Geschrieben am 17. Oktober 2017 von für Crimemag, Kolumne

Kolumne: Frank Göhre über Jörg Fauser

FauserJörg Fauser, der Geschäftsmann

Gerade wieder war Buchmesse in Frankfurt, wo nicht nur über Bücher, sondern jenseits der Mikrofone auch über Geld geredet wird. Für unseren Kolumnisten Frank Göhre – ein Übersicht seiner CrimeMag-Beträge hier – ein Anlaß, dem 1944 in Bad Schwalbach/Taunus geborenen Fauser ein wenig ins Portemonaie zu schauen. Schriftsteller-Realitäten.

„Heute weiß ich natürlich, dass es nicht genügt, so gut und so aufrichtig zu schreiben, wie man unter Anspannung aller Kräfte vermag, man muss, will man davon leben, das Geschriebene auch verkaufen.“ Für eine Anthologie-Seite gab es maximal einen Zwanziger, für einen Hörfunk-Magazin-Beitrag konnte man bis zu Fünfhundert einsacken, und die „Münze“, so Fauser, für ein 45/50-Minuten Hörspiel war Dreitausend.

Die Rede ist von D-Mark, von Autorenhonoraren in den Siebziger Jahren und von der Schreibarbeit des sich allmählich etablierenden Autors Jörg Fauser. Er hat als Aushilfsangestellter, Nachtwächter und Flughafenarbeiter gejobt. Um aber als Freischaffender einigermaßen über die Runden zu kommen, musste man schon eine Menge Wörter in die Schreibmaschine hacken. Die Printmedien allein brachten es nicht, für die Szene-Publikationen schrieb man ohnehin für nothing, und um die Sender von Radio Bremen bis WDR kontinuierlich zu beliefern hieß es, ein breites Angebot an Themen im Koffer zu haben und als Reisender unterwegs zu sein: „… fahr ich selbst morgen nach Wien, kurz, um mal festzustellen, unter anderem, ob man da nicht auch im Radio mal Texte lesen kann.“ Der 22jährige Fauser fasste mit einem Bericht über seine Arbeit als Pfleger in einem Londoner Siechenheim beim Hessischen Rundfunk Fuß, realisierte Mitte der Siebziger Jahre im seinerzeit von CDU- und auch SPD-Politikern als „Rotfunk“ diffamierten WDR schräge Musik-O-Ton-Collagen für die „Radiothek“ und schrieb für den Sender auch sein erstes dokumentarisches Hörspiel „Café Nirwana – Bilder einer Krankheit“, gesprochen u.a. von seinen Cut-up-Kollegen Jürgen Ploog und Carl Weissner. Mit ihnen gab er auch schon zwei Underground-Literaturzeitschriften heraus.

Er schrieb Rezensionen über die Lyriker Andreas Gryphius, Else Lasker-Schüler und Günther Eich, interviewte später Günter Grass, begleitete den Ex-Rattles Achim Reichel auf seiner Tour durch Indonesien und ging mit Detlef B. Blettenberg auf Recherche über den Drogenhandel in Thailands Goldenem Dreieck. Er übersetzte eine James Dean- und eine Joan Baez Biografie und etliche Rolling Stones Songs. Von Anfang 1974 bis Ende 1979 konnte er regelmäßig Porträts und Reisereportagen in der „Basler Nationalzeitung“ veröffentlichen. Dafür gab es, je nach Umfang, zwischen 1200 und 1500 Franken. In den ersten Jahren kam er so auf einen jährlichen Bruttoverdienst von Zwölf- bis Fünfzehntausend DM. Vor allem aber hatte er die Freiheit, über das zu schreiben, was ihm unter die Haut ging und wo er sich positioniert sah: „Ich glaube, dass ein Großstadtschriftsteller immer auf der Seite der Habenichts zu sein hat.“ So entstanden großartige Texte über Autoren, in deren Leben und Leiden er sich wiedergespiegelt sah. Und das waren der Junkie Hans Fallada, der „böse, besoffen, aber gescheit(e)“ Joseph Roth, der Rennbahnzocker Charles Bukowski und all die Asphaltpoeten, deren „Schreibe so gut saß, wie ein gezielter Faustschlag.“ Krimiautoren wie Hammett, Chandler und Chester Himes also, Eric Ambler und Ross Thomas. Parallel zu diesen essayistischen Arbeiten – zusammen genommen eine kleine Literaturgeschichte der Vergessenen und/oder an den Rand Gedrängten – schrieb Fauser seine eigenen Stories über die Dauergäste in Eckkneipen und Trinkhallen, die Bewohner von Randzonen.

Obwohl inzwischen ordentlich und auch regelmäßig bezahlter Kolumnist und assoziierter Redakteur des Berliner Stadtmagazins „Tip“ und später Redakteur bei dem von Hans Magnus Enzensberger herausgegebenen Journal für Luxus und Moden „TransAtlantik“ resümierte er: „Eine gute Erzählung ist mehr wert als 1000 Seiten ‚Tip‘ oder ‚Spiegel‘, aber das begreifen deren Verleger nie.“

Frank-Göhre-_FotoErst Jahre nach seinem Tod am 17. Juli 1987 brachte das Gesamtwerk des Autors, der zeitlebens „keine Stipendien, keine Preise, keine Gelder der Öffentlichen Hand“ erhalten hatte, einiges an Knatter, an Kohle oder auch Münze. Okay, so ist es mitunter in dem Geschäft.

Frank Göhre

Hamburg, 22. August 2017

Hinweis: Unser Autor Roland Oßwald ist dabei, die Jörg Fauser gewidmete Internetseite jörg-fauser.de weiter auszubauen, ein Besuch lohnt sich.

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