Geschrieben am 1. Oktober 2023 von für Crimemag, CrimeMag Oktober 2023

Zeitzeuge Sebastian Knauer zur „Akte B.“

Manfred Ertel: Akte B. Wenn die Möwen tiefer fliegen. Polit-Thriller. Verlag Ellert & Richter, Hamburg 2023. Broschur, 384 Seiten, 18 Euro.

Wenn trockene Akten sich in Literatur verwandeln: der Fall eines bekannten Politikers als Polit-Thriller, in dem sich handelnde Personen durchaus wieder erkennen können. Aufgeschrieben vom damaligen Spiegel-Journalisten und Büroleiter für Schleswig-Holstein, Manfred Ertel. Seine kompakte Spiegel-Geschichte zum Verdacht der Kieler Machenschaften leitete die Affäre der schmutzigen Wahlkampf-Operationen aus der Kieler Staatskanzlei im Jahre 1987 ein. Sein Roman „Akte B.“ ist das kenntnisreiche Portraits eines politischen Alpha-Tiers und Politikers, den sein politischer Ehrgeiz, seine Eitelkeiten und dies Sucht nach Anerkennung – auch durch Sex-Affären in der ehemaligen DDR – möglicherweise in den Tod führten. 

„Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort, ich wiederhole…“

Der Autor weiß wovon er schreibt. Im Aufmacher des Politikteils berichtet der Spiegel in Heft Nr. 39 vom 6.September 1987 zum ersten Mal in vielen, gut belegten Details, wie der Kandidat der oppositionellen SPD, Björn Engholm, von Privatdetektiven undercover und in einer anonymen Anzeige der angeblichen Steuerhinterziehung beschuldigt wurde: „Waterkantgate: Spitzel gegen Spitzenmann“. Eine Woche danach folgte der Titel „Barschels schmutzige Tricks“, nachdem sich ein enger Mitarbeiter in der Staatskanzlei, Reiner Pfeiffer, gegenüber dem Spiegel als Handlanger geoutet hatte.

Autor Manfred Ertl: damals bei den Spiegel-Recherchen dabei

Wochenlang beschäftigte die Affäre die deutsche Öffentlichkeit. Am 11. Oktober 1987 zeigte der Spiegel in einem weiteren Titel Barschels Kopf halb verdeckt durch eine trübe Folie. Zu diesem Zeitpunkt lag der gefallene und auch von seinen Parteifreunden fallen gelassene Politiker in seinem Todeszimmer 317 im Genfer Hotel Beau-Rivage komplett angezogen in der Badewanne. Ob er in den frühen Morgenstunden dieses verregneten Sonntags am Genfer See noch gelebt hatte, konnten die Gerichtsmediziner nicht eindeutig beantworten. 

Die Spiegel-Geschichte zur „Waterkantgate“-Affäre blieb bei einigen Beobachtern umstritten und auch die Frage, ob Barschel selbst alle Register gezogen hatte, um den Kandidaten Engholm aus dem Rennen schießen. Oder ob sein Wahlkampf-Scharfmacher Pfeiffer der Mastermind hinter manchen perfiden Kampagnen war. Ertel hatte zusammen mit seinem Kollegen Dieter Uentzelmann vom Deutschland-Ressort des Nachrichtenmagazins recherchiert – unabhängig von Pfeiffers schwer überprüfbaren Angaben, beispielsweisedie Geldflüsse der Spitzelaktion, finanziert von dem Kosmetikkonzern Schwarzkopf oder einen angebliches Doppelleben  politischen Herausforderer als Ehemann und Homosexueller. Im damaligen Moralkodex eine immer noch wirksame Keule der Rufschädigung.

Mit Vorwürfen der Homosexualität in den Sechziger Jahren hatte der Gymnasiast Barschel im schleswig-holsteinischen Geesthacht schon mal einen Mitbewerber für das Amt des Schulsprechers diskreditiert – gleichgeschlechtliche Beziehungen konnten strafrechtlich verfolgt werden. Trotz aller schmutzigen Tricks aus der rot geklinkerten Staatskanzlei an der Förde kam es bei der Landtagswahl ganz anders.

