Geschrieben am 15. Mai 2017 von für Crimemag, Film/Fernsehen

Film: Hommage à Sterling Hayden

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Ein Mann im Kampf mit sich selbst

Von Alf Mayer

Im Münchner Filmmuseum bekommt er jetzt – erstmals auf der Welt – eine Retro. Das ist passend, denn in München wohnt der Filmregisseur, der ihm zwei Filme gewidmet hat, auch sie sind Teil der Hommage à Sterling Hayden. Termine und Kurztexte für die Filme siehe im Anhang.

Paul Thomas Anderson (INHERENT VICE, THE MASTER) würde nur zu gerne eine Zeitmaschine haben, um mit ihm drehen zu können. Stanley Kubrick holte ihn zweimal vor die Kamera, auch John Huston, Henry Hathaway, Nicholas Ray, Robert Altman, Francis Ford Coppola und Bernardo Bertolucci haben mit ihm gearbeitet. Sterling Hayden (1916–1986) ist als Schauspieler ebenso hoch geachtet wie seltsam. Nicht in allen seiner über 60 Filme war er gefordert. Seltsam schlafwandlerisch geht er oft durch seine Filme, cooler noch und distanzierter als Robert Mitchum. Die Augen, ohnehin für einen Mann seiner Größe zu klein, sind oft in unerreichbare Ferne gerichtet. Eine tiefe Heimatlosigkeit zeichnet ihn, seine Körperlichkeit und Kraft stehen dazu in eigentümlichem Kontrast. Er ist präsent auf der Leinwand, keine Frage, und mit seinen 1,95 m oft der Größte am Set. »Das ist eine Menge Mann, die du in diesen Stiefeln herumträgst, Fremder« sagt John Carradine zu ihm in JOHNNY GUITAR. Und dennoch ist dieser Mann tief verletzlich und verwundbar. Kim Morgan hat Hayden einmal in Sight & Sound gar mit Jesus verglichen.

Den Fatalismus ins Gesicht geschrieben

Wenn Robert Mitchum eine Karriere daraus gemacht hat, sich um nichts zu scheren (»Baby, I don’t care«), gibt es bei Hayden nicht einmal das Nichts. Wenn er die Nase rümpft, dann tut er das auch über sich selbst. Wenn am Ende von Kubricks THE KILLING das geraubte Geld in alle Winde zerstiebt, dreht er sich weg. Kunst? Ambition? Größenwahn? Hayden steht stattdessen der Fatalismus im Gesicht. Er hat echte Schiffbrüche erlitten, er war auch im wahren Leben DER HAVARIST – wie der ihm gewidmete Brecht’sche Spielfilm von Wolf-Eckart Bühler heißt (zu dessen Porträt von Alf Mayer geht es hier).

Kinogänger kennen Sterling Hayden als JOHNNY GUITAR, den nur noch mit einer Gitarre bewehrten, des Kämpfens müden Cowboy zwischen zwei Frauen aus jenem TruColor-Western von Nicholas Ray, der von der Surrealistischen Bewegung inszeniert zu sein scheint. (Wen sonst als Hayden könnte man sich in dieser Rolle vorstellen?) Kennen ihn als General Jack D. Ripper, der in Stanley Kubricks DR. STRANGELOVE OR HOW I LEARNED TO STOP WORRYING AND LOVE THE BOMB den Dritten Weltkrieg anfängt, oder als den baumlangen Gangster Dix Handley, der in John Hustons THE ASPHALT JUNGLE auf einer Pferdeweide in Kentucky ins Gras sinkt und stirbt. Vielleicht auch als Walfänger, der in einer Westernstadt mit der Harpune zum Duell schreitet (TERROR IN A TEXAS TOWN), als trunksüchtigen Schriftsteller in Robert Altmans THE LONG GOODBYE oder als Landarbeiter-Patriarch in Bertoluccis NOVECENTO. Nur auf wenige Rollen war Hayden stolz. Dix Handley gehört dazu. »Ich glaube nicht, dass es viele andere Beschäftigungen gibt, bei denen du so gutes Geld bekommst und nicht genau weißt, was du da eigentlich machst«, sagte er einmal. Die Schauspielerei blieb ihm recht fremd. Rüdiger Vogler muss man erlebt haben, wenn er, von bodenloser Nachdenklichkeit erfüllt, als einer der drei Hayden-Darsteller in DER HAVARIST sagt: »Aber was, wenn der Schauspieler den größten Teil seiner Schauspielerei gar nicht vor der Kamera verrichtet – wenn er vor der Kamera noch am allerwenigsten Schauspieler ist?«

