Geschrieben am 1. Oktober 2024 von für Crimemag, CrimeMag Oktober 2024

TW: Petra Hartliebs „Freunderlwirtschaft“

Völlig verschenkt

Petra Hartliebs Roman „Freunderlwirtschaft“ macht TW keinen Spaß.

Die Karriere von Österreichs ÖVP-Kanzler Sebastian Kurz vom Wunderwuzzi bis zum verurteilten Korrumpel ist verwunderlich genug. Um ihn herum ein gieriger Slim-Fit-Boys-Club nach dem Motto „Sushi statt Schnitzel“ und eine Politik, die auch von der FPÖ hätte sein können, garniert mit dem „Anzeigenskandal“, „Ibiza“ und anderer Politgrotesken mehr. Trauriges Schmierentheater, die Kommentare von Helmut Qualtinger hört man irgendwie noch aus dem post-mortem-Off. Eigentlich schreit diese ganze Gemengelage nach literarischer Nachbearbeitung, obwohl – vielleicht doch eher nicht. Die Skandale und der politische Flurschaden liegen ja offen zutage, die involvierten Herrschaften sind, wie bei Trump, AfD & Co, sowieso von teflonbeschichteter Indolenz. Einer der Fälle, in denen die Realität stärker ist als die Fiktion. Außer, die Fiktion griffe zu gröbsten Mitteln, wobei mir nur Grand Guignol einfallen würde, Exzess und Spektakel; Ubu Roi goes crime, oder so.

Die Autorin und Buchhändlerin Petra Hartlieb versucht in ihrem neuen Roman „Freunderlwirtschaft“ einen anderen Weg. In dieses gierige, moralisch haltlose und politisch brandgefährliche Umfeld montiert sie eine Mordgeschichte: Max Langwieser, der Landwirtschaftsminister im Kabinett Fercher (der Rollenname von Kurz), liegt tot in seiner schicken Lifestyle-Wohnung. Wie genau er mit seinem Kopf auf einen Glastisch geraten ist, ist unklar. Genaueres weiß vielleicht seine Mitbewohnerin und Verlobte Jessica. Die ist Pressesprecherin in einem Nachbarministerium, bekommt Panik und setzt sich auf abenteuerlichen Wegen nach Costa Rica ab. Natürlich zieht der Fall Kreise, bis in die oberste Etage der österreichischen Polit-Hierarchie. Auftritt Alma Oberkofler, die die Nachfolge von Hartliebs Serienheldin Anna Habel bei der Wiener Mordkommission angetreten hat. Alma, so erfahren wir, ist deshalb Polizistin geworden, weil ihre Schwester weiland einem Femizid zum Opfer gefallen war. Ein Fall, der nie aufgeklärt worden war, weil die zuständigen Behörden ihn ganz evidentermaßen nie aufklären wollten.

Alma gilt als schwierig und ein klein wenig obsessiv, wenn auch als erstklassige Polizistin. Gegen alle Bemühungen, den Tod von Langwieser entweder als Unfall oder als Eifersuchtstat der flüchtigen Jessica an die Öffentlichkeit zu verkaufen, beginnt sie, in unbeliebte Richtungen zu ermitteln. Et voilà: Der nette Max hatte mit Wissen der Regierungsspitze Berge von Schmiergeld eingestrichen, um u.a. ein umweltschädliches „Hotel- und Gondelprojekt“ im Pfitztal durchzusetzen, wobei auch noch ein ultraradikaler russischer Oligarch involviert war. Und, Gipfel der Heuchelei, der Publikumsliebling, der Schwiegersohn par excellence Langwieser war auch noch schwul, seine gemeinsame Wohnung mit Jessica ein Schein-Verhältnis, das die junge Frau aus Gründen der materiellen Vorteilsnahme gerne und mit nur ein wenig Bauchgrimmen eingegangen war. 

Sie könnten mich jetzt, liebe Leserinnen und Leser, des hemmungslosen Spoilerns zeihen, aber der Roman rattert quasi KI-generiert algorithmisch, so voraussehbar, so wenig verrätselt dahin, dass man schnell weiß, wie der Hase läuft. Und dass das Mordmotiv möglichweise im Privaten liegt, ist dann nur logisch – weil das Politische allzu offensichtlich wäre – und der Mörder eben nie der Gärtner, in dem Falle die offensichtlich Bösen, also Regierung oder Mafia, sein darf. Deswegen bietet „Freunderlwirschaft“ keinen frischen, überraschenden oder wenigsten ätzenden Blick auf´s Milieu von Kurz & Co, ist weder Satire noch Groteske, sondern eher ein ausgeschriebenes Treatment für einen mittelmäßigen TATORT. Zahm, bieder, gähn.

Petra Hartlieb: Freunderlwirtschaft. DuMont Verlag, Köln 2024. 416 Seiten, Paperback, 18 Euro.

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Zu TW siehe auch unser im August 2024 erschienenes Special Thomas Wörtche.

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