Geschrieben am 1. Dezember 2019 von für Crimemag, CrimeMag Dezember 2019

Das Planetenspiel – Eine Intervention von Felix Hofmann

DAS SPIEL IST AUS

Schüler-Zukunft
Mitteilungen zum Stand der Dinge
Digitaler Wohlfühl-Hass und digitaler Billig-Trost
Vorletzter Kommentar zur laufenden Selbstabschaffung der Menschheit – von Felix Hofmann

Die Verzeiflung ist nichtmal mehr edel,
denn sie hat alle Größe verloren.
Sie schleppt sich dahin in klebriger Langeweile,
Verrohung ist ihr Emblem und Kriterium der Normalität.

     Die Welt ist politisch und ökologisch in einem desaströsen Zustand. Man muß es so sagen. Unsere Lebenswelt wird gerade zerstört, von niemandem außer uns selber. Auch das muß man so sagen. Und dies ebenfalls: Zukunft wird immer weniger und immer kürzer.

     Das Ganze ist kaputt und vermurkst und wird zudem mit solcher Falschheit und Verlogenheit behandelt, daß jeder, falls überhaupt noch am Hinschauen interessiert, sehen kann, wie sich dieses Ganze von der Möglichkeit der Reparatur oder Instandsetzung von Tag zu Tag weiter entfernt.

Errettung der Unschuld

     … und dann hat eine kleine unschuldige Schülerin die erlösende Formel für alle Probleme aller mit Zukunft – der von Geburt an eingepflanzten Krankheit – geschlagenen Jugendlichen des Planeten gefunden: die Alten und das Alte (alles, was älter ist als sie selber) tragen die Verantwortung am Desaster. Die Eltern sind schuld an der Zerstörung, weil sie diesen Zustand mit ihrem Lebensstil herbeigeführt haben und immer weiter machen wie bisher. Die Lehrer und die Schulleiter sind schuld an der Zukunftslosigkeit, weil sie Unterwürfigkeit und Anpassung lehren und die von den Jugendlichen 1 x pro Woche ignorierte Schulpflicht voller Empörung bürokratisch und moralisch skandalisieren und behördlich aktenkundig machen. Die Politiker sind schuld an allem gleichzeitig und obendrein auch noch an der ständig die Luft verstänkernden miesen Stimmung, die das Dauerbelästigungs-Thema „destruktiver Lebensstil“ verbreitet, da sie das korrigierende Eingreifen nicht nur unterlaufen sondern aktiv verhindern.

     Diese Vorwürfe sind alle vollkommen berechtigt, doch so, wie sie vorgebracht werden, sind sie nicht dazu geeignet die Beschuldigten aus dem öffentlichen Leben, in dem sie ungeheuren Schaden anrichten, zu entfernen. Das, und nur das, müßte aber das Ziel dieser Vorwürfe sein. Nichts dergleichen geschieht, nicht mal im Ansatz, und was von den Beschuldigungen bleibt, ist: die wundersame Selbstentlastung der Jugendlichen durch fortgesetzte Unschuldsbeteuerungen. So kommt auch der äußerst beliebte Personenkult wieder durch die Hintertür, mit dem alles, wie üblich und wie immer, verdorben wird. Das Mädchen wird als Heldin gefeiert, natürlich von der eigenen Gefolgschaft, aber noch viel lauter und viel bunter von den Massenmedien Weltweit-Netz und Weltweit-TV, die genau wissen, wie man kontroverse Themen durch pluralistisches Zusammenrühren in einen schleimigen, vor allem aber unverdaulichen Brei verwandelt, den sich das Publikum, obwohl für dessen Ernährung völlig wertlos, geflissentlich eintrichtern läßt und dann in kürzester Zeit ausscheidet. Die gutgläubigen Schüler lassen sich auf die mediale Neutralisierung ein, geben brav Statements und Kurz-Interviews und Rechtfertigungen vor den Kameras ab, was ihre Verwandlung in Unterhaltungs-Püree natürlich beschleunigen wird. Fernsehen und Internet als Heilslehren-Multiplikatoren für die Errettung der Unschuldigen?!? Man kann nur noch staunen, wieviel Einfalt und Gefügigkeit sich da inzwischen in den Demonstrierenden und ihrer Jubelmitläuferschaft angesammelt hat.

     Wer sich diese und weitere zum Thema gehörigen Dummheiten abgewöhnen, vielleicht sogar mit Hilfe des folgenden Textes, durch genaues Aufnehmen, Durcharbeiten, Überlegen und Mitdenken ein für alle Mal vom Hals und aus dem Kopf schaffen will, um nie wieder rückfällig zu werden, der lese hier weiter. Wer nicht, der nicht. Es wird heftig. Hier werden alle Illusionen zertrümmert, alle Hoffnungen getötet und aller Spaßverdorben.

Re-Education und handgemalte Pappschildchen

     Nimmt man die Inkonsequenzen aus der ganzen Sache raus, bleibt folgende Schlußfolgerung aus der Schüler-Attitüde: Wer heute zwischen 10 und 30 ist und seine Eltern bzw. die gesamte ältere Generation von 40 bis 80 für das Desaster der Umweltzerstörung verantwortlich macht und zugleich sieht, daß diese Zerstörung immer so weiter geht, weil sie sowohl mit der Weigerung des Aufhörens als auch mit der Weigerung, das Problem ernst zu nehmen, gekoppelt ist, hat nur eine Chance – die Alten aus dem Weg räumen. Wer immer diese Alten sind: die eigenen Eltern, die Lehrer, die Wissenschaftler, die Politiker, die Firmenchefs, die Konzernmanager, die Staatsdiener, Geheimdienstler, Militärs und sonstigen Gehorsamen, Gekauften, Geklonten und Geltungsgetriebenen aller Länder.

     Wie der Planet heute aussieht, sollten die Kinder ihre Eltern abschaffen, aus Vernunft, um wenigstens das bißchen Zukunft, das noch übrig ist, für sich allein zu haben, und zugleich sollten die Eltern ihre Kinder abschaffen, aus Mitleid, damit diese von der längst schon eigennützig verbrauchten Zukunft nicht zermalmt werden. Und vor allem sollten die heutigen Kinder gestriger Eltern keine neuen Kinder mehr in die Welt setzen. Was diese heutigen Kinder leider nicht begreifen, und darin sind sie mit ihren Eltern vollkommen identisch, sind die wahren Dimensionen der Einsicht in den Stand der Dinge und den Stand der Schuldverteilung. Der selbstherrliche Verbrauch des Planeten durch das rücksichtslose Menschtier kann nur noch in einer Revolution gestoppt werden, wenn überhaupt. In einer finalen Revolution, einer ohne Vorbild und ohne Theorie und ohne Handlungsanweisungen, weil es so eine als Präzedenzfall, an dem man sich orientieren könnte, in der bisherigen Geschichte nicht gegeben hat. Einer Revolution also, die uns alle überfordert, da wir nicht bereit und auch nicht vorbereitet sind, die Konsequenzen aus den Erkenntnissen zur Skrupellosigkeit der eigenen Spezies zu ziehen und eindeutige und zielgerichtete Taten folgen zu lassen. Wir müßten eine Revolution gegen uns selber machen, und das, ohne vorher gelernt zu haben, wie das anzugehen wäre, denn für diesen Lernprozeß – sowas dauert in der Regel ein halbes bis ein ganzes Jahrhundert – ist keine Zeit mehr.

     Stattdessen sitzen wir – Kinder und Eltern vereint – weiterhin an unseren Eßtischen, auf denen fast nur noch kriminell hergestellte Lebensmittel verteilt sind, wir sitzen neben unseren Stromleitungen, um während und nach dem Essen die Tablets und Smartphones aufzuladen, als hätten wir alle Zeit und alle Eßtische und alle Steckdosen der Welt auf unsere Seite. Ernsthaft betrachtet, kann man dazu nur noch sagen: es ist nicht mehr möglich, uns selber noch ernst zu nehmen. Auch das müßte diese Revolution gegen uns selbst erreichen, die Wiederherstellung von Ernsthaftigkeit. Der erste Schritt wäre eine rigorose Re-Education unserer selbst. Mit sittsam inszenierter Freitags-Zukunftsbeschwörung ist das nicht zu erreichen. Wer bei den demokratischen Floskeln (wozu Demoschildchen und Sprechchöre gehören) und der pluralistischen Heuchelei (wozu Expertenrunden, Talkshows und Kongresse gehören) immer weiter mitmacht, wird dem Prozeß der Anpassung ans Massenverhalten, der Teilhabe am Zerstörungsleben des Durchschnitts und der daraus sich ergebenden erlösenden Gewöhnung ans Abstumpfen niemals etwas entgegen zu setzen haben.

     Die Schuld auf die Erwachsenen, die Eltern und die Alten, auf die Eliten und Politiker zu verschieben, zugleich aber von diesen Verursachern der Zukunftsvernichtung eine Umkehr und die Lösung der Probleme zu fordern, ist ein unzweideutig klares Zeichen dafür, daß man noch immer davon träumt, im Zustand der Abhängigkeit von den Oberen und Älteren und Entscheidern zu bleiben und in der Passivität der Selbstbeschränker zu verharren, die durch Konsumverzicht unschuldig bleiben wollen und moralisch höherwertig dastehen möchten. Eine fatale Attitüde, denn wer das schmutzige Spiel einmal durchschaut hat, hat es ein für alle Mal durchschaut und kann nicht mehr zurück ins Phantasma der Sauberkeit. Die Kinder pflegen diesselben Süchte wie ihre Eltern und alle anderen Erwachsenen: die Sucht nach Sicherheit, die Sucht nach Glauben, die Sucht nach Garantien, die Sucht nach Sinn, die Sucht nach Fortpflanzung. Die Erfüllung und Bedienung dieser Süchte hat die dahinter liegenden realen Wünsche nach einem besseren Leben in ihr Gegenteil verkehrt. Die Zerstörung des Planeten, die im 20. Jahrhundert mit den verheerendsten Kriegen aller Zeiten und der Entwicklung der wahnsinnigsten Waffensysteme aller Zeiten, aber auch schon mit Wasservergiftung, Luftverpestung, Erdverseuchung begonnen hat, wird im 21. Jahrhundert mit der Digitalisierung aller Lebensbereiche, also mit Gehirnmathematisierung, Intelligenzautomatisierung, Informationsmechanisierung und vielen weiteren, wie immer ganz aus harmlosem Effektivitätsstreben und hochlöblichem Leistungswillen entstandenen Erfindungen und Produktionssteigerungen zu Ende gebracht werden, die allesamt noch wahnhafter sind als die auf dem Gebiet der atomaren, biologischen und chemischen Waffen.

     Wer im Hier-und-Heute lebt und weiterhin daran festhält, sich dem schmutzigen Spiel entziehen und die eigenen Hände und Mini-Aktionen makellos halten zu können, wird zur Marionette seines ganz persönlichen Psychismus, zur Schachfigur seiner Selbstfiktionalisierung. Es gibt keine Ausnahmen. Es gibt niemanden, der sich selber entlasten könnte.

Was nicht hilft und was das heißt

     Wir leben weder in einer demokratischen noch in einer weichen, also reformierbaren Gesellschaft. Wir leben in einer von knallharten Geschäftsinteressen organisierten Gesellschaft. Interessen, die alles im Griff haben und während der letzten Jahrzehnte eine Verhärtung der Verhältnisse herbeigeführt haben, die in ihrer schicksalhaften Unausweichlichkeit schon in Konkurrenz zu totalitären Gottesstaaten oder den bekannten autoritären, halb- und ganzfaschistischen Staatsformen treten kann. Für uns, in unserer wohlerzogenen westlichen Gesellschaft, kommen die Befehle nicht offen von selbsternannten Vertretern und Durchsetzern der einen und einzigen und wahren und unfehlbaren Religion, und auch nicht von ordenbehängten durchgeknallten Diktatoren oder krakeelenden völkischen Demagogen, sondern geschult und lebensbejahend und silberzüngig im angelernten Kumpelton von der Religion der technologischen Produktivitätsoptimierung, vom Zentralbankcredo der permanenten Kreditaufnahme, von der Demagogie des grenzenlosen Konsums und von der Staatsraison des Wachstums um jeden Preis.

     Gegen diesen Zugriff und diese Gleichschaltung der gesamten westlichen Zivilisation helfen keine sich selbst bestätigenden Schülerdemonstrationen und auch kein Prominenten- und Experten-Gequassel im Fernsehen. Schon gar nicht das narzißtische Endlosgeschwätz und die erbärmliche von Egotismus bis Prostitution reichende Selbstanpreisung im Social Media Fangnetz.

     Und auch nicht helfen die in die Kameras der Massenmedien gehaltenen Moral-Forderungen mit angehängten Ausrufezeichen gegen die Geschäftsinteressen der europäischen Landwirtschafts-Industrie oder Tourismus-Branche. Ebensowenig gegen die Geschäftsinteressen der amerikanischen oder asiatischen Elektronik-Industrie oder der arabischen und sonstigen Öl-Industrie. Es gibt so gut wie keine Produktionsstätte, keinen Verkaufs-Markt und kein Waren-Depot mehr ohne relevanten Beitrag zur Umweltvergiftung oder Klimazerstörung.

Richtig Falsch

     Das pluralistische Zerstückeln von Argumenten ist die wichtigste Arbeit der westlichen, weltweit strahlenden und ausstrahlenden Massenmedien. Es ist nicht erlaubt, etwas als richtig und etwas anderes als falsch darzustellen. Jemand, der so auftritt, beendet damit alle massenmedialen Geschwätzformate. Fernsehen und Internet – von unkorrumpierbarer Sachlichkeit geprägt, also ohne klientelbedienendes Geschwätz – unvorstellbar. Es wäre das Ende von Fernsehen und Internet. Deshalb darf alles immer nur ein bißchen richtig bzw. ein bißchen falsch sein, damit der ganze große Rest verhandelbar bleibt, und somit noch Klärungsbedarf behauptet werden kann, die beste Methode dafür, daßhier und jetzt keine Entscheidungen gefällt werden müssen, sondern erst am Sanktnimmerleinstag und woanders, also niemals und nirgendwo. Wenn diese pluralistische Vertagungsstrategie reibungslos läuft, und das tut sie seit Jahrzehnten, hat das eine Mentalitätsbeeinflussung zur Folge, mit deren Hilfe dann doch wieder die eindeutige Unterscheidung zwischen Richtig und Falsch in den öffentlichen Diskurs zurückkehrt, aber eben auf die falschest mögliche Weise, nämlich in der Version der Profiteure dieser permanenten Vertagungen. Das jahrzentelange ausgewogene Schwätzen hat Nichtstun erzeugt, und jetzt bewirkt das Nichtstun die Verwandlung von Richtig in Falsch und von Falsch in Richtig.

     Entgegen der westlichen Pressefreiheits-Propaganda ist der Pluralismus keine Tugend der Demokratie, und ist es nie gewesen, sondern die schärfste Waffe der herrschenden Geschäftsinhaber, um den status quo zu erhalten, also den Status, der denselben Leuten und Cliquen und Organisationen und Bündnissen wie bisher sowohl die Weiterherrschaft als auch die Alleinherrschaft nicht nur ermöglicht sondern garantiert.

Ökonomie

     Der mit ökonomischer Eindimensionalität durchgesetzte und auf Alternativlosigkeit getrimmte global organisierte Neoliberalismus hätte korrigiert werden müssen. Das wurde aus Arroganz versäumt bzw. mit Absicht verhindert. Jetzt übernimmt die global organisierte Rechte den Neoliberalismus und macht daraus einen nationalen Neoliberalismus. Das wird eine noch stärker brutalisierte Lebenswelt erzeugen, als es bisher schon geschehen ist. Umweltpolitik und Umweltökonomie sind heute objektiv die wichtigsten praktischen Handlungsgebiete, werden aber von allen an der Macht Beteiligten – Ökonomie, Politik, Technik, Wissenschaft, Massenmedien – wie eine mehr oder weniger belanglose Nebensächlichkeit behandelt, über die man in der Öffentlichkeit zwar wichtigtuerisch reden muß, um einige beunruhigte Bevölkerungsteile zu besänftigen, die aber jedesmal schon am zweiten Tag nach der Beendigung diverser Weltkongresse oder Super-Experten-Treffen aus dem eigenen Tun und Denken, vor allem aber aus den Medien aussortiert wird. Und wenn der re-nationalisierte Neoliberalismus durchgesetzt ist, wird aus der jetzigen Nebensächlichkeit der globalen Ökologie völlige Bedeutungslosigkeit.

     Die ökologische Praxis ist seit Jahrzehnten durch allseits vorbildlich praktizierte Tatenlosigkeit lahmgelegt, was geflissentlich mit ebenso allseits vorbildlichem Vertröstungsgeschwafel überdeckt wird. Zu diesen Vertröstern sind auch die gutwilligen Wissenschaftler und Politiker zu rechnen, die seit Jahrzehnten wissen, was los ist und was uns bevorsteht, aber nicht bereit sind, sich der Frage der Durch- und Umsetzung ihrer Einsichten zu stellen, also der Frage der Gewalt, sondern wider besseres Wissen sich so verhalten, als hätten dieser Planet und seine Bewohner bis in alle Ewigkeit Zeit, bevor man sich endlich bequemt, mit den Reparaturarbeiten zu beginnen. Genau wie ihre Gegner plappern sie immer weiter oder lassen sich auf bescheuerte juristische Auseinandersetzungen ein, die nicht ein einziges Problem lösen, dafür aber das Grundproblem kontinuierlich vergrößern: sie fügen der allgemeinen Zeitvergeudung ihren eigenen, nicht unrelevanten Beitrag noch hinzu. Es gibt keine friedlichen Geschäftsinteressen (mehr). Wie könnte es dann (noch) friedliche Gegen-Interessen geben?

