Geschrieben am 16. September 2018 von für Crimemag, CrimeMag September 2018

Ein Buch – zwei Stimmen: „Schattenmänner“ von Christian von Ditfurth

Schattenmaenner von Christian Ditfurth

Romantischer Held, Anarchoschnösel

Marga Winterfeld, die wir bei CrimeMag begrüßen, und Joachim Feldmann liegen bei ihrer Einschätzung von Christian von Ditfurths „Schattenmänner“ weniger auseinander als dies in unserer Rubrik „Ein Buch – zwei Stimmen“ manchmal der Fall ist. Dennoch ergänzen sich ihre Blickwinkel.

Christian von Ditfurth: Schattenmänner. Kommissar de Bodts vierter Fall. Thriller. C. Bertelsmann Verlag, München 2018. 480 Seiten, 15 Euro. 

Perfekte Spannungsliteratur

Philosophisch gebildet ist er, der Hauptkommissar Eugen de Bodt. Gerne zitiert er Hegel und Kant, gelegentlich auch Fichte oder Nietzsche. Seine Mitarbeiter kennen das, andere reagieren verblüfft oder irritiert. Mit de Bodts Englischkenntnissen ist es nicht so weit her. „Anybody blessed“, ruft er gleich dreimal, nachdem sein Stammlokal von einem wild um sich schießenden Killerkommando heimgesucht wurde. Doch unter den mehrheitlich amerikanischen Gästen gibt es keine Verletzten. Auch de Bodt, dem der Anschlag galt, ist unversehrt geblieben. Zuvor hat er um Haaresbreite einen Raketenangriff auf das Berliner Landeskriminalamt überlebt.

Wer genau hier keine Kosten und Mühe scheut, den unorthodoxen Ermittler ums Leben zu bringen, bleibt im Dunkeln, das Motiv jedoch scheint relativ klar. Es geht um streng geheime Pläne für ein deutsch-französisches Rüstungsprojekt, an  denen gleich mehrere Parteien interessiert sind, allesamt wenig  zimperlich in der Wahl ihrer Mittel. Was all das mit einer Tausende von Mitgliedern zählenden Facebook-Gruppe von Katzenliebhabern zu tun hat, erschließt sich de Bodt und seiner Crew nicht auf Anhieb, geht es doch zunächst nur darum, den Mord an der Geliebten eines bayrischen Ministers aufzuklären. Dass es dabei nicht bleiben wird, versteht sich von selbst. Schließlich basiert das Genre darauf, dass disparate Ereignisse in einen nachvollziehbaren Zusammenhang gebracht werden.  Diese Art der Komplexitätsreduktion funktioniert umso besser, je deutlicher der Bezug zur so genannten Realität ist, ohne dass auf die unterhaltungsnotwendigen fantastischen Elemente verzichtet würde. Deshalb braucht es einen romantischen Helden wie Eugen de Bodt, klug, nachdenklich, unangepasst. Respektlos gegenüber Vorgesetzten, aber mit einem direkten Draht zur Kanzlerin. Und immer noch in Besoldungsgruppe A12.

„Schattenmänner‘“, Christian von Ditfurths vierter de Bodt-Thriller, ist perfekte Spannungsliteratur. Kurze Kapitel, kurze Sätze. Gerne Ellipsen. Messerscharfe Dialoge von hohem Unterhaltungswert. Einprägsame Figuren, deren Privatleben in den Blick gerät, ohne dass es aufdringlich würde. Gelegentliche Komik. Und ein untrüglicher Sinn für Effekte. Damit sich manche Fragen erst gar nicht stellen. Zum Beispiel, wie man von jetzt auf gleich ein paar Millionen Euro in bar auftreibt. Obwohl die Antwort sicher nicht uninteressant wäre.