Nicht nur wegen der zeitgleichen Spiegel-Veröffentlichung und den vorab verbreiteten Meldungen der Agenturen zum Wahl-Wochenende verlor die Regierungspartei CDU die Macht und auch in der Wiederholungswahl endgültig die Regierungsmehrheit. Barschels Lebensziel, einmal Bundeskanzler der westdeutschen Republik zu werden, war erst einmal perdu. Mit Niederlagen hatte der Karrierepolitiker, der sich mit der massiven Einnahme von Anti-Depressiva sowie dem Flugangst-Killer Tavor in seiner Persönlichkeit schleichend veränderte, wenig Erfahrung. 

Landtagswahlkampf SH, 1987

Sein Weg aus dem immer noch existierenden bescheidenen Geburtshaus in der damaligen West-Enklave Glienecke Nordbahn im nördlichen West-Berlin, umschlossen von der ehemaligen DDR-Grenze, heute Brandenburg, ging immer nur nach oben: Jurastudium mit Prädikat; Doppeldoktor in Jurisprudenz; Mitarbeit bei dem Kieler Rechtsanwalt und Notar und mutmasslichen BND-Mitarbeiter Hans-Michael Moll in Kiel, der auch Rüstungsgeschäfte des Kalten Kriegs einfädelte; standesgemäße Heirat mit einer von Bismarck; Abgeordneter; Finanzminister; Innenminister, der Hubschrauber im Tiefflug gegen Anti-Atom Demonstranten in Brokdorf einsetzten liess, schließlich Kronprinz des CDU-Ministerpräsidenten Gerhard Stoltenberg, dann 1982 als 42-Jähriger die Wahl zum jüngsten Landeschef im Land der weiten Horizonte. Von dort ist jeder politische Abstieg für einen ehrgeizigen Überflieger schmerzhaft

Er verstrickte sich in ein Netz abenteuerlichen Lügen, zwang Sekretärinnen zu falschen Eidesstaatlichen Versicherungen, übersah, dass der Aufzeichnungsdienst der Deutschen Post für Telefongespräche in Mannheim auch die gerade eingeführten Diensttelefone in den Limousinen der Landesregierung erfasste und Barschels Angaben in Teilen widerlegte. Und er machte seinen vielleicht größten Fehler auf der legendären Pressekonferenz, in der er seine Unschuld im Stil eines preussischen Offiziers überzeugend dem deutschen Volk als „Ehrenwort“ versicherte: „Ich gebe Ihnen, ich gebe der gesamten deutschen Offentlichkeit mein Ehrenwort, ich wiederhole, mein Ehrenwort, …. dass die gegen mich erhobenen Vorwürfe haltlos sind.“ 

Ein modernen Politiker sagt heute: „Sorry, hey, ich entschuldige mich aufrichtig, kommt nicht wieder vor.“ Egal ob er eine Viertelmilliarde Euro Steuergelder in Sachen EU-widrigen Mautverträge versenkt hat, seinen Doktortitel durch dreistes Plagiat verliehen bekam oder falsche bis keine Angaben über Nebenverdienste gegenüber dem Bundestag gemacht hatte. 

Was wäre gewesen wenn: Ein heute noch lebender Hoffnungsträger Dr. Uwe Barschel der Konservativen würde nächstes Jahr hochgelobt und hoch dekoriert seinen 80sten Geburtstag feiern, eine lange geplante Reise nach Kanada zu einem Vortrag über sein neues Buch zur föderalen Verfassungsdebatte antreten und möglicherweise auf mehrere Legislaturen Kanzlerschaft in Bonn und Berlin zurückschauen, nachdem er seinen Herausforderer Friedrich März etc. abgeräumt hatte. Und seinen Enkeln in ruhigen Stunden im Möllener Haus gestehen, was er im Überschwang des jugendlichen Strebens einst für einen Mist 1987 in Kiel abgeliefert hat.