Selbstbetrug I

     Wenn man auf all diesen Geländen ernsthaft antreten will, muß man sich zuallererst Klarheit darüber verschaffen, was für eine Art von Handeln das zwingend notwendig macht, und gleich anschließend muß man herausfinden, ob man persönlich bereit ist, solches Handeln zum eigenen zu machen. Ohne Gewalt wird sich nichts ändern, das steht längst fest, spätestens seit den 80er Jahren, denn alle auf Mahnungen und Warnungen beschränkte Gegenwehr gegen die Auslöschung der Welt hat seitdem absolut nichts bewirkt. Eine Wirkungslosigkeit, die aus einem schrecklich naiven Selbstbildnis der Mahner und Warner kommt: 1) Wir sind die Gewaltlosen, das macht uns 2) zu den moralisch Einwandfreien und Überlegenen, und deshalb haben wir 3) die Zeit auf unserer Seite.

     Wer sich die Folgen der Wirkungslosigkeit der vergangenen 40 Jahre angeschaut hat, weiß, das mindestens der Punkt 3 ein Selbstbetrug ist, und daß genau dies bedeutet, daß auch der Verbleib in der selbstverliebten Moral und der Verbleib in der vorbildhaften Gewaltlosigkeit Selbstbetrug ist.

     Damit es keine Mißverständnisse gibt: für Gewaltabstinenz gibt es nach wie vor gute Gründe, nicht zuletzt ganz persönliche, bei deren Abwägung jeder mit sich allein ist, sehr allein. Dennoch gilt auch: wer nicht bereit ist, die Gewaltlosigkeit aufzukündigen, sollte dann aber aufhören, öffentlich zu lamentieren und sich stattdessen in sein Privatkämmerchen zurückziehen und schamhaft lernen, mit der eigenen Feigheit und Jämmerlichkeit bzw. mit dem eigenen Verschlimmerungs-Beitrag zum Desaster zu leben.

     Wem die Selbsttäuschung nachhaltig gelingt, dem geht es für die eigene Restlebenszeit blendend. Mit der selbst hergestellten Abstumpfung fällt alles von dir ab: Feinstaub, Giftregen, Radioaktivität, Pestizide. Du mußt dich vor nichts mehr fürchten. In Japan heißt dieser Selbstbefriedungshirnstaub „Ikigai“, und die ikigaisch erzeugte Selbstabstumpfung heißt „innere Ruhe“. Das wird als der ultimative Filter gegen alles gehandelt, was die Selbstverseuchung der Menschheit so im täglichen Angebot hat, wobei ein Wort wie Selbstverseuchung natürlich strikt verboten ist. Kein Selbstbetrug ohne Verbote. Aber das Geschäft mit dem Selbstbetrug floriert, eine Geschäftsidee mit glänzenden Zukunftsaussichten.

     An dieser Stelle der Rekapitulation der jüngsten Vergangenheit angekommen, kann man nur dringend zur Wiederaufnahme jener Auseinandersetzung raten, die 1987 von Günther Anders begonnen wurde. Aber hier und heute mit mehr Realismus, denn damals ist es den Beschwichtigern und den moralisch lautstark empörten Gewaltverleumdern gelungen, die Diskussion in kürzester Frist zu beenden. Auf dem heutigen, erheblich verschlechterten Stand der Dinge kann man sich das nicht mehr leisten. Eine Verschlechterung, die jene Abwiegler und Friedfertigen mit zu verantworten haben, was sie natürlich weder nach außen noch sich selbst eingestehen können.

     Was die Gewaltfrage im Zusammenhang mit den Schülerprotesten betrifft, ist die neue (alte) Unbedarftheit und die neue (alte) Kleinmütigkeit und die neue (alte) Blindheit, die da unterwegs sind, nicht zu übersehen. Verwunderlich ist das nicht. Wer seine Informationen und Denkanstrengungen auf das beschränkt, was die weltweiten Blödmaschinen Internet und Fernsehen als Häppchen und Muster liefern, ist für eine ernsthafte Rettung der Zukunft keine Hilfe sondern eine Behinderung.

Spiele und Wettspiele

     Die Schüler, und nicht nur sie, haben bisher nicht kapiert, daß die Alten, die Eltern, die sichtbaren und die unsichtbaren Mächtigen nicht Gegner oder Rivalen sind, gegen die man in einem Regionalliga-Spiel antritt, sondern ihre Todfeinde. Ein Spiel ist etwas, worauf sich alle Beteiligten einigen können, mit beiderseitig anerkannten Regeln, vielleicht sogar mit einem von beiden Seiten zu gleichen Teilen bezahlten Schiedsrichter, inszeniert auf einem beiderseitig akzeptierten Spielfeld – ein bißchen Sport, ein bißchen Straßentheater, ein bißchen Mediengeplänkel, inklusive der Wettbüros für den abgebrühteren Teil des Publikums: Wer wird gewinnen, die Leugner oder die Mahner des Klimawandels? Auf wen soll ich setzen? Und wieviel?

     Aber es ist kein Spiel, und es gibt auch keine Spielregeln, und ebensowenig ist ein Schiedsrichter auf dem Feld. Es ist eine Treibjagd. Die europäischen Schüler lassen sich gerade in diese Jagdkonstellation verwickeln, aus der sie nur als Verlierer hervorgehen können, weil sie nicht verstehen, daß nur gewinnt, wer die Vorbedingungen der Jagd kontrolliert. So wie die amerikanischen Schüler die Auseinandersetzung mit der Waffenindustrie nicht gewinnen können, weil sie wie die aufgescheuchten Tiere auf dem Jagdfeld sind: unbewaffnet. Während die Sieger-Formel des Machtkampfes um den privaten Waffenbesitz lautet: wer schießt, hat immer recht, und wer zuerst und schneller schießt als alle anderen, hat auch noch Gott auf seiner Seite.

     Es ist völlig offensichtlich, daß all das, angesichts der Verschärfung und Zuspitzung fast aller Probleme auf der Welt, nur noch zwei Optionen übrig läßt: entweder Bürgerkrieg, also Gewalt und Tote und Kriegselend – oder Einübung der finalen Ohnmacht, also zukunftsloses Leben mit der Depression, das offensichtlich beliebtere Elend, das Friedenselend. Es könnte sein, daß das, was diese Verschärfungen und Zuspitzungen bereits angerichtet haben, eine eigene, aus freiem Willen getroffene Entscheidung für oder gegen Gewalt, wie Günther Anders das noch denken und fordern konnte, schon gar nicht mehr zuläßt. Die Gewalt ist längst da. Aber sie dient jenen, die an den derzeitigen Besitzverhältnissen und den derzeitigen Machtverhältnissen garantiert nichts auszusetzen haben. Genau das nicht mehr untätig hinnehmen zu wollen, würde dann doch wieder für die Methode Anders sprechen.

Die wirksamste aller Lügen / Selbstbetrug II

     In Europa steht alles still, und alle einzelnen Gruppen, die für ihre Partikular-Interessen öffentlich und laut auftreten, wie immer sie sich nennen oder kleiden, sind in ihrer Separat-Militanz viel zu irrelevant und viel zu lahmarschig, um noch irgend etwas grundlegend zu ändern. Davon abgesehen hat die gesellschaftliche Verhärtung ohnehin längst auch in die Persönlichkeit eines jeden von uns Einzug gehalten. Ob man sich dessen bewußt ist oder nicht, ändert nichts an der Sache. Wer immer noch glaubt, sich dieser Betonierung des eigenen Umfelds oder den Erpressungen durch die globalisierte Geschäftemacherei entziehen zu können, wird unweigerlich in der Selbstabschaffung enden. Vielleicht nicht sofort in der physischen, aber zur Eliminierung der Selbstachtung und zum Verschwinden jeglicher erträglichen Imagination von Zukunft wird es mindestens kommen. Auch wenn die Beteiligten es nicht wahrhaben wollen: all diese Demonstrationen, Aufmärsche, Kundgebungen, Jugendkrawalle und sonstige Lärmerzeugungen sind immer noch in der Hand des Systems, Teil des Systems. Genauer gesagt: unter der Kontrolle eines Systems, daßselber außer Kontrolle ist.

     Woran man das erkennt?

     Die Gelbwesten und die Autoindustrieverklager haben einander nichts zu sagen. Die Autoindustrieverklager und die Abtreibungshasser haben einander nichts zu sagen. Die Abtreibungshasser und die Gelbwesten haben einander nichts zu sagen.

     Die Ökobauern und die Mietpreisgeplagten haben einander nichts zu sagen. Die Mietpreisgeplagten und die Impfgegner haben einander nichts zu sagen. Die Impfgegner und die Ökobauern haben einander nichts zu sagen.

     Die Armen und die Radfahrer haben einander nichts zu sagen. Die Radfahrer und die Friedensmarschierer haben einander nichts zu sagen. Die Friedensmarschierer und die Armen haben einander nichts zu sagen.

     Die Arbeitslosen und die Tierschützer haben einander nichts zu sagen. Die Tierschützer und die Schwulenehebefürworter haben einander nicht zu sagen. Die Schwulenehebefürworter und die Arbeitslosen haben einander nichts zu sagen.

     Die Feministinnen und die Feinstaubapokalyptiker haben einander nichts zu sagen. Die Feinstaubapokalyptiker und die Stromtrassenverhinderer haben einander nichts zu sagen. Die Stromtrassenverhinderer und die Feministinnen haben einander nichts zu sagen.

     Die Neurologen und die Soziologen haben einander nichts zu sagen. Die Soziologen und die Phänomenologen haben einander nichts zu sagen. Die Phänomenologen und die Neurologen haben einander nichts zu sagen.

     Die Widerstandsschüler und die Mindestlohnbezieher haben einander nichts zu sagen. Die Mindestlohnbezieher und die Eliteinternatsschüler haben einander nichts zu sagen. Die Eliteinternatsschüler und die Widerstandsschüler haben einander nicht zu sagen.

     Undsoweiter, undsoweiter. Alles ist wunderbar eingezäunt und gegeneinander immun, und genau so soll es bleiben, denn so ist am leichtesten der Deckel drauf zu halten. Bloß nichts in Zusammenhang bringen, bloß nicht den Blick und den Verstand öffnen, um das größere Bild zu sehen und den größeren Gedanken zu denken. Das öffentliche Geschwätz – in fein säuberlich separierten Fernsehsendern und Fernsehsendungen, in fein säuberlich separierten Presseerzeugnissen und Pressemeldungen, in fein säuberlich separierten Internetzellen und Internetkampagnen – beweist jeden Tag seinen prominentesten Charakterzug: die Professionalisierung des Selbstbetrugs.

     Wir wissen seit den 70er Jahren, daß wir falsch leben und daß diese Art zu leben den Planeten zerstört. Seit dieser Zeit, also seit inzwischen einem halben Jahrhundert wird nichts unternommen, um die bedrohliche Entwicklung zu beenden oder umzukehren. Es wurde und wird nur geschwätzt. Die Diagnose steht seit 50 Jahren, aber jede Therapie wird verweigert bzw. verhindert. Und immer öfter unter Gewaltanwendung. Der Punkt, von dem aus es keine Rückkehr mehr gibt, ist längst überschritten.

     Im Unterschied zu den Lebzeiten von frühen Diagnostikern wie Günther Anders sind heute alle Einigungssoptionen kaputt. Die Konfrontationen sind betoniert. Männer gegen Frauen. Junge gegen Alte. Klimaignoranten gegen Klimabesorgte. Umweltverprügler gegen Umweltstreichler. Insektenvergifter gegen Insektenverehrer. Autofanatiker gegen Fahrradfanatiker. Aufgegeilte Wichser gegen impotente Wichser. Fleischfressgestörte gegen Gemüsefressgestörte. Flugzeugsüchtige gegen Eisenbahnabhängige. Abtreibende gegen Eizellenanbeter. Hysteriker gegen Alternativhysteriker.

     In den 70er und 80er Jahren konnte man sich noch vormachen, man könnte die Entscheidung für oder gegen Gewalt in einem Willensakt herbeiführen. Das ist längst passé. Die Gewalt kommt so oder so. Entweder als tödliche Naturgewalten oder als tödliche Völkerwanderungen oder als tödliche Bürgerkriege, da sowohl die eigenen wie auch die fremden Räume, in denen man noch ein paar Jährchen länger leben kann, immer enger werden.

Selbstbetrug III

     Man kann auch mal kurz über den in der Tat auf Verblödung angelegten Einsatz der 3-akkordigen Pop-Musik sprechen, den Günther Anders zu recht »trivialisierend« und »emotionalen Schwachsinn« nennt. Die Pop-Musik ist seit Jahrzehnten nicht mehr auf der Seite der Jugendlichen, sondern hat deren Auflehungskultur längst gekapert, um damit Verblödung zu erzeugen und mit der Verblödung Kasse zu machen. Die Hochkultur wurde von Günther Anders in dem damaligen Interview nicht erwähnt. Die Kompliziertheit der Klassik war ihm Ausweis für verlässliche Höherwertigkeit. Das hat sich längst geändert. Im Widerstand gegen die Zerstörung des Planeten gibt es keine kulturellen Inseln mehr, auf die man sich noch verlassen könnte, schon gar nicht als temporäres Rückzugsgebiet, um wieder Kräfte zu sammeln. Was immer da jemals an emanzipatorischem Potential vorhanden war, wurde in den seit dem Anders-Buch vergangenen Jahrzehnten beschlagnahmt und gehört jetzt denen, die dafür bezahlen, den Geldinhabern und den Machtinhabern. Den Geldleuten, weil ihnen die Hochkultur schon immer gehörte, und den Machtleuten, weil diese es verstanden haben, mit ganz legalen und demokratischen Mitteln sich das Privileg zu verschaffen, das Geld für die auf sie zugeschnittenen Dienstleistungen der Kunst aus den Steuerkassen nehmen zu dürfen. Und ein bißchen davon darf natürlich auch fürs Volk abfallen. Allzusehr soll man nun doch nicht an der demokratischen Fassade kratzen. Bei bestimmten Staatsanlässen wird aber auch die Fassade lästig, dann wird sie einfach beiseite geschoben. Angesichts von mehrheitlich in Passivität und Lethargie gefallenen, brav Steuern zahlenden Staatsbürgern und brav Lehrstoff paukendem Nachwuchs kann der Staat sich das leisten. Immer öfter.

     Wie die Pop-Kultur ist auch die Hochkultur-Musik inzwischen Teil des abgefeimten Systems der Verblödung, der Beschwichtigung, der gewollten und gezielten Erzeugung von emotionalem Schwachsinn. Nach dem widerlichen Gipfeltreffen der kriminellen Staatsführer der Welt in Hamburg – kriminell sind sie deshalb zu nennen, weil sie tagein, tagaus nichts anderes tun, als in ihren Maßnahmen die Abkehr vom weiteren Verbrauch des Planeten zu verhindern und das mit medialem Geschwätz zu verschleiern – nach diesem widerlichen Gipfeltreffen also gingen diese organisierten Zyniker zum feierlichen Abschluß ihrer Zusammenkunft geschlossen in die Elbphilharmonie und ließen sich von einer Bande korrupter bzw. willfähriger Künstler, Symphonie-Orchester genannt, unter der Leitung eines entweder völlig abgestumpften oder krankhaft karrieregeilen Dirigenten, dessen Name es nicht wert ist, hier genannt zu werden, mit Beethoven belohnen.

     Ich kann nicht von jedem intelligenten Musiker verlangen, diese ekelhafte Dienstwilligkeit so zu sehen wie ich das tue, von den dummen Musikern ohnehin nicht, aber man könnte wenigstens erwarten, daß genau hingeschaut wird, was da vor sich geht. Man könnte erwarten, daß jeder Künstler zumindest die Irrelevanz dieser Politiker und Staatsführer erkennt, und daraus persönliche Konsequenzen zieht. Aber offensichtlich ist das heutzutage schon zuviel erwartet. Die Dienstwilligkeit ist fast lückenlos implantiert. Oder sollte es tatsächlich so sein, daß Beethoven für seinen Ge- und Mißbrauch selber verantwortlich ist? Die Überwältigungs-Musik und der großtönende Schiller-Text als Täuschungsmanöver? Beethoven – der perfekte Unterhaltungslieferant von Hochkulturgedudel zur protzigen Selbstinszenierung der perfekt organisierten Staatenlenker als Wohltäter der Menschheit mit perfekt zelebrierten Bestätigungs-Forderungen an Kunst und Kultur?

Selbstannullierung / Kindermord und Elternmord

     Das Zeitalter der Aufklärung ist also in das Zeitalter des Selbstbetrugs übergegangen. Voltaire hatte uns in den Garten geschickt, und Diderot hatte uns an die Maschinen gestellt. Inzwischen ist der Garten entweder verwüstet oder verbraucht, und die Maschinen haben sich selbständig gemacht und sind uns über den Kopf gewachsen. Zeitalter des Selbstbetrugs heißt auch: Zeitalter des Selbstmords. Man kann nur noch erkennen, daß und wie es auf die Katastrophe zusteuert, die Katastrophe verhindern kann man nicht mehr. Das bedeutet: entweder bewußtlose Selbstannullierung oder bewußte. Die bewußtlose ist die gängige.

     Wer heute sich ernsthaft mit Zukunft beschäftigt, müßte sofort losgehen und seine Kinder, falls vorhanden, erwürgen. Das wußte schon der gute alte Emile Cioran, den es leider nicht mehr gibt und der sich auch nicht fortgepflanzt hat. Da es, im umgekehrten Fall, unsinnig ist, die Eltern zu erwürgen, die ja ohnehin keine Zukunft mehr haben, ist das beste, was die Kinderchen tun könnten, die Selbsterwürgung zu erlernen. Keine einfache Sache. Aber ganz gut fürs Gewissen, da Hand an sich selber legen, nicht dazu führt, wegen Mordes angeklagt zu werden, für den man dann in den Knast kommt, wo es um die Zukunftsaussichten auch nicht gerade rosig bestellt ist.

     Wer heute noch mit konventionellen Mitteln (also: Schildchen, Transparente, Sprechchöre, Reden) für eine bessere Zukunft demonstriert, hat die letzten 50 Jahre verpasst, die von mehr als ausreichendem Geschwätz und mehr als arrogantem Nichtstun geprägt waren. Und wer diese 5 Jahrzehnte verpasst hat, ist entweder so dumm, daß schon Borniertheit draus geworden ist, oder so voller Illusionen, daß der nächste psychische Zusammenbruch nicht lange auf sich warten lassen wird.

