel gebiert, „an dem werden wir noch viel Freude haben“. (J. Löw)

Hohes Lob in tiefem Ernst an Freiburgs Trainer Christian Streich, der es der ganzen pseudoschlauen Bagage mit geradezu demütig stimmenden Sentenzen so ziemlich zeigt. „Wo steht der Senf“, vielfach im Netz zu finden, ist vielleicht die ultimative Klimax der deutschen Redekunst.

In der „Philosophie“ (Rummenigge) hat sich leider weitaus weniger getan, kaum ein großes Problem scheint gelöst. Hier wäre doch mal eine Talkshow von Herrn Lanz fällig, wo dieser Missstand beseitigt wird!

Ja, es gibt auch Dinge, die „unheimlich bitter“ (J. Klopp) sind: Khediras Verletzung, Mappusens vollständige Demontage, Wulffens „Prozess“ (Kafka), dass der hochvorabgelobte Gauck mehr oder weniger nur das Maul hält, die galoppierende Demenz des BILD-Buben Wagner… Und auch international: Der Herr Armstrong, dass der so einen Lügenkrebs hat, wo der so schnell radelt, aber nie hätte man es ahnen können!

Dafür wird die Literatur immer besser, die Kunst insgesamt „boomt“ (J. Ackermann), wahrscheinlich liegt das an GraSS, Biermann und Lind, man sollte dankbar sein.

Dank und eine dicke Abschiedsträne auch für cand. phil. Annette Schavan, die, nur weil sie gelogen und betrogen hat, nicht mehr amten darf und wohl einfach nur noch west.

Aber ins Entwesende, ganz und gar Spukhafte transzendierte sich selbst Famile Elvers und hilft damit auch der Religion insgesamt. Jenny sollte mit der Käßmann eng umschlungen eine eigene Sendung bekommen, welche immer läuft und alles offen legt.

Bei der Gelegenheit:

Dass mit der NSA immer so rumgerechtet wird, das sind doch „übertriebene Vorwürfe“ (Uli Hoeneß). Das hat doch niemand etwas zu befürchten! Beweis? Ich! Ich darf doch schreiben was ich w——————————-

Zu den CM-Beiträgen von Carlo Schäfer.

Wolfram-Schuette-by-Markus-HintzenWolfram Schütte

Das singuläre Buch der Bücher – Ein Tusch für Neil MacGregor!

Wenn man sich vorstellt, Sherlock Holmes sei einmal in einer barocken Wunderkammer seinem leidenschaftlichen Geschäft der induktiven Erkenntnis nachgegangen, dann hätte man (heute) algorithmisch Neil MacGregor vor Augen, den derzeitigen Direktor des „British Museum“ in London.

Auch bei uns „auf dem Kontinent“ ist „der MacGregor“ mittlerweile manchem aufmerksamem Leser ein viel sagender Name, resp. sogar „Begriff“; auf den britischen Inseln war der Schotte zuerst als Autor einer der faszinierendsten Sendereihen der BBC bekannt, bevor er zum Buchautor geworden ist.

Man kann allein darüber die Wut auf unsere geistesabwesenden öffentlich-rechtlichen Sender bekommen, dass keiner von ihnen – auch nicht arte – auf die Idee kam, diese Serie anzukaufen, die Neil MacGregor in Großbritannien bekannt & weithin berühmt gemacht hatte: seine filmische Sendereihe „Geschichte der Welt in 100 Objekten“, der er dann noch eine weitere, kürzere Folgen ließ: „Shakespeares ruhelose Welt“ (347 Seiten, zahlr. Abb.29,95 €).

Beide ursprüngliche TV-Sendungen sind aber, glücklicherweise Dank des findigen Sachbuchlektorats des C.H.Beck-Verlags, quasi in fester Form zu & auf uns gekommen. Das erste Buch in diesem Frühjahr und das zweite nun im Herbst; und weil der Verlag eine so glückliche Hand mit dem Autor hatte, legt er „Die Geschichte der Welt in 100 Objekten“ jetzt in einer äußerst preiswerten Ausgabe zu nur 25 € noch einmal auf, damit jeder die Chance hat, beide Bände sich anzueignen oder zu verschenken.

