Geschrieben am 27. Oktober 2012 von für Bücher, Crimemag

Don Winslow: Kings of Cool

Geniale Masche?

„Kings of Cool“ erzählt die Vorgeschichte zu Don Winslows „Zeit des Zorns“, unter dem O-Titel „Savages“ von Oliver Stone verfilmt und gerade in den Kinos (siehe dazu unser heutiges KickAss). Anfangs war Eva Karnofsky skeptisch …

Nanu, sollte er doch fehlbar sein, dieser Gott unter den Spannungsautoren? Denn irgendwie kommt es bekannt vor, was Don Winslow da auf den ersten Seiten seines neuen Thrillers „Kings of Cool“ präsentiert. Nicht nur den Figuren – Ben, Chon und der schönen O – sind seine Leser in „Zeit des Zorns“ schon begegnet. Auch das Strickmuster ist nicht neu: Die beiden Jungs betreiben einen florierenden Marihuana-Handel, denn ihr Stoff ist erste Sahne. Da nimmt es nicht wunder, dass ihnen die begehrliche Konkurrenz in die Suppe spucken, sprich, etwas abhaben möchte vom lukrativen Geschäft.

Hätte es sich nicht um einen Winslow gehandelt, wäre nach ein paar Seiten Schluss mit der Lektüre gewesen, denn wer liest schon gern zweimal fast das Gleiche? Es dauert eine Weile, bis der Autor enthüllt, dass es sich bei der neuerlichen Attacke aufs Geschäft unserer beiden trotz ihrer kriminellen Energie sympathischen Californian boys nicht wie in „Zeit des Zorns“ um einen gewöhnlichen Übernahme- oder Ausschaltversuch seitens der Konkurrenz handelt. Die beiden Jungs nehmen die Spur der skrupellos mordenden Angreifer auf, und sie führt sie auf vielen Umwegen über korrupte Polizisten und Anwälte ins Kalifornien der Sechziger- und Siebzigerjahre, in die Zeit, als die jungen Leute zum Klang von The Mamas and the Papas (man hört sie förmlich) ihre Joints rauchten, mehr oder weniger fröhlich rumbumsten und mit flower power den Weltfrieden durchsetzen wollten. Und mitten unter ihnen die Erzeuger von Ben, Chon und O. Sie wollten der Konsumgesellschaft entkommen, alles besser machen als die eigenen Eltern, vor allem aber nicht dem Geld hinterher rennen, sondern ihre Werte leben.

Doch dann kam zu Beginn der Achtzigerjahre mit Ronald Reagan der Neoliberalismus und die soziale Kälte an die Macht, und die winds of change streiften auch sie, der Hunger nach grünen Scheinen wuchs. Zwar machten sie nach außen hin weiter ihr Gutmenschen-Alternative-Lebensformen-Ding, doch unter der Decke mischten sie im Drogenhandel mit, den Chons Vater und ein paar Kumpels effizient organisierten. Und sie wurden genauso bigott wie ihre kleinbürgerlichen Eltern. Nur noch ein bisschen rücksichtsloser. Am Ende stehen gleich mehrere innerfamiliäre showdowns – mal nur laut, mal tödlich.

Staccato & Minimalismus

Mit „Kings of Cool“  hat Winslow die Geschichte zu „Zeit des Zorns“ (hier bei crimemag) nachgeliefert, sowohl die seiner drei Protagonisten als auch die des Surfer- und Drogen-Paradieses Kalifornien in den letzten fünfzig Jahren. Meisterhaft versteht er es, die gesellschaftlichen Stimmungen und deren schleichende Veränderungen an ein paar Personen exakt und detailliert zu demonstrieren, und der Leser fühlt sich dabei nicht instruiert, sondern spannend unterhalten.

Auch Stil und Diktion aus „Zeit des Zorns“ wurden übernommen. Mal stößt der Autor einzelne Wörter aus, mal verdichtet er sie zu kurzen, schnellen Sätzen, als müsste er sie per SMS übermitteln. Für Schnörkel und lange Erklärungen ist kein Platz, der allwissende Erzähler kommt wie seine drei Hauptakteure Ben, Chon und O immer gleich auf den Punkt: „Ficken, Zimmerservice, Dusche, tschüss“. Der Autor hat sich dem Slang der Leute Anfang Zwanzig angepasst, der Wortwahl der Generation, aus deren Sicht er schreibt, und für die cool das meistgebrauchte Adjektiv ist. Der Titel lässt es erahnen. Es braucht einen Moment, sich einzulesen, doch dann macht das ständige Stakkato Spaß. Wie schon in „Zeit des Zorns“ hält Winslow es bewundernswert durch.

Einem Autor vom Schlag Winslows wäre mit ein wenig Mühe sicher ein etwas originellerer Einstieg in die Geschichte gelungen, doch der Rest des Romans entschädigt für den Hauch von Langeweile. Es soll hier noch erwähnt werden, dass schon der samtig-matte Umschlag – minimalistisch in schwarz-weiß gestaltet – Lust macht, das Buch in die Hand zu nehmen.

Eva Karnofsky

Don Winslow: Kings of Cool (The Kings of Cool, 2011) Roman. Deutsch von Conny Lösch. Berlin: Suhrkamp Verlag 2012. 354 Seiten. 19,95 Euro. Verlagsinformationen zum Buch. Homepage des Autors. „Tage der Toten“ bei CrimeMag. Offizielle Website zu „Savages“. Website von Eva Karnofsky.

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