     Wer meint, das hier sei ein Plädoyer für Gewalt, der irrt. Die Gewalt, ich sagte es bereits, kommt sowieso, ob ich sie begrüße oder ablehne, ist unerheblich. Punktuell ist sie längst da, seit Jahrzehnten. Die Auseinandersetzungen bei Atommülltransporten, bei Endlagern, bei Flughafenerweiterungen etcetera zeigen es. Letztes Beispiel: ein winziges Wäldchen in Nordrheinwestfalen.

Sozialvertrag und Wirtschaftsvertrag

     Jeder Staat, auch unserer, hat einen Vertrag mit seinen Bürgern. Man kann das Gesellschaftsvertrag nennen oder Grundgesetz oder Verfassung. Was immer die Bezeichnung, es ist ein Vertrag zwischen Staat und Staatsbürgern. Darin steht, daß diese Bürger Steuern zahlen und genau formulierte staatsbürgerliche Regeln einhalten. Im Gegenzug dazu verpflichtet sich der Staat, das gesellschaftliche Gemeinwohl zu fördern und zu erhalten, mit bestimmten Maßnahmen für das Wohlergehen seiner Bürger zu sorgen, sich um die Sicherheit und Gesundheit seiner Bürger zu kümmern. Im Bereich Sicherheit und körperliche Unversehrtheit, zum Beispiel, verpflichten sich die Bürger, das Gewaltmonopol des Staates anzuerkennen und verzichten darauf, Recht und Gesetz in die eigenen Hände zu nehmen und selbst zu vollziehen.

     Zugleich aber macht derselbe Staat auch Verträge mit Firmen, Unternehmen, Konzernen und Banken, in denen ökonomische Ziele, sogar Staatsziele formuliert sind. Diese Verträge werden offensichtlich nicht von denselben Beamten und Staatsbediensteten gemacht, die für den Gesellschaftsvertrag garantieren. Und so passiert es manchmal, in den letzten Jahrzehnten nicht nur manchmal sondern immer häufiger, vor allem immer systematischer, daß diese beiden Verträge bzw. Vertragstypen miteinander in Konflikt geraten, sich sogar in einzelnen Punkten gegenseitig ausschließen. An dieser Stelle muß der Staat sich entscheiden, welchen Vertrag er einhält und welchen nicht, welchem Vertrag er den Vorrang gibt, und welchen er daraufhin zwangsläufig brechen muß. Genau das ist der Punkt, um den es geht: Die Entscheidung des Staates (der Staaten) gegen seine (ihre) Bürger, aber für die in den anderen Verträgen formulierten Wirtschaftsziele.

     Und wenn diese Entscheidung des Vorrangs gefallen ist, wird auch die Staatsmaschinerie gemäß dieser Entscheidung vorgehen. Wenn dem Wirtschaftsvertrag der höhere Rang eingeräumt wird, wird der Gesellschaftsvertrag vorübergehend ausgesetzt. Das Staatsziel heißt jetzt nicht mehr, das Gemeinwohl zu fördern und zu schützen, das Wohlergehen und die Gesundheit der Bürger zu fördern und zu schützen, sondern in diesem besonderen Fall heißt es, das Konzernwohl zu fördern und zu schützen. Die Folge davon: die Staatgewalt wird immer zugunsten der Konzerne und zu Ungunsten der Bürger handeln.

     Ein überaus deutliches Beispiel für dieses Staatsverhalten haben einige zehntausend Bürger des Bundeslandes Nordrheinwestfalen gerade erlebt. Man konnte das Dilemma, das sich der Staat selbst eingebrockt hat, geradezu beispielhaft daran erkennen, wie mit einem lächerlich kleinen Wäldchen umgegangen wurde. Das auf physische Durchsetzung der Staatsgewalt trainierte Personal (Polizeibeamte und Bereitschaftspolizisten) und die dazugehörigen Maschinen und Werkzeuge (Einsatzfahrzeuge, Räumungsgerätschaften) wurden hier nicht eingesetzt, um den Konzern an der Fortführung einer obsoleten Energiegewinnung zu hindern, die längst als gesundheits- und umweltschädlich eingestuft wurde, auch von staatlichen Behörden, sondern sie wurden und werden eingesetzt gegen die Staatsbürger, die darauf bestehen, zukunftssichernd zu denken und zu handeln. Der Staat hatte sich ganz klar für die Einhaltung des Wirtschaftsvertrages mit einem Konzern entschieden und gegen den Gesellschaftsvertrag mit seinen Staatsbürgern. Das Wäldchen wurde preisgegeben, und diese Preisgabe wurde mit massiver Staatsgewalt zu ungunsten der eigenen Bürger durchgesetzt, mit denen der Staat einen Grundrechte-Vertrag hat, und zugunsten eines Energie-Konzerns, mit dem der Staat einen Geschäftsvertrag hat, der den Grundrechte-Vertrag ganz offensichtlich zur Makulatur macht.

     Genau dieses Staatsverhalten kann man ununterbrochen seit Jahrzehnten beobachten. Es gibt kein einziges Beispiel dafür, jedenfalls nicht in Deutschland, daß der Staat irgendwann und irgendwo eben diese auf dem Gewaltmonopol basierende Staatsmaschinerie – also: Polizeikräfte, Einsatzfahrzeuge, Wasserwerfer, Räumungsgerätschaften, Munition, Tränengas – in einer Gewalt-Situation gegen einen Konzern, gegen eine Firma, gegen eine Bank, gegen ein Kartell eingesetzt hätte. Die Staatsmaschinerie wurde nicht eingesetzt gegen Atomkraftwerksbetreiber, die in ihren Sicherheitsbilanzen nachweislich gelogen und betrogen haben, sondern sie wurde eingesetzt gegen die Gegner der Atomenergiegewinnung. Die Staatsmaschinerie wurde nicht eingesetzt gegen die Firmen und Politiker, die mit gekauften und gefälschten Gutachten Endlager durchsetzen wollten, sondern zu deren Schutz und gegen die Kritiker der Fake-Endlager. Die Staatsmaschinerie wurde nicht eingesetzt gegen die Firmen, die aus brutalster Profitgier und mit schwachsinniger Kumpelkultur-Nostalgie weiterhin Kohletagebau betreiben, sie wurde nicht eingesetzt gegen Flughafenbetreiber, die mit fadenscheinigen Wachstumsversprechungen ihre Geschäfte durch zusätzliche Startbahnen ausweiten, sie wurde nicht eingesetzt gegen eine giftsprühende und grundwasserverseuchende Landwirtschaftsindustrie, die völlig skrupellos mit den ihr anvertrauten Tieren, Pflanzen und Böden umgeht, als wäre das alles durch ein heiliges und deshalb ewiges Gesetz zur Profitmaximierung legitimiert. Die staatliche Gewaltmaschinerie wurde nie eingesetzt, um die Zerstörung der Erdatmosphäre zu stoppen, nie eingesetzt, um die Verpestung der Atemluft zu beenden, nie eingesetzt, um die Vergrößerung des Treibhauseffekts abzustellen, nie eingesetzt gegen all jene, die kein Problem damit haben, die gesamte natürliche Balance des Planeten aufs Spiel zu setzen, sondern sie wurde eingesetzt gegen die Kritiker dieser Entwicklungen, gegen die Aufklärer und Chronisten, gegen all jene, die sich dem rücksichtslosen, brutalen und bald finalen Verbrauch der eigenen Lebensgrundlagen entgegenstellen.

     Es wird Zeit, daß eine Diskussion einsetzt, in der es darum geht, warum es immer nur die Staatsseite ist, die es sich erlauben darf, den Gesellschaftsvertrag mit den Bürgern zu brechen.

     Nebenbei gesagt: es ist sicher den einen oder anderen Versuch wert, solche Überlegungen auch dem einen oder anderen Staatsdiener klarzumachen. Es gibt, soweit ich weiß, kein Gesetz, daß einen Polizisten gegen sein Gewissen und wider sein besseres Wissen dazu zwingen würde, sich zum hirnamputierten und vollautomatisierten Büttel des Staates machen zu lassen. Wer für Recht, Ordnung und Gesetz eintritt und dafür ausgebildet und bezahlt wird, muß nicht zwangsläufig und vorbehaltlos das verinnerlichen, was ihm die jeweils amtierenden Betonköpfe als Nonplusultra der immer wieder mal zur Dienstbarkeit für höchst unterschiedliche Interessen zurechtgebogenen Staatsraison verabreichen. Mündige Polizisten – das wären welche, denen genau dieser Widerspruch zwischen den Geschäftsverträgen des Staates und dem Gesellschaftsvertrag zwischen Staat und Bürgern bewußt wäre, denn sie selber sind ja wie alle anderen Bürger am Gesellschaftvertrag beteiligt. Mündige, selbstdenkende Polizisten – welches Innenministerium steht dafür ein? Fast immer ist das Grundgesetz intelligenter als die gerade amtierenden Innenminister und ihre Parteigänger, und fast immer ist das Grundgesetz gründlicher als die gerade für den Lehrbetrieb zur Polizisten-Ausbildung vorgefertigten Richtlinien und Unterrichtsmaterialien.

     Daß es sehr gute Gründe dafür gibt, dem Staat das Gewaltmonopol zuzugestehen, weiß ich. Aber ich weiß zugleich – und das kann jeder andere ebenfalls wissen, man muß nur Augen, Ohren und den Verstand offenhalten –, daß dieses Gewaltmonopol immer mehr zu dubiosesten Zwecken eingesetzt wird. Ich weiß darüber hinaus – und auch dies kann jeder andere ebenfalls wissen, der Augen, Ohren und den Verstand offenhält –, daß die staatlichen Institutionen, die über dieses Gewaltmonopol die Verfügung haben und die Befehle ausgeben, immer mehr von antidemokratischen, reaktionären, korrupten Kräften durchsetzt sind.

     Und zwischen all diesem Wissen gibt es keine Vermittlung mehr, jedenfall keine gewaltfreie. Also nochmal: nicht ich plädiere für Gewalt im Zusammenhang mit der Zerstörung des Planeten, die Staaten der Welt wenden sie längst an, und zwar zugunsten einer brutalen Mischung aus Geschäftemacherei und Machtpolitik. Und übrigens genau die, von denen das lauteste Geschrei nach völkischer Identität und nationaler Souveränität kommt, sind die allerersten, die das, was (ihr) Land und (ihre) Leute zu bieten haben, an irgendwelche fremden und obskuren Höchstbieter verscherbeln.

Massen und Medien

     Wie andere an der Heroin-Nadel hängen wir noch immer an dem Kinderglauben (freitags: Schülerglauben), in einer pluralistischen Gesellschaft zu leben, wo jeder sagen kann, was er will und wie laut er will. Abgesehen davon, daß schon das längst nicht mehr stimmt, stellt sich neben der Frage vom Sagen auch die nach dem Machen. Wer kann hier wirklich machen, was er will? Wer kann es nicht nur, sondern wer tut es auch? Wer verhält sich jeden Tag so? Sehr mächtige Politiker und sehr mächtige Konzerne und sehr mächtige Vereinigungen von Politikern und Konzernen können das und tun das. Dabei wird niemand außerhalb dieser Kreise um sein Einverständnis gefragt. Auch und erst recht nicht bei Entscheidungen und Handlungen, die das Leben nicht nur der Bewohner einer Region sondern das aller Erdbewohner betreffen. Beim Machen hat der Pluralismus definitiv ein Ende. Da geht es höchst autoritär und höchst totalitär und höchst gewalttätig zu. Wer also das Machen ändern will, oder auch nur zunächst mal bloß bestimmtes Falschmachen stoppen will, hat die Wahl, sich entweder erneut in den Pluralismus der Schwätzbeiträge einzureihen, wo es zwar ganz nett und mehr oder weniger gleichberechtigt zugeht, aber eben keine Änderungen zu erzielen sind, oder sich doch selber auf das höchst gewalttätige Feld des Machens zu begeben, wo Änderungen nur mit erheblich blutigeren und schmerzhafteren Mitteln als Meinungsverlautbarungen zu erzielen sind.

Notwehr

     Alle bisherige Gewalt in der Geschichte der Menschheit kam aus Kämpfen und Kriegen, in denen es um die Zugehörigkeit zu Religionen oder Volksstämmen ging, um die Vorherrschaft von politischen und ökonomischen Systemen bzw. Doktrinen, um Macht und Privilegien. Wenn es aber darum geht, mit welchen Mitteln man gegen die Zerstörung der Lebensgrundlagen auf dieser Erde vorgehen soll oder muß, welche Methoden man anwenden soll oder muß, um die Vernichtung des Planeten zu stoppen, dann ist das Weitermachen in diesen Kampfzonen wie bisher, also das Beharren auf solchen ideologischen, religiösen, rassen- oder klassenbewußten Zugehörigkeiten und Herrschaftsansprüchen nur noch als Irrsinn zu betrachten. Für alle Nicht-Irren geht es ums Überleben und sonst nichts, also um Notwehr. Genau das aber erfordert einen völlig anderen Umgang mit der Legitimierung von Gewalt und eine völlig andere Definition von Gewaltanwendung als der, in dem man sich auf das Gewaltmonopol des Staates einigen konnte. Diese Epoche geht gerade zu Ende, und das mit Riesenschritten.

     Je mehr die Staaten sich selbst für vorbildliche Demokratien halten und diese Vorbildlichkeit auch propagandistisch sehr hoch hängen, desto weniger sind sie es. Dazu passend wird es immer leichter, die eigenen Defizite in der inzwischen üblichen optimierten Selbstdarstellung zu verschleiern. Kein Wunder in einer Welt, die sich zunehmend virtualisiert. Aber noch immer gilt: Selbstlob stinkt. Was man heute sehen und erkennen kann, ist genau diese Selbstlob-Verkommenheit, und die macht sich nicht nur auf den Regierungsebenen breit sondern längst auch in den Institutionen. Die Fetischisierung des Volkes, die Ersetzung demokratischer Verkehrsformen durch volksnahe Massenmedienauftritte, macht aus den einstigen Demokratien etwas, das in den antiken Anfängen der Demokratie abfällig Ochlokratie genannt wurde, ein Wort das bezeichnenderweise keiner mehr benutzt, weil es keiner mehr kennt.

     Die Kenntnis und Analyse dieser Entwicklung muß in der Gewaltdiskussion mitberücksichtigt werden. Wer sich für den gewalttätigen Widerstand gegen die falschen Entscheidungen der Staaten und das falsche Verhalten der in diesen Staaten lebenden Massen entscheidet, muß sich darüber im Klaren sein, daß in den zur Herrschaft der Massenmentalität degenerierten Demokratien fast keine Mitstreiter für diese vom Überlebenswillen in Gang gesetzte Notwehr zu finden sind, denn alles konkrete und effektive Handeln gegen den finalen Verschleiß des Planeten bedeutet natürlich das Ende des derzeit noch herrschenden Wohlstands, das Ende der derzeit praktizierten weltumspannenden Mobilität, das Ende von Privilegien, von Hedonismus, von laissez faire und nicht zuletzt auch das Ende fröhlich-unbefangener Geschäftemacherei. Darüber sollte man sich keine Illusionen machen.

     Es ist fast unmöglich, in der jetzigen Situation, mit solchen Aussichten vor Augen, durch unverblümte Überzeugungsarbeit was zu erreichen, und mit der Gewalt verhält es sich kaum anders; sie ist nur schwer so zu gestalten, daß sie als Teil dieser Überzeugungsarbeit erkannt und akzeptiert wird. Auch darüber kann man sich alle Illusion ersparen.

Ökologie, medial ohne Chance gegen Terrorismus

     Mit oberflächlicher Kriegsberichterstattung und sensationsgeiler Terrorismusberichterstattung und nicht zuletzt fatalistischer Naturkatastrophenberichterstattung gelingt es den Massenmedien immer wieder, vom obersten Problem der Menschheit abzulenken, von der Selbstvernichtung durch den rigorosen Verbrauch des Planeten. Jeder weitere Krieg, jeder weitere Terror-Anschlag, jeder weitere schicksalhafte „Ausbruch“ von irgendwas hilft bei diesen strategischen Themenverlagerungen. Die Menschheit wird aber nicht am Islamismus oder an sonstigen totalitär ausgerichteten Horden zugrunde gehen, nicht mal an den Terror- und Attentatsaktivitäten der mit dem Auftrag der Demokratieverteidigung im Rücken behauptetermaßen dagegen antretenden Geheimdienste, sondern an der kriminellen, alles aufzehrenden Lebensweise des sogenannten freien Westens, die längst selbst zum Terrorismus geworden ist, nur eben zu einem, der so nicht adressiert werden darf.

     Daß die Terrorakte in Europa jedesmal ein „Anschlag auf die Zivilisation“ sein sollen, bloß weil da eine fremde Kultur, die angeblich islamische, auf die einheimische Kultur, die angeblich christliche, schießt und Bomben wirft, ist als Blödmedien-Schlagzeile schon idiotisch genug, da man die Selbstzerfleischung der islamischen Kultur in den westlichen Medien entweder aus Ignoranz nicht zur Kenntnis nimmt oder sich dessen sehr wohl bewußt ist und das vorsätzlich totschweigt. Man muß nur auf die innerislamischen Opferzahlen im Vergleich zu denen in Europa schauen, um die westliche Heuchelei zu erkennen. Wenn man schon die „Zivilisation“ in die Schlagzeilen heben will, dann sollte das in derÖkologie geschehen, und mit sehr viel dringenderer Berechtigung. Denn der wahre Anschlag auf die Zivilisation ist jedes funktionierende Atomkraftwerk, das laufend unentsorgbaren Abfall produziert, jede produktivitätssteigernde Giftspritze, die in der durchindustrialisierten Lebensmittelproduktion eingesetzt wird, jeder mobilitätssteigernde Verbrennungsmotor, der überall auf der Welt die Atemluft verpestet, jede effektive Bohrvorrichtung und Fördermaschine, die ohne Rücksicht auf die Folgen Öl, Gas und Kohle aus der Erde holt, jede gutgemeinte Mülltrennungs- oder Müllsammelaktion, die dadurch die Produktion des Mülls ins Endlose verlängert, und jedes hilfreiche Abflußrohr, das auf seiner anderen Seite Grundwasser, Flüsse und Meere verseucht.

