Geschrieben am 1. September 2023 von für Crimemag, CrimeMag September 2023

Sonja Hartl: „Funkloch“ von Garry Disher

Ein souveräner Erzähler

„Lovelock und Pym. Hörte sich an wie irgendein Showbusiness-Duo – Magier vielleicht, oder Folksänger“. Mit diesem lässigen Einstieg beginnt Gary Dishers „Funkloch“ – aber weil es sich dabei um einen Kriminalroman handelt, sind Lovelock und Pym nicht im Showbusiness, sondern im Mordgeschäft. Sie erhalten von einem Gangsterboss den Auftrag, auf der Mornington Peninsula einen Mann zu töten. Und was nun folgt, ist herrlich komisch und steckt voller Seitenhiebe auf andere Auftragskiller der Krimi-Geschichte: Lovelock und Pym machen sich ziemlich missmutig von Sydney aus auf den Weg in die Gegend südöstlich von Melbourne. Sie erledigen zwischen lässigen Dialogen und einem kurzen romantischen Anflug den Auftrag, aber sie weichen von ihren Abläufen ab und werden übermütig: erst foltern sie den Mann, obwohl sie ihn eigentlich so sauber wie möglich erledigen sollten. Dann werfen sie auf dem Weg zur Entsorgung der Leiche eine Zigarette aus dem Fenster, weil sie nicht wissen, wie schnell so ein Buschbrand entsteht. Und schließlich werden sie dabei beobachtet, wie von dem Ort zurückkehren, an dem sie die Leiche versteckt haben. Deshalb müssen sie einen weiteren Mann töten. Das kostet Zeit. Und mittlerweile hat sich das Feuer ausgebreitet … 

Diese zweite Leiche ist es, die Inspector Hal Challis ins Spiel bringt. „Funkloch“ ist der siebte Teil mit ihm, 1999 ging es mit „Drachenmann“ los. Und dieser siebte Teil vereint nun alle Vorzüge der Reihe: die Morde sind nur der Einstieg in eine Handlung, in der allerhand Verbrechen aufzuklären sind. Es geht um Drogengeschäfte, ansteigende Gewalt, gestohlene Landmaschinen, ein vermisstes Mädchen und einen Vergewaltiger. Mühelos verbindet Disher diese Handlungsstränge, wechselt gekonnt die Schauplätze und Perspektiven. Er hat ein Auge für Details und ein Gespür für Atmosphären, dadurch entsteht ein lebendiger, vielschichtiger Einblick von dem Leben auf der Halbinsel, auf der sich nun das organisierte Verbrechen langsam breit macht. Es ist ein Landstrich der Gegensätze aus reichen Familien mit Strandhäusern, armen Familien in heruntergekommenen Siedlungen – und vernachlässigten Kindern an beiden Orten. 

Disher ist ein souveräner Erzähler, das beweist er in seinen Kriminalroman ein ums andere Mal. Er hat alleine drei Krimi-Reihen, die alle verschiedene Stärken haben. Bei Hal Challis sind es der Ort, die komplexe Handlung, die niemals auf Spektakel, sondern immer auf genaue Beobachtung setzt, vor allem aber die wiederkehrenden Figuren: Hal Challis ist kein Super-Ermittler oder depressiver Kommissar, sondern ein Polizist, der weiß, dass seine Sozialkompetenz nicht so ausgeprägt ist und er etwas dagegen tun muss. Oft arbeitet er mit Pam Murphy zusammen, die sich um alternde Mutter sorgt. Vor kurzem erst hat ihre Mutter das Familienhaus aufgegeben und ist eine Einrichtung für betreutes Wohnen gezogen, dort ist sie aber nicht glücklich. Zudem erkennt Pam, dass sie selbst einsam ist – und überlegt, wie sie das ändern könnte. Dann gibt es noch Ellen Destry, die mittlerweile mit Hal Challis liiert ist, aber nicht mehr direkt mit ihm zusammenarbeitet. Sie ist nun Leiterin einer neuen Polizeieinheit für Sexualverbrechen und muss sich in ihrer neuen Führungsrolle erst zurechtfinden.

Sie alle machen ihren Job so gut sie können, sie haben private Probleme, mögen nicht alle Kolleg*innen oder Verwandte und versuchen, ein halbwegs glückliches Leben zu führen. Kurzum: sie sind erstaunlich lebensnah und genau das macht sie bemerkenswert. In einem Interview mit Alf Mayer hat Garry Disher gesagt, dass Hal Challis ihn eigentlich nicht so interessiere. „Er ist dezent, geduldig, klug, aber auch ein wenig farblos“. Deshalb nehmen auch Ellen Destry und Pam Murphy immer mehr Platz in der Reihe ein. Tatsächlich ist Challis dezent, geduldig und klug, aber letztlich ist er derjenige, der alles zusammenhält. Und es bedarf einiges Können, so einen Charakter zu einem selbstverständlichen Zentrum der Reihe zu machen. 

Sonja Hartl

Garry Disher: Funkloch (Signal Loss, 2016). Aus dem australischen Englisch von Peter Torberg. Unionsverlag, Zürich 2023. 352 Seiten. 19,99 Euro. – Anm. der Red.: Siehe auch das Interview von Alf Mayer zu diesem Buch in unserer letzten Ausgabe.

Tags : , ,