Man kann den großen Münchner Verlag, der dieses Jahr 250 (!) Jahre alt geworden & immer noch im Familienbesitz ist – solche historische Tradition ist gewissermaßen „großbritannisch“ – gar nicht hoch genug für seinen käuferfreundlichen Geschäftssinn loben. Ja, solchen Kapitalismus lässt man sich mit Wonne & Vergnügen gefallen!

Es handelt sich aber ja auch um die womöglich schönsten Sachbücher des originellsten Autors, der augenblicklich uns mit seiner Phantasie, Intelligenz & Eloquenz überrascht & entzückt.

Nichts & niemand hat mich in diesem Jahr mehr begeistert als Neil McGregor & seine beiden kaleidoskopischen Recherchebücher, die vom Verlag üppig mit Farb-Bildern ausgestattet sind & so schwer in der Hand liegen, dass man sie aufs Knie oder den Tisch legen muss.

Aber zu den üblich bekannten Coffetablebooks zählen diese Bücher-Rolls-Royces nicht; eher ist ihnen die Bibel näher: dem einen, weil es wie diese die gesamte Welt in einer Sammlung quasi von Nußschalen zum Aufknacken in den Blick nimmt; das andere, weil die „Robben Island Bible“ als Camouflage von Shakespeares Gesammelten Werken diente, in denen die Apartheit-Gefangenen, deren Prominentester (Nelson Mandela) eben gestorben ist, jene Shakespearezeilen unterstrichen, die ihnen die liebsten waren.

MacGregors einfache Grundidee, von sinnlich erfahrbaren Objekten auszugehen, sie gewissermaßen in der Hand eines antiquarischen Kenners & Liebhabers, der seine Museums-Schätze begutachtet, bedachtvoll-nachdenklich zu wiegen & eingehend zu betrachten, ist so grundbritisch-pragmatisch wie eichendorffisch-romantisch. Denn es „schläft ein Lied in allen Dingen die da träumen fort und fort, Und die Welt hebt an zu singen, triffst Du nur das Zauberwort“.

macgregor_Geschichte der Welt in 100 objektenDas Lied das z.B. in einer Gabel oder einem Kommunionskelch schlummert, öffnet uns Heutigen den Zugang zu den Erlebnis- & Lebenswelten der Zeitgenossen des Universaldichters; und weil der Zutritt zu Shakespeares „Globe“ für das Plebs ebenso viel kostete wie der Eintritt (!) in die Westminster Abbey mit ihren Königsgräbern, informiert uns der Autor zugleich sowohl über den London-Tourismus zu Tudor-Zeiten, als auch darüber, dass erst zu Shakespeares & Marlowes Zeiten „der gemeine Mann“ für einen Penny das einstmals nur dem Adel in seinen Palästen vorbehalten Theatervergnügen genießen konnte.

Vergnügen? Nun, die lebenslustigen Verteidiger der Bühnen wussten die besonders rigiden Puritaner damit zu ködern & mundtot zu machen, dass sie drastischer noch als der Idealist Schiller, die theatralische Bühne zur moralischen Anstalt erklärten, durch die das Volk zu treuen & patriotischen Untertanen erzogen werde: vor allem auch durch die nicht ohne Propaganda zu denkenden britischen Stücke über die mittelbare feudale Vergangenheit der noch nicht sattelfesten Elisabeth I. Dem von ihr um die Welt geschickten Sir Francis Drake, den sie schließlich köpfen ließ, verdankte das Theater, für das Shakespeare schrieb, seinen Namen, der zugleich ein Versprechen war: „Globe“.

Das „Zauberwort“, das MacGregor ausspricht, um seine Gegenstände zwar nicht zum „Singen“ zu bringen (denn das hieße ja, sie gefoltert zu haben!), aber um seine unterschiedlichsten Fundstücke zum plaudernden Reden & Aussprechen ihrer Geheimnisse zu bringen, ist eine vielfach ausgreifende kulturhistorische Recherche. Er weiß, an wen er sich mit seiner unersättlichen Neugier investigativ wenden muss, um von den jeweiligen (akademischen) Fachleuten die passenden Schlüssel zu erhalten, mit denen er sich in die Lage versetzt, die kuriosen Objekte seiner Schatzkammer aufzuschließen. In diesen Tagen denkt man, wenn man sich an den jeweiligen Überraschungs-Erfolgen dieses Sherlock Holmes der alten Dinge erfreut, während des staunenden Lesens öfters an einen Weihnachtskalender, der nach und nach alle seine Fensterchen öffnet.

