
Joachim Feldmann und Alf Mayer über den Frankfurt-Roman von Sybille Ruge
Sybille Ruge: Davenport 160 x 90. Herausgegeben von Thomas Wörtche. Suhrkamp Verlag, Berlin 2022. Klappenbroschur, 264 Seiten, 15 Euro.
Subtile Meisterschaft
Die Inkassounternehmerin Sonja Slanski hat eine bunte Biographie und nützliche Kontakte, manche familiär begründet. Das muss man einfach glauben. Ebenso wie den folgenden Satz: „Geraume Zeit später hatte er seine abgeschriebenen 2,5 Millionen wieder und überwies mein Honorar. Er rief mich an und lud mich zum Essen ein.“ Aber was hier so einfach klingt, hat komplizierte Folgen, auf denen der Plot von Sybille Ruges Roman „Davenport 160 x 90“ beruht.
Slanski hat einen messerscharfen, analytischen Blick. Und die notwendige Portion Verachtung, für das, was sie sieht. Zum Beispiel in dem teuren Restaurant, das sie mit einer Klientin besucht: „Mein Burger kam und die zwei winzigen Tüten mit Pommes Frites plus Mayonnaise. Die zerknitterten Tüten entpuppten sich als Porzellan.“ Schade, dass sie ihr Soziologiestudium abgebrochen hat. Ihre Beobachtungen wären die ideale Grundlage für eine Studie zur Ästhetik der aktuellen Klassengesellschaft. Stattdessen hat sie brillante Theoriearbeiten geschrieben. Aber ein Abschluss erschien ihr nutzlos, schließlich wollte sie nicht in den „Staatsdienst“. „Der Staat soll seine Ordnung ohne mich verteidigen“, denkt sie immer noch. Das ist nur konsequent, denn ihre Dienstleistungen basieren auf den Defiziten der offiziellen Exekutive.
Slanskis wichtigste Waffe ist nicht die liebevoll beschriebene Rossi 971, sondern die Sprache. Da trifft es sich gut, dass Sybille Ruge weiß, wie man den Konjunktiv 2 korrekt einsetzt. Das ist heute selten. Slanski braucht ausgefallene Sprachbilder, um ihrer erlebten Wirklichkeit beizukommen. Aber auch, um sie sich vom Leibe zu halten. Man gewöhnt sich schnell an diesen Überraschungsstil, so dass der wenig originelle Vergleich eines Satzes mit einer „Cruise Missile“ fast enttäuscht. Aber vielleicht ist das auch gut so. Denn Slanski ist nicht so souverän, wie sie sich gerne sehen möchte. Man nennt das Hybris. Dass sie der irritierenden Klientin, die sich mal eines französischen, mal eines amerikanischen Akzents bedient, nicht wirklich gewachsen ist, mag damit zu tun haben. Dabei wäre es so leicht gewesen: „Was halten Sie davon, wenn ich Ihnen 10.000 gebe, in Cash versteht sich, und Sie schaffen mir diese Kriminellen vom Hals. To get someone off your hair. Ist das nicht interessant, wie sich unsere Völker unterscheiden?“ Ein schäbiges Angebot, das erkennt Slanski sofort. Doch dass der Dame nicht zu trauen ist, zeigt sich an einer falschen Präposition sowie an einer Erläuterung im folgenden Absatz: „Sich jemanden vom Leib schaffen, belehrte sie mich, klingt bei uns so“. Wo auch immer „bei uns“ sein mag.
Wer genau hinschaut, wird noch mehr Passagen dieser Qualität entdecken. Das ist subtile Meisterschaft. Man mag gar nicht glauben, dass es sich um einen Debütroman handelt.
Joachim Feldmann

Der Medusa niemals ins Gesicht schlagen
… wenn man sich nicht rechtzeitig vor dem geflügelten Pferd ducken kann. – Von Alf Mayer.
Die Überschrift ist ein Zitat aus dem Roman und früher begann der Tag mit einer Schusswunde (Wolf Wondratschek.) Bei Sybille Ruge beginnt er mit einer Beerdigung. Der ihres Vaters. Sie nennt ihn den Mann, dessen X-Chromosom sie besitzt. Sie hat weder einen Toten noch einen Koffer in Berlin, sie ist ein schnodder-schnäuziges Frankfurter Gewächs und schon mit diesem Debüt eine der besten deutschen Stimmen seit Ulf Miehe und Marlene Dietrich.