Das Fieber der Schiffe ergriff ihn schon jung

Arbeiten, das hatte Hayden auf die harte Art gelernt, als Schiffsjunge, beim Rudern in den Beifang-Dorys im sturmgepeitschten Nordatlantik, bei den Fischern von Neuengland, den Gloucester-Men aus Massachusetts, die auf den Grand Banks mit den kanadischen Bluenoses um die besten Kabeljaufänge konkurrierten. Es galt, als erster mit dem Fang zurück am Pier zu sein. Hayden lernte so auch von Kapitalismus und Produktionsverhältnissen: Zwei Cent erhielt die Crew pro Pfund Fisch; bis mittags, wenn seine Mutter zum Einkauf kam, stieg der Preis auf elf. Zeitlebens liebte er es, in rauester See zu segeln, er war ein Windjammermann, ein Natural. Das Fieber der Schiffe ergriff ihn schon jung. Im Alter von 20 Jahren ging er als Erster Offizier mit dem Schoner »Yankee« auf eine Weltumsegelung. Im Jahr darauf gehörte er als Navigator zum Siegerteam des Fishermen’s Cup, des »Rennens für wirkliche Seeleute«, bei dem nur Crews und Schoner aus dem tatsächlichen Fischeralltag teilnahmeberechtigt waren. »Sailor Like Movie Idol« stand unter dem Zeitungsfoto.

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Hayden rechts, links von ihm Stanley Kubrick

Es wurde der Grundstein für Haydens Hollywoodkarriere. Zuvor aber segelte er noch einen Dreimaster nach Tahiti, ging erst nach Hollywood, als eine gerade erworbene frühere Kaiser-Yacht (die »Meteor III«) havarierte. Paramount Pictures nahm ihn als »den schönen blonden Wikinger-Gott« und »The Most Beautiful Man in Movies« unter Vertrag. In seinem ersten Film, dem Drama VIRGINIA, fand er sich neben Fred MacMurray und dem englischen Star Madeleine Carroll. Die Arbeit fand er lächerlich überbezahlt und belanglos, weil sie nicht zu spüren war und sich niemand richtig scherte. Aber sie brachte Geld für ein neues Schiff, und aus der Affäre mit Miss Carroll wurde eine Ehe (die erste von vieren). Beide unterbrachen wegen des Zweiten Weltkriegs ihre Karrieren. Er meldete sich zu den Marines, machte eine Geheimdienstkarriere, tat das, was er von der Pike auf gelernt hatte: nämlich mit Schiffen umzugehen.

Als einziger US-Soldat des Zweiten Weltkriegs: Orden vom Vaterland und von den Kommunisten

Als OSS-Agent dirigierte er vom italienischen Bari aus eine Nachschubflotte von 400 Booten für Titos jugoslawische Partisanen in der Adria, sprang auch hinter den Linien mit dem Fallschirm ab. Vom Kampfesgeist der Balkankämpfer und ihrem Glauben an eine Sache stark beeindruckt, wurde er, zurück in L.A., Mitglied der Kommunistischen Partei Amerikas – für ein halbes Jahr.

Die Theoriediskussionen langweilten ihn schnell, aber er geriet dennoch zwischen die Fronten. Der hochdekorierte Marineoffizier, als einziger US-Soldat des Zweiten Weltkriegs von den USA wie von den Kommunisten (Tito) ausgezeichnet, ließ sich zu einer »patriotischen Aktion« überreden und sagte am 10. April 1951 als freundlicher Zeuge vor dem Kongressausschuss zur Untersuchung unamerikanischer Umtriebe (HUAC) aus. Im Klima der Kommunistenhatz, in der die Hollywood-Kolumnistin Hedda Hopper »Konzentrationslager für die Roten« forderte, »ehe es zu spät ist«, fürchtete er, das Sorgerecht für seine Kinder zu verlieren. Also nannte er Namen. Ronald Reagan, damals (erst) Präsident der Schauspielergilde, schickte ihm ein Telegramm: »Sterling, ich bin stolz auf dich!« Über 2000 Presseausschnitte feierten ihn als Helden: »Hayden Strips Bare His Commie Past.« Hollywood belohnte ihn mit einer schnellen Folge von Filmen. Doch Hayden zerbrach fast an seinem Verrat. »Es kommt wohl selten vor, dass ein Mann mit Lobeshymnen überschüttet wird für etwas, wofür er sich zutiefst verachtet«, meinte er später.