Neben dem strukturellen kriminalistischen Vergnügen, das einen beim Spurenlesen in den Dingen erfreut, immer an der Hand des britischen Detektivs in der Nachfolge seines berühmten Vorläufers, übersieht man auch nicht das grundsätzlich Humoristische des MacGregorschen Verfahrens, von abgelegensten Objekten & Passagen aus blitzartig ins zentrale Mittelfeld vorzustoßen. Arthur Conan Doyle & Laurence Sterne: was will man mehr als dieses Golden Mixture eines einzigartig gelungenen & amüsanten Lesevergnügens, das zudem noch der Horazschen Ästhetik folgt & sowohl unterhaltend als auch belehrend ist?

Wer sich etwa Gutes tun will, greife zu MacGregors zwei Büchern & werde glücklich damit oder bereite Freunden damit eine Freude.

Zu den CM-Beiträgen von Wolfram Schütte.

LouReedRimesRyhmesCoverTina Karolina Stauner

Ich orderte Anfang des Jahres 2013 den zu Ausstellungen veröffentlichten Fotoband „Rimes – Rhymes“ von Lou Reed. In einigen Europäischen Städten, auch in Deutschland, waren Bilder seiner fotografischen Arbeit unter diesem Buchtitel gegen Ende des Jahres 2012 ausgestellt. Ich war an keinem der ausgesuchten Ausstellungsorte. Erhielt aber immerhin ein schweres, großformatiges Fotobuch mit einem Einband in abstrakten Formen in Gelb bis Rot. Betrachtet man Reeds Fotos – ein Sammelsurium an Momentaufnahmen sehr eigenwilliger Art, meist Realismus, manchmal Verfremdetes – dann sieht man, dass er nicht ausgebildeter Fotograf und bildender Künstler war.

Aber genauso erkennt man, was für einen speziellen Fokus Reed hatte, der dadurch entstanden war, dass er als Musiker eine Einstellung wie Künstler zu allen Dingen und Angelegenheiten des Daseins hatte. Reed war Rock’n’Roll. Und sein Rock’n’Roll war genauso street credible wie art. Reeds Rock’n’Roll war eine Form von Kunst. Genauso wie sein Fotografieren. Ein unglaublich trauriger Moment war es, als die Todesnachricht von Lou Reed am 27.10.13 im Internet aufzutauchen begann und sich rasch verbreitete. Ich hörte mir „Halloween Parade“ aus dem New York Album an. Griff zu dem neben mir auf dem Tisch liegenden Fotoband „Rimes – Rhymes“ und blätterte darin, in dem bitteren Wissen, Reed nie mehr begegnen zu können.  „Halloween is something to be sure / Especially to be here without you“. Rimes – Rhyme“ ist erschienen bei Editions Photosyntheses in Arles in Frankreich.

Zu den CM-Beiträgen von Tina Carolina Stauner.

Sophie-SumburaneSophie Sumburane

Das Jahr 2013 war für mich vor allem ein trauriges. Die vielen Nachrichten über den Tod wunderbarer Menschen bleiben mir im Gedächtnis. Am nachhaltigsten wohl vor allem der Tod Marcel Reich-Ranickis, der die Fahne der Literatur-Kritik, gegenüber der Literatur-Besprechung immer am höchsten hielt. Außerdem der des Schriftstellers Wolfgang Herrndorf, der uns mit seinem Blog und dem jüngst erschienenen Buch „Arbeit und Struktur“ ein Stück Persönlichkeit, Leidensweg aber auch Literatur zurücklässt.