     Wir sind ganz und gar unsere eigenen Terroristen, und die Zerstörung und die Zahl der Toten, die wir Christeneuropäer jedes Jahr durch unsere Lebensweise unter unseresgleichen erzeugen, übersteigt die Zerstörung und die Zahl der Toten durch Anschläge von irgendwelchen Gottescliquen um ein Mehrfaches.

Die schauspielernden Grünen

     Die Grünen, ob in Parteien, Verbänden oder Vereinen organisiert, kann man als Verbündete im Überlebenskampf vergessen. Die haben sich längst mit den gutbürgerlichen Beschwichtigungen der Lage arrangiert. Diese Leute waren mal was anderes, sind aber heute nur noch Trittbrettfahrer des Warn- und Mahngewerbes. Sie verkriechen sich vor Angst im Wandschrank, wenn jemand in ihrer Anwesenheit das gewalttätige Auftreten des Staates gegen die eigene Bevölkerung einer kritischen Befragung unterzieht. Haben aber dann, eingeschlossen in ihren Wandschränken, keine Strategie mehr, wie man tatsächlich noch was ändern oder retten könnte, und tun alles, um sogar jede Art von gewaltloser Diskussion über Gewalt zu unterbinden. Als sie in Deutschland eine Weile mitregiert haben und was zu sagen hatten, haben sie das Dosenpfand eingeführt und (mit dem staatlichen Gewaltmonopol auf ihrer Seite) Serbien bombardiert. Das war der grüne Beitrag zur Verbesserung der Welt. Mehr haben sie nicht vorzuweisen und mehr wird auch nicht kommen.

     Ansonsten: die Grünen glauben immer noch an den Parlamentarismus und den Staat als Lösung aller Probleme. Von der Leichtigkeit, mit der heute jedes demokratische Parlament instrumentalisiert und jede demokratische Wahl manipuliert und jedes Staatsressort gekauft werden kann und wird, haben sie nicht die geringste Ahnung. Sie sind zu sehr Teil des maroden und selber marodierenden Systems, um noch Teil seiner Ablösung werden zu können. Das äußerst naive Verhältnis der Demokratie, der grünen ebenso wie der nichtgrünen, zu ihren traditionellen Wahlgepflogenheiten sollte spätestens seit den Parlamentswahlen in Polen, Ungarn und Italien, spätestens seit der Präsidentschaftswahl in den USA, spätestens seit dem selbstbestimmten EU-Austritt der Engländer und ihrer britischen Anhängsel und spätestens seit dem jüngsten Postengeschacher in der EU selbst bekannt sein. Daß die Grünen das alles nicht kapieren und stattdessen nach wie vor Gewaltmonopol und Parlamentarismus und Wahlen und Kapitalismus als unantatsbar hochhalten, weist sie als Trottel ihrer selbstgefälschten Identität aus und zugleich als Trottel des digitalen Zeitalters. Durch rituelle Legendenbildung zwingen sie sich, selber an ihre Versprechungen zu glauben, für die sie derzeit massenhaft Wählerstimmen einkassieren. Aber sie werden nicht liefern, dazu fehlt es ihnen sowohl an unverstellter Selbsterkenntnis als auch an der schlichten Einsicht in die ebenso schlichte Tatsache (kein Fake), daß grüne Konsumeinschränkung und grüne Nachhaltigkeit mit den eisernen Grundkonstanten des Kapitalismus nicht vereinbar sind. Gerade den aber lieben sie und brauchen sie, denn die Gewinner der kapitalistischen Wunderwelt –  Teile der von Geburt an feinen Klasse, Teile der besserverdienenden Klasse, Teile der Akademikerklasse, Teile der oberen Mittelklasse, Teile der Staatsdienerschaft, Teile des öffentlichen Dienstes und viele der selbstlosen Vorzeigefiguren der Ehrenamtlichkeit – haben ihnen sowohl zu ihrer Gründung wie auch zu ihrem Aufstieg verholfen. Die Grünen und ihre Mitläufer sind für konsequente und zielstrebige grüne Politik nicht mehr zu gebrauchen.

     Die für die Massenmedien eingeübten Unschulds-Posen der Grünen, die sich seit ein paar Wochen mit Sieger-Posen abwechseln, sind für erfahrene Politikerbeobachter leicht durchschaubar, der unbedarfte Nachwuchs fällt immer wieder darauf rein. Nicht zuletzt, um die eigene Unschulds-Pose weiter hegen, pflegen und zelebrieren zu können.

     Abgesehen von den Grünen und ihren unhaltbaren Versprechungen ist auch von den anderen zu Wahlen antretenden Polit-Vereinen nichts zu erwarten. Alle Parteien, ausnahmslos und in welchem Land auch immer, sind Interessenvertretungen und sehen ihre Existenzberechtigung und ihren Arbeitsauftrag darin, bei jeder einzelnen anstehenden politischen Entscheidung für ihr spezielles Klientel Sonderrechte bzw. Sonderregelungen zu erreichen, und in Krisenzeiten umso mehr. Mit Klientel-Parlamentarismus aber ist keine Umweltschutzpolitik und keine Klimaschutzpolitik zu machen – nicht national, auch nicht kontinental, und schon gar nicht global. Das sollten wir alle nach 50 Jahren weltweitem parlamentarisch-medialem Geschwätz eigentlich kapiert haben.

     Kein Staat tut etwas und wird jemals etwas tun, auch nicht die sich selbst für demokratisch haltenden mit ihren netten Parlamenten. Solange nicht, bis die ersten Nationalökonomien zusammenbrechen. Aber von diesem Tag an wird es kein Tun mehr sein, sondern bloß noch hysterischer Aktionismus.

Zur Klärung:

     Dem Staat das Gewaltmonopol abspenstig zu machen, gelingt der Waffenlobby in den USA schon seit Jahrzehnten. Und der Staat ist damit nicht nur zufrieden sondern unterstützt das sogar, unterstützt also seine eigene Delegitimierung. Das ist offensichtlich so gewollt. Die gewaltlose Antiwaffenbewegung ist nach wie vor zu einfältig, etwas anderes zu tun, als den Staat – wohlgemerkt: gegen dessen Interessen – dazu aufzufordern, den privaten Waffenbesitz nun doch endlich drastisch einzuschränken. Kein Wunder, daß die Friedfertigen und Schicksalsgläubigen immer mehr an Boden verlieren. Die Massenmorde an den Schulen gehen weiter, die Massenmorde auf der Straße gehen weiter, die Massenmorde in den Ghettos gehen weiter, die Massenmorde bei Veranstaltungen gehen weiter, die Massenmorde in Behörden gehen weiter, die Massenmorde gegen Minderheiten gehen weiter. Wie lange wird man es sich noch leisten können, weiterhin einfältig und gewaltlos zu bleiben? Die nicht lernfähige amerikanische Gesellschaft versinkt in Selbstzerstörung. Das nicht lernfähige Europa wird in derselben Selbstzerstörung versinken, da die lernfähige europäische Rechte, wie in den USA, das Gewaltmonopol der Staaten einsacken wird und die nichtlernfähigen Grünen und Liberalen und Linken dabei tatenlos zusehen werden, wie immer.

     Auch Frankreich steht eine gewalttätige Zukunft bevor. Wenn die ersten Kernkraftwerke gebrechlich werden, geht es los. Und dann gibt es keine Vermittlung mehr, nur noch betonharte Positionierungen. Vielleicht reicht es schon, wenn mal wieder die Unlösbarkeit der Probleme mit dem Atom-Müll auf den Tisch kommt, um die Gewalt in Gang zu setzen. Übrigens ein nettes Beispiel für die beiderseits nutzbringende Kumpanei der Massenmedien mit den politschen Machthabern und der Atomwirtschaft, die es in gemeinsamer Anstrengung immer wieder schaffen, dieses Thema jahrelang, wenn nicht jahrzehntelang totzuschweigen. Dazu gehört auch, daß die gesellschaftlichen Positionen Grün, Links und Liberal in Frankreich inzwischen inexistent sind. Dabei ist Frankreich der Motor Europas, nicht wahr?

Selbsterhaltung

     Man wird das Personal, das die Erde vorsätzlich ruiniert, abschaffen müssen, oder man wird selber abgeschafft. Letzteres, in der Version von Selbstabschaffung, war und ist von allen praktizierten Varianten des Herangehens an die Probleme bisher die am weitesten verbreitete. Genau darauf läuft es hinaus bei all jenen, die unwillig sind, ernstzunehmenden Widerstand zu leisten und zugleich unfähig, den täglichen Selbstbetrug zu vollziehen, wie das von den Massenmedien unisono mit den Marketingabteilungen der Firmen und Konzerne mit allen Mitteln ihrer jeweiligen Kunst vorexerziert und empfohlen wird. Wer den Selbstbetrug nicht kann, kriegt ein Problem. Also betrüg dich lieber selber, und schon fühlst du dich besser. Mach dir was vor über den Zustand der Welt, und schon geht’s dir wieder gut. Kümmer dich um deinen eigenen Kram, und nur um diesen, und schon bist du wieder obenauf. Geh kaufen und urlauben und aufpolieren und selbstoptimieren, und schon bist du wieder jung und fit und um Welten schöner als je zuvor. Du solltest wissen, daß die ganze Problemwälzerei um dich herum gar nichts mit dir zu tun hat. Du solltest wissen, daß nur, wenn du dich darauf einläßt, sich das alles wie eine unerträgliche Last auf dich legt, also laß dich gar nicht erst drauf ein. Es gibt ja nun wirklich ausreichend Unterhaltungs-, Ablenkungs-, Hirnverdampfungs- und Selbstzurschaustellungsangebote im Weltweit-TV-Netz und Weltweit-Digital-Netz und Weltweit-Konsum-Netz, mit denen man sich weit von all dem Ungemach entfernen und einrichten kann.

     Smartphones sind wichtiger als Bücher. Das ist eine Tatsache, hier und jetzt, und kein Fake. Friseure, Nagelstudios und Beauty-Shops sind wichtiger als die Klarheit deines Verstandes. Das ist eine Tatsache, hier und jetzt, und kein Fake. Shopping ist wichter als Nicht-Shopping. Eine Tatsache, kein Fake. Urlaub ist wichtiger als Kein-Urlaub, vor allem in 20 000 Flugkilometern Entfernung, damit es auch was hermacht. Gleich zwei aktuelle Tatsachen und kein Fake. Die angesagten Markennamen zu kennen ist eindeutig lebenswichtiger als die unabhängigen Informationsquellen und die vernünftigen Dichter und Denker zu kennen. Auch das eine Tatsache und kein Fake. Und fette Autos fahren ist geiler als öffentliche Verkehrsmittel benutzen. Das ist überhaupt die überzeugendste aller Selbstoptimierungen, und deshalb mehr als das, nämlich eine öffentliche Bekanntmachung, daß man auf all dieses lästige Umwelt-Gedöns scheißt und sich von diesen Miesmachern keine Vorschriften gefallen läßt und alles als Verbots-Kultur diffamiert, was den eigenen Konsum- und Protzwünschen zuwiderläuft, dafür aber die bestorganisierte Kriminalität aller Zeiten mit dem höchsten Jahresumsatz aller Zeiten – die deutsche Autoindustrie – geradezu überirdisch findet und deshalb tatkräftig unterstützt. Undsoweiterundsoweiter. Dem kriminellen System treu bleiben und niemals abtrünnig werden. Und Demonstratiönchen, von wem auch immer und gegen wen oder was auch immer, gehören, spätestens nach ihrer Umwandlung in Medienbildchen, ebenfalls zu diesem supergeilen Auswurf aus stumpfsinnigem Entertainment und dummdreistem Selbstdarstellungswahn.

     Aus all diesen genannten Gruppen von harmlos Bescheuerten bis hin zu ernsthaft Gestörten kommen Sympathiebezeugungen für die Freitags-Schüler. Wer demonstriert, handelt nicht, das ist das wichtigste. Vom Protestieren zum Agieren übergehen, wer will das schon. Sollen’s doch andere machen. Auf Pappschildchen gemalte Befindlichkeiten in die Kameras der Welt halten, das muß reichen. Jugendliche Sympathien und Befindlichkeiten kamen schon immer gut an, und heutzutage, wo die Kameras immer mehr werden, kriegen auch die Gemütsbezeugungen mehr Follower ab als je zuvor. Nur ist das weder Politik noch Widerstand, es ist schlicht Selbsterhaltung durch Selbstverstümmelung.

Rettung

     Seit den 70er / 80er Jahren gibt es so nette Künstler-Initiativen wie die zur Rettung des Regenwaldes. Man wird aufgefordert, Schallplatten oder CDs zu kaufen, und man garantiert uns beim Kauf die Rettung von ein paar Qudratmetern des gefährdeten Waldes. Zwischendurch konnte man sogar mit dem Kauf und Konsum von Bier den Regenwald quadratzentimeterweise retten. Das nur als Beispiel für viele ähnliche Aktionen. Natürlich war und ist das alles Bullshit. Rettung durch die Gnade des Konsums, was für ein Hirnschiß. Wer heute Regenwald retten will, muß sich bewaffnen und (zum Beispiel) nach Brasilien gehen und dort mit Waffengewalt gegen die Firmen antreten, die den Regenwald abholzen. Wer heute Regenwald retten will, muß sich bewaffnen und gegen den Staat antreten, der diesen Firmen das Abholzen und die Brandrohdung erlaubt und sie mit Staatsgewalt dabei unterstützt, ihren Raubbau durchzuziehen. Es gibt, zumindest in Brasilien, keine andere Möglichkeit mehr außer dem Bürgerkrieg. Das ist der zugespitzte Stand der Dinge. Wer da nicht mitmachen will, weil es nicht jedermanns Sache ist, Gewalt zu lernen und sich zu bewaffnen und die diversen Werkzeuge dazu auch anzuwenden, der muß dann aber zum Ausgleich ernsthaft an sich arbeiten und ernsthaft lernen, beim Zerstören nicht bloß nebenbei zuzuschauen, sondern im vollen Bewußtsein der eigenen Beteiligung durch Nichtstun.

     Anderes Beispiel: Man kann gerade sehen, was die ach so umweltbewußte und rettungsaktive EU tut, um die Folgen des Austritts der Briten aus der EU zu mildern. Zum Beispiel setzt man massiv Mittel und Personal ein, dem Rückgang der Passagier-Zahlen bei den Flügen zwischen dem Vereinigten Königreich und dem europäischen Festland entgegen zu wirken. Da gibt es keinen Jubel, daß jetzt endlich weniger geflogen wird, sondern es gibt eine gewaltige bürokratische und propagandistische Anstrengung, daß um Himmels willen bloß nicht weniger geflogen wird. Das könnte ja die Wirtschaft schädigen, das Wachstum verringern und zu allem Grusel noch obendrauf: Arbeitsplätze in der EU vernichten. An dieser Stelle ist die EU selber das Gift, das sie eigentlich als Sonder-Müll behandeln müßte. Wäre sie tatsächlich umweltbewußt, müßte sie sich selbst entsorgen. Und in Hessen kriecht der grüne Wirtschaftsminister den Betreibern des Frankfurter Flughafens dreimal am Tag lustvoll in den überdimensionierten Allerwertesten. In Amt und Würden gehört sich das so.

     Der Kapitalismus hat seine fundamentale Existenzideologie im Wachstum. Ohne Wachstum funktioniert dieses ökonomische System nicht. Wachstum aber ist heute nicht mehr mit der Herstellung von Dingen zum Gebrauch zu erzielen sondern nur durch Verbrauch, um immer weiter produzieren und immer wieder das gleiche aufs neue verkaufen zu können. Verbrauch aber heißt: das Ende des Planeten herbeikonsumieren. Nachhaltigkeit ist nur mit Anti-Konsum zu erzielen. Und Anti-Konsum ist das Ende des Kapitalismus. Das will keiner hören. Ohne Planwirtschaft wird es keine vernuftgesteuerte Allianz von Ökologie und Ökonomie geben. Das will erst recht keiner hören. Wir werden seit 70 Jahren permanent mit der vollen Breitseite der Massenmedien konditioniert, um genau diese Überlegungen abzuwehren. Wenn doch jemand es wagt, solche Teufels-Vokabeln wie Sozialismus, Kommunismus, Planwirtschaft auszusprechen, springt das Personal der teildeutschen bayrischen Weihwasserpartei und ebenso das Personal der dazugehörigen schwesterlichen Werte- und Seilschaften-Union und ebenso das Personal der gesamtdeutschen Bierdeckelsteuererklärungspartei und ebenso das Personal des grenzenlosgründeutschen Wer-uns-wählt-der-fühlt-sich-gleich-besser-Bündnisses wie angestochen vor alle sofort herbeizitierten Kameras der System-Medien und brüllt was von Tod und Verderben und Untergang in die Mikrophone. Und in der EU schrillen alle Alarmglocken. Die hört dann aber wirklich jeder, weil sie so laut sind, daß sie alles andere übertönen. Soviel zum Anteil an Vernunft in der Umweltpolitik in Europa und der EU. Wachstum um jeden Preis, Konsum um jeden Preis. Von den neuesten Errungenschaften der EU gar nicht zu reden, die darin bestehen, Verträge zu machen, zum Beispiel mit Brasilien, die, um das Wohlergehen der europäischen Chemie- und Auto-Industrie in Europa abzusichern, die massive Ausweitung der Abholzung von Urwäldern nicht nur in Kauf nehmen sondern aktiv antreiben.

     Das alles ist so pervers wie es nur sein kann.

