Geschrieben am 1. Februar 2024 von für Crimemag, CrimeMag Februar 2024, News

Friedrich Ani – für Frank Göhre zum 80.

Friedrich Ani © Suhrkamp

Wo Welt ist und wo nicht

Kurze Anmerkungen zum Kriminalroman – Von Friedrich Ani

Vom britischen Schriftsteller Eric Ambler stammt angeblich der Ausspruch: „Da ich kein Intellektueller bin, hat’s nur zu Kriminalromanen gelangt.“ Selbstironie ist nie ganz verkehrt, vor allem, wenn man, wie Ambler, einem Genre zu einer vollkommen neuen Bedeutung verholfen hat – fernab des bis dato weit verbreiteten Groschenheft-Images hin zu einer gesellschaftspolitischen Gegenwartsrelevanz auf Augen- bzw. Buchstabenhöhe der besten Werke der allgemeinen Belletristik.

         Und schon sind wir bei Meister Göhre und der Frage: Ist das noch Krimi, was er schreibt, oder womöglich Weltliteratur. Der war gut! Wörter wie Weltliteratur und Krimi in einem Satz! Ist fast so, als würde man verkünden: Ein Gitarrenzupfer und Sänger aus Hinterminnesota erhält den Nobelpreis für Literatur. Kann aber passieren. So manchem deutschen Kritiker standen die Ohren zu Berge, als er erfuhr, dass nicht der heißgeliebte Philip Roth, sondern ein gewisser Bob Dylan die welthöchste Auszeichnung fürs geschriebene Wort zugesprochen bekam, damals im Jahr 2016.

         Unfassbar für die hiesigen Verwalter und Verwalterinnen des Guten und Schönen und Richtigen und Falschen, für die Hüter des „Bauchnabelpopelns deutschen Dichtergeweses“ – Zitat eines Dichters und Kriminalschriftstellers, dessen Romane ähnliche Standards setzten wie die von Frank Göhre. Ich spreche von Jörg Fauser. Ein Jahr jünger als Göhre, mit Werken wie „Der Schneemann“ und „Schlangenmaul“ zu einer Lichtgestalt der Szene aufgestiegen, lief er frühmorgens nach seinem 43. Geburtstag über die Autobahn, weiß der Teufel, wieso, und wurde von einem Lastwagen zu Tode gefahren. Sein Werk zählt zum Kanon deutschsprachiger Prosa, Krimis hin oder her.

         Darf man in dem Zusammenhang eigentlich Krimi sagen? Oder trifft der Begriff vielmehr auf solche Bücher zu, in denen Polizeimenschen irgendwas ermitteln, nebenher irgendwas kochen und die meiste Zeit durch putzige Dörfer und dito Gegenden schleichen auf der Suche nach dem schrecklichsten Serienkiller, den das Universum je hervorgebracht hat? Am Ende, hunderte Seiten später, sitzt der Kerl, manchmal auch die Kerlin, in der Falle, Geständnis passt, Welt wieder heil, worum ging’s noch mal? Um einen Flachwitz von Markus Krebs abzuwandeln: Kommissare haben herausgefunden – sind dann aber wieder reingegangen.

         So ungefähr. Nein, der Krimi muss schon aus profunder Sprache und wahrhaftigen Figuren bestehen, sonst lohnt das Lesen nicht, dann reicht die Glotze. Noch einmal O-Ton Fauser: „Wenn Literatur nicht bei denen bleibt, die unten sind, kann sie gleich als Party-Service anheuern.“ 

Geschichten, wie Frank Göhre sie schreibt, Simone Buchholz, Liza Cody, Denise Mina, Derek Raymond, Rubem Fonseca oder Zoe Beck gehören einer Literatur an, deren Wert und Relevanz außerhalb dieses Landes unbestritten ist, während in Deutschland Jurys stoisch sagenhafte Preise an Autoren und Autorinnen vergeben, deren einzige Qualifikation darin zu bestehen scheint, dass sie gerade KEINE Kriminalromane schreiben. Ich bitte um Lektüre der jüngsten Gewinner und Endrundenteilnehmerinnen des Deutschen Buchpreises. War ein Scherz. So viel Zeit ist nicht. Lesen Sie Göhre, und mehr Welt braucht’s nicht, ich schwöre.

Rede für den St. Pauli-Abend mit und für Frank Göhre am 25. Januar 2024 im Nochtspeicher, Hamburg. Siehe hier nebenan auch die Beiträge von Simone Buchholz, Kultursenator Dr. Carsten Brosda und Alf Mayer.

Von Friedrich Ani erscheint im März bei Suhrkamp „Lichtjahre im Dunkel„, ein Wiedersehen mit Tabor Süden und Fariza Nasri. Seine Texte bei uns hier.

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