Der Tod eines Mannes hat mich persönlich aber besonders erschüttert, war er noch so absehbar: Rolihlahla aus der Transkei, der von christlichen Missionaren den Namen Nelson Mandela erhielt. Der an Gerechtigkeit und Gleichheit der Menschen glaubte, dafür beinahe sein Leben gab und zum Schluss trotzdem mit ansehen musste, wie seine Ideale von den neuen Präsidenten des ANC mit Füßen getreten wurden und werden.

Alain Mabanckou _ Zerbrochenes GlasAn der Belletristik-Front war in diesem Jahr dagegen viel Positives los. Verliebt habe ich mich in das Buch „Zerbrochenes Glas“ von Alain Mabanckou. Sein einmaliger Stil, das Schreiben ohne Punkt und Komma, die Nüchternheit mit der er traurige, kongolesische Lebenswege beschreibt, trieben mir nicht nur einmal das Lachen über die Lippen. Eine wunderbare und dennoch ernste Milieu-Studie der kongolesischen Gesellschaft, abgehandelt an einem Bar-Tresen.

Ein weiteres Buch, das mich in diesem Jahr tief berührt hat, ist „Scherben“ von Ismet Prcic. Ein so zartes Buch über ein derart hartes Thema, verknüpft mit einer Adoleszenz-Erzählung, habe ich nur selten gelesen. Der junge Ismet wächst zu Kriegszeiten in Bosnien auf, für den Pubertierenden werden Detonationen und Waffen zum Alltag selbst, als er schon nicht mehr in seiner Heimat ist.

Prcic schreibt auf so wunderbare Weise, dass man völlig versinkt und meint, den Ascheregen riechen zu können.

Auch sehr beeindruckend: Der zweite Carl Nixon „Settlers Creek“, den Zoe Beck mit ihrer einmaligen Stimme auf seiner Lesereise rund um die Frankfurter Buchmesse begleitete. „Settlers Creek“ stellt gewagte Fragen: Eine Kinderleiche, zwei Väter. Der „biologische“ Vater ist ein Maori und will sein Kind auf traditionelle Weise bestatten, der Adoptivvater dagegen ist ein weißer Neuseeländer, der in fünfter Generation auf der Insel lebt und seinen Sohn auf seine Weise bestatten möchte. Der Diebstahl einer Leiche führt in einen Konflikt über Vorrechte, wer ist der „richtige“ Neuseeländer, welcher Vater hat das Recht auf seinen Sohn?

Nixons Szoe beck_brixton hilltil, seine Sätze, glasklar. Sie ziehen einen in den Text hinein, lassen nicht mehr los und das ist wunderbar. Einen nicht geringen Anteil an der Schönheit des Buches hat auch dieses Jahr Stefan Weidle, der den Text nicht nur übersetzt, die Sprache des Autors eingefangen und für den Deutschen Leser zugänglich gemacht hat, sondern der aus dem Aufschlagen des Buches ein Erlebnis macht.

Ein weiteres Krimi-Highlight war für mich Patrícia Melo, die mit ihrem Titel „Leichendieb“ auf der Frankfurter Buchmesse den Liberaturpreis erhielt, und von Thomas Wörtche eine wunderbare, kenntnisreiche, nach Bewunderung klingende Laudatio gewidmet bekam. Und das hat ihr Werk verdient, den die brasilianische Schriftstellerin schreibt derart gekonnt und rasant, das ihre Bücher kein Gegenstück kennen. Sie parodiert Genre-Mist, zerlegt Klischees und erschafft dabei noch Fälle, die dicht an der brasilianischen Wirklichkeit bleiben. Bei allem Sarkasmus ist ihre Botschaft bitter ernst gemeint und dabei extrem unterhaltsam.

Ein frisches Highlight ist Zoe Becks „Brixton Hill“. Ein Thriller über Gentrifizierung, Cyber-Mobbing und soziale Gegensätze im superreichen London. Der spannende Fall, in Becks Sprache erzählt noch mal so spannend. Ihr besonderer, eigener Stil macht das Lesen zu einem Gänsehauterlebnis, die Spannung wird durch die Sprache, die Geschehnisse erzeugt, nicht durch Blut und Ekel. Eine Wohltat.