Barbarei und Zustimmung

     Die von denkfähigen Leuten einstmals aufgestellte Alternative Sozialismus oder Barbarei steht immer noch. Sozialismus / Kommunismus heißt: es werden neue Regeln aufgestellt, die alle Macht- und Besitzverhältnisse umorganisieren. Da wird es Verluste geben, ganz sicher. Man braucht einen Plan, der Nachhaltigkeit, Gerechtigkeit und Rechtssicherheit für die Lebensverhältnisse aller Menschen kombiniert und garantiert. Genau das aber ist von den Systemen, Staaten, Blöcken, die jahrzehntelang von sich behaupteten, sozialistisch bzw. kommunistisch zu sein, nie geleistet worden. Man kann sagen: Sozialismus und Kommunismus wurden weltweit verdorben und diskreditiert, und zwar von ihren mächtigen Gegnern und bis an die Zähne bewaffneten Feinden ebenso wie vom eigenen unfähigen Praxispersonal und den verbohrten Befürwortern, die den Staat, statt ihn seiner Auflösung zuzuführen, wie von Marx und anderen angekündigt, zur Allmachts-Institution hochgeschraubt haben.

     Dagegen steht die reale Entwicklung der etablierten Macht- und Besitzverhältnisse, in denen der globale Kapitalismus und Neoliberalismus als zwar unperfektes aber doch alternativloses System gehandelt und behandelt werden. Das ist seit Jahrzehnten der Fall, ohne Aussicht auf bessere Einsicht. So bleibt nur noch die Barbarei. Genau in diesen Zustand sind wir eingetreten: in das Zeitalter der Barbarei. Wenn jahrzehntelang nichts geregelt wird und dann eine unumkehrbare Situation eintritt, in der sich nichts mehr regeln läßt, ist jede Möglichkeit versperrt, der Barbarei noch aus dem Weg zu gehen. Sie kommt entweder als Folge von brutalen Naturkatastrophen oder als Folge des dadurch ausgelösten Zusammenbruchs der Lebensbereiche, die an höchst anfällige Technik gebunden sind, wie zum Beispiel der Stromversorgung, oder als Folge der dadurch ausgelösten Völkerwanderungen oder als Folge eines durch die Sachzwänge der Klimazerstörung erzeugten techno-bürokratischen Faschismus, der sich als Heils-System präsentiert, in Wahrheit aber, genau wie alle anderen politischen und ökonomischen Systeme zuvor, außerhalb jeglicher Kontrolle vor sich hinpfuscht und so noch mehr Schaden anrichtet. Das alles findet nicht in weiter Entfernung statt, weder räumlich noch zeitlich, wie offenbar die meisten Europäer immer noch glauben und hoffen, sondern ist hier längst Realität. In England zum Beispiel gibt es einige Orte am Meer, die jetzt bereits wissen, daß sie untergehen werden. Und nicht nur das, die Bewohner dieser Orte wissen auch, daß niemand ihnen helfen wird, daß niemand für den Schaden bzw. Verlust an Haus, Hof und Grund aufkommen wird, daß alle Folgen des Anstiegs des Meerespiegels zu ihren privaten Lasten gehen werden, daß ihnen also nichts anderes übrig bleiben wird, als einfach ihr gesamtes bisheriges Leben sang- und klanglos aufzugeben und mit ihren Rest-Habseligkeiten auf Wanderschaft zu gehen oder einfach zu verschwinden, denn genau diese Einschätzung der Sachlage und genau diese Entscheidungen zu den Folgen eben dieser Sachlage haben sie von ihrer Regierung und ihren Regionalverwaltungen schon als amtliches Schreiben in den Briefkasten bekommen. Und die Millionen Franzosen, die am Meer leben und die Deutschen an der Nordsee werden genau dieselben Amtsschreiben erhalten, wenn sie demnächst zwangsläufig auf die Idee kommen, bei Ihren Behörden nachzufragen, wer ihnen im Katastrophenfall helfen wird.

     Wie man sieht: die Situationen und Zustände, die als Folge der Klimakatastrophe entstehen werden, entziehen sich der praktischen Vernunft ebenso wie der bürokratischen Verwaltbarkeit. Zu spät heißt zu spät für jegliche Art von mäßigenden bzw. korrigierenden Eingriffen. Die Barbarei wird kommen und ihre Bedingungen diktieren, und wir werden vor diesen Bedingungen kapitulieren und uns den neuen Regeln beugen und sie uns zu eigen machen. Und dabei werden uns ganz andere Instrukteure anleiten und anherrschen als bisher und ganz neue Befehlsgeber anbrüllen und antreiben. Es gibt sie bereits, die neuen Vordenker, Einpeitscher und Chefideologen, sie warten in den Startlöchern. Aber ihre Methoden werden uns altbekannt vorkommen. Denn auch die kommende techno-bürokratische Zwangsherrschaft wird man uns als alternativlos aufzunötigen versuchen. Wir werden allesamt in einen Überlebenskampf getrieben, der all das nette und zivilisierte und pluralistische und mitmenschliche Diskutieren mit einem Schlag beendet. Und zwar zu Ungunsten genau der Generation, auf deren Schultern jetzt jene Zukunft lastet, die sie nicht tragen will. Zu Gunsten dieser Generation spricht nichts mehr, und deshalb stellt sich die Frage, ob es nicht besser wäre, wenn man dieses »nette und zivilisierte und pluralistische und mitmenschliche Diskutieren mit einem Schlag« selbst beenden würde, dann wäre wenigstens noch ein Rest von der Idee gewahrt, die da lautet, es sei besser, die eigene Lebensgeschichte selbst zu machen statt sich aufzwingen zu lassen.

     Die Vorankündigungen sind längst da. Wer heute noch davon ausgeht, man könne einfach wie immer ans Mittelmeer fahren und dort ein paar Wochen netten Urlaub verbringen, ist schon mitten drin im Prozeß der Brutalisierung, mitten drin in der für die kommende barbarische Gesellschaft notwendigen Herstellung einer neuen Mentalität, in der sich Ignoranz, Selbstüberhebung und Gewalt unwiderruflich vermischen, denn wer heute weiterhin ans Mittelmeer fährt, geht dort nicht in einen sonnig-harmlosen Strandurlaub sondern badet in einer Leichenbrühe. In einem müll- und chemievergifteten, von luxuriösen Kreuzfahrtdampfern verseuchten, randvoll mit massentouristischen Exkrementen gefüllten und außerdem regelmäßig mit Menschenkadavern angereicherten Totwasserbecken. Das ungerührt zu verdrängen, gehört bereits zu den vorzeigbaren Erfolgen einer erstklassig organisierten Gehirn- und Gefühlswäsche, der wir seit Jahren durch das Zweckbündnis von Politik, Ökonomie und System-.Medien unterzogen werden, und durchaus nicht widerspenstig sondern mit unserer eigenen – wachsenden – Zustimmung.

Leben und Mitmachen

     Die im spätkapitalistischen / neoliberalen Alltagsleben erlernte Fähigkeit, den Verlierern und Weggeworfenen unserer und anderer Gesellschaften aus dem Weg zu gehen, verschafft uns die erwünschte innere Ruhe und Weltferne, um nachts schlafen zu können; die ebenfalls erlernte Fähigkeit, den Hunger in der Welt und seine Ursachen nicht mit uns selbst und unserer Lebensführung in Verbindung zu bringen, verschafft uns die ebenfalls erwünschte Gemütsruhe und Manierlichkeit bei unseren Mahlzeiten. Die Fähigkeit, vom Leid der Welt abstrahieren zu können, verschafft uns die Möglichkeit, uns für zivilisierte, freundliche, großzügige und gutsituierte Lebewesen mit einem ganz vorbildlichen privaten Gefühlsleben zu halten. Was nichts anderes heißt als: wir sind erstklassige und auf vorbildliche Disziplin getrimmte Lektion-Konsumenten im Fach Gleichgültigkeit. Wir führen ein Doppelleben, und zwar ein perfektes Doppelleben.

     Und in diesem Zusammenhang heißt allesamt: auch diejenigen, die heute als Schülerprotestler auftreten und versuchen, sich von der Verantwortung für die Zukunft zu entlasten, indem sie diese den Eltern und Alten zuschieben, sind Bestand-Teil des außer Kontrolle laufenden Systems, nicht dessen Gegen-Teil. Denn es gibt keine Schüler-Insel, weder heute noch in Zukunft, keine Insel der Unschuld, auch keine blitzsaubere schwedische Mini-Insel, von der aus man mit dem Moral-Finger aufs Festland und den Rest der Welt zeigen kann, wo die Verursacher der kommenden Barbarei sitzen, zu denen man selber natürlich auf gar keinen Fall gehört und niemals gehören wird. Auch die Schülerprotestler und all die anderen Jungendlichen sind genaue Abbilder ihrer Eltern. Sie führen dasselbe Doppelleben.

     Und da wir schon beim Thema sind: Wo sind die weltweiten Demonstrationen, mit handschriftlichen Schildchen und bunten Fähnchen und Megaphonen und Mikrophonen und Kameras und allem Drum-und-Dran, die jene längst überfällige Forderung nach Selbst-Sterilisierung der gesamten Erdbevölkerung hinausposaunen? Und wessen Ohren werden für dieses spezielle Posaunte offen sein?

     Nochmal: Die Schüler / Jugendlichen sind gewiß nicht die obersten Verursacher der bevorstehenden Katastrophen, deren gesellschaftliche Folgen nichts anderes sein werden als Barbarei, aber sie werden trotzdem in dieser barbarischen Gesellschaft nicht nur leben sondern auch mitmachen. Ihr größte Fehler ist, daß sie die Alten als Unfähige betrachten, und deshalb daran glauben, man könne sie belehren und erziehen, zu Fähigen erziehen, und als Fähige werden sie dann fortan alles richtig machen, was sie zuvor falsch gemacht haben. Das ist in sich sogar schlüssig, aber es ist irreal. Es ist ein in sich schlüssiger Irrationalismus. Die Alten sind Unwillige, und sie müssen als Unwillige behandelt werden. Kann man Unwillige belehren und erziehen? Wohl kaum. Die Um-Erziehung von Unwilligen erfordert ziemlich drastische Maßnahmen. Wenn die Schüler nicht jetzt sofort damit anfangen, bestimmte Prinzipien in Frage zu stellen, nämlich die Prinzipien der Alten / Unwilligen, darunter die Eigentumsverhältnisse, die Machtverhältnisse, die Legitimationsverhältnisse von Recht, Gesetz, Ordnung und Gewalt, werden sie in die schon seit einiger Zeit sich tägliche steigernde allgemeine Rücksichtslosigkeit hineingezogen, zu der sie bisher noch einen gewissen Abstand haben mögen, in der sie dann aber, wenn sie darin angekommen sind, sich nur noch durch Selbst-Brutalisierung am Leben erhalten können. Wie alle anderen auch.

Der kommende Staub

     Was kommt, sind permanente Kriegszustände, nicht der dritte Weltkrieg oder ähnliches, sondern globale Bürgerkriege. Die davon ausgelösten Migrationen, Vertreibungen, Fluchtbewegungen werden sich keineswegs darauf beschränken, daß alle Afrikaner nach Europa wollen. Damit wird es anfangen, und hat schon angefangen. Die Europäer werden ebenso irgendwann aus ihren vertrauten Lebensräumen auswandern, wohin auch immer. Auch die US-Amerikaner, die sich, wie die Europäer, vorläufig noch darin gefallen, sich selber als Opfer einer von Außen anstürmenden Horde Eindringlinge darzustellen, gehen in die gleiche Zukunft der sich permanent vertauschenden Täter-Opfer-Rollen. Auf lange Sicht werden sich die Täter durchsetzen, die sich in den Zurschaustellungs-Medien bisher noch als Opfer zur Schau stellen.

     Das bedeutet: der Rassismus wird deutlich zunehmen. Sowohl der Rassismus der noch in der Heimat Verbliebenen gegen die Einwanderer, als auch der Rassismus der bald ihre Heimat Verlassenden, um sich über diejenigen zu überheben, denen man dann irgendwo auf irgendeinem anderem Gebiet die Heimat streitig macht. Oder der Rassismus derer, die das Land, in das sie vor einigen Jahrhunderten als Weiße und Europäer eingewandert sind, seitdem kolonisieren und immer weiter kolonisieren, wobei es jetzt und in Zukunft darum geht, alle Ur-Einwohner, die den Weißen schon immer lästig waren, nun endgültig aus dem Weg zu räumen. Dieser Rassismus betrifft den gesamten amerikanischen Kontinent.

     Auch der weltweit zunehmende Rassismus gehört in die Reihe der seit einiger Zeit bereits sichtbaren Anzeichen der Mentalitätsbrutalisierung, die fast schon automatisch abläuft, und die man durch simple moralische Verurteilung natürlich mitnichten wieder aus der Welt schaffen kann. Auch hier die einzig übbriggebliebene Wahl: entweder mit harten (Gewalt-)Maßnahmen gegen den Rassismus vorgehen oder sich dieser Avantgarde kommender (Gewalt-)Raumforderungen anschließen. Es wird keine Neutralität mehr geben, keine Freistatt, keine Eremitei, kein Ort, der von aller Teilhabe dispensiert. Es wird also auch keine Sieger mehr geben. Wer glaubt, sich aus den Rest-Wahlmöglichkeiten herausnehmen zu können, wird zwischen den unversöhnlichen Positionen zum selben Staub zerrieben wie alle anderen auch, ganz gleich für welche Seite sie sich entschieden haben.

Der schon niedergegangene Staub

     Auch in Kenntnis der grauenhaften Ergebnisse der Politik des 20. Jahrhunderts muß man sagen, zumindest nachdem man alles in die Zukunft Wirkende zusammengezählt hat, daß mehr noch als Politik die Wissenschaften zu den destruktivsten Akteuren auf dem Feld aller menschlichen Betätigungen im 20. Jahrhundert zu zählen sind.

     Man hat die Naturwissenschaften zu zwei Kernspaltungen vorangetrieben, der des Atomkerns und der des Zellkerns. Beides zusammen läuft inzwischen auf die Auflösung der inneren Zusammensetzung des Planeten und zugleich auf die Auflösung der inneren Zusammensetzung allen Lebens auf dem Planeten zu. Diese Höchstleistungen der Naturwissenschaften und der ihnen angeschlossenen Technik sind zugleich Resultate von terroristischer Unwiderruflichkeit, wie es sie in der Menschheitsgeschichte noch niemals zuvor gab, und sie markieren deshalb unübersehbar den Anfang vom Ende ihrer Erforscher- und Entdecker-Spezies. Wir führen einen Kolonialkrieg gegen die Natur, der wir nicht mehr zugehörig sein wollen, und es doch sind. Diese Zwangsemanzipation hat eine brutale, vor allem aber totalitäre Hybris in uns aufgebaut, die wir nicht mehr verstehen und uns deshalb auch nicht mehr erklären können, weshalb wir daran zugrunde gehen werden.

Der erste Bürgerkrieg, wo?

     Europa wird sicher nicht der erste Ort der kommenden, von ökologischen Katastrophen oder Verbrechen ausgelösten Bürgerkriegen sein. Wie es aussieht, hat Brasilien größte Chancen das Rennen in der Sparte Verbrechen zu machen. Der oberste Unfehlbare des Landes hat angekündigt, alle für die ökonomische Ausbeutung relevanten Schutzgebiete, Reservate, Naturparks, Regenwaldregionen etc. zum Abschuß frei zu geben. Das bedeutet den Tod von Tausenden und Zehntausenden, die seit ewigen Zeiten in diesen Gebieten leben. Es bedeutet die Ausrottung der alten Völker Brasiliens. Ein echter Abkömmling einstiger europäischer Kolonisatoren, ein genuiner Rassist also, hat damit keine Probleme. Diese alten Völker haben nicht die geringste Chance, der Gewalt zu entgehen, und wenn sie sich in ihrem Widerstand für Gewaltlosigkeit entscheiden, werden sie noch schneller verschwinden. Vielleicht können sie auch eine Auseinandersetzung mit Waffen nicht überleben. Jedenfalls werden sie nicht umhin kommen, sich mit solchen Fragen und Optionen herumzuschlagen. An dieser Stelle ist jede Moral-Diskussion zum Thema Gewalt oder Nicht-Gewalt selbst unmoralisch, nämlich zynisch.

     Und noch einen Vorschlag hätte ich für eine eklige, professionell für die Massenmedien aufbereitete und daher typisch westliche Moral-Diskussion, nämlich die Frage: Werden die westlichen Zivilisations-Nationen, die sonst so fix bei der Sache sind, irgendwo auf der Welt militärisch mitzumischen, wenn es angeblich darum geht, Demokratie zu erzeugen, Minderheiten zu schützen, die Menschenrechte durchzusetzen, werden also diese sich als moralische Vorbilder der ganzen Welt aufspielenden Westnationen und NATO-Vereinsmitglieder dann in Brasilien mit Truppen einmarschieren und Bomben abwerfen und mit bewaffneten Drohnen gezielt rassistische und faschistische Politiker und Militärs töten?

     Leute, besonders Publizisten, Schriftsteller, Künstler, die sich über die direkte und brutale Zerstörung der Natur zugunsten der Beibehaltung von Wachstum, Bequemlichkeit und Reichtum nur beschweren, betrachte ich inzwischen als hirntote Jammerlappen. Die Zerstörung der Natur bzw. der Totalverbrauch der Natur ist Teil des kapitalistischen Gesamtkonzepts des Lebens. Um diese Zerstörung und dieses Verbrauchen aufzuhalten, muß man den Kapitalismus zerstören, und zwar mit Gewalt, denn anders geht es nicht mehr. Wer diese Gewalt ablehnt und/oder nicht anwendet, nimmt die Gewalt der Gegenseite, die zerstörende und alles aufbrauchende Gewalt der derzeitigen Herrschenden billigend in Kauf, ist folglich selber zerstörend und verbrauchend gewalttätig, nicht trotz sondern gerade wegen der vermeintlich selbstentlastenden Gewaltlosigkeit. Die Zeiten, als man noch einigermaßen willentlich wählen konnte zwischen Gewalt und Gewaltlosigkeit sind vorbei.