Diese Ehrenwort vor einem TV-Millionenpublikum brachte selbst die schärften Kritiker zum Nachdenken. Der damalige verantwortliche Spiegel-Chefredakteur Erich Böhme bangte angesichts diese kraftvoll vorgetragenen Dementis: „Das sagte immerhin ein deutscher Ministerpräsident, ich hatte da schon feuchte Hände, ob wir nicht daneben lagen mit dem Titel.“ Böhme gab seine Ressorts und Redakteure die Order, nochmals jeden Stein in der Affäre Barschel umzudrehen. Für den Spiegel drohte eine existenzgefährdende Imagekrise wenn Pfeiffer, der Whistleblower an der Förde, den Spiegel reingelegt hätte. Ertel heute:“Viele Fakten hatten wir unabhängig von Pfeiffer recherchiert. Es passte alles zusammen, da wir einfach gute Quellen hatten.“

Der Rest ist Geschichte. Jetzt hat Zeitzeuge Manfred Eitel, Jahrgang 1950 einen nicht nur für Insider höchst spannenden Krimi vorgelegt. Nach der Devise des Prager Kritikers Egon Erwin Kirsch, „Nichts ist spannender als die Wirklichkeit“, gelingt es Ertel die tatsächliche Aktenlage, die Wirklichkeit, in einen fiktionalen Plot um den unaufgeklärten Tod einer nach der Wiedervereinigung in Köln lebenden Frau zu integrieren.

Von fiktional zu factional und zurück – Factionale Fiction, ein Genre, das für Krimis immer beliebter wird. Insbesondere bei Journalisten, die sich noch nicht aus ihrer alten Rolle, dass alles stimmen und den kritischen Fragen der Dokumentation sowie dem juristischen Lektorat genügen muss, gelöst haben. 

Es mindert auch nicht den Lesespaß, wenn Ertel seinem Patriotismus für die Hansestadt Hamburg freien Lauf lässt, indem er den Hafenrand mit seinen Geschichten ebenso würdigt wie den zweitklassigen Fußball der Freien und Hansestadt. Immerhin war er beim leidenden HSV selbst auch einer der zahlreichen roll-on-roll-off-Aufsichtsräte des Klubs vor dessen Abstieg.

Die Tochter der mysteriös zu Tode kommenden Kölner Frau mit DDR-Vergangenheit heisst Jule, in dem vom Verlag als „Roman“ gekennzeichneten Werk. Jule ist das ungewollte Kind aus der Beziehung eines – wenig fiktionalen –  Sex-gesteuerten westdeutschen Spitzenpolitikers – der Leser ahnt schon, wer -, der in der damaligen DDR immer wieder Sex-Abendteuer gesucht hat. Hier heisst sie passenderweise Chantal alias Dalia Dorn, geb.Krieger.

Auch sein politischen Umfeld der konservativen unternehmerischen Freunde wird treffend geschildert. Bis hin zur Tatsache – nicht erfunden – dass er einen Geburtstag in einem Partykeller von Warnemünde bei Rostock mit Parteifreunden aus Kiel feierte. Im richtigen Leben war es der 40. Geburtstag den Barschel im „Zigeunerkeller“ gegenüber dem Liebeshotel-Neptun am Strand mit Begleitern aus Ost und West und viel Tequila aus dicken Gefäßen feierte, der in extralangen Strohhalmen aufgenommen wurde. Ballermann an der Ostseeküste. Barschel hatte auch keine Vorsicht walten lassen, dass dabei Fotoaufnahmen der pre-oder post-sexuellen Völker-Verschwesterung gemacht wurden. Barschel als Politiker ebenso wie der MP als Romanfigur hielt sich wie Siegfried in der Nibelungensaga einfach für unverwundbar. Mir kann keiner.

Die DDR-Bediensteten behandelte er genauso schlecht wie seine Fahrer oder Sekretärinnen, aufbrausend und herrisch. In den örtlichen Restaurants bestellte er gerne zum Test Dinge die es in der Mangelwirtschaft DDR kaum gab. Einmal Kaviar. Der Ober konnte nur mit dem schwarz eingefärbten Rogen des in der Nordsee und Ostsee heimischen Seehasen dienen. „Ist das die schwarze Kanninchenscheiße – Nein Danke“, war die rüde Kommentierung des West-Besucher 