Zu den CM-Beiträgen von Sophie Sumburane.

senta_02.09Senta Wagner

Austra mit Manon im Schnee. Das Jahr 2013 geht zu Ende. Es hat wieder mit allen Sinnen der Kunst gehört. So richtig Hören und Sehen müssen einem dabei vergehen. Weil die Kunst, hier Musik und Literatur, etwas hervorbringt, was im besten Fall die Welt auf den Kopf stellt – geheimnisvoll und schön ist.

Hypnotisches und grandioses Album des Jahres ist „Olympia“ der kanadischen Band Austra. Synthesizer, Drums, Geklimper und irgendwie Industrialklänge spielen auf zum Engelsgesang der wundervollen Singer/Songwriterin Katie Stelmanis. Die Frontfrau mit Opernausbildung erreicht locker höchste, lichte Töne im bevorzugten Modus von Darkness und Melancholie. Es darf gelitten, geseufzt und getanzt werden.

Petrow_manonDie Entdeckung der Novelle „Die Manon Lescaut von Turdej“ des russischen Schriftstellers Wsewolod Petrow (1912–1978) ist der große Seufzer in der Literatur. Überall ist Schnee, ein Zug fährt durch Russland, draußen ist ein Weltkrieg. Im Inneren entwickelt sich eine ebenso tragische wie bezaubernde Liebesgeschichte, die gleichzeitig ihre eigene Desillusionierung erlebt. Mit welcher bewundernswerten Chuzpe schrieb Petrow bereits 1946 davon, veröffentlichte die Novelle jedoch nie. Sie gleicht einem „Lichtstrahl“ auf die düstersten Kapitel unseres letzten Jahrhunderts. Womit wir wieder am Anfang beim Vermögen der Kunst wären. 2006 wurde die „Manon“ erstmals in einer Moskauer Zeitschrift abgedruckt, schließlich erschien sie 2012 im Weidle Verlag (und 2013 als eBook bei CulturBooks) in der Übersetzung aus dem Russischen durch Daniel Jurjew. Ein Highlight ist sie heute und immer dar.

 

Zu den CM-Beiträgen von Senta Wagner.

WutschelAnna Veronica Wutschel

Glück gehabt! Relativ früh in 2013 wurde ich bei einem Internet-Auktionshaus fündig! Und stieß auf einen Anbieter, der explizit aus einem gewaltfreien Haushalt versendet. Prima! Das muss man unterstützen. Was sollte ab da noch schieflaufen? Dann im Laufe des Jahres eine Menge alter Lieben neu aufleben lassen. Ich wurde Fan von „Shopping Queen“, der Einkaufs-Dokusoap, die durch Herrn Kretschmers Kommentare zum feinsten TV-Vergnügen wird. Da muss man fast nicht mehr selbst in die City, obwohl…

Ebenfalls die einst vom Opa entfachte Leidenschaft fürs Boxen neu belebt, da „Boxingguru“ die Kämpfe live auf den Bildschirm bringt und so an einigen Abenden bereits spannendes Kino bot. J. J. Cale, den ich nach langer Zeit letztens hervorgekramt hatte, ist verstorben. Ich liebe seine Musik, wenn er sie selbst interpretiert! Merci für den grandiosen Sound!

Sehr gut auch die Doku „Searching for Sugarman“, tolle Story, klasse Songs. Ebenfalls famos „Scatter My Ashes at Bergdorf’s“, ein Kaufhaus, ein Mythos, Fashion, Crazy! Ich habe die Liebe zu Frankreich neu entdeckt, versuche mich in l’Art de Vivre, soweit es einer non-française möglich ist, und freue mich auf die Durchreise durch die alte Heimat, dem belgischen Mons, wo ich unbedingt die Andy Warhol-Ausstellung besuchen möchte. Bin bis dahin bestens versorgt mit den „Sons of Anarchy 3“ sowie „Breaking Bad“, zwar bin ich spät in die Saga eingestiegen, weiß aber inzwischen, wieso das kommende Ende so bedauert wird. Schön auch, dass das deutsche Fernsehen „Spiral – Engrenages“ zeigt, wenn auch nur mit Untertiteln.

