Geschrieben am 2. August 2024 von für Crimemag, Litmag, Special Thomas Wörtche, Thomas Wörtche

Tommy Schmidt: Die Frau mit dem Malteserkreuz

Wenn ein Roman lebendig wird …

Thomas sitzt bei einer Tasse Kaffee vor einem Straßencafè in der Bergmannstraße und lässt es sich bei der Lektüre eines Thrillers mit dem Titel DIE FRAU MIT DEM MALTESERKREUZ im Übrigen gutgehen. Das Wetter ist schön, die Röcke sind kurz und die Vögel zwitschern munter durcheinander.

„Die junge Frau hat an einem Einzeltisch vor einem Straßencafé in Kreuzberg Platz genommen und bestellt einen großen Cappuccino. Sie hantiert mit ihrem Smartphone.

Sie ist zurückhaltend elegant gekleidet. Wirklich auffällig an ihr ist nur die Tätowierung auf dem Rücken ihrer rechten Hand: ein Malteserkreuz“.

Thomas nippt an seinem Kaffee und nickt wohlwollend lächelnd in sich hinein. Was es wohl auf sich hat mit diesem Malteserkreuz? Was sein Herz dann aber sofort höher schlagen lässt, ist, was an seinem Nachbartisch passiert: Eine zurückhaltend elegant gekleidete junge Frau setzt sich und bestellt einen großen Cappuccino. Auf dem Rücken ihrer rechten Hand ist ein Malteserkreuz tätowiert.

Sie könnte seine Tochter sein, Thomas hat schon viel gelesen und noch mehr erlebt, aber eine solche echtzeitige Verschränkung von Buch und Leben ist ihm noch nicht untergekommen.

Er schüttelt seine Gedanken ab und liest weiter:

„Ein Kellner mit einem großen Dutt aus blonden Rastalocken serviert der jungen Frau den bestellten Cappuccino. Was sie nicht bestellt hat: das Gift, das sie schon nach dem ersten Schluck töten wird.“

Thomas sieht den Kellner kommen, wie zu erwarten mit einem großen Dutt aus blonden Rastalocken.

„Halt, nicht trinken! Gift!“

Der Kellner und die junge Frau sehen Thomas an. Nicht übertrieben verstört, Berlin ist voll von Spinnern. Andererseits ist die Behauptung eines Mordversuchs unter Unbekannten an einem lauen Frühsommermorgen selbst in Kreuzberg nicht gerade alltäglich. Der Kellner nippt, um zu zeigen, dass das wirklich einfach nur ein guter Cappuccino ist, an der Tasse – und fällt augenblicklich tot um.

Die junge Frau entfernt sich und beantwortet Thomas‘ fragenden Blick gerade noch mit der knappen Bemerkung: „Lesen Sie Seite 23.“

Und Thomas liest:

„Eine große schwarze Limousine mit einem CD-Kennzeichen fährt vor. Zwei Männer und eine Frau in Anzügen steigen aus, um die Tote in den Kofferraum zu werfen. Ohne übertriebene Eile, aber zügig: Diskussionen mit deutschen Behörden will man durchaus aus dem Weg gehen.“

Während Thomas den letzten Satz dieses Absatzes liest hört er schon das leise Knirschen von Kies unter der Last einer schweren schwarzen Limousine.

Die drei Profis sind irritiert: Die Frau ist nicht da, dafür liegt ein toter Kellner zu ihren Füßen und ein Gast, der ein Taschenbuch in der Hand hält, dessen Titelseite die Hand der fehlenden Zielperson zeigt und der ihnen fragende Blicke zuwirft.

Einer der Männer bewahrt die Fassung, trinkt einen Schluck aus dem verlassenen Cappuccino – und fällt tot auf den toten Kellner. Die beiden anderen schmeißen ihn in ihren Kofferraum und brausen davon. Kies spritzt, ein Kiesel trifft die leere Kaffeetasse von Thomas und verursacht so ein unschuldiges PING, das so gar nicht zur Lage passen will.

„Das herannahende Knattern von Polizeihubschrauben, begleitet von lauter werdenden Sirenen, die sich sternförmig auf das Café zubewegen …“

Thomas legt eilig einen Zehn-Euro-Schein unter die Kaffeetasse und macht sich davon. Ein aufregendes Buch, in der Tat. Er wird bei Gelegenheit weiterlesen. Für heute reichts.

Tommy Schmidt – für Thomas Wörtche in Dankbarkeit zum 70sten. Alles Liebe, Thomas!

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