     Die Heiligsprechung von Alexander von Humboldt, dem gewissermaßen größten Bewunderer intakter Natur aller Zeiten, läuft auf Hochtouren. Ein untrüglicher Hinweis darauf, daß man inzwischen hart daran arbeitet, sich mit dem Zerstören dieser Intaktheit zu arrangieren. Durch heldenverehrendes Mitmachen in Kombination mit folgenlosem Lamentieren.

Coolness und Realismus

     Betrachtet man das alles ein letztes Mal aus der gerade absterbenden und bald nicht mehr existierenden Perspektive von souveräner Coolness und unabhängigem Realismus, stehen wir entweder vor dem Selbstmord durch eigene Hand oder vor dem Selbstmord durch die von den kommenden Katastrophen aufgezwungenen globalen Bürgerkriege. Das ist die verbliebene freie Wahl, die wir noch haben. Eine Pseudo-Wahl, wie fast alle Wahlen inzwischen.

     Keine schöne Aussicht für trostbedürftige Schüler, denn die wenden sich traditionell allzu bereitwillig der Selbstabschaffung zu, und das ist meistens zu privat und zu weit weg von den Kameras und überhaupt gesellschaftlich viel zu uncool, um außer als stumme Statistik öffentlich was herzumachen, wo doch die Bürgerkriege den viel überzeugenderen Soundtrack-Krach zu bieten haben und das viel attraktivere Bilder-Spektakel liefern, maßgeschneidert für die Blödmaschinen Weltweit-Netz und Weltweit-TV. Was die Berichterstattung der näheren und ferneren Zukunft angeht, werden wir also eher mit dem Krach und dem Spektakel versorgt werden als mit den leisen privaten Abgängen. Eigentlich so wie immer.

     Die Situation der Menschheit ist kein offenes Freiheits-Spiel mehr, wie all die menschenfreundlichen und schönschreibenden Philosophen, Gesellschaftswissenschaftler und sonstigen Hochkultur-Entertainer uns das in den letzten zwei, drei Jahrhunderten überliefert haben, nicht mal mehr eine halboffene Freiheits-Groteske. Die Situation hat sich in eine Zwangslage verwandelt. Eine geschlossene Zwangslage, die wir selbst hergestellt haben. Auch der Künstler-Dichter-Theater-Ausweg in die Clownerie, in die Farce, in die resignative Trauer oder die abgefundene Lakonie ist versperrt. Deshalb könnte man das, was ich hier ausgebreitet habe, für Zynismus halten. Ist es auch. Aber es ist nicht meiner. Man mußals Zerstörer von Hoffnung und als Zertrümmerer von Illusionen auftreten, um die Trostlosigkeit und den Zynismus fernzuhalten. Wie könnte man denn sonst auftreten? Als Hochstapler der anthropologischen Zuversicht? Als Quacksalber der Vererbungslehre vom Ur-Vertrauen in die Welt? Hoffnung beschwichtigt die Zwangslage und ist deshalb feige. Illusion ignoriert die Zwangslage und ist deshalb tödlich. Hoffnungen und Illusionen waren Teil des Spiels, jenes Jahrtausende währenden Spiels, von dem wir nicht wußten, ob wir es uns leisten konnten, das wir uns aber trotz unser Wissensunfähigkeit geleistet haben. Jetzt ist das Spiel aus.

     Wäre ich tatsächlich zynisch, würde ich (wie ein Manifestler) schreiben: Macht endlich Schluß mit euch selbst! Zerstört den Planeten für alle Zeiten, um wenigstens zu verhindern, daß nicht auch noch andere Planeten da draußen im All von diesem Wahn hier infiziert werden. Und macht es gründlich und endgültig, um sicherzustellen, daß nichts mehr überlebt, nicht das winzigste Saatkörnchen, nicht das simpelste Chromosom, nicht die dümmste Amöbe, die dann in irgendwelchen weiteren Jahrmilliarden doch wieder aus dem Eis oder den Ozeanen hervorkriechen und sich an Land breit machen, wo das ganze Elend von vorne losgeht.

     Allein wegen aller anderen Lebewesen auf und in dieser Erde, die bei diesem Schlußmachen endgültig mit uns zusammen draufgehen würden und die nun wirklich nichts für unseren Terror können, schaffe ich es nicht, zum Zyniker zu werden.

Kurz vor Geschäfts-Schluß

     Die Digitalisierung der Welt ist die Komplementär-Katastrophe zur Klima- und Umweltzerstörung, nämlich der neueste und offensichtlich zugleich letzte, weil nicht mehr zu überbietende Antriebsmotor zur Erhaltung des derzeitig weltweit herrschenden Global-Kapitalismus, der alles dafür tut, auch mit aller Gewalt, sich als einzige und alternativlose Lebensweise festzusetzen.

Digitalisierung, das heißt:

     1) Verwandlung der Welt in Algorithmen. Ein Umgang mit den Dingen der Realität, ohne sich auf sie einzulassen. Die Zahlenreihen präsentieren uns die Welt als Objekt, so, als wäre sie für uns ohne Bedeutung, aber sie präsentieren uns die Welt zugleich als Manipulationsmasse, der totalen Verfügung der Rechenmaschine ausgeliefert. Denken reduziert sich folglich auf das Verstehen und Anwenden von Aneignungs- und Anwendungstechniken. Kritische Distanz und daraus abgeleitete abweichende Aktionen sind ausgeschlossen.

     Das analoge Wissen hatte noch ein Gespür für die Undurchdringlichkeit der Welt. Als digitalisierte schaltet sich alle Wissenschaft gleich, es gibt keine sachlichen und keine inhaltlichen Abstufungen mehr im Licht, das auf die einzelnen Fachgebiete fällt. Alles wird der zur Alleinherrschaft erhobenen Idee des Algorithmus unterworfen. Der Algorithmus setzt sämtliche Erkenntnissituationen und sämtliche Überwachungssituationen absolut, so als wäre alles, was jemals war, was jetzt ist, und was demnächst sein wird, nur für diese Art der Behandlung da, nur für diese Art der Bearbeitung bestimmt. Anders gesagt: die beiden absoluten Süchte des Algorithmus, die Konstruktionssucht und die Kontrollsucht, verwandeln die Welt in ein Labor, in dem dann die idealen Bedingungen von vollkommener Gleichgültigkeit und vollkommener Beherrschbarkeit installiert werden.

     2) Die Herrschaft von Ein und Aus, von Ja und Nein, Von Null und Eins. Dazwischen: nichts. Zwischen Ein und Aus: nichts. Zwischen Ja und Nein: nichts. Zwischen Eins und Null: nichts. Dieser Totalitarismus sitzt im Kern der Digital-Technik. Original und Fälschung – oder auch Fakt und Fake – sind nicht mehr zu unterscheiden. Wie könnte es aus einem solchen Kern heraus ein transparentes, aufklärerisches, liberales, befreiendes, offenes Internet geben? Der zahlengesteuerte Kern duldet keinen Widerspruch, keine Abweichung, keine Ambivalenz, deswegen ist der ideologische Nutzen, der sowohl aus der Digitalisierung als auch aus der Digitalität zu extrahieren ist, immer autoritär, immer in sich abgeriegelt, immer herrisch und diktatorisch, mit einem Wort: rechts. Das ist der entscheidende Punkt, in dem sich die digitale und die analoge Lebensweise / Kultur unterscheiden. Wer glaubt, die digitale Technologie sei doch auch nur genauso gebrauchsneutral wie zuvor alle analoge Technik, ist mindestens naiv, wenn nicht schon wahrnehmungsunfähig gegenüber dem zivilisatorischen und geistigen Riß, den die Digitalisierung des Lebens darstellt. Ein Riß im Kontinuum der Geschichte, vor allem der Technik-Geschichte, ein Riß im Kontinuum der Anthropologie.

     Diese naive Vorstellung einer offenen, zweckfreien und passiven Technik, die angeblich nur dann bösartige Wirkungen erzeugt, wenn bösartige Leute sie nutzen, oder angeblich nur in ihrem absichtlichen „Mißbrauch“ gefährlich ist, wird tödliche Folgen haben. Tödlich zunächst (aber nicht nur) für die zurückgebliebenen Friedfertigkeitslinken, für die abgesicherten Gemütsliberalen, für die indolenten Jugendlichkeitssimulanten von 10 bis 40 Jahren, die nicht verstehen, daß alle Digitalisierung in ihrer innersten Funktionsweise auf Konditionierung angelegt ist, also darauf, alle Gegenbewegungen zu eliminieren. Und Widerstand gegen Konditionierung ist sozusagen die Definition alles Menschlichen, das Elixier des Lebens.

     Jener Bereich des Gehirns, Bewußtsein genannt, dem es noch immer gelingt, die Konditionierungen zu durchschauen, zu begreifen und auch abzulehnen, wird durch Zahlenreihen ersetzt, und das Nervensystem geht durch seine permanente digitale Bearbeitung durch nicht mehr abschaltbare Geräte im Netz zuerst auf, dann unter. Jede Distanz ist zerstört und damit auch jede Möglichkeit zur Distanzierung. Daraus folgt: man macht entweder bedingungslos-unterwürfig mit, oder man fliegt unwiderruflich raus.

     Digitalisierung des Alltagslebens heißt nichts anderes als die Etablierung eines Faschismus der Firmen und Konzerne (corporate fascism), der anders aussieht und auch anders funktioniert als der bisher bekannte und fast schon zu Tode analysierte Staats-Faschismus. Im corporate fascism wird jeder durch gesellschaftlichen, psychologischen und existentiellen Druck zum Mitmachen gezwungen und verliert durch seine Integration in die digitalisierten Vernetzung seine Bürgerrechte, die im Netz nichts wert sind bzw. nicht oder nur pro forma gelten. Nach dem Verlust der Rechte bleibt von jedem Bürger nur der Konsument übrig, der Warenkonsument, der Reklamekonsument, der Nachrichtenkonsument, der Kommentarkonsument, der Anleitungskonsument, der Unterhaltungskonsument, der Konsument seiner Diffamierung oder Belobigung, der Konsumet seiner öffentlichen Erhebung oder Erniedrigung, und der bekommt als Ersatz für die Bürgerrechte Konsumentenrechte.

     Natürlich wird es beim corporate fascism nicht bleiben, denn solche Gelegenheit der kompletten Entmündigung und Gängelung seiner Bürger läßt keine Staatsmacht sich entgehen, weder in demokratischen noch in autoritäten Staaten. Nach und nach wird es zur Allianz von Weltkonzernen und Nationalstaaten kommen und danach zur Übernahme der digitalisierten Vernetzung durch die Staaten. Am Ende der Digitalisierung steht nicht nur Entmündigung sondern zugleich Entmenschlichung. Dem allem liegt natürlich eine Sucht nach Erlösung zugrunde. Und Erlösung ist Totalitarismus.

     3) Zerstörung aller Zwischenräume und Abstufungen zwischen Null und Eins, also totale Okupation aller Lebensareale; ohne Rest, ohne Rückzugsgebiete; zum Beispiel auch die Zerstörung der Differenz von Stadt und Land durch Herstellung eines Etwas, das urbane oder urbanisierte Fläche genannt wird und als solche akzeptiert werden soll. Ein zerstückeltes Gelände, eine trostlose Zone, in der sich konturlose, automatisierte, unbegrenzte Großwohnmaschinen abwechseln mit Großproduktionsanlagen, in denen in derselben automatisierten Art und Weise industrialisierte Lebensmittelherstellung betrieben wird. Zerstörung der Gesellschaft durch Umwandlung aller Verkehrsformen in etwas, das ein Netz ist und auch so genannt wird. Das metropolitane Territorium, die einstige Stadt, ist schon heute diese ausweglose Zone, die nur die angepasstesten Soziologen sich noch Stadt zu nennen trauen. Und das digital konstruierte Netz tritt an die Stelle des ökonomischen und kulturellen Beziehungsgeflechts, das vorher Gesellschaft genannt wurde und derzeit durch Digitalisierung, Automatisierung, Mathematisierung umgewandelt wird in ihr eigenes Überbleibsel, das zertrümmerte Restgebilde aller bis dahin offenen aber auch aller undurchsichtigen gesellschaftlichen Beziehungen, die dann durch digitale Technik und Leitungssysteme künstlich wieder miteinander verknüpft werden ohne reale Begegnungen hervorzubringen. Kommunizierende Phantome, die einander als organische Lebenwesen oder als lebendige Organisationen nicht kennen.

     Der gesamte zwischen Digitalismus und Digitalität erzeugte neue Lebensraum wird sich als ausbruchssicheres Netz etablieren. Von Stadt, Land, Gesellschaft keine Rede mehr. Und auch nicht von Bergen, Tälern, Ebenen, Wäldern, Wüsten, Inseln, Ozeanen. Alles wird dem auf Totalität ausgerichteten Verwertungszusammenhang des Global-Kapitalismus unterworfen, zu dessen definitiver Herrschaftssicherung und unausweichlicher Ausbeutungs-Optimierung die Digitalisierung geradezu erfunden werden mußte, gewissermaßen in letzter Minute. Jeder, der versucht, sich diesem System zu widersetzen, wird sofort kriminalisiert und in Ausschluß und Isolation getrieben. Und doch ist genau das die einzige Chance des Widerstands, die man noch hat: der bedingungslose Austritt aus diesem System, die komplette Durchtrennung der Zuleitung, auf der der eigene Name steht.

     4) Mit der Digitalisierung wird Alles zur Fälschung. Niemand kann mehr zwischen Wahrheit und Lüge, Original und Fälschung unterscheiden, was auch im analogen Leben schon immer schwierig war, aber von jetzt an ist es ganz vorbei. Man kann nicht mal mehr zwischen den Lügen unterscheiden, und auch nicht mehr die Fälschungen auseinanderhalten. Der Überblick über all die Lügen und Fälschungen der vergangenen viertausend Jahre ist verloren gegangen. Wozu aus so einem Zustand eine Zukunft machen? Da ist keine mehr. Wir waren schon immer zugleich die Erfinder und die Opfer unserer eigenen Schimären. Wozu das alles weiterbetreiben, wo doch jetzt endlich genau die Technologie erfunden wurde, die das für alle Zeiten festschreibt und jede Rückkehr unmöglich macht? Bisher konnte man noch auf Umkehr hoffen, auf den Tag, an dem die Wahrheit ans Licht kommt. Die Digitalisierung macht damit Schluß. Jeder einmal digitalisiert abgesonderte Unsinn, ist nicht mehr aus der Welt zu schaffen. Jedes einmal digitalisiert hingeschissene falsche Zitat, ist nicht mehr aus der Welt zu schaffen (siehe die neueste Version davon: die Hetze gegen Peter Handke). Jede einmal digitalisiert ausgekotzte Totschlagphantasie ist nicht mehr aus der Welt zu schaffen.

     Von jetzt an braucht man keine Bücherverbrennungen mehr, um neue Reiche mit neuen Schriften und neuen Büchern in Abwesenheit der vorherigen zu legitimieren und zu etablieren, weil man endlich weiß, daß auch die zu verbrennenden schon Fälschungen waren. Die Digitalisierung macht das besser als das Feuer, sie wird alle Bücher, alle Schriften, alle sogenannten Dokumente, alle Texte und überschriebenen Texte vernichten, aber nicht, damit jetzt endlich Wahrheiten und unumstößliche Gewißheiten auf den Tisch kommen, sondern um die alten, vergänglichen, immer wieder umgefälschten und neugefälschten Fälschungen in unendliche, ewige, unumstößliche zu verwandeln.

     5) Abtretung aller Selbständigkeit und Mündigkeit an Zahlenreihen, deren Erstellung und Kontrolle zuerst und eine Zeit lang exklusiv von Konzernen und demnächst auch (oder irgendwann ausschließlich) von Staatsbürokratien beherrscht wird.

     Es ist wie bei der Atomkernspaltung und Zellkernspaltung. Die Wissenschaft macht die Avantgarde, mal als Handlanger der Privatwirtschaft, mal als Handlanger politischer Auftraggeber, und dann werden die Anwendungen und die Folgen der Anwendungen an eine Staatsmacht nach der anderen abgetreten.

     Die Digitalisierung spaltet sozusagen den letzten verbliebenen Kern, den Bewußtseinskern. Die menschliche Denkfähigkeit, die durch nichts erklärbar ist außer durch sich selber, vermag genau deshalb nicht aus ihrem unauflösbaren Grundrätsel herauszutreten. Das Gehirn ist das einzige Organ im Körper, das von sich selber weiß und zugleich von der Existenz aller anderen Organe, während diese nichts wissen, weder von sich selber noch vom über allem thronenden Gehirn, und das Gehirn kann sich nicht selbst begründen, ohne in Tautologien abzugleiten. Deshalb geht die Digitalisierung des Lebens, also die Mathematisierung des Denkens und des Bewußtseins, in dieselbe Richtung wie die beiden früheren Kernspaltungen. Die solche Entwicklungen vorantreibenden gesellschaftlichen Kräfte verstehen allesamt nicht, was sie tun, wollen aber trotzdem die Effekte haben und nutzen. Am Ende der Atomkernspaltung steht das Bombenarsenal, das fähig ist, alles Leben auf dem Planeten zu vernichten, am Ende der Zellkernspaltung steht das zusammengebastelte humanoide Monstrum, das alle Anthropologie und alle Zivilisation auf den Müllhaufen des Universums befördert, und am Ende der Digitalisierung steht der Hirntod, die Transmutation des Gehirns, die Ausschaltung des menschlichen Bewußtseins und Selbstbewußtseins aus allen gesellschaftlich relevanten Handlungen und Prozessen. Daraus wird keine Zukunft mehr zu machen sein. Anders gesagt: alle drei Kernspaltungen kommen zusammen in einer Zukunft, die keine Offenheit mehr kennt, keine Ambivalenz, keine Wahlmöglichkeiten, nur noch die Irreversibilität der finalen Selbstverstümmelung, an deren Ende die Selbstannullierung steht.