DDR-Strandhotel Neptun in Warnemünde/ Ostsee

Offiziell besuchte er in seiner Amtszeit von 1982 bis 1987 als Ministerpräsident nur zweimal die DDR, nach Aussagen seines Fahrers waren es mindest „sieben bis neun“ Aufenthalte, die eher privater Natur waren. Tatsächlich waren es wohl über ein Dutzend. Selbst die polierten Decken- und Seitenspiegel in dem VIP-Zimmer auf der 14. Etage in dem Strandhotel Neptun waren ihm kein Warnsignal, dass die Firma „Horch & Guck“, wie die Staatssicherheit genannte wurde, alle seine Schritte und auch Bettaktivitäten umfassend dokumentierte. Insbesondere wenn Besucher von der Anbagger-Disco „Sky Bar“ aus im gleichnamigen Hotel ihr Zimmer in Begleitung aufsuchten. Technisch bevorzugte die Stasi jedoch, so sachkundige Geheimdienstexperten, keine hinter verspiegelten Wänden oder Decken angebrachten Kameras a la James Bond, von denen ein Kieler CDU-Fraktionsmitglied nach einem Besuch im Neptun begeistert berichtete, sondern die weitgehend unsichtbare Integration der Aufnahmegeräte in das Zimmerdekor.

Club-Cola war da nicht das einzige Getränk, das Westbesucher und ihre Begleiterinnen für die Nacht fit machte. Die Stasi-Akten über die „operative Aufklärung“ des Romeo aus Kiel sind großenteils verschwunden, aber nach Aktenlage existierende Video-Kassetten mit Aufnahmen der ministerialen Liebesspiele in Zimmer 1417 des Neptun-Hotels (in Genf war es Zimmer 317 mit einem allerdings tragischen Ende) soll es geben, möglicherweise nach Informationen der „Welt“ und seines Autors Werner Kalinka, CDU-Abgeordneter in Kiel, in den wilden Wendejahren nach Schleswig-Holstein geschafft. Das meiste Material über den fröhlichen DDR-Besucher sei aber wohl „um die Familie zu schonen“ nach dem Mauerfall vernichtet worden. Barschel selbst erstattete beim Landesamt für Verfassungsschutz damals Bericht, dass er vom Ministerium für Staatssicherheit der DDR kontaktiert worden sei, um über eine Mitarbeit zu reden. Geplanter Treffpunkt: Stockholm. 

Wenn  es etwas gibt,was und in den beiden Deutschlands sozialistischer auch demokratischer Prägung funktionierte, dann war es die „Aktenablage“. Irgendwann könnte einiges nach oben gespült werden.

Der Aktenbestand Barschel ist allerdings in den letzten 35 Jahren so intensiv von Journalisten und Ermittlern durchforstet worden wie kaum ein anderes papierenes Pharaonen-Grab. Auch Autor Ertel bedankt sich in seinem Nachwort ausdrücklich bei den Mitarbeitern des Berliner Stasi-Archivs. Hier schlummern immer noch Schätze zur möglichen Aufklärung ungelöster Todesfälle und Liebesaffären deutschen Spitzenpolitiker. 

Nach Aussagen westdeutscher Frauen tobten Barschel & Co auch in dem über 300 Jahre alten Herrenhaus Steinhorst des Kosmetik-Konzerns Schwarzkopf ihr unstillbares Verlangen nach jungen Mädchen aus. So berichten erfolgreiche Eventmanagerinnen aus der Hansestadt, dass dort im Gästehaus der Landesregierung von Schleswig-Holstein zu Barschels  Zeiten genutzten Immobilien auch bei Produktpräsentationen Dutzende Models verpflichtet wurden – für eine Bühnenshow und Party zu Kosmetikprodukten. Entsprechende Annäherungen mit Einladungen, doch noch später ins Zimmer zu kommen, ergingen genauso wie eine Anmache mit den externen Helferinnen; dies zu einer Zeit, als die Me-too Bewegung noch 30 Jahre entfernt war. 

Bezahlt wurde die ganze Sause von Schwartzkopf-Geschäftsführer Karl-Josef Ballhaus, der die auf den SPD-Politiker Björn Engholm angesetzten Detektive ebenfalls entlohnte. Auch von dem Berliner Bauunternehmer Bernd Lechner, in dessen Haus auf Gran Canaria Barschels seine letzte Tage verbrachte, bevor er nach Genf reiste, gab  es Aufträge für solchen holsteinischen  Nächte im Herrenhaus.