Ihr Roman „Davenport 160 x 90“ hat mich umgeworfen. Diese Frau kann schreiben. Und wie. Große Verneigung. Im Lauf dieses Textes – und auch bei Joachim Feldmann – mehr dazu.
Doch der Reihe nach. Das Buch beginnt so: „Meinen Vater lernte ich auf seiner Beerdigung kennen. Seine Auslöschung hatte bereits zu Lebzeiten stattgefunden. Die Gründe dafür sind mir unbekannt geblieben. Meine Mutter hatte sechs Wochen zuvor, kurz vor ihrem Tod, erstmals seinen Namen erwähnt. Nachdem die Asche meiner Mutter versenkt worden war, wollte ich das Familiending liquidieren. Mit 45 sollte man das in irgendeiner Weise geschafft haben, dachte ich.“
Nach nur 14 Zeilen stöckelt die Erzählerin über einen Friedhof im Spessart, Blasen an den Füßen. Sie trägt schwarz als Waise. Tanktop und Jogginghose, bewusst billig. „Touristen starrten mich an. Die Männer auf meinen Arsch, die Frauen auf den Chanel-Rucksack.“
Ein paar Zeilen weiter erfahren wir ihren Namen.
Slanski.
„Der Name, den ich aus einer Ehe mitgebracht hatte. Ein Intermezzo während des Studiums (…) Ich verzichte seit dieser Zeit auf alles, was nur im Entferntesten nach Vertrag aussieht. Ich treffe Vereinbarungen, bei denen ich jederzeit aussteigen kann. Den Namen habe ich behalten, weil er gut in den Blocksatz meiner Website passt.“
Die Beerdigungssache dauert ihr schnell zu lange. Sie hat „ohnehin einen starken Drang, mich in keinem Szenario länger aufzuhalten“. Und das schon immer. Nie Lust auf einen geregelten Job, auch auf keinen akademischen Grad: „Ich wollte auch nicht den intellektuellen Deppen spielen, der theoretische Grundlagen für Wachstum und Profit generiert.“ Sie will ihre Ruhe. Findet, mit dem Geld muss man machen, was einem der liebe Gott geschenkt hat. Bei ihr ist es „das sichere Gefühl für den Schlussstrich“.
Sie denkt sich „als Einzeller in einer vibrierenden Heimatlosigkeit, wo nicht geredet wird. Die Zeit stürzt nach vorn. Ihre Maßeinheit heißt CASH. Die Folge ist Abstand. Abstand brauche ich wie nichts anderes auf dieser Welt.“
In ihrem Büro genießt sie Freiheit. Das muss man erst mal sagen können. Slanski (Vorname Sonja, wie wir erst später erfahren) zieht das durch. Ihr Büro und ihre Arbeit bewahren sie vor dem sogenannten Kollektiv. Sie hat Klienten, die ihr das Honorar über den Schreibtisch reichen, die ihr die Reisen bezahlen und die sie sitzenlassen kann, wenn sie nerven.
Über ihren Job redet sie grundsätzlich nicht. Sie legt einfach ihre Karte hin.
Vorne eine Telefonnummer, auf der Rückseite ein Wort.
FORDERUNGSMANAGEMENT.
Slanski betreibt ein Inkassobüro.
Aber nicht für Kleinbeträge. Sondern für die Banken-, Börsianer-, Anzugs- und Anwaltswelt am Finanzplatz Frankfurt. Als Romanfigur hat uns so jemand gefehlt. Solch ein Frankfurt-Buch hat uns gefehlt.

Sybille Ruge, Lyrikerin, Schauspielerin, Kostümbildnerin und Schöpferin edler Textilien mit Interesse an Raumfahrt, Soziologie und den Texten von Heiner Müller – so ihre Kurzbiografie – liefert uns diese Figur. Serviert sie uns mit dem coolsten Buchauftakt seit Eric Amblers „Der Brief mit der Warnung traf am Montag ein, die Bombe selber am Mittwoch. Es wurde eine betriebsame Woche“, damals 1981 in „Mit der Zeit“/ The Care of Time.
Wer so selbstbewusst auftritt, muss auch liefern. Das ist der Grund, warum so viele konfektionierte Kriminalromane von vornherein lieber keine laute Tonart anschlagen, warum es erzählerisch bestenfalls plätschert. Im aktuellen Suhrkamp-Logbuch ist nachzulesen, warum auf dem Cover von „Davenport 160 x 90“ der Begriff „Roman“ steht und nicht „Kriminalroman“. Die Ultra-Kurzfassung davon: des Mehrwerts wegen. Und weil manche Begrifflichkeiten einfach zu kurz greifen oder nur eingeschränkte Erwartungen bedienen.