Zwei Dinge an einem Tag

Verlorenheit lernte er nicht auf den Weltmeeren, sondern in Hollywood kennen. Zeit seines Lebens verachtete Hayden sich für seine bitter bereute Tat. »Shirley« nannte er sich in den Phasen der Selbstbezichtigung. Über viele Jahre lag er mit sich selbst im Krieg. Auch das steht in seinen Augen. Dreimal hat er die Welt umsegelt, 18 Schiffe hat er im Lauf seines Lebens besessen, vom Dreimastschoner bis zur Flussbarkasse, eines davon am Tag seines Eintritts in die KPUSA gekauft und »Quest« (Suche) getauft. »Nicht viele können von sich sagen, diese zwei Dinge an einem Tag gemacht zu haben«, kommentierte er das lakonisch. Seine 1964 erschienene Biografie »Wanderer« ist ein schonungsloses Buch der Abrechnung mit sich selbst, literarisch hochrangig, der Beat Generation ebenso zuzurechnen wie den großen Autoren der Ozeane. Bis heute hat sich dafür kein deutscher Verlag gefunden. Ebenso wenig wie für »Voyage. A Novel of 1896«, seine »great American novel« über zwei Schiffspassagen, die eine durch die Südsee nach Japan, die andere um Kap Hoorn, zugleich eine Klassengeschichte Amerikas und der Arbeiterbewegung. 700 gewaltige Seiten, das beste Seefahrerbuch seit »Moby Dick«.

Hayden blieb zeitlebens ein Suchender, ein Nonkonformist. Marie Windsor, die mit ihm in THE KILLING spielte, sagt: »Ich habe Sterling Hayden ziemlich gut gekannt. Er war ein stiller Mann, der im Lauf der Jahre immer komplizierter und vielschichtiger wurde.« Seine Karriere hatte Brüche: Filme 1941 und 1942, dann ab in den Krieg, 1949 Rückkehr im John-Wayne-Western EL PASO und dem Film noir MANHANDLED. 1950 John Hustons THE ASPHALT JUNGLE, dann die HUAC-Katastrophe mit dem Verrat an sich selbst, von Hollywood belohnt mit einem Rausch von Filmen, in vielen von ihnen neben sich stehend, seltsamerweise nur ein einziger Piratenfilm dabei (THE GOLDEN HAWK), 1956 in Kubricks THE KILLING, 1958 Flucht auf die See und Bruch mit Hollywood, 1963 seine Autobiografie »Wanderer«, 1964 wieder Kubrick mit DR. STRANGELOVE, und ab da nur noch selten Filme. Die letzte Arbeit in der TV-Bürgerkriegsserie THE BLUE AND THE GRAY als der Revolutionär John Brown – »Raising Holy Hell«.

Alf Mayer


Die Filme und Termine der Retrospektive im filmmuseum münchen, 19. Mai – 21. Juni:

The Asphalt Jungle (Asphalt-Dschungel) | USA 1950 | R: John Huston | B: Ben Maddow, John Huston, nach dem Roman von W.R. Burnett | K: Harold Rosson | M: Miklós Rózsa | D: Sterling Hayden, Jean Hagen, James Whitmore, Louis Calhern, Sam Jaffe, Marilyn Monroe | 112 min | OF | Alles, was man sich nur wünschen kann, ein Edelstein. Hustons bester Film noir – und Haydens Lieblingsrolle. Ein Klassiker des Gangsterfilms nach einem Roman von W.R. Burnett, allen Moralins entkleidet. Taffe Dialoge und harte Charaktere auf beiden Seiten des Gesetzes, eine junge Marilyn Monroe und Jean Hagen als Haydens Gegenüber, deren Filmname »Doll« nichts Lächerliches hat. Alles überschattet von der aufziehenden Kommunistenhatz in Hollywood, die Hauptdarsteller, Drehbuchautor und viele andere traf. Huston zog 1952 nach Irland, Hayden litt lebenslang. Freitag, 19. Mai 2017, 21.00 Uhr