     Digitalismus, Digitalisierung, Digitalität sind eine Andere Welt, aber sie sind Teil dieser Welt und zwar genau die Teil-Welt, die kein Teil sein will, sondern die vorhandene übernehmen will, um das Ganze zu werden. Dazu muß jede Konkurrenz ausgeschlossen und vernichtet werden, womit das Ende des Denkens und des Fühlens ebenso besiegelt ist wie das Ende des Körpers, der beide als Bewußtsein und Empfindung beherbergt.

     6) Die digitalen Zahlenreihen sind unsichtbar. Am Ende kommunizieren sie nur noch untereinander und mit sich selber. Ob dann noch Tastaturen und Benutzer angeschlossen oder zwischengeschaltet sind, ist völlig gleichgültig. Die in sich selbst und um sich selbst rotierende unsterbliche Mathematik ersetzt die Philosophie, vor allem den Mensch-Philosophen, der stirbt. Was automatisch mitstirbt, sind die Ingenieure und Konstrukteure und ihr analoges Zeitalter. Die Wissenschaft wird komplett mathematisiert, und da die Wissenschaft in den avancierten Gesellschaften – das sind bisher noch vorwiegend die westlichen – am weitesten getrieben wird, so weit inzwischen, daß sie jetzt bereits automatisch läuft und nicht mehr gestoppt werden kann (außer in einem ungewollten Absturz in die Katastrophe), stehen diese westlichen Gesellschaften kurz vor ihrer totalen Mathematisierung, oder anders ausgedrückt: kurz vor ihrer Abschaffung, die so aussehen wird, daß von dem, was wir bisher unter Gesellschaft verstanden haben, nur noch das elektronisch-digitale Leitungssystem übrigbleiben wird: das Netz.

     Interessant in dem Zusammenhang ist China, wo die Mathematisierung, also die allumfassende Digitalmaschine, auf eine in großen Teilen noch rückständig lebende und unordentlich vor sich hin wuselnde Menschenordnung trifft. Die Unterschiede zwischen den gesellschaftlichen Bereichen und auch Landesteilen, in denen diese Digitalmaschinerie noch weitgehend abwesend ist, und den Bereichen, in denen sie schon ihre volle Funktionsmacht ausübt, sind sehr groß, deshalb kann man in und an China den inhärenten Totalitarismus der automatisierten Mathematik eher leicht erkennen, während der Westen es bisher schafft, das vor sich selber zu verschleiern. Zum Beispiel dadurch, daß man in der westlichen Hemisphäre behauptet, der Totalitarismus der Digitalisierung sei eine Sache des guten oder bösen Willens, und wegen der Gutwilligkeit der westlichen Gesellschaften und Gesellschaftsordnungen, werde in diesem Teil der Welt die Digitalisierung natürlich nicht ins Totaliäre einsteigen, während wegen der Böswilligkeit des chinesischen Systems dort natürlich nur alles Schlechte der Digital-Technologie sich durchsetzt. Dieser Blödsinn wird ausnahmslos von allen westlichen Massenmedien geglaubt und verbreitet, inzwischen allerdings mit ganz langsam einsetzendem Zweifel. Die Überzeugungskraft der Propaganda bröckelt, und die Offenlegung der tatsächlichen inneren Gesetzmäßigkeit der Digitalisierung wird nicht mehr lange hinaus zu zögern sein.

Macht ohne Zeit und ohne Konkurrenz

     Die Welt mit fanatischer Indolenz als Algorithmus darzustellen ist ein Akt der Inbesitznahme, hinter dem ein absoluter Machtanspruch steht: die Herrschaft über die Welt erlangen durch die Herstellung der Verfügungsgewalt über ihre Bewohner. Wem gehört das WeltWeiteWeb? Wem gehören die wenigen Server, in denen alle Leitungen zusammenlaufen / enden. Auf diese Fragen findet man nirgendwo eine genaue Antwort. Was nicht verwundert, denn die Kontrolle der Vernetzung garantiert automatisch die Gängelung der Vernetzten. Da zum Einfangen der gesamten Weltbevölkerung die Einzufangenden ununterbrochen mit Demokratie-Argumenten und Freiheits-Behauptungen geködert werden, können die Besitzer und Verfüger es sich leisten, jegliche Information über Besitz- und Verfügungsverhältnisse einfach weg zu lassen.

     Man kann aber auch weit davon entfernt argumentieren, in einem durchaus heikleren Bereich. Sich als konkurrenzlose Macht über die Welt etablieren – und das ist das Ziel der Mathematisierung der Welt – hat damit zu tun, daß es diese Weltmacht ja schon gibt. Wir, die Menschen, haben alle Verfügungsgewalt und alle Vollmacht über alle anderen Lebewesen dieses Planeten, über alles organischen Leben und zugleich über das unorganische an uns gerissen. Wir haben also schon Erfahrung mit Weltmacht, was fehlt, ist einzig die Dauer, verbunden mit der Garantie, diese Weltmacht an niemand anderen jemals wieder abgeben zu müssen. Die einzige Möglichkeit, solche Überlegenheit unantastbar und zeitlos zu machen, besteht darin, auch die bisherige Zeit, das, was wir historische Zeit nennen, aus der Zeit herauszunehmen, also alle kommende Zeit zeitlos bzw. zeitfrei zu machen. Genau das leisten die Zahlrenreihen. Sie eliminieren die Zeit aus der Geschichte der Menschheit. Und das wiederum korrespondiert mit dem derzeitigen Vorgehen des menschlichen Denkens, das sich dazu bringt, sich selbst in eine Maschine zu verpflanzen. Man muß die eigene Intelligenz, das eigene Bewußtsein, das eigene Denken hassen und verachten, um seine Mathematisierung und Maschinisierung zu betreiben. Wenn man das alles dann endlich losgeworden ist an die Maschine, ist man auch sich selber losgeworden. Das Fortschreiten von Analog zu Digital, also von Kernspaltung und Zellkernspaltung zu Künstlicher Intelligenz, ist das Fortschreiten von der vorläufigen Selbstannullierung zur definitiven, von der Selbst-Entgrenzung zur Selbst-Ersetzung. Wenn die AI-/KI-Maschine demnächst existiert, entfällt für uns die Notwendigkeit, uns weiterhin für Menschen zu halten. Das ist ein Aufhören, ein Beenden, aus dem es keine Rückkehr mehr gibt. Dieser Totalitarismus, der Totalitarismus der digitalen Maschine, ist nicht mehr zu überbieten. Das Virtuelle beerbt das Reale, die Wirklichkeit verwandelt sich in Unwirklichkeit, und weil kein Totalitarismus bewohnbar ist, wird auch die Unwirklichkeit zum unbewohnbaren Terrain. Man kann dafür nicht leben, nur lügen und töten, am Ende also dafür sterben. Das Triumphieren, das der Maschine möglich ist, ist nicht unser Triumphieren. Seit tausenden von Jahren mußten und müssen wir das Verlieren lernen, um leben und überleben zu können. Im Imperium der Rechenmaschinen aber gibt es kein Scheitern und Verlieren; dieses Imperium ist für uns unbewohnbar, unlebbar. Möglicherweise ist das der Grund, weshalb wir so zielstrebig und zugleich unbelehrbar an unserer Selbstannullierung arbeiten.

     Seit den ersten Philosophen, also seit gerade mal 2500 Jahren – gemessen an der Großzeit des Universums ein Minimalmoment – haben wir so wenig Denkvermögen in unsere Hirnschale eingelagert, daß es zu mehr nicht reicht als den für uns geeigneten Lebensort gründlich kaputt zu machen. Wir haben es vergeigt. Die Kombination aus Rationalismus und Irrationalismus – das dürfte das Problem aller Probleme sein. Vielleicht könnte ein vollkommen rationales Lebewesen überleben. Vielleicht auch ein komplett irrationales. Niemand kann das wissen. Aber die Interferenz des Rationalen mit dem Irrationalen im selben Lebewesen, ist offenbar ein Irrweg, eine Fehlkonstruktion. Und diese Fehlkonstruktion hat den ganzen Planeten im Griff,  der im gerade laufenden Selbstzerstörungswahn einer einzigen Spezies gleich mit draufgeht. Da hilft es auch nicht, wenn einige Wenige aus dieser Spezies ernsthaft und hin und wieder auch mal zornig zu Bedenken geben, daß alles andere Leben auf dem Planeten unsere faschistische Allmacht über Leben und Tod nicht verdient hat.

     Auf dem Weg in die Selbstauslöschung sind wir allemal. Man kann es sich leicht machen und sich in ein Leben des zu kleinen Splittern zerhackten Glücks in Symbiose mit großangelegter Sorglosigkeit hineinlügen und jedesmal, wenns darauf ankommt, die Augen vor der Wahrheit verschließen. Oder: man weist die von der ins Totalitäre abstürzenden Gesellschaft erzeugte Nötigung zurück, das bisher erlangte bißchen Selbstachtung, fallen zu lassen und entscheidet sich dafür, daran festzuhalten. Wenn schon untergehen, dann wenigstens ohne Selbstbetrug.

     Wenn schon zugrunde gehen, dann lieber am Unmöglichen als am Schäbigen.

Ausfälle

     Der Unterschied zwischen der analogen und der digitalisierten Welt ist leicht zu erkennen. Seltsamerweise, besser: bezeichnenderweise, wird davon nie und nirgendwo geredet. Es ist der Unterschied zwischen handhabbarer Unvollkommenheit und unanfechtbarar Vollkommenheit. Hinter aller digitaler KI- und Maschinenfunktionalität steckt der totalitäre Zwang zur Perfektion. In der analogen Hand- und Kopfarbeit, in den Manufakturen und in den Schulen / Universitäten gibt es das nicht. Man weiß um die Imperfektion, die Fehler und die Mängel, und man weiß sich zu helfen, wenn Probleme akut auftreten. Und man weiß auch: es kann manchmal passieren, daß ein Unglück passiert, weil man sich nicht zu helfen wußte. In der digitalen Welt wird solches Unvorhersehbarkeitspotential kategorisch ausgeschlossen, was zur Folge hat, daß die dann doch auftretenden Unglücke sich ins Unbegrenzte auswachsen und derart gigantische Dimensionen annehmen, wie sie zuvor gar nicht möglich waren. Genau das steht uns bevor. Totalausfälle von Verwaltungen, Krankenhäusern, Produktionsanlagen, Verkehrslenkungssystemen, Energieerzeugungen und -verteilungen, Waffentechniken. Solche Wahrscheinlichkeiten enthalten unmittelbare Todesdrohungen, die offenbar schon niemand mehr zu erspüren geschweige denn zu erkennen vermag. Auch nicht die kommende Generation, die heutigen Schüler.

Digital = Imperial

     Wir leben in Zeiten eines imperialen Konservatismus, der seine Machtansprüche unter Ausnutzung des hohen Niveaus an allgemeiner Dummheit mit volksnaher Phrasendrescherei begleitet, sie aber vorbei an allen mäßigenden demokratischen Hürden etabliert. Und Digitalisierung ist das beste Installierungs-Werkzeug, das der immer schwelende Totalitarismus je zu seinem Nutzen erfinden konnte. Deshalb hat auch längst eine Konkurrenz der verschiedenen Nutznießer eingesetzt.

     Das Finanzamt will die Digitalisierung, weil damit die Kontrolle und Beherrschung der Steuerzahler zu höchster Effizienz getrieben wird, natürlich nur die der vertrottelten Bürger, die seit Jahrzehnten brav und immer mehr Steuern zahlen. Auf die internationalen Konzerne, die keine Steuern zahlen, wenden die Finanzämter ihre Kontroll- und Beherrschungsgier noch nicht an, weil ihnen gegen deren technischen Vorsprung die Mittel fehlen. Wenn sie diesen Vorsprung eingeholt haben, werden auch die Konzerne der staatlichen Finanzkontrolle unterworfen. Sogar die Kritiker der Schwäche der verschiedenen nationalen Steuersysteme gegenüber den globalen Konzernen, treten unwillkürlich als Verfechter dieser Macht- und Kontroll-Optimierung zugunsten des Staates auf, was nicht ihre Sache sein sollte und natürlich nur bezeugt, daß man innerhalb der Systeme, und am allerwenigsten innerhalb des Digitalisierungsnetzes, nicht mehr weiter kommt, mit keiner noch so radikalen Kritik.

     Die Geheimdienste wollen die Digitalisierung, weil damit ihre Überwachungs-, Kontroll- und Verfolgungsmaßnahmen extrem vereinfacht und gleichzeitig vervielfacht werden, und sie werden alle Gesetzesänderungen durchsetzen, die zur Beschaffung der dafür relevanten Daten nötig sind. Alle Staatsbehörden wollen die Digitalisierung, weil dadurch ihr Macht- und Gängelungs- und Verfügungspotential so stark gesteigert werden kann wie nie zuvor. China zeigt dem Westen gerade, wie man das perfekt organisiert, und der Westen wird sich auf diese von China vorgezogene Spur setzen und ein guter Schüler und Nachmacher sein. Wobei schon China selber nichts anderes getan hat, als die von den Konzernen des Westens zögerlich vorgegebenen Machbarkeiten zu erkennen und sie sofort anschließend zu beschleunigen, da man schneller bereit war, die Zögerlichkeit abzulegen.

     Allein diese Grunddisposition der Digitalisierung – Bespitzelungsmaschine, Überwachungsmaschine, Befehligungsmaschine – bedeutet, daßdie Digitalisierung des Planeten garantiert nichts zur Verbesserung der Welt beizutragen hat, sondern ausschließlich die Zerstörung alles Gesellschaftlichen und alles Ökologischen vorantreiben wird.

Ein Kriegsbündnis

     Das Internet als Desinformations- und Manipulationstechnik, als Zwangs- und Herrschaftswerkzeug, als Kontroll- und Überwachungsmaschine zu benutzen, setzt Menschenverachtung voraus, und die ist nun mal im rechten Spektrum beheimatet. Außerdem braucht man sehr viel Geld, wenn man Hack-Angriffe auf was oder wen auch immer starten und durchziehen will, oder anders ausgedrückt, wenn man die Digitalisierung des Alltagslebens als Waffe gegen eben dieses Alltagsleben einsetzen will. Und dieses Kriegsbündnis aus Menschenverachtung und Geld heißt nichts anderes als: Es gibt kein linkes oder liberales oder aufklärerisches Netz. Deshalb, unter anderem, führt die Social-Media-Kultur, die gesellschaftlich und psychologisch eine Terror-Kultur ist, bei allen totalitären Mentalitäten zu Euphorie und Aufbruchstimmung, bei allen anderen langfristig zu Passivität und Lethargie.

     Jede digitale Maschine läßt nur zwei Verfahrensweisen mit sich zu: entweder einschalten oder ausschalten. Da die Kinder es nicht ertragen, diese Maschine auszuschalten und ausgeschaltet zu lassen, sind sie längst mittendrin in der Zerstörung des Denkens, das diese Maschine betreibt. Allein schon an dem unerbittlichen Furor, mit der die Erzeugung von Künstlicher Intelligenz vorangetrieben und propagiert wird, kann man erkennen, daß das oberste Ziel der Digitalität nichts anderes sein kann als die natürliche Intelligenz, das analoge und das dialektische Denken zu zerstören, denn das ist die Voraussetzung für die Ermächtigung der Künstlichen Intelligenz. Und wer das Denken zerstört, beteiligt sich automatisch an der Zerstörung des Planeten. Die Digitalität trägt nicht zur Rettung des Planeten bei sondern zu dessen Vernichtung.

     Wer in der Digital-Welt mitmacht, gibt seine Zukunft preis. Digitalisierung ist sowohl das Ende von Vergangenheit als auch das Ende von Zukunft. Geduldet wird nur zersplitterte, ewige Gegenwart, die Partikularität und Ichbezogenheit des Momentanen und Immergleichen. Der Durchschnitt und die Austauschbarkeit. Das Ergebnis ist Verschleiß.

Annullierung

     Es gab schon immer Weltuntergangsphantasien. Aber die heutigen Überlegungen sind in einem entscheidenden Punkt weit entfernt von allem, was zuvor zusammenphantasiert wurde. Die früheren an die Wand gemalten Weltenden waren entweder religiöser oder ideologischer Natur. Es gab einen Gott, den man mit seiner ultimativen Drohung hat auftreten lassen, oder es gab irgendwelche weltlichen Angstmacher, die sich von ihrem Auftreten perönliche Vorteile erhofften und diese auch in der Regel erzielt haben. Das ist alles passé, wenn auch noch nicht verschwunden. Heute geht es um ein Szenario, das es zuvor nie gegeben hat und auch nie geben konnte, den existentiellen, den biologischen, den planetarischen Untergang. Es ist etwas anderes, ob Teilgruppen der Gesellschaft gegen religiöse / ideologische / politische / ökonomische Gebote / Verbote verstoßen und daraufhin von allen möglichen bereitstehenden Bütteln fertiggemacht werden, oder ob die Gesamtgesellschaft die eigenen physischen Lebensgrundlagen zerstört, jenseits aller Ideologien. Wer die brutale Staatsmacht kennt, die immer dann auftritt, wenn religiöse, ideologische, politische, ökonomische Konkurrenzen gegeneinander antreten, weiß, daß es an dieser Stelle keine Lernprozesse gibt, nur Machterhaltungen oder Machtverschiebungen. Wer dagegen zu begreifen versucht, was es heißt, den eigenen Lebensraum zu zerstören, die eigenen Lebensgrundlagen restlos aufzuzehren, was es also existentiell bedeutet, dem eigenen Tun und Lassen und dessen Folgen offensichtlich vollkommen denkunfähig und versteinert gegenüberzustehen, muß eben doch darauf setzen oder zumindest hoffen, daß es zumindest jenen einen Lernprozeß noch gibt, den des Übergangs von der Ignoranz zur Selbstaufklärung, des Übergangs vom Nicht-wissen-was man tut zum Wissen-was-man-tut.