Natürlich ist der abgebrühte, hartgesottene Held seit Humphrey Bogart hinterm Schreibtisch saß ein Stereotyp. Ebenso wie das Klischee stammt dieser Fachausdruck aus der Drucktechnik und bezeichnet wiederholte, vorgefertigte Drucktexte. So etwas kreativ und subversiv gegen den Strich zu bürsten (wieder eine Begrifflichkeit aus dem Metier) erfordert Chuzpe, Stilwissen und -sicherheit, innere Freiheit und den Hang zum Drahtseilakt.
Sybille Ruge schreibt dort oben. Female Noir. Ihr Buch ist ein höchst vergnüglicher, extrem unterhaltsamer und bewundernswert intelligenter Ritt auf der Rasierklinge, viele ihrer Sätze zum Schneiden scharf. Wenn ich ein Buch lese, das ich besprechen will, mache ich mir Notizen, selten mehr als insgesamt ein halbes oder dreiviertel Blatt, ich will ja den Überblick behalten. Bei Sybille Ruge habe ich das schnell aufgegeben und mir einen Bleistift geholt, „Stellen“ nur noch angestrichen, nicht mehr exzerpiert. Beispiele gefällig?
Je größer die Schweinerein, desto mehr Charity.
Anwälte lernen im ersten Semester, wie man formal korrekt von ethischen Vorsätzen abrückt.
Sie wirkte wie eine, die keine Sekunde zögert, deinen Wagen zu rammen, wenn du ihr die Parklücke wegnimmst.
Die Schweiz ist am schönsten als Käse abgepackt im Supermarkt.
Für mich war sie ein zahlender Kunde, und für sie war ich wahrscheinlich auf derselben Stufe wie ein Getränkeautomat. Geld rein, Produkt raus.
Wir sahen uns an. Ich konnte nicht mit Sicherheit sagen, ob das ein Lächeln war. Es glich eher eine Begrüßung aus dem Kampfsport.
„Sie übertreten die zulässige Geschwindigkeit beim Assoziieren.“
Der Medusa niemals ins Gesicht schlagen, wenn man sich nicht rechtzeitig vor dem geflügelten Pferd ducken kann.
„Zusammenarbeit ist was für eine Gruppentherapie.“
Das Frauenwahlrecht beschränkte sich bei ihr auf die Garderobe.„In meiner Abteilung reicht das Spesenkontingent nur bis zum Schwarzwald.“
Rituale helfen angeblich. Aber ich weiß, dass Leichen nicht einzeln verbrannt werden.
Eine Waffe schreibt ganz eigene Geschichte. Eine Verlängerung der Gedanken, aber klarer ausgedrückt. Eine Waffe nimmt ihre Fehler nicht zurück.

Slanksi hat eine brasilianische Rossi 971, Blue Steel 4 Inch Barrel. Eine echt seriöse Wumme. Der beste Wodka, findet sie, kommt aus der Schweiz und heißt Xellent. Einmal ordert sie eine ganze Kiste davon. In ihrer Wohnung gibt es keine Kissen, bis auf eines, ein Souvenir mit der Aufschrift OEDIPUS – The Real Motherfucker.
Sie geht Boxen in einer Baracke am Stadtrand, vertraut den Jungs von dort weit mehr als den Männern aus der Wirtschaft. Einen gleich im ersten Boxjahr ausgeschlagenen Zahn hat sie durch Gold ersetzen lassen. Von einem Autounfall (mit dem Ferrari ihrer Affäre) trägt sie unterm rechten Auge eine Narbe wie ein Mercedesstern. Im Verlauf der Geschichte wird ihre Visage noch mehr verschrammt. Da merkt sie: Die Leute sind ganze Gesichter gewohnt.
Und Sie als Leser dieser Besprechung wollen vermutlich ein wenig Plot. Also Schnelldurchlauf: Von einer undurchsichtigen Society-Lady, oszillierend zwischen Baby und Diva, erhält Slanski den Auftrag, eine kriminelle Anwaltskanzlei zu ruinieren. Das erledigt sie schnell und gründlich. Macht sich damit keine Freunde. Gleichzeitig taucht ihre jüngere Halbschwester Luna auf, die als Künstlerin und „Art Escort“ herumflirrt – was der Autorin messerscharfe Beobachtungen aus der Vernissagen-Welt erlaubt. Und dann liegt Luna tot in Slankis Wohnung. Ermordet. Hätte vielleicht sogar ihr selbst gelten können.
