Geschrieben am 12. Juni 2013 von für Musikmag

Interview mit Martyn Ware

Martyn WareDark

– Martyn Ware ist einer der maßgeblichen Protagonisten des britischen Elektropop: der 1956 in Sheffield geborene Musiker und Produzent war Gründungsmitglied von The Human League und veröffentlichte mit seiner späteren Band Heaven 17 einige der wichtigsten Platten der 1980er Jahre. BEF, in ganzen Worten British Electric Foundation, war seit 1980 ein Neben-, aber Herzensprojekt Wares, das er schon vor Heaven 17 ins Leben gerufen hatte: unter diesem „Firmennamen“ erschienen seine eigenen experimentellen Aufnahmen, aber auch erste Heaven 17-Tracks.

1982 veröffentlichte BEF das Album „Music of Quality and Distinction“, für das Martyn Ware GastsängerInnen wie Tina Turner (!), Gary Glitter (!!), Paula Yates, Glenn Gregory, Billy MacKenzie oder Sandie Shaw eingeladen hatte, um neue, sehr spezielle Versionen von Klassikern wie Elvis’ „Suspicious Minds“ aufzunehmen. Das Album machte viel Furore und verhalf nicht zuletzt Tina Turner zu ihrem fulminanten Comeback.

„Music of Quality of Distinction“ erfuhr 1992 eine zweite, souligere Auflage mit u.a. Chaka Khan, Terence Trent d’Arby und Billy Preston, der aber nicht mehr so viel Aufmerksamkeit zuteil wurde. Jetzt, mehr als zwanzig Jahre nach „Volume II“ erscheint mit „Dark“ ganz unerwartet der dritte Teil von „Music of Quality and Distinction“.

Die KünstlerInnen- und Trackliste ist beeindruckend: Kim Wilde eröffnet das Album mit „Every Time I See You Go Wild“ von Stevie Wonder, Boy George „rappt“ Iggy Pops „(Now I Wanna) Be Your Dog“, Andy Bell interpretiert „Breathing“ von Kate Bush, Martyn Wares alter Weggefährte von Heaven 17, Glenn Gregory, singt „It Was A Very Good Year“, das durch Frank Sinatras (und Mark Almonds!) Version weltberühmt wurde; Green Gartside/Scritti Politti kümmert sich um den Delfonics-Song „Didn´t I Blow Your Mind This Time“. Allen Interpretationen gemein ist eine leicht düstere Komponente – weshalb das Album auch schlicht „Dark“ heißt. CULTurMAG befragte Martyn Ware, warum das Album so melancholisch geworden ist:

Christina Mohr: Wann und wie sind Sie auf die Idee gekommen, das BEF-Projekt wieder zu beleben?

Martyn Ware: Ich wollte schon vor ungefähr zehn Jahren ein neues BEF-Album machen, aber ich hatte noch kein schlüssiges Konzept. Eines Tages hörte ich mal wieder „The Night“ von Frankie Valli und dachte mir, wie unheimlich und gespenstisch der Text ist! Ich ersetzte die allzu fröhlichen backing tracks durch einen eher filmischen Soundtrack, was den Song völlig veränderte und die lyrische Komponente betonte – so entstand die Idee für „Dark“. Nach anderthalb Jahren war die Platte fertig.

Auf der Compilation sind wirklich illustre Namen zu finden – wie haben die Leute reagiert, als du sie kontaktiert hast? Wollte jemand nicht mitmachen?

Mit den meisten KünstlerInnen habe ich schon zusammen gearbeitet und ich war angenehm überrascht, wie positiv die Leute gestimmt waren: wir entdeckten, dass die Arbeit am Album ein Vergnügen war! Ein paar haben abgesagt: David Bowie, Kate Bush, Martin Fry – aber das war´s auch schon!

Haben die SängerInnen die Songs selbst ausgesucht oder haben Sie sie “zugeteilt”? Ich schätze mal, dass Andy Bell das Stück von Kate Bush selbst ausgesucht hat, aber vielleicht liege ich damit auch falsch…

Das war eine Mischung – ich habe eine lange Liste aus Songs zusammen gestellt, die zur zentralen Idee passten und eine ungefähre Orientierung bieten sollten, ungefähr dreißig Stücke. Aber manche KünstlerInnen bestanden auf ihrer eigenen Auswahl, wie zum Beispiel Andy Bell.

bef_darkEine der außergewöhnlichsten Interpretationen ist Boy George´s Version von “(Now I Wanna) Be Your Dog” – wessen Idee war es, dass Boy George so klingt wie er klingt?

Das war eine gemeinschaftliche Entscheidung. Zuerst schickte ich ihm eine fertig produzierte Fassung, zu der er „nur“ singen sollte. Dann schlug er vor, dass wir seine „spokal“-Version (wie er diesen Stil nannte) ausprobieren sollten. Ich war begeistert und liebe seine Version – er hatte absolut Recht!

Und wie haben die Original-Komponisten wie Iggy Pop auf die BEF-Versionen reagiert?

So weit ich weiß, kennen die Urheber das fertige Album noch gar nicht. Ich hoffe doch sehr, dass besonders Iggy unsere Version mögen wird!

Was ist denn so „dark“ an den ausgewählten Tracks?

Wie ich am Beispiel von Frankie Valli schon gezeigt habe, soll das ursprüngliche Konzept die Hörer dazu bringen, gewohnte Songs neu beziehungsweise mit anderer Perspektive zu verstehen, sie neu zu hören – manche der Lieder entpuppten sich als viel düsterer als andere, bei denen das „dunkle“ Element viel offensichtlicher schien (ich persönlich bin normalerweise ein sehr positiver Mensch).

Was ist Ihr Lieblingstrack auf der Platte?

Schwierige Frage. Ich bin von fast allen Ergebnissen sehr angetan. Besonders gern mag ich Billie Godfrey´s Version von “Smalltown Boy”, weil es so einen epischen Touch hat; und Kate Jacksons Interpretation von Blondies “Picture This”. Das ist wirklich total ergreifend und rührt mich beinah zu Tränen…

Wird es Konzerte mit einigen oder gar allen SängerInnen geben?

Ja! Im Oktober geben wir zwei Konzerte (3. Oktober/London, 4. Oktober/Sheffield) – dort werden fast alle SängerInnen dabei sein, plus einiger unerwarteter Gäste… Details siehe hier.

Wenn Sie auf Ihre Karriere zurückschauen: fühlen Sie sich manchmal selbst wie eine Synthiepop-Legende?

Es ist sehr freundlich von Ihnen, mich so zu nennen, ich persönlich finde „Legende“ ein bisschen zu dick aufgetragen. Aber natürlich verdiene ich ein bisschen Aufmerksamkeit und Lob dafür, dass ich 35 Jahre in diesem enorm harten Kreativ-Business überlebt habe 😉

Welche aktuelle Musik mögen Sie?

Ich mag viele Bands – die jungen Leute sind immer noch so talentiert wie früher! Meine aktuellen Favoriten sind Everything Everything, das neue Album von Justin Timberlake , Die Antwoord, und vieles im Hip-Hop.

Ihre Zukunftspläne?

– neue Heaven 17-Songs

– bessere Möglichkeiten für urban soundscaping (Wares bevorzugtes Interessengebiet)

– ich möchte mehr unterrichten, um Wissen und Erfahrung weiterzugeben, und öfter auf Tournee gehen!

Christina Mohr

British Electric Foundation: Music of Quality & Distinction III. Dark. Wall of Sound (Alive). Mehr Informationen finden Sie hier und hier. Foto Ware: Wikimedia Commons, Quelle.

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