munro_zu_viel_glueckIch lese in kleinen Häppchen Alice Munro erneut, ganz neu, bester Stoff zum Genießen und Studieren. Wunderbar die Wiederbelebung von Rebus in Ian Rankings „Mädchengrab“. Gespannt wird auch Stuart Macbrides nächster Roman erwartet, wieder ohne DS Logan McRae und DI Steel, ob das gut geht? Ich möchte jedem L. R. Carrinos „Der Verstoß“ auf den Gabentisch legen, ein ganz hervorragend konzentrierter Text über schwule Mafiosi, der in feinst derber Weise literarisch großartigen Stoff erzählt! Und à propos Gabentisch, da darf der Stallburschen-Kalender 2014 natürlich nicht fehlen – immer wieder gern verschenkt (nicht von mir) –, da er zumindest einmal im Monat für Gelächter sorgt. Viel Spaß auch damit.

Doch nun? Noch einmal zurück zu den echten Leidenschaften: Mode und Fotografie. Da sollte man unbedingt in „Vogue on Alexander McQueen“ stöbern, Exzentrik, Genie, Leidenschaft. Erwähnenswert auch „Talking Fashion“ von Jan Kedves, Gespräche über Mode, die informieren und inspirieren. Und und und… Weil hier so vieles unerwähnt bleiben muss zum Abschluss, comme il faut! die große Liebe des Jahres: Jeanloup Sieff. Der 2000 verstorbene Fotograf verzückt mich momentan fast täglich in Wort und selbstverständlich in Bild immer wieder aufs Neue. Ravissant! J’adore!

Zu den CM-Beiträgen von Anna Veronica Wutschel.

zeller_Michael Zeller

Das erfreulichste Kulturereignis dieses Jahres 2013 war für mich im Herbst die Erweiterung des „Skulpturenparks Waldfrieden“ in Wuppertal um fünf Hektar Waldfläche und mehrere Neuanschaffungen von zeitgenössischen Plastiken.

Vor acht Jahren hat der britische Bildhauer Tony Cragg, der seit langem in dieser Stadt lebt und arbeitet, das weitläufige Waldgelände gekauft, das Jahrzehnte ohne Hege und Pflege wild vor sich hin wuchern durfte. Natürlich erwarb er es nicht als Privatbesitz, sondern als einen naturbelassenen Frei-Raum für Kunst, der an sieben Tagen in der Woche besucht werden kann. Mittlerweile sind auf den jetzt fünfzehn Hektar hügeligen Waldes über dreißig Plastiken unserer Zeit zu erwandern (solides Schuhwerk ist zu empfehlen). Es sind überwiegend Arbeiten von Tony Cragg selbst. An die zehn Skulpturen stammen von seinen zeitgenössischen Kollegen aus mehreren Ländern.

Zeller_Jahrr

Seite an Seite stehen hier Kunst und Natur unvermittelt nebeneinander. Das Ergebnis ist ein beglückendes Seh-Ereignis: Natur und Kunst brauchen keine Angst voreinander zu haben. Sie fallen sich gleichsam in die Arme, als habe es nie eine Trennung zwischen ihnen gegeben und solle niemals mehr eine sein.

So wie Cragg als Bildhauer seine Plastiken baut, geht er auch als Gestalter seines Kunst-Waldes vor. Jede Senke, jede Böschung wird genutzt, um den Statuen aus allen denkbaren Materialien den Platz zu geben, an den sie hingehören. Dem wandernden Betrachter drängt sich zwingend der Eindruck auf, nur für diesen Standort sei gerade dieses Werk geschaffen worden, nur hier entfalte es von allen Seiten seine volle Wirkung. Und umgekehrt: Dieser Waldbuckel sei nur geworden, um von just dieser Plastik als solcher kenntlich gemacht zu werden.

Auf meiner Seh-Reise, die pünktlich zum Jahresbeginn 2014 wieder in das mare culturmagaziniensis stechen wird, in weiteren 52 Ausfahrten, werden wir in diesem Zauber-Wald sicher einmal vor Anker gehen …

Tony Cragg: Early Forma, 2001, Skulpturenpark Waldfrieden, Wuppertal.
Zu den CM-Beiträgen von Michael Zeller.

Zu Teil I des großen CM-Jahresrückblicks: hier (zu Teil II hier).

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