Denver & Rio Grande (Terror am Rio Grande) | USA 1952 | R: Byron Haskin | B: Frank Gruber | K: Ray Rennahan | M: Paul Sawtell | D: Edmond O’Brien, Sterling Hayden, Dean Jagger, Lyle Bettger, ZaSu Pitts | 89 min | OF | Ein Eisenbahnfilm über zwei konkurrierende Eisenbahngesellschaften von einem Regisseur, der weiß, wie man Landschaft dreht. Ray Rennahan, einer der ganz großen Technicolor-Kameraleute, setzt die über 60 historischen Fahrzeuge aus dem 19. Jahrhundert ins Bild, die für diesen Film reaktiviert wurden, darunter sechs Dampflokomotiven. Mit einer schönen Schurkenrolle für Hayden und mit zwei Zügen, die (von fünf Kamerateams gefilmt) aufeinander krachen. Edmond O’Brien als Haydens Widersacher, baumstammdicke Klischees und tolle Nebendarsteller, nicht nur das Drehbuch von Pulpautor Frank Gruber lässt die Funken stieben. Samstag, 20. Mai 2017, 21.00 Uhr

Prince Valiant (Prinz Eisenherz) | USA 1954 | R: Henry Hathaway | B: Dudley Nichols, nach dem Comic Strip von Hal Foster | K: Lucien Ballard | M: Franz Waxman | D: Robert Wagner, Janet Leigh, James Mason, Debra Paget, Sterling Hayden | 100 min | OmU | Ein Ritterfilm von hohen Graden, heute wohl camp pur. Robert J. Wagner, der sich in seiner Autobiografie immer noch über seine Perücke als Knappe von Haydens Sir Gawain geniert: »Dieser Film hat mir einige lebenslange Freunde eingebracht, Janet Leigh etwa und Lucien Ballard. Und ich lernte auch Sterling Hayden kennen, einen Mann, der – bis auf einige Ausnahmen – als Mensch sehr viel interessanter war als seine Rollen. Er war ein Purist mit interessanten politischen Ansichten, ziemlich weit links. Und er war ohne Frage einer der erfahrensten Seeleute, die ich je getroffen habe. Auf dem Schiff war er der Künstler, der er immer sein wollte.« Sonntag, 21. Mai 2017, 21.00 Uhr

Johnny Guitar (Wenn Frauen hassen) | USA 1954 | R: Nicholas Ray | B: Philip Yordan, Ben Maddow, Nicholas Ray, nach dem Roman von Roy Chanslor | K: Harry Stradling | M: Victor Young | D: Joan Crawford, Sterling Hayden, Mercedes McCambridge, Scott Brady, Ward Bond | 110 min | OF | Der seltsamste aller Western. Und einer der größten. »Ich habe bis heute keine Ahnung, worum es in diesem Film geht. Es war auch eine extrem schwere Zeit für mich. Am Abend lag ich mit meiner Frau im Krieg und tagsüber mit Joan Crawford. Joan machte allen das Leben zur Hölle. Und ich versuchte, Johnny Guitar zu spielen, aber ich kann weder Gitarre spielen, noch kann ich singen. In ganz Hollywood gäbe es nicht genug Geld, um mich je wieder in einen Film mit Joan zu locken. Und ich liebe Geld. An die Popularität des Films habe ich mich einigermaßen gewöhnt, in Frankreich ist es ein Kultfilm, in den USA hat niemand davon gehört.« (Sterling Hayden) Freitag, 26. Mai 2017, 21.00 Uhr

text alf2Suddenly (Der Attentäter) | USA 1954 | R: Lewis Allen | B: Richard Sale | K: Charles G. Clarke | M: David Raksin | D: Frank Sinatra, Sterling Hayden, Nancy Gates, Kim Charney, James Gleason | 75 min | OF | Ein Film noir wie ein Uhrwerk mit einem jazzigen, kantigen, komplex rhythmischen Score von David Raksin. Eine Perle des B-Films, nach dem Kennedy-Attentat von Hauptdarsteller Frank Sinatra aus dem Verkehr gezogen. Hayden als Kleinstadt-Cop in einem Nervenkrieg mit dem Auftragskiller John Baron, der den US-Präsidenten bei einem Zwischenstopp in der Kleinstadt erschießen will. Hier treffen auch zwei Schauspielkonzepte aufeinander. Hayden, ganz und gar minimalistisch, gewinnt. Nebenbei erfahren wir, wozu ein kaputter Fernseher gut ist, und lernen, wie wichtig es sei, dass Knaben mit Waffen aufwachsen, damit sie nicht zu Weicheiern werden. Samstag, 27. Mai 2017, 21.00 Uhr

