Geschrieben am 15. Juni 2003 von für Kolumnen und Themen

Pawlow, Bayern München und Kultur

Sabbernder Hund

Von Thomas Wörtche, 27.05.2001.

Wenn das Glöckchen bimmelt, sabbert der Hund. Wenn der FC Bayern gewinnt, bekämpft nicht nur die taz den Faschismus. Der Hund sabbert beim Läuten, auch wenn´s nix zu fressen gibt. Wer ein Foto von Stefan Effenberg mit „Triumphator des Willens“ untertitelt, der bekämpft den Nazi da, wo er nicht stattfindet. Einfach mittels des Pawlow´schen Reflexes, den man bekanntlich für allerlei Unfug einprogrammieren kann. Hanser: große Literatur, Heyne: Schmutz & Schund. Polizist: dumm, C-4-Philosoph: klug. Rauchen: bää, Essen-Was-das-Tier-freiwillig-von-sich-gibt: hamm. Und so weiter, und so fort. Bloß für Dinge, die mit Ironie, Spiel und anderen nicht-digital-auflösbaren Dingen zu tun haben, da kann man ihn nicht brauchen, den Pawlow.

Weil aber auch der von Berufs und Amts wegen reflektierte Homo Sapiens anscheinend doch ein recht atavistisches Kerlchen oder Girlie ist, bemüht er neben dem risikolosen Bekämpfen von Nicht-Faschismus gern auch noch „das Böse“. Allen Ernstes, öffentlich und für Geld. Wenn der FC Bayern gewinnt. Und wenn Schalke 04 gegen eine drittklassige Mannschaft eine Halbzeit lang pfuscht und tölpelt wie im Training an einem trüben Novembertag – dann war´s eine tolle Leistung, und kein bisschen „böse“.

Fein, okay, wunderbar und kreuzblöd – und eigentlich nur ein Beispiel dafür, dass um Fußball viel zuviel Gewese gemacht wird. Es nervt und es reicht – und ich will keine Ministerpräsidenten italienischen Dubios-Politikern am Öhrchen knabbern sehen, wenn der FC Bayern spielt, und ich will keine Innenminister und Bundeskanzler sehen und keine Interviews von Nobelpreisträgern lesen, die sich allesamt plötzlich lauthals und penetrant öffentlich für Fußball interessieren, sich aber bloß peinlich an die Fans annapfen wollen. Ich will auch überhaupt keine Fußball-Meldungen als Aufmacher von „seriösen“ Nachrichtensendungen – und danach kommen wir zu ein paar knackigen Bürgerkriegen und anderen Schauderhaftigkeiten der realen Welt. Nix dagegen, dass Fussball zur Blödel- und Dödelkultur gehört. Das ist so und da gehört er auch hin. Auch das volkswirtschaftliche Argument zieht nicht – die 300 Mios Jahresumsatz, die der FC Bayern macht, sind gemessen am gesamten Bruttosozialprodukt prozentual gar nicht darzustellen, jeder mittelständige Schraubenhersteller in Oberschwaben macht mehr. Kommt der deswegen im Färnseh ? Oder ist er nach der dritten positiven Jahresbilanz hintereinander „das Böse“? Eben.

Womit wir wieder zum sabbernden Hund kommen. Wenn das Reiz-Reaktionsschema tatsächlich so flächendeckend funktionieren darf und soll – dann stehen lustige Zeiten ins Haus. 0 und 1, Ja und Nein, mag ich, mag ich nicht werden dann demoskopisch hergestellt und bedient. Dann bimmelt ständig das Glöckchen, der Sabber fließt in Strömen, aber was zu fressen gibt´s noch lange nicht.

Mahnt bohrend Ihnen Ihr Sauertopf und Griesgram.

Thomas Wörtche