Geschrieben am 8. Dezember 2018 von für Litmag, Musikmag, News, Specials, Verlust-Special 2018, Verlust-Special DUE

Rolf Barkowski: Ein Farewell für L.C. Ulmer

 … So when the music’s over …

So when the music’s over
When the music’s over, yeah
When the music’s over
Turn out the lights
Turn out the lights
Turn out the lights

Well, the music is your special friend
Dance on fire as it intends
Music is your only friend
Until the end
Until the end
Until the end  (The Doors / Strange Days)

Bei jeder Reise, jeder Rückkehr nach Mississippi kommt sie zurück: 
die Wehmut, die Erinnerung an einen einzigartigen Bluesmusiker, an L.C.Ulmer.

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03Meine erste Begegnung mit L.C.Ulmer war in 2012. Beim Highway 61 Blues Festival (damals noch in Leland). Mit ihm auf der Bühne, sein Begleiter am Bass, R.T.Lowe. Und eine schwarze Musikerin, mit einem Washboard in Form einer Krawatte um den Hals (wer diese Musikerin war – bis heute unbekannt). Was für eine Kombination. Und was für eine einzigartige Art, wie L.C.Ulmer den Blues spielte und sang. Ein spezieller Country Blues verwurzelt in den Tiefen des Mississippi Delta. Die spezielle Art, die Gitarrenseiten zum Singen zu bringen. Eine warme Stimme. Direkt ins Herz.
So hatte ich den Blues noch nie gehört.

02

Ein Jahr später –  2013. Die Highway 61 Blues Stage ist umgezogen nach Greenville in den Warfield Park direkt am Mississippi gelegen und nun Teil des neuen Mighty Mississippi Music Festivals. L.C.Ulmer mit R.T. Lowe am Bass auf der Bühne. Wieder diese Stimme, diese Gitarre – unverkennbar. Dabei ist es, als erfinde sich L.C.Ulmer bei jedem Stück neu auf der Bühne. 
11Sein neues Markenzeichen: Eine gelbe Blattkohldose (Collard Greens) neben dem Mikroständer, darin eine Mundharmonika und ein elekrisches Kabel (?). Eigenkonstruktion des Musikers. 
Großes Geheimnis. Ungelöst bis zum Schluß. 
Dazu eine Spielfreude, gute Laune und Energie –unglaublich.
All das mit mittlerweile 85 Jahren.

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Ich hatte das Glück, L. C. Ulmer auch beim Mighty Mississippi Music Festival 2014 und 2015 in Greenville zu erleben. Er gehörte einfach dazu – zur Highway 61 Blues Bühne.
2015 spielt das Wetter verrückt. Anfang Oktober, es weht ein eisiger Wind vom Fluß. 
10 Grad und weniger. L.C.Ulmer heute mit dicker Jacke und Schneemütze. Ohne Mühe gelingt es ihm wieder, trotz der Kälte das Publikum mit seiner Musik und seiner schier endlosen Energie zu begeistern.

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Eine Woche später ist L.C.Ulmer zum ersten Mal beim King Biscuit Blues Festival in Helena dabei.
Ein unglaublicher und unvergessener Auftritt auf der Front Porch Stage. Ein ums andere Mal verdutzt L.C. Ulmer seinen Mitspieler mit ungehörten Improvisationen an der Gitarre. 
R.T. Lowe am Bass staunt und ist ebenso begeistert wie die Hörer.

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Frühjahr 2016. Mitten in Verhandlungen, L.C.Ulmer für einige Auftritte nach Deutschland zu holen, schockt die Nachricht: In der Nacht zum 14. Februar ist L.C.Ulmer friedlich eingeschlafen.
Mit 87.

Was bleibt? L.C.Ulmer gehört zu den vielen ungezählten (Blues) Musikern, von denen außer der Erinnerung nichts bleibt.
L.C.Ulmer`s Erbe sei hier nur stellvertretend genannt. Es gibt es nicht.

10Blues Come Yonder (von 2011) lautet der Titel der einzigen CD von Ulmer. Immerhin.

Eine CD mit Aufnahmen, die leider nur einen sehr mangelhaften Eindruck davon wiedergeben, wie L.C.Ulmer`s Blues klang. Doch gerade die Art, wie er in den letzten Jahren gespielt, wie er den Blues interpretiert und weiterentwickelt hat – wer nicht das Glück hatte, das zu hören – L.C.Ulmer nimmt es mit ins Grab.

Alle Appelle, alle Bemühungen in Mississippi, vor Ort zu Lebzeiten von Ulmer Menschen zu finden, diesen Musiker zu produzieren, seine Musik zu konservieren – vergebens. Und bis heute habe ich das Gefühl, einer der wenigen zu sein, der das beklagt

Hat es das Lebenswerk eines Musikers nicht verdient, wenigstens als Aufnahme konserviert zu werden? 
Das Resümee eines Musikerlebens:  Die Erinnerung von Fans, Fotos, Clips auf You Tube? Traurig.
Mit L.C.Ulmer’s Tod ist auch seine Musik gegangen. Was für ein Verlust!

….ach ja. Der Doors-Text geht noch weiter:

We want the world and we want it,
We want the world and we want it, now
Now? NOW! 

Rolf Barkowski (auch Fotos)

Rolf Barkowski, Jahrgang 1950, hat mal Sozialwissenschaften & Germanistik studiert, ewiger Student;  hat mal als Gerüstbauer, lange als Briefträger und ganz lange als Sozialarbeiter (offene Kinder-und Jugendarbeit) gearbeitet; ist musikalisch sozialisiert in den 60er Jahren mit den Stones und weißem Blues; hat im Alter den schwarzen Blues entdeckt; ist seitdem regelmäßig in Mississippi bzw. im Süden der USA unterwegs; fotografiert leidenschaftlich gerne; handelt im richtigen Leben seit 30 Jahren mit Antiquitäten und Kunst.
Seine Blues-Festival- und CulturMag-Texte hier.

 

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