Foto © Alexander Paul Englert

Verdammt, wo ist Katja?

Jeder, der länger an einem Ort lebt, kennt das. Im Kiez trifft man sich immer wieder. Man grüßt sich, manchmal sitzt man zufällig am Nebentisch im Café, unterhält sich ein bisschen. Man mag sich, ist miteinander in diesen kurzen Momenten auch ganz vertraut, sagt dann »tschüss«, und dann trifft man sich irgendwann zufällig wieder, davon ist auszugehen. Manchmal fragt man sich, warum es immer nur so kurz so nett sein muss. Man könnte sich ja eigentlich mal ganz bewusst verabreden. 

So ging es mir mit Katja und Karl. Ich habe die beiden in meiner Anfangszeit in Kreuzberg kurz kennengelernt, da waren sie noch kein Paar. Später sah ich beide zusammen, dachte mir, was für nette Menschen da zusammengefunden haben … schön.

Bei einem kleinen Kneipenkonzert saßen wir mal an einem Tisch zusammen, es war ein richtig schöner Abend. Wir erzählten uns, was wir mittlerweile so machen. Jeder konnte sich noch ein bisschen erinnern, was früher so war, und man quatschte und fragte und interessierte sich füreinander. »Tschüss und bis bald mal wieder!«

Meistens gingen wir danach winkend aneinander vorbei oder grüßten uns von Weitem. Einmal traf ich Katja alleine und wir redeten ein wenig, da ging es dann auch um unser derzeitiges Leben. Ich werde nie vergessen, wie Katja sagte: »Karl und ich sind füreinander gebacken.«

Karl und Katja habe ich meistens nur zusammen gesehen. Sie waren ja füreinander gebacken, das ist dann kein Wunder.

Und nun, ich kann nicht genau sagen, seit wann, sehe ich Karl nur noch alleine.
Das erste Mal habe ich mich nicht gewundert, das zweite Mal auch noch nicht, aber jetzt habe ich ein ganz verdammt blödes Gefühl.Seit Monaten habe ich Katja nicht mehr gesehen. Sie ist weg.

Neulich war ich bei der Post, wollte Geld holen, da sah ich Karl gegenüber auf den Friedhof gehen. Mir war auf einmal ganz schlecht.

Hatte Katja (eine sehr schöne Frau mit langen Haaren) ihre Frisur gar nicht freiwillig geändert? Ich sah sie irgendwann mit einem Kurzhaarschnitt und fand das auch schön.

Ich wünsche mir, dass Katja irgendwo im Ausland oder sonstwo einen Job gefunden hat, vielleicht auch eine neue Liebe oder aus einem anderen Grund nicht mehr in Kreuzberg zu sehen ist … ich werde Karl irgendwann fragen, den sehe ich ab und zu … von Weitem …

Und noch was anderes: Wo ist eigentlich dieser Klaus, der die Obdachlosenzeitung verkauft und immer in dieser Bayern-München-Kutte rumläuft?
Auch verdammt lange nicht gesehen …

Claudia Denker: Gründerin der Krimibuchhandlung „Hammett“ (Inhaberin 1995–1998), ist als mobile Buchhändlerin in Berlin unterwegs.