The Killing (Die Rechnung ging nicht auf) | USA 1956 | R: Stanley Kubrick | B: Stanley Kubrick, Jim Thompson, nach dem Roman »Clean Break« von Lionel White | K: Lucien Ballard | M: Gerald Fried | D: Sterling Hayden, Coleen Gray, Vince Edwards, Marie Windsor, Elisha Cook Jr. | 85 min | OF | Voll gepackt mit Schauspielveteranen und dem Geist des Film noir, in nur 20 Tagen gedreht – der Schnitt brauchte mehr – wird lange vor Tarantino nonlinear erzählt. »Schon in Kubricks erstem von ihm selbst ernst genommenen Film muss Sterling Hayden, nachdem der Millionenraub geklappt hat, ohnmächtig zusehen, wie der Geldkoffer auf dem Weg zum Flugzeug vom Transporter fällt und die Scheine im Propellersog über das Flughafengelände wirbeln. Man sieht daran, dass Kubrick sich von Anfang an für Geschichten interessierte, in denen das Leben allen Visionen von der Berechenbarkeit des Menschen einen Strich durch die Rechnung macht.« (Michael Althen). Sonntag, 28. Mai 2017, 21.00 Uhr

Crime of Passion (Das war Mord, Mr. Doyle) | USA 1958 | R: Gerd Oswald | B: Jo Eisinger | K: Joseph La- Shelle | M: Paul Dunlap | D: Barbara Stanwyck, Sterling Hayden, Raymond Burr, Fay Wray, Virginia Grey | 84 min | OF | Aus Spaß wird Ernst, eine schlagfertige Zeitungskolumnistin lernt einen harten Polizisten kennen. Natürlich ist es undenkbar, dass sie in der Ehe weiter arbeitet. Sie erträgt die Untätigkeit nicht und leidet darunter, dass ihr Mann keinerlei Ehrgeiz hat. Also nimmt sie seine Karriere in die Hand, befreundet sich mit der Frau seines Vorgesetzten und flirtet mit ihm. Stanwyck war 50 und Hayden 41, als sie hier aufeinander trafen und außer Kraft setzten, was sie eingangs so postulierte: »Ehe, das ist Propaganda – nicht für mich!« Ein Film auf dem Höhepunkt des Schaffens von Gerd Oswald, dem Sohn von Richard Oswald, angesiedelt an der Grenzlinie von Film noir und Screwball Comedy. Freitag, 2. Juni 2017, 21.00 Uhr

Terror in a Texas Town (Sturm über Texas) | USA 1962 | R: Joseph H. Lewis | B: Dalton Trumbo | K: Ray Rennahan | M: Gerald Fried | D: Sterling Hayden, Sebastian Cabot, Ned Young, Carol Kelly, Eugene Martin | 80 min | OF | Kameramann Ray Rennahan war schon für die Farbsequenzen in der 1923er Version der TEN COMMANDMENTS verantwortlich gewesen, hatte Oscars für GONE WITH THE WIND und BLOOD AND SAND gewonnen. Hayden (mit schwedischem Akzent) kommt als Walfänger in seinen Heimatort zurück, wo sein Vater von einem raffgierigen Ölbaron ermordet worden ist. Zum finalen Duell kommt er mit einer Harpune. Der Soundtrack klingt wie aus einem Beatnik-Nachtclub. Das Drehbuch stammte vom blackgelisteten Dalton Trumbo, vor der Kamera traf Hayden auf Nedrick Young, der vor dem HUAC-Komitee die Aussage verweigert hatte. Samstag, 3. Juni 2017, 21.00 Uhr

