Geschrieben am 4. Dezember 2010 von für Bücher, Crimemag

Bloody Chops

Bloody Chops

– Heute choppen für Sie: Joachim Feldmann (JF), Klaus Kamberger (KK) und Thomas Wörtche (TW) über Kurt Palm, Christopher Reich und Pablo Tusset.

Jödeldööö!

(JF) Dass auf den letzten Seiten des nach seinem Handlungsort betitelten Romans ein Unwetter apokalyptischen Ausmaßes über dem österreichische Bergnest Bad Fucking aufzieht, könnte religiös orientierte Leser zu der Annahme verleiten, hier sorge ein rachsüchtiger Gott dafür, dass all die im Lauf der Handlung vergossenen Körperflüssigkeiten in einem Aufwasch hinweggespült werden. Allein – es ist doch nur der Autor Kurt Palm, der seine aus vielerlei bizarren Szenen zusammengebastelte, mord- und sexlastige Provinzgroteske sinnvollerweise mit einem ebenso grandiosen wie verheerenden Naturschauspiel beschließt. Leider sind nicht alle Einfälle dieses erfindungsreichen Fabulierers ebenso schlüssig. Passagen von wundervoll geschmackloser Komik wechseln mit langatmigen Erklärungen eines gelegentlich überforderten Erzählers. Von mir aus hätte Bad Fucking schon 50 Seiten früher in den himmlischen Fluten untergehen können.

Kurt Palm: Bad Fucking. Krimi. St. Pölten – Salzburg: Residenz 2010. 277 Seiten. 21,90 Euro. Zum Teaser des Buches. Zur Verlagshomepage.

Hektisch, sehr hektisch

(KK) Zuerst stürzt seine Frau in eine Gletscherspalte. Dann findet er sie, als er ihr nachklettert, nicht wieder, obwohl er sie von oben noch in ihrem Blut hatte liegen sehen. Aber wie und wohin ist sie verschwunden – und warum? Unter Gefahr für Leib und Leben spürt er dem nach und findet heraus, dass sie doch tatsächlich, mir nichts, dir nichts, ein Doppelleben geführt hat.

Ein Flugzeug muss in Basel notlanden. Der helvetische Geheimdienst – den gibt es tatsächlich – weiß: In der Maschine sitzen ein CIA-Mann und ein Terrorist. Was haben denn die ausgerechnet in der schweizerischen Lila-Kuh-Idylle verloren? Nicht leicht zu beantworten, nachdem der Terrorist längst auf und davon ist, als sie das Flugzeug kapern.

Ein Holländer mit Aufenthaltsgenehmigung in der Schweiz wird vor seinem Haus erschossen. Offenbar von einem Profikiller. Bei dem Toten findet die Polizei drei Pässe und eine Uzi. War der Kerl etwa ein Spion? Und für wen?

Und was hat das alles miteinander zu tun?

Das Strickmuster ist bekannt. Große Weltkonflikte vor kleiner Kulisse. Alles purzelt durcheinander. Von draußen winkt sogar die reale Welt herein: „Personen der Zeitgeschichte“ haben bei so was dann ihren geheimnisumwitterten Auftritt; diesmal ist El-Baradei an der Reihe. Auch nicht mehr neu.

Pech nur, dass der Autor beim allzu rasanten Wechseln der Erzählperspektiven bald kaum mehr Luft kriegt und von Versatzstück zu Versatzstück hechelt. Dabei kann Christopher Reich durchaus erzählen. Aber bei dieser Hektik sind fast 600 Seiten dann doch mindestens 300 zu viel.

Christopher Reich: Geblendet. (Original: Rules of Deception, Doubleday). Aus dem Englischen von Damaris Brandhorst. Köln: Bastei Lübbe 2010. 590 Seiten. 8,99 Euro. Zur Homepage von Christoph Reich

Komische Katalanen, krepierend

(TW) Kapital komisch Pablo Tussets hemmungsloses Spotten und Speien über sein Spanien, insbesondere über die wunderlichen Wege des katalanischen Nationalismus, der hin und wieder doch ein klein wenig dogmatisch daherkommt. Wobei Tusset (der so auch nicht wirklich heißt, aber ziemlich berühmt ist seit einem wunderbaren Roman über ein Croissant) selbst natürlich so was von Katalane ist: „Sakamura, Corrales und die lachenden Leichen“ (Frankfurter Verlagsanstalt) heißt dieser bizarre Polit-Thriller (na ja …, könnte man schon sagen) um einen japanischen Interpol-Kommissar, den spanischen Ministerpräsidenten und den katalonischen Regierungschef, unaussprechlich bösen Terroristen, der Agentin 69 und einer seltsamen Maschine, die lachende Leichen produziert (oder so), was zwar schlimm, aber bei weitem nicht sooo wichtig ist, wie die Vorgänge in einem katalanischen Fußballverein … Molt entretingut – sehr unterhaltsam.

Pablo Tusset: Sakamura, Corrales und die lachenden Leichen. (Sakamura, Corrales y los Muertos Rientes, 2009). Roman. Deutsch von Ralph Amann. Frankfurt am Main: Frankfurter Verlagsanstalt 2010. 300 Seiten. 19,90 Euro. Zur Verlagshomepage.