Ex-Ministerpäsident Barschel, 1987

In Ertels (wohlgemerkt) Krimi vor zeitgeschichtlichem Hintergrund wird das ganze Ausmaß dieses Doppellebens eines begabten Politikers deutlich. Eingebettet in die teilweise wahnsinnig kuriosen und anrührenden Geschichten, die Journalisten am Rande der Wiedervereinigung erlebten, von den Zwangsadoptionen von Kindern sogenannter Republikfeinde, von der Dampfwalze Treuhandgesellschaft, die von findigen Taschenfüllern und dunklen Charakteren bevorzugt durch das Land rollte oder von der Allgegenwärtigkeit der prinzipienlosen opportunistischen Wendehälse ehemaliger Stasi-Peiniger, die im Kapitalismus schnell die Regeln gelernt hatten: Geld, Geld, Geld. Ertels Buch ist auch die gelungene Sittengeschichte eines wiedervereinigten Staates aus zwei ideologisch konträren Blöcken.

MPs fiktive Bettgenossin Chantal, alias Deliah nimmt er nicht nur mit auf sogenannte  Dienstreisen nach Jena, die in dortigen Interhotels absolviert wurden. Sondern auch ins tschechische Karlsbad mit Speis und Trank und ausgiebig Sex. Chatal verliebt sich in den Charmebolzen der CDU, wird schwanger von ihm und bekommt eher ungewollt sein Kind. Der West-Politiker fabuliert ihr gegenüber von einer bevorstehen den Trennung von seiner Frau und einem Leben zu Zweit: Wie sagt die Romanfigur Chantal: „In seiner Position. So einer lügt doch nicht.“

Wahrheit oder Lüge? Der Verlag Ellert & Richter hat sich jedenfalls durch ein kleines juristisches Meisterwerk zu Beginn des Polit-Thrillers wirkungsvoll abgesichert. Dort heisst es:

„Die Handlung des vorliegenden Romans ist fiktiv. Die Figuren, mit Ausnahme der Personen der Zeitgeschichte, sind erfunden. Sofern die Personen der Zeitgeschichte in diesem Buch handeln  oder denken wie Romanfiguren, ist auch das erfunden.“

Der Titel „Akte .B. – Wenn die Möwen tiefer fliegen“ ist treffend, denn von der Förde in Kiel, dem Hamburger Hafenrand bis hin zum Ufer des Genfer Sees: die Möwen und ihre Schreie waren immer dabei im Leben des Dr. Uwe B. Aus der Vogelperspektive schrumpft auch diese, die Republik damals erschütternde Affäre auf Normalmaß. Soll der Gefallene B. unter seinem Rundling-Grabstein auf dem Möllner Friedhof Ruhe und Frieden finden, wie sich der Hamburger Gerichtsmediziner Werner Janssen wünschte, der zusammen mit seinem späteren Nachfolger Klaus Püschel im Auftrag der Familie als letzter in den Körper von Barschel schaute.

Es bleibt aber auch bei Manfred Ertel die im Buch zitierte Erkenntnis über den Politikbetrieb, von einem der es wissen muss: „Das Illegale erledigen wir sofort, das Verfassungswidrige dauert etwas länger.“ Der außenpolitische Haudegen der U.S.A. heisst Henry A.Kissinger und kennt sich aus mit echten Watergates, an die Kiel nicht ganz heran reicht.

Sebastian Knauer, 22.06.2023, Berlin // Foto: Ole Bader / sandwichpicker-berlin.com

Sebastian Knauer

Anm. d. Redaktion: Der Autor war selbst als stern-Journalist an den Recherchen zur Kieler Affäre beteiligt. Im Genfer Hotel Beau-Rivage fand er Uwe Barschel in seinem Zimmer in der Badewanne leblos auf. Knauer wollte damals mit Barschel über die angeblichen ihn Genf übergebenen Beweise seiner Unschuld in der „Waterkant-Affäre“ ein stern-Interview mit dem abgewählten Ministerpräsident führen. Aus dem umfangreichen Aktenbestand, aus Ermittler-Protokollen, medizinischen Befunden oder geheimdienstlichen VS-Berichten legte Knauer 2009 als Herausgeber im Berliner Siebenhaar Verlag den Dokumentenband „Barschel – die Akte. Originaldokumente eines ungelösten Kriminalfalls“ vor. Knauer lebt in Hamburg.

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