In dieser Wohnung kann und mag Slanski nicht mehr bleiben. Sie zieht ins Motel One, bezahlt sechs Monate im voraus. Fortan hat ihr neuer Lebensraum die Größe einer ägyptischen Grabkammer, „die Luft im Flur so unecht wie die Bilder an der Wand“. Sie hat ihr eigenes Gemälde dabei, zuhause aus dem Rahmen geschnitten. Es heißt „South Seas II“ und zeigt nur Himmel, „Grün (Pantone 14-0452) und helles Blau (Pantone 15-4427)“. Ihr Zimmer mag sie sofort, es sieht aus wie eine Urlaubsattrappe. Auf dem angedeuteten Schreibtisch liegt ein Granny Smith. „Diese Apfelsorte steht wohl für Design.“ Das Zimmer hüllt sie „wohltuend ein und führte automatisch zu guter Konzentration. Wenn man das Fenster aufmachte, hatte man das Gefühl, man stünde an den Niagarafällen. Der Verkehr donnerte vorbei, und man fühlte sich überflüssig und dennoch nicht mehr einsam. Ich fand es prima. Das war Niemandsland. Ich legte mich auf die antiallergischen Kissen, die sich wie geraspelte Autoreifen anfühlten.“ Im Army-Shop holt sie sich einen Parka, in dem sie so unspektakulär aussieht wie eine Klimaaktivistin. Als T-Shirt wählt sie sich eines mit dem Aufdruck STAY WORKING DEDICATED. Es ist ein Sonderangebot aus dem Baumarkt, wo sie von nun an frühstückt.
Dann macht sie sich auf die Suche nach dem Mörder.
Hammett trug den Kriminalroman in die Gosse, Chandler wetzte am Randstein seinen Metaphernstil. Ruge liefert Scharfkantiges. „Vor dem Biomarkt links hingen zielgruppenorientiert die Bettler rum. Die hatten es geschnallt, wie man mit dem schlechten Gewissen der Leute Geld verdient. Drinnen war ein Stand von Greenpeace, der für eine aussterbende Vogelart kämpfte. Der Standort entscheidet die Rendite.“ Oder: „Vor dem Eingang zu meinem Loft hatte die Werbeagentur aus dem Haus darauf bestanden, die Mülltonnen in abschließbaren Betonkästen zu verstecken. Die Mülltonnen haben hierzulande bessere Unterkünfte als die Penner.“ FUCK YOU VERY MUCH, eine Insider-Referenz auf den ebenfalls bei Herausgeber Thomas Wörtche erschienenen sardonischen Thriller von Aidan Truhan, steht auf einem von Slanskis T-Shirts.
Als Textilexpertin ist Ruge extrem mode- und stilbewusst, schlechter Geschmack kann bei ihr den Tatbestand eines Verbrechens erfüllen. Zitat: „Seine Turnschuhe waren von exklusiver Hässlichkeit. Sie waren die typischen Produkte einer übersättigten Industrie, die ihre Kunden durch hohe Preise hypnotisierte.“ Ein Vanderbildt-Kimono spielt eine Rolle, und manchmal trifft die Heldin sogar auf Edles:
„Ihre schwarze Hose warum um sie herumgegossen und erinnerte in ihrer Passform an die Kleidung eines Matadors.
Die Hosenbeine hörten am Knöchel auf. Dann begannen die Ballerinas. Schwarzes Saffianleder. Absolute Noblesse.“
Kunst spielt eine große Rolle. Selbst im Suff fließt für Slanski die Umgebung wie in einem Aquarell ineinander, wenn sie verkatert aufwacht. Dem unterwürfigen Benehmen der Kuratorin bei einer Vernissage entnimmt sie, dass ihre Gegenüber die Fördermitglieder sein müssen. Die Luft füllt sich mit Parfüm und konturenloser Redseligkeit. Der Wein auf Ausstellungseröffnungen ist nicht mal was zum Zähneputzen, löst aber Slanski die Zunge. „Ich war in der Stimmung für Manifeste.“ Das liest sich dann so: „Eure Kunst ist ein mit Entwurmungsmittel gestrecktes Ecstacy. Nehmt die Fördergelder und lasst euch totstreicheln. Der Künstler ist doch nicht der Mitesser der Gesellschaft, er ist ihr Würger. Eure Remixe haben doch kein Original mehr gehabt. Nach der Freiheit kommt das Gequatsche über Freiheit, aber selbst dafür seid ihr zu blöd.“ Der Kuratorin ruft sie zu, „Der Mensch erwirbt als Mörder erst den letzten Schliff, stimmts?“, und will noch sagen, dass das von Heiner Müller sei, da wird sie vor die Tür gesetzt.

