R.J. Ellorys Fake-Kritiken seiner eigenen Bücher
„Man könnte größenwahnsinnig werden, so wenig wird man anerkannt“, notierte einst Karl Kraus in seiner „Fackel“. Was würde er aus diesem Fall hier machen? Der Delinquent: der britische Autor R.J. Ellory, der seit 2003 mit zehn Romanen auf dem Markt ist. Ihm wird noch lange anhängen, was er tat. Seine Strafe ist öffentlich, weltweit steht er am Pranger, ein paar Klicks im Internet genügen, um seiner Schande gewahr zu werden. „A punishment fitting the crime“ – auch ich, der hier ein Loblied auf ihn sang und sein „A Quiet Belief in Angels“ von 2007 für einen der besten Kriminalromane des letzten Jahrzehnts halte, mag meine Genugtuung über die gerechte Strafe nicht verhehlen. Wer auf der amerikanischen und vor allem der englischen Amazon-Seite seinen Namen eingibt, findet reihenweise satirisch bis ätzend höhnische Be- und Abwertungen seiner Bücher. R.J. Ellory, der auf seiner Facebook-Seite kokettiert, er sehe aus wie eine Kreuzung aus Ray Winstone und Truman Capote, hat an die zehn Jahre lang unter verschiedenen Pseudonymen (u. a. Jelly Bean und Nicodemus Jones) gefälschte Kundenrezensionen seiner Romane bei Amazon lanciert und sich dabei in den Himmel geschrieben („ein Meisterwerk … einer der talentiertesten Autoren“ usw). Gleichzeitig sudelte er als anonymer „Kunde“ anderen Autoren negative Besprechungen auf die Kundenseite.
Als der britische Thrillerautor Jeremy Duns ihm auf die Schliche kam, entschuldigte sich Ellory privat – u. a. bei Mark Billingham, die einzige Spur der Affäre auf seiner Facebook-Seite, ansonsten hält sich der übereifrige Selbstdarsteller bedeckt, spricht lau von einem „bad sense of judgement“. Seine offizielle Website (rjellory.com) ist seit September 2010 nicht mehr aktualisiert worden, ebenso sein in der Vergangenheit eifrig geführtes Blog. Die Rubrik „Awards“ auf seiner Website führt ein gutes Dutzend (echter) Nominierungen und Auszeichnungen für seine Bücher auf und verstärkt noch einmal die Frage, warum tut so einer so etwas?
Tja, warum? Warum begnügte Bill Clinton sich mit einer Praktikantin, wo ein Präsident doch die Monroe haben könnte? Warum hat so mancher Dr. Jekyll seinen Mr. Hyde, in dessen Namen ja das Verstecktsein anklingt? Bevor Ellory 2003 mit „Candlemoth“ („Zeit aus Feuer“) seine erste Veröffentlichung gelang, war das Manuskript 34 Mal abgelehnt worden, hatte er für 22 andere Bücher einige hundert Ablehnungsschreiben kassiert. Dieses biografische grausame Detail wie auch seinen Willen zu Beharrlichkeit wiederholt er allerorten immer wieder, „Erfolg hängt ab von der Beharrlichkeit der Anstrengung“, zitiert er Disraeli in seinem Facebook-Profil. Ellorys Protagonisten sind oft in Kindheit oder Jugend verwundet, oder sie sind schuldbeladen wie der Mafiakiller Ernesto Perez in (sic!) „Vergib uns unsere Sünden“ („A Quiet Vendetta“). Überlassen wir Mr. Ellory also seinem Online-Fegefeuer, wo er nun neben vielen anonymen Produkt- und Hotelbewertungsfälschern schmort. Jede dritte Hotelbewertung ist ein Fake, weiß die Branche, jede Pseudokritik für Bücher ein Beleg für die Notwendigkeit unabhängiger Seiten wie CrimeMag, um bei diesem Schurkenmarsch ein wenig die eigene Trommel zu schlagen. Im März 2013 übrigens erscheint, auch das sehe ich als Teil der Strafe ab, Ellorys Meisterwerk „A Quiet Belief in Angels“ bei Goldmann mit dem grausigen Titel „Der Schrei der Engel“.
Kettensägen im Feuilleton: Don Winslows Verfilmung „Savages“ von Oliver Stone

Der „irre“ Benicio del Toro ist auch mit von der Partie …
Da rümpfen sie die Nase, die feinen Pinkel vom Feuilleton. a) Hat doch Oliver Stone, diese linksliberale Nervbacke, b) einen Roman (muss man den vielleicht lesen?), c) von Don Winslow-Who?, d) verfilmt, e) in dem Kiffer vorkommen, f) Drogendealer, g) ein Mädel, das sich zwei Jungs teilt oder umgekehrt, h) John Travolta einen abgefuckten Drogenfahnder gibt, i) weiter zahlreiche Mexikaner, k) darunter Luxusgeschöpf Salma Hayek als Drogenbaronin, l) Benicio del Toro als fieser Killer, m) dazu Kettensägen, n) abgetrennte Köpfe, o) Snuff-Videos, p) eben das ganze Drogengemetzel, q) dem in Mexiko bisher über 40.000 Menschen zum Opfer gefallen sind, r) während andere das Geld einsacken, s) und über Leichen gehen, t) der noch von Ronald Reagan ausgerufene „Krieg gegen die Drogen“ erbärmlich gescheitert ist, u) und das weiteste Teile der Öffentlichkeit, v) wie auch das Feuilleton, w) einen feuchten Kehricht interessiert, x) während nur wenige Autoren y) wie etwa Don Winslow z) sich überhaupt an das Thema trauen.
„Abschiebeknastkino für smarte weiße Jungs“ betitelte die FAZ am 11. Oktober 2012 im Feuilleton die Filmkritik zu „Savages“ und fällte für all die klugen Köpfe, die nicht gerne ganze Texte lesen wollen, das Verdikt gleich in der Unterzeile: „Oliver Stone choreographiert in ‚Savages‘ rassistische Action-Pirouetten auf unfruchtbarem Bilderboden“. Heiliger Strohsack, Herr Dath, wusste gar nicht, dass Sie Tantiemen von der VG PG (Verwertungsgesellschaft Politische Korrektheit) beziehen. „Mexikaner“, behaupten Sie, „sagt die Kamera, sind Wilde.“ Ach Dath, setzen, Sechs. Nix kapiert. Die Wilden, das sind wir. Alle. Sagt der Film, sagt das Buch, sagen Nietzsche, Musil und John Travolta.
Wer Winslows „Savages“ („Zeit des Zorns“) gelesen hat, kann sich hier an einer kongenialen filmischen Umsetzung erfreuen. Natürlich kristallisieren sich nur 60 Prozent des Buches auch visuell, Uma Thurman als Hippiemutter der entführten Ophelia wurde ganz herausgeschnitten, Bens Friedfertigkeit und Chons in Afghanistan gestählte Gewaltbereitschaft fehlt manch einer der winslowschen Dialogfunken, insgesamt aber sind die beiden affengut und Oliver Stone findet in vielen, vielen Sequenzen zu jener überhöhten Realität, mit der er in „Natural Born Killers“ nachhaltig verstörte. Die „Savages“-Darstellerriege ist durchweg fulminant – ein Film (Drehbuchmitarbeit Don Winslow), den man auch in 20 Jahren gerne wiedersehen kann. Alle Achtung.
Und schnell reingehen, lange wird er nicht mehr laufen. Das Marketing ist miserabel, da helfen nicht mal schlechte Kritiken wie in der FAZ.
Alf Mayer
Foto: Eva Rinaldi