Geschrieben am 15. Mai 2013 von für Litmag, Neuer Wort Schatz III

Neuer Wort Schatz 3: Björn Kuhligk

kuhligkGrober Strich

Björn Kuhligk

Fickende Katzen

Vorgestellt von Marcus Roloff

 

Fickende Katzen

Die Rehe neben dem Golfplatz

aus dem Radio des LKWs
Gott sei Dank ist sie schlank

lieber Regen, regne nieder
auf alles, was dir lieb, zuwider

ich möchte mich davon abhalten
ein Gedicht mit dem Titel
Fickende Katzen Nr. 3 zu schreiben

die Käfer gingen Richtung Licht
wir gingen in das Innere der Rhododendren

 

Was haben wir?

Eine desolate Szenerie. Standbildrehe, Achim Menzel im Radio (DDR ’79), einen LKW mit womöglich laufendem Motor, etwas wie Früh- oder Spätsommerregen, irgendein Vor- oder Nachmittag, an dem jemand sich fragt, ob das eigene Werk noch aus- und anbaufähig ist, ob ihm noch etwas hinzugefügt werden kann. Diese ich-förmigen vorletzten Zeilen, die die Tätigkeit, der einer folgt, mit Gedichten in Verbindung bringen, geben dem Ganzen einen nachdenklichen Dreh.

Dem zu vermeidenden Titel nach soll es ausgerechnet um kopulierende Katzen gehen oder zumindest so heißen. Ein angepeilter Zyklus wird angedeutet, der den Blick sinken lässt, weg von den Langweilern, die wir sind; hin zu einer Kreatur, die ihren Platz in der Gesellschaft irgendwo zwischen Schrankwand und Müllhalde, durchgekämmt oder räudig gefunden hat. Und zwei Gedichte lägen schon vor. Und das vorliegende wäre Nummer eins, also null. Der Belanglosigkeit und Langeweile soll da etwas entgegengesetzt werden, eine Art wildes Treiben. Aber kann es das? Ist nicht auch das furchtbar desolat, was sich da zwischen den Gartenhecken, in vermoderten Schuppen und Kellern abspielt? Jedenfalls schreit es zum Gotterbarmen.

Die Szenerie schält sich nicht aus der Sprachform, bleibt einfach in der Sprache sitzen. Nach dem Lied ist vor dem Lied, auch der Regen wird besungen, in Wirklichkeit fällt er gar nicht. Etwas wie ein Naturgedicht. Ein Zitat, das sich selbst zitiert werden hört. Von wem? Von allen, von uns, den mit nackten Beinen am Fluss Herumlungernden. So ist das mit den Zeichen, sie fangen im Gedicht an, von sich selbst zu wissen, sie ahnen etwas von ihrer ab- und mitgerissenen Konstitution. Grinsende Ufer, haltloses Gebröckel. Und das lässt sie etwas nervös werden und straucheln, entschieden zum Liedversatzstück, in Sekundenbruchteilen. Zitieren und Singen, Lungern und Gedichteschreiben – uns geht es so gut heute.

Dieses Gedicht, ganz grober Strich, ist die Bewegung des Kamerastativs an einem Sonntagmorgen von irgendwelchen gerade eintreffenden golfspielenden Pennern in frischgewaschenen Lacosteshirts, restgegelten Haaren und akkurat geparkten Jahreswagen hin zur mystischen Einswerdung mit Pflanze und Licht. Eine Verpflanzung ins Grelle. Die Käfer gehen schon mal vor. Draußen, also drinnen, beginnt das Weiß, das Ende der Zeichenkette ist erreicht.

Marcus Roloff

In Fortsetzung der Neuer Wort Schatz Reihe von Gisela Trahms lesen Sie hier von nun an Neuer Wort Schatz 3, jede Woche eine Gedichtrezeption. Die Beiträge werden zusammengestellt von Carolin Callies und Yevgeniy Breyger.

Zur ersten Staffel von NWS geht‘s hier, zur zweiten Staffel hier, die aktuellen Texte finden Sie hier. Foto Göritz: Privat.

Das Gedicht ist erschienen in:  Björn Kuhligk: Bodenpersonal. Texte. Verlagshaus J.Frank, Berlin 2010. 102 Seiten. 18,90 Euro. Foto: Privat.

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