text alf3Leuchtturm des Chaos | BRD 1982 | R+B: Wolf-Eckart Bühler, Manfred Blank | K: Bernd Fiedler | mit Sterling Hayden | 118 min | engl. OmU | Die New York Times sah hier »documentary film making […] at its most laissez faire« am Werk. Tatsächlich entstand der Film spontan und aus der hohlen Hand, allerdings mit einem in der Sache höchst vorbereiteten Filmemacher. Wolf-Eckart Bühler hatte Hayden auf einer Barkasse in Frankreich ausfindig gemacht, um sich die Filmrechte für dessen Autobiografie »Wanderer« zu holen, hatte das darauf beruhende Drehbuch dabei, was den ehemaligen Holly woodstar dazu brachte, ihn zu einer schnellen Dokumentation einzuladen. So entstand ein schonungsloses Porträt, das sich meilenweit von anderen unterscheidet. Ein ziemlich einzigartiges, heftiges Dokument der Filmgeschichte. Sonntag, 4. Juni 2017, 21.00 Uhr | Zu Gast: Wolf-Eckart Bühler

Dr. Strangelove, or How I Learned to Stop Worrying and Love the Bomb (Dr. Seltsam oder Wie ich lernte, die Bombe zu lieben) | USA 1964 | R: Stanley Kubrick | B: Stanley Kubrick, Terry Southern, Peter George, nach dem Roman »Red Alert« von Peter George | K: Gilbert Taylor | M: Laurie Johnson | D: Peter Sellers, George C. Scott, Sterling Hayden, Keenan Wynn, Peter Bull, James Earl Jones | 95 min | OmU | Hayden hatte einen schrecklichen ersten Tag vor der Kamera: 48 Takes mit einer Zigarre im Mund, jeder Dialogsatz schlimmer als der andere. Als er sich bei Kubrick entschuldigte, sagte der: »Gräm dich nicht. Der Terror in deinem Gesicht könnte uns gerade die Qualität geben, die wir brauchen.« Haydens Rolle in der – wieder äußerst aktuellen – pechschwarzen Weltuntergangskomödie ist dramatisch. Er löst den Dritten Weltkrieg aus und liefert dabei eines der akkuratesten Porträts von Militarismus. Montag, 5. Juni 2017, 21.00 Uhr

Der Havarist | BRD 1983 | R: Wolf-Eckart Bühler | B: Wolf-Eckart Bühler, nach der Autobiografie »Wanderer« von Sterling Hayden | K: Peter Gauhe | M: Konstantin Wecker | D: Burkhard Driest, Rüdiger Vogler, Hannes Wader, Nicolas Brieger, Hans Michael Rehberg | 100 min | Die selbstkritische Autobiografie des Seefahrers, Partisanenkämpfers, Hollywood-Stars, Kommunisten und FBI-Kollaborateurs Sterling Hayden als Literaturverfilmung, Tiefenanalyse, politisches Lehrstück, Exkurs in den Film noir, im Geiste von Straub & Huillet, von Brecht, Peter Weiss und Kellers »Der grüne Heinrich«. Ein geradezu symphonisch gefügtes Werk, die Titelrolle auf drei Schauspieler aufgespalten, die Musik von Konstantin Wecker komponiert, das heftige Klavierstück zu Beginn eine Deklination des wilden Ritts, der die Zuschauer erwartet. Ein politischer Film – heute sogar mehr denn je. Anpassung und Selbstverrat sind überall. Freitag, 9. Juni 2017, 21.00 Uhr | Zu Gast: Wolf- Eckart Bühler

The Godfather (Der Pate) | USA 1972 | R: Francis Ford Coppola | B: Mario Puzo, Francis Ford Coppola, nach dem Roman von Mario Puzo | K: Gordon Willis | M: Nino Rota | D: Marlon Brando, Al Pacino, James Caan, Robert Duvall, Sterling Hayden | 175 min | OmU | »Einer der amerikanischen Klassiker, die das Wiedersehen immer wieder lohnen« (David Thomson). Zum Beispiel für Al Pacinos vielleicht wichtigste Szene. Als er in Gefahr stand, vom Projekt gefeuert zu werden, wurde sie der Wendepunkt seiner ganzen Schauspielerkarriere. Hay- den als Kollege gab ihm Schub und das Gegenüber für die Szene, in der Michael Corleone sich aufrafft, stählt und zum ersten Mal tötet, indem er mitten in einem Lo- kal den korrupten, eisenharten Polizei-Captain McClus- key (Sterling Hayden) und den Mafiaboss Sollozzo (Al Lettieri) erschießt. Dies war auch jenseits der Leinwand Pacinos Durchbruch zum badass, eine Befreiung. Ab da war ihm alles zuzutrauen. Samstag, 10. Juni 2017, 21.00 Uhr