Sybille Ruges Affinität für Heiner Müller (1929 – 1995) wurde bereits erwähnt. Der ehemals beste Dramatiker der DDR und Katastrophenliebhaber höhnte gern: „Die Leute verlangen von der Kunst immer Trost.“ Der letzte Satz seiner „Hamletmaschine“ ist ein abgewandeltes Zitat der Mörder von Sharon Tate: „Wenn Elektra mit Fleischermessern durch eure Schlafzimmer geht, werdet ihr die Wahrheit wissen.“
In Ruges existentialistischem Roman heißt es: „Die Toten spielen keine Rolle mehr, aber den Mördern hängen wir uns an die Fersen, um uns selbst zu beweisen.“ Bei einer Fahrt aufs Land sind die Wälder „deprimierend. Dunkel. Bäume, an denen man sich aufhängen konnte“. Der Kammerton gegen Ende des Romans klingt so: „Hinter der Mauer donnerte der ICE vorbei, Scharfrichter für alle, die nicht mehr wollten.“
Es würde mich sehr interessieren, wie Heiner Müller über Sybille Ruges Roman urteilen würde.
Von dieser Autorin will ich mehr, will ich noch viel mehr lesen.
Alf Mayer
P.S. „Davenport 160 x 90“ (alleine über den Titel könnte man einen eigenen Text schreiben) ist, und das sicher nicht zufällig, die Nummer 50 der von Thomas Wörtche herausgegebenen Kriminalroman-Reihe im Suhrkamp Verlag. Neben Merle Kröger („Die Experten“), Johannes Groschupf und seinen Berlin-Romanen „Berlin Prepper“, „Berlin Heat“ und bald „Hyänen“ sowie dem im November ´22 erscheinenden „Morden und Lügen“ von André Pilz gehört Sybille Ruge zu der kaum Handvoll deutschsprachiger Autorinnen und Autoren in dieser Reihe. Das will etwas heißen. Gratulation also an sie wie an ihren Herausgeber Thomas Wörtche. – Der schreibt gerade im Suhrkamp-Logbuch selbst zu den Kriterien der Reihe.
P.P.S. Die Exkurse in die Kunstwelt, spezifisch in die Ausstellung „Davenport 160 x 90“, erlauben einige traumschöne, teils zum Schreien komische J.G. Ballard-„Crash“-Variationen: „Ich beginne langsam meine Bluse zu öffnen. Nach dem vierten Knopf kommen die Kabel. Wir haben noch eine Stunde, bis die Bombe hochgeht. Los, ficken wir“, heißt es in der mit dem Titel „Bonusmeilen“.
P.P.P.S. Die Deutschen brauen ihren Humor nach dem Reinheitsgebot, findet Sybille Ruge. Ihr Jahresrückblick 2021 bei uns hier. Heiner Müllers Lieblingsanekdote ging so: Inserat in einer Zeitung: „Frau sucht Mann mit Pferdeschwanz. Frisur egal.“
Siehe auch die anderen Beiträge aus der Reihe Ein Buch – Zwei Stimmen:
Meisterwerk der Thriller-Kunst: „Geblendet“ von Andreas Pflüger – Constanze Matthes und Alf Mayer
Sie lässt sich Zeit – und das zahlt sich aus: „Family Business“ von Lisa Sandlin– Katja Bohnet und Sonja Hartl
Viel Stahl in dieser Frau: Kathleen Kent „Die Tote mit der roten Strähne“ – Sonja Hartl und Alf Mayer
Ziemlich tricky: Simone Buchholz „Hotel Cartagena“ – Ute Cohen und Werner Fuld
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Dada-Screwball/ Die perfekte Endlosschleife: Christian Y. Schmidt „Der letzte Huelsenbeck“ – Karsten Herrmann und Alf Mayer