Joachim Feldmann

Giftflut von Christian Ditfurth

de Bodt Nr. 3

Zwei Sekunden von Christian v Ditfurth

de Bodt Nr. 2

Kein Wort zuviel

Manche Bücher legt man erst aus der Hand – und seien sie noch so umfangreich – bis man sie nicht in einem Zug durchgelesen hat. Um dann enttäuscht zu sein, weil sie nicht noch viel dicker sind. »Schattenmänner« von Christian v. Ditfurth ist so eins. Was mit dem Mord an der Geliebten des Innenministers aus Bayern beginnt – worauf ihm sein hechelndes Lachen vergeht –, entwickelt sich zu einem Politthriller, der die Leserin – das darf man verraten, ohne etwas zu verraten – über eine facebook-Katzengruppe in die Abgründe der europäischen Rüstungszusammenarbeit führt. Was gedacht ist, die europäische Verteidigung zu stärken – und natürlich am Export von Kriegsgerät zu verdienen – erweist sich als Hebel, an dem angesetzt wird, den europäischen Zusammenhalt zu schwächen. Eine dialektische Ironie, die eines de Bodt würdig ist.

Es ist de Bodts vierter Fall, und er ist derselbe  geblieben, der seine Mitarbeiter mit Zitaten von Hegel, Kant und Seneca nervt, während er seine Vorgesetzten mit weit über das Legale hinausgehenden Ermittlungsmethoden Richtung Herzinfarkt treibt. Wobei ihn seine in steter Kritik treu ergebene Truppe, die schöne, aber bindungsunfähige, Salinger und der immer nervöse Yussuf, tatkräftig unterstützt. Auch sonst treffen wir alte Bekannte: Den Söldner Bob, der mit seinem im letzten Band halb weggeschossenen Gesicht aus dem Gefängnis heraus ein doppeltes Spiel spielt. Auch die beiden Franzosen, der stets schlecht gelaunte Lebranc und sein übereifriger Assistent Floire, sind wieder mit dabei und dürfen ihrer Hassliebe frönen. Es gibt einige solcher Zweierkonstellationen, in denen die Protagonisten sich aneinander reiben, dass die Funken – und die Wortwitze – stieben.

Heldenfabrik von Christian v Ditfurth

de Bodt Nr. 1

Dabei ist Sprache ist aufs Nötigste reduziert. Wie immer. Kein Wort zu viel. Wenn doch, wird Salinger von de Bodt getadelt, dass sie Füllwörter benutzt. Der Plot ist hoch verschachtelt, wird aus mehreren Perspektiven erzählt. Mit kurzen, harten Schnitten wird die Handlung rasant nach vorne getrieben. Die Handlungsstränge laufen parallel. Sie verweben sich erst nach und nach mit den Ermittlungserfolgen, die sich oft auf Umwegen einstellen. Die Leserin wird auf jeden Holzweg, in jede Sackgasse mitgenommen. Und folgt willig, könnte doch hinter jedem Misserfolg ein Hinweis auf die Lösung lauern. Die lässt aber, wie es sich gehört, bis zum Schluss auf sich warten. Und der ist ein Noire erster Güte. Zwar ist das Verbrechen aufgeklärt und der Drahtzieher wird einer höheren Gerechtigkeit zugeführt – der de Bodt tatkräftig nachgeholfen hat –, aber der Schaden ist entstanden und lässt sich nicht wieder beheben.

Kann man das Buch lesen, ohne die vorherigen Bände zu kennen? Kann man. Allerdings wird einem dabei mancher Witz entgehen, der nur in Kenntnis der Serie funktioniert. Zum Beispiel das unterkühlte Verhältnis Salingers zur Katt, der russischen Spionin. Oder der running gag, dass in jeder Folge ein weiteres Bauwerk Berlins in die Luft gejagt wird. Dieses Mal das LKA. Dass der Fernsehturm noch steht, ist erstaunlich. Auch die Protagonisten bzw. ihre Beziehungen untereinander haben seit der ersten Folge Entwicklungen durchgemacht. So nimmt das Knistern zwischen Salinger und de Bodt merklich zu, obwohl beide – noch – zurückschrecken. Solche Feinheiten mögen einem entgehen. Der Spannung tut dies keinen Abbruch. Der Sog dieses im besten Sinne wahnwitzigen Plots lässt einen nicht los. Bis man das Buch weglegen muss, weil es durchgelesen ist.

Ach ja, am Ende meldet sich der Innenminister krank.
Überaus empfehlenswert!

Marga Winterfeld

Besprechungen von Christian von Ditfurths Büchern bei CrimeMag:
Thomas Wörtche über de Bodt Nr. 2: Pfuscher oder Genies?
Peter Münder über de Bodt Nr. 3: Was ist die Botschaft? Irgendwas mit Wasser?

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