Geschrieben am 8. Dezember 2018 von für Litmag, News, Specials, Verlust-Special 2018, Verlust-Special DUE

Editorial – Verlust-Special (Verlust DUE)

Coorte,_Adriaen_-_Still_Life_with_Shells_-_1697

Adriaen Coorte: Stillleben mit Muscheln, 1697 (Wiki-Commons)

Willkommen zu unserem Verlust-Special DUE.

Wie die Trauerarbeit gibt es auch eine Verlustarbeit. Sie sind Geschwister, die Verlustarbeit in ihrem vorsorgenden Teil arbeitet einer möglichen Trauer entgegen. „Der Kopf und die Kultur sind voll vom Verlorenen. Der Segen und das Verhängnis des Menschen: Dass er aus dem Verlust eine Produktivkraft gemacht hat“, schreibt Georg Seeßlen in seiner „Theorie des Verlustes“ – nachzulesen im Teil UNO unseres großes Verlust-Specials.
Das Thema Verlust hat sich bei uns und unseren Autoren so vielgestaltig entwickelt, dass wir Ihnen dazu insgesamt 46 Beiträge präsentieren – 24 davon hier in unserem „Verlust DUE“.

Den Auftakt macht unsere Special-Mentorin Brigitte Helbling mit „Why I Write“: über Sprachverlust, Renitenz, Kulturwechsel, Englisch und „Hochdeutsch“ – und die Lust des writers, Worte auf dem Papier herumzuschieben. Anke Feuchtenberger gibt uns dazu mit „rabbit fiend“ eine Entsprechung im Medium der Graphic Novel. Anne Kuhlmeyer erzählt uns von „Matzes Bein“.

Friedrich Ani eröffnet mit „Die Ermordung des Glücks“ (aus dem gleichnamigen Roman) einen illustren Reigen von Textauszügen. Viet Thanh Nguygen schließt sich mit einem bewegenden Ausschnitt aus „Die Geflüchteten“ an, Helen Garner macht im grandiosen Gerichtsroman „Drei Söhne“ uns Leser zu Familienangehörigen eines unverständlichen Unglücks. „In Gesellschaft kleiner Bomben“ führt Karan Mihan mitten in eine Bombenexplosion. Alberto Manguel transportiert uns nach New York, zu John Lennon und Yoko Ono in die Botschaft des Staats Nutopia – einen „Sehnsuchtsort Utopie“.

Am anderen Ende der Utopien, dort, wo es rabenschwarz ist, besucht Thomas Wörtche in einem großen Porträt den Briten Derek Raymond und seine „novels of mourning“. Schwarz ist es auch in Anne Kuhlmeyers Story „Matzes Bein“. Einen leichteren Ton schlägt Bodo V. Hechelhammer mit seinen Betrachtungen über das Ableben von fünf Spionen an. Christiane Nitsche hat mit ihrer Mutter einen letzten schönen Moment erlebt.

Christian Y. Schmidt verabschiedet sich von Yu-chien Kuan / Guan Yuqian, von dem kaum zu ermessen ist, was er für die deutsch-chinesischen Beziehungen getan hat. Rolf Barkowski entbietet dem Bluesmusiker L.C. Ulmer ein Farewell und hat uns zudem einen Verlust-Wörter-Blues mitgebracht. Markus Pohlmeyer schickt zwei Gedichte. Hazel Rosenstrauch freut sich über die unsentimentalen 68er-Erinnerungen von Ulrike Heider und der frühere Journalist Wallace Stroby erinnert sich in „The Disappearing Newsroom“ an „Copy Boys, Night Shifts, and the End of an Era“.

Andrea O’Brien reist mit Amy Green und „Long Man“ in eine unwiderruflich zerstörte Gegend im Herzen Appalachias, auch Daniel Woodrell war von diesem Buch begeistert (unser „Reading Ahead“ No 20). Constanze Matthes geht mit dem norwegischen Autor und Musiker Ketil Bjørnstad zu „Emma oder das Ende der Welt“, das davon handelt, wie man weiterlebt, wenn das Schlimmste geschehen ist. Frank Schorneck hingegen sieht die Sonne mit Annika Scheffel und „Hier ist es schön“.

Das Schöne im Kleinen, der genaue – und oft verblüffende – Blick auf Fauna und Flora, das ist die Sache der Reihe Naturkunden im Verlag Matthes & Seitz. Alf Mayer porträtiert dieses ungewöhnlich schöne Verlagsprogramm und hat zudem mit Herausgeberin Judith Schalansky ein Interview geführt. Deren Buch „Verzeichnis einiger Verluste“ finden Sie in unserem „Verlust UNO“  besprochen und zitiert. Gegengift(e) gegen Vergessen und Verlust bietet unser Verlust-Sampler mit Kurzkritiken zu Büchern von Volker Angres/ Claus-Peter Hutter, Sue Black, Ayse Bosse/ Andreas Klammt, Christiane Collorio/ Michael Krüger, Peter Graf, Ursula Heinzelmann, Justinian Jampol, Rem Koolhaas, Rainer Moritz, Rudi Palla, Wolfger Pöhlmann, Roland Schulz, Slow Food Deutschland, Ina Katharina Uphoff/ Nicola von Velsen.

Und dann ist da noch ein aufregend gegenwärtiges Buch: „Schnittstelle Körper“ von Markus Metz & Georg Seeßlen, in dem das Thema (Kontroll-) Verlust uns allen buchstäblich auf und in den Leib rückt. Alles keine Science Fiction.

Lektüre, das zeigen unsere Verlust-Specials UNO und DUE, ist ein absolut probates Mittel, mit Verlust umzugehen. In diesem Sinne wünschen wir Ihnen allen gutes Lesen,

Alf Mayer, als Kurator

Alf Mayer, Journalist & Literaturkritiker, Kurator dieses Verlust-Specials, Redakteur von CrimeMag, Autor des Ed McBain-Porträts „Cops in the City“ (zusammen mit Frank Göhre, von beiden bald auch „King of Cool. Das Elmore Leonard Lesebuch“), Entdecker und Übersetzer der Crissa-Stone-Romane von Wallace Stroby, lebt in Bad Soden am Taunus. Seine CulturMag-Texte hier.

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