The Long Goodbye (Der Tod kennt keine Wiederkehr) | USA 1973 | R: Robert Altman | B: Leigh Brackett, nach dem Roman von Raymond Chandler | K: Vilmos Zsigmond | M: John Williams | D: Elliott Gould, Nina van Pallandt, Sterling Hayden, Mark Rydell, Henry Gibson, Arnold Schwarzenegger | 112 min | OF | Das Drehbuch dieser Chandler-Verfilmung stammt von Leigh Brackett, 1946 schon bei THE BIG SLEEP von Howard Hawks mit Humphrey Bogart dabei. Elliott Gould ist ein cooler Philip Marlowe, Hayden als der manisch-depressive, ruhm- und trunksüchtige Schriftsteller Roger Wade wirkt eigentümlich peripher und bildet doch das Zentrum. Wenn er sagt, »Ich bin ein Mann, der es nicht aus- hält, eingesperrt zu sein«, sagt er das auch über sich selbst. Robert Altman: »Hayden spielte dieselbe Szene zwei Mal, einmal war er betrunken, einmal bekifft, beide Male war er großartig.« Sonntag, 11. Juni 2017, 21.00 Uhr

Novecento (1900) | Italien 1976 | R: Bernardo Bertolucci | B: Franco Arcalli, Giuseppe Bertolucci, Bernardo Bertolucci | K: Vittorio Storaro | M: Ennio Morricone | D: Robert de Niro, Gérard Depardieu, Dominique San- da, Sterling Hayden, Stefania Sandrelli, Burt Lancaster, Donald Sutherland, Alida Valli | 162 min (Teil 1), 154 min (Teil 2) | engl. OmU | Der epische Klassenkampf, gesehen durch die Augen zweier Kindheitsfreunde am Anfang des 20. Jahrhunderts in Italien. Auf Augenhöhe sind hier auch Burt Lancaster und Sterling Hayden, die- ser sogar viriler. Sie sind die Patriarchen. Hayden als bäuerlicher Großvater Leo Dalco in einer großen prole- tarischen Rolle: »Zuerst waren die Bauern in der Welt, erst dann kamen die Patrone.« Bertolucci traf Hayden in Beverly Hills und verpflichtete ihn als italienischen Bauern. »Warum mich?«, fragte ihn Hayden. Bertolucci antwortete: »Als ich jung war, hat mich THE ASPHALT JUNGLE auf immer beeindruckt. Deshalb.« Freitag, 16. Juni 2017, 21.00 Uhr (Teil 1: Gewalt, Macht, Leidenschaft) Samstag, 17. Juni 2017, 21.00 Uhr (Teil 2: Kampf, Liebe, Hoffnung)

The Outsider (Verrat in Belfast) | USA 1979 | R+B: Tony Luraschi, nach dem Roman von Colin Leinster | K: Ricardo Aronovich | M: Ken Thorne | D: Craig Wasson, Sterling Hayden, Patricia Quinn, Niall O‘Brien, T.P. McKenna | 122 min | OF | Einer der unbekanntesten und einer der besten Filme über die »Troubles« in Irland. Man kann Schlechteres über einen Film sagen, als dass er an Melvilles L’ARMÉE DES OMBRES anknüpft und dessen Direktheit hat. Luraschi war Regieassistent bei Stanley Kramer und Roger Vadim, versank nach diesem wenig erfolgreichen Erstling wieder in die Obskurität. Craig Wasson spielt einen amerikanischen Vietnam- Veteranen, der sich für seinen Großvater (Sterling Hayden) der IRA anschließt. Die eine Szene zwischen ihnen trägt den Film. Dass britische Offiziere folterten und sich beide Seiten des Konfliktes in zynischen Propa- gandaspielchen ergingen, weckte in den USA unliebsame Erinnerungen an Vietnam. Mittwoch, 21. Juni 2017, 21.00 Uhr

(Kurztexte von Alf Mayer)

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