     Die Schüler und die übers Schulalter schon hinausgewachsenen Jugendlichen können gar nicht mehr anders, als ihr Leben aufs Spiel zu setzen. So oder so. Ob sie wollen oder nicht. Sie riskieren ihr Leben, wenn sie nichts tun, und sie riskieren ihr Leben wenn sie sich ins Tun einmischen, was beim derzeitigen Stand der Dinge ohne Gewalt nicht mehr geht. Sie müssen sich, wohl oder übel, vom Opfer-Status, dem ach-so-beliebten in der westlichen Welt, verabschieden. Weder im Umfeld der Zerstörung des Planeten noch im Umfeld der Zerstörung des Denkens gibt es ausgenommene Personen, und auch keine Ausnahme-Orte, zu denen man sich zurückziehen könnte, um zur Ausnahme-Person zu werden. In der Digital-Welt gibt es nur Täter, Mit-Täter und Mit-Läufer. Sich dem zu widersetzen, indem man das Mitmachen in dieser Digital-Welt verweigert, wird so schwer wie noch nie etwas, was Schüler und Jugendliche bisher zu bewältigen hatten. Jede Generation bewundert und propagiert die Technik und Technologie, mit denen zusammen sie aufwächst und dann erwachsen wird. Sich davon distanzieren zu müssen, heißt auch, sich von einem Teil seiner selbst zu distanzieren. In und mit der Digitalisierung wird die mögliche andere Zukunft zerstört, nicht nur die physische sondern auch die geistige, und diese zuerst, und nicht durch irgendwelche Luft-, Land- und Meer-Verseuchung sondern durch äußerst raffinierte Kampagnen einer handvoll Konzerne (demnächst Staaten), die mit Algorithmen die finale Verblödung und Entmündigung der gerade erwachsen werdenden Technik-Mitmach-Generation bewerkstelligen und für immer zementieren. An den inhaltlich unglaublich dummen (naiv wäre hier ein zu nettes Wort) Auftritten der Internet-Abhängigen gegen die EU-Urheberrechtsreform kann man die Erfolge der Kampagnen schon ablesen. Die Meisterleistungen der Internet-Monopole, alle abzuzocken und alle zu manipulieren, die in den Fangnetzen angemeldet sind und fleißig die Geschäftsinteressen derer bedienen, die sich parasitär an der geleisteten Arbeit anderer bereichern, also das, was Lawrence Ferlinghetti vor kurzem als „herzlichen Zynismus“ bezeichnet hat, wollen die Mitmachenden, die angeblich so kritische und widerstandsfreudige Schuljugend, nicht sehen und nicht wahrhaben. Damit betreiben sie ihre eigene Annullierung.

     WIR ALLE sind dabei, unseren Planeten zu ruinieren, und damit auch uns selbst, das ist definitiv und bisher ohne Ausweg. Keiner kann beiseite treten. Keiner wird entkommen. Kein Junger und kein Alter. WIR ALLE zusammen sitzen in der Falle zwischen dem Silicon Valley der Westküste und der Wall Street der Ostküste, zwischen der fixen Idee der Erlösung von allem Übel durch die erlösende Technik und der fixen Idee von ewigem Wachstum und ewigem Reichtum durch die in alle Ewigkeit sich fortsetzende Plünderung des Planeten. (Wobei einem klar sein sollte, daß die Digital-Technik das totalitäre System ist, nicht die Geld-Macht, die es zwar weit gebracht hat in den vergangenen 100 Jahren, bisher aber noch nie geschafft hat, die Total-Kontrolle der Welt an sich zu reißen; daß also Silicon Valley darauf aus ist, die Wall Street zu übernehmen, nicht umgekehrt. In der bisherigen Menschheitsgeschichte hat immer das Geld die Technik gekapert. Wie alles andere sich unter dem Diktat der Digitalisierung bereits umgedreht hat, wird auch diese Regel sich ins Gegenteil verkehren. Die Digital-Technik übernimmt das Geld. Es hat schon angefangen. Aber das ist ein anderes Thema.)

     Wir haben uns mit unserer Lebensweise einen Gehirntumor in den Kopf gepflanzt, den wir nicht wieder loswerden, und all unsere Gegenmaßnahmen sind lächerlich, denn als Therapie gegen den Tumor haben wir nichts weiter aufzubieten als die Verabreichung von Kopfschmerztabletten.

Licht aus

     Mit selbstgemalten, in die Massenmedienkameras gehaltenen Schildchen wehrt man sich nicht. Niemand nimmt das ernst, insbesondere die nicht, gegen deren Brutalitäten man protestiert. Der Irrelevanz der heutigen Weltpolitik kann man nicht entgegentreten mit der Irrelevanz von völlig abgenutzten Bekenntnistraditionen und Demonstrationsgepflogenheiten. Wenn es ums Überleben geht, und darum geht es inzwischen, mußman anders denken und anders handeln, und das muß man lernen. Für gewissermaßen noch im Privaten und Persönlichen feststeckende Anfänger auf dem Gebiet der richtigen Einschätzung des eigenen Standorts und der eigenen Überlebenschancen empfehle ich als Anschauungsmaterial und Lehrstoff Shakespeare und die Island Sagas. Wenn es dann etwas später um die Schulung in den Fächern Widerstand, Aufruhr und Gewalt geht, kommen andere Autoren zu Wort, die hier schon zu nennen, verfrüht wäre.

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     Die Alten werden die Sache nicht mehr richten, das dürfte nach einem halben Jahrhundert Nichtstun klar sein. Aufgrund welcher Sachlage die jetzt antretende 10%-Teil-Jugend glaubt, sie habe es selbst in der Hand, ihre Vernichtung abzuwenden, konnte ich nicht herausfinden. Es handelt sich um eine Minderheit, und Minderheiten werden in Gesellschaften, die den Pluralismus zur einer Religion gemacht haben, zu Spinnern und Sonderlingen gestempelt. Sie kriegen ihre Reservate zugewiesen, die ungefähr die Größe und Bedeutung von Rumpelkammern haben, und weil sie ja selbst ebenfalls dem Pluralismus huldigen, machen sie es sich darin gemütlich.

     Die jetzige Schülergeneration, wie jede vor ihr, wird sich teilen in Angepasste und Unangepasste. Unterwürfige, die sich, zum vermeintlich eigenen Nutzen, in die allgemeingesellschaftliche Dummheit und Ignoranz einfügen; Widerständige, deren wachsame Intelligenz eine solche Lebensführung und Selbstverleugnung nicht zulässt. Bisher waren die Angepassten und Unterwürfigen, die ihrerseits geteilt sind in selbstsichere und mild verunsicherte, immer in der uneinholbaren Mehrzahl, was einer der Gründe ist, weshalb es nicht nur ohne große Verzögerungen auf den Ruin zugeht, sondern auch ohne wirkliche Gegenwehr. Angepasste wollen keine radikalen Lösungen von Problemen, meistens sind sie ohnehin unfähig oder unwillig, Probleme überhaupt zu erkennen. Und weil das so ist, sind sie auch vollkommen unfähig zu erkennen, wann der Zeitpunkt erreicht ist, da keine anderen als radikale Lösungen mehr möglich sind. Deshalb sind die Angepassten immer die, von denen niemals was anderes kommt als Gejammer. Wenn man diesen Tonfall hört, weiß man, daß man Schwätzer und Nichtstuer vor sich hat. Die Beklommenheitsäußerungen der schon ein bißchen Verunsicherten unterscheiden sich lediglich in der Lautstärke, das Nichtstun geben auch sie nicht auf. Daß sie sich bloß selber anjammern, begreifen sie nicht und werden sie niemals begreifen, das geht über ihre Denkfähigkeit hinaus. Auch ist es leider so, daß die meisten der mehr oder weniger laut lamentierenden Jugendlichen jeder Epoche genau zu den Erwachsenen werden, die sich ein paar Jahre später am schnellsten und am nachhaltigsten in den herrschenden Schwachsinn einfügen.

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     Und nicht zu unterschätzen: die spezielle Behandlung existentieller Auseinandersetzungen durch die Massenmedien. Es wird immer in pro & contra gedacht und schwadroniert. Das hält man für Ausgewogenheit, natürlich bei völliger Unterschlagung der tatsächlichen Machtverhältnisse zwischen den gegeneinander stehenden Positionen. Irgendwer macht aus jedem Medien-Thema einen Beruf, und eben darum geht es, ums Mitverdienen, nicht ums Thema. Ich erinnere an einen besonders typischen Artikel in der FAZ, vom Mittwoch, 5. September 2007, Seite 35 (Titel: Der Untergangsterror / Untertitel: Wie die Wissenschaft die Klimadebatte missbraucht), ein Artikel, der stellvertretend für tausende dieser Art sehr klar veranschaulicht, daß sich in den medialen Auseinandersetzungen immer nur die schmierigsten Selbstdarsteller gegenüberstehen, die sich dann gegenseitig bezichtigen, dem Narzißmus und der Egomanie verfallen zu sein. Das Widerlichste daran: sie allesamt sind genau das, was sie sich gegenseitig vorwerfen zu sein – und das Thema geht dabei unter.

     Letzte Zwischenbemerkung: Es war lange ein lustiger Zeitvertreib, die Lebenserwartungen, die Träume und Zukunftsvorstellungen der Leute, besonders der Jugendlichen, mit der Realität abzugleichen. Jetzt macht es keinen Spaß mehr, das Widerwärtige hat sich durchgesetzt. Was auf der ernsthaften Seite einst eher treuherziger sozialpsychologischer Kitsch war, hat sich inzwischen in Hybris verwandelt; was auf der Gegenseite mit Hang zum Irrationalismus auftrat, ist unbelehrbar geworden und reklamiert Unfehlbarkeit für sich. Und die Dummheit, die immer schon zur Herrschsucht tendierte, dominiert seit einiger Zeit tatsächlich, gibt sich damit aber nicht zufrieden und verlangt von ihren Anhängern, angebetet zu werden – und wird angebetet.

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     Aber, wer weiß, vielleicht kehren sich die Mehrheitsverhältnissse in der jetzt antretenden Generation ja um. Vielleicht ist der generelle Eindruck von Lethargie und Dummheit, der von den im Moment ungleich deutlicher sichtbaren 10% Unangepassten gerade ein bißchen zu Seite geschoben wird, ja doch nur mein letzter falscher Blick auf die Dinge, der demnächst gründlich korrigiert wird, wenn die Beteiligten tatsächlich ihren ganz unerwarteten und ganz eigenen Zugang finden in den kaum noch für möglich gehaltenen Aus- und Aufbruch. Vielleicht kündigen sie nun endlich den für sie inzwischen auf Auslöschung hinauslaufenden alten Gesellschaftsvertrag und setzen einen neuen auf. Wir werden es sehen. Wer auch immer dieses Wir dann sein wird, ich werde nicht mehr dabei sein und es nicht mehr sehen, denn ich gehöre zu den demnächst Abtretenden.

Die sich selbst fressende Zukunft

     Es gibt kein Menschenrecht auf Zukunft, es gibt kein Menschenrecht auf bessere Zukunft, und es gibt auch kein Menschenrecht auf Beistand oder Hilfe von höheren Instanzen für irgend etwas Zukünftiges. Man muß sich die Zukunft selber erstreiten, erkämpfen, und für eine bessere Zukunft als die zur Zeit erkennbare muß man noch besser streiten und noch härter kämpfen, und man muß die höheren Instanzen, die einem schaden, durch solche ersetzen, die einem nützen, wodurch sie dann aber auch keine höheren mehr sind. Notfalls mit Gewalt. Natürlich gibt es auch kein Recht auf Gewalt. Rechte muß man sich herausnehmen, aneignen.

     Es hieß mal: „Vor Gott sind alle Menschen gleich.“ Das hat lange gehalten, sich schließlich aber als Propaganda-Unsinn herausgestellt. Dann hieß es: „Vor dem Gesetz sind alle gleich.“ Das hat schon nicht mehr so lange gehalten, weil es fast von Anfang an als Propaganda-Unsinn durschaut wurde. Demnächst wird es heißen: „Vor dem Zusammenbruch des Planeten und seiner Natur sind alle gleich.“ Aber auch das ist noch immer derselbe Propaganda-Unsinn, denn die Ungleichheiten der jetzigen Machtverhältnisse werden sich selbstverständlich in die Katastrophenzeit hinein verlängern. Den Luxus des Überlebens werden die okkupieren, denen schon immer aller Luxus zur Verfügung stand. Nur, daß das, was in der Katastrophenzeit dann Luxus sein wird, erheblich tiefer gehängt ist als der heutige Luxus, nämlich noch tiefer als das, was heute als völlig banale Normalität gilt: einigermaßen bezahlbare und genießbare Lebensmittel und Getränke. Es gibt schon einen nicht unintelligenden Spielfilm, der davon handelt: Soylent Green. Der kam vor fast 50 Jahren heraus.

Geschwätz …

     Das Geschwätz der Einsichtigen, die nichts tun, und das Geschwätz der Uneinsichtigen, die selbstverständlich erst recht nichts tun, bilden einen unzertrennlichen Gesamtzusammenhang, der seit Jahrzehnten nichts anderes erzeugt als fatalen Stillstand, also tägliche Verschlechterung der Situation durch Zeitverschwendung. Man kann auch sagen: das gesamte globale Geschwätz zur Klimakatastrophe und das gesamte globale Nichtstun gehen Hand in Hand. Es gibt keine ernsthaften Versuche, unseren derzeitigen Umgang mit dem Planeten zu beenden. Denn jetzt, wo die Zeit ausläuft, wird jede Analyse und jede Kritik, die nicht in sofort effektive Maßnahmen umgesetzt werden, zur bloßen Jammerlappen- und Selbstmitleids-Litanei. Effektive Maßnahmen sind nirgendwo zu erkennen. Am ekligsten, übrigens, sind die Weltkongresse, die sich angeblich der Zerstörung des Planeten widmen und dazu großtönende Mahnungen in die Nachrichtenredaktionen auskippen. Ein wirksames Gegensteuern setzt eine Instanz voraus, die das Zertrümmern der Zerstörungsmaschinerie nicht nur vorantreiben will sondern auch können muß. Eine solche Instanz gibt es nicht. Es gibt nicht mal eine, die es will, aber nicht kann. Es gibt einfach überhaupt keine zuständige Instanz. Schon daran kann man erkennen, daß diese Kongresse reines Showbusiness sind.

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     Wir behandeln die uns umgebende Natur und den ganzen Planeten wie man früher Kolonien behandelt hat. Wir beuten aus und treiben Raubbau, was das Zeug hält, ohne Rücksicht auf Verluste, und lehnen es zugleich strikt ab, für unser weit und immer weiter in die Zukunft eingreifendes Handeln Verantwortung zu tragen, also haftbar zu sein. Auch dies – die vollkommene Abwesenheit von Vorsicht und Voraussicht  –ist eine Parallele zum alten Kolonialismus. Damals ging man von zwei unterschiedlichen Zivilisationen aus, der hochentwickelten des Kolonisators und der rückständigen des Kolonisierten. Die Gewinne strich die hochentwickelte ein, mit den Verlusten mußte die rückständige leben, und diese Aufteilung von Vor- und Nachteilen, von Plus und Minus, von Gegenwart und Zukunft wurde mit der üblichen rassistischen Selbstüberhebung begründet, die jeder kennt, der davon Kenntnis haben will. Daraus ist inzwischen ein Rassismus der menschlichen Spezies gegen alle Pflanzen und alle Tiere geworden, ein Rassismus, dessen Roheit und Niedrigkeit bereits heute zu einer nicht mehr rückgängig zu machenden Artenvernichtung von unvorstellbaren Auswirkungen geführt hat. Und es geht immer weiter.

     Aber heute betrifft dieses kolonialistische Verhalten uns selber; es ist unsere Zivilisation, es ist unsere Kultur, es ist unser Verbrauch der Zukunft, also sind es auch unsere Verluste. Und diese werden erneut von den Gewinnen getrennt, nur daß die Kolonisatoren heute die Älteren sind, und die Kolonisierten sind alle Nachkommenden, die schon Geborenen wie die noch Ungeborenen. Anders gesagt: wir fressen, saufen und konsumieren den Planeten aus Überheblichkeit leer und lassen die kommenden Generationen die Zeche dafür bezahlen.

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     Eine (nie gehaltene) Rede vom Anfang der 50er Jahre mit dem Titel „Über den Kolonialismus“ läßt Aimé Césaire mit diesen drei Feststellungen beginnen:

1) »Eine Zivilisation, die unfähig ist, die Probleme zu lösen, die ihr Funktionieren hervorruft, ist eine dekadente Zivilisation.«

2) »Eine Zivilisation, die vor ihren entscheidenden Problemen die Augen verschließt, ist eine kranke Zivilisation.«

3) »Eine Zivilisation, die ihre eigenen Prinzipien mit Selbstbetrug unterläuft, ist eine sterbende Zivilisation.«

     Eine solche Zivilisation, eine solche globale Gesellschaft erzeugt in ihren Bürgern, in allen, die an ihr teilhaben, einen Zustand der Ratlosigkeit und zugleich Schamlosigkeit, der sich allmählich in Panik verwandelt, eine Panik, die man benennen könnte mit: Ahnung der finalen Irrelevanz des Individuums mit seinen persönlichen Angelegenheiten. Wem es gelingt, das in ein Bewußtsein seiner selbst zu heben, dem wird vielleicht doch noch dämmern, was einer solchen Zvilisation an Gewalt bevorsteht, was Hans Jonas schon 1992 als kommenden »Absturz in eine neue Primitivisierung« bezeichnet hat, um dann zu präzisieren: »Massenelend, Massensterben und Massenmord«. Wer das verhindern will, mußlernen, gegen sich selber zu denken und gegen sich selber zu handeln. Niemand wird mit diesen Fähigkeiten geboren, und nirgendwo auf dem Planeten gibt es Lehrer und Schulen dafür.

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     Die völlig verkorkste Selbsterhaltungs-Politik des Globus – Verkehrspolitik, Landwirtschaftspolitik, Energiepolitik – ist nur noch mit extremsten Gewaltaktionen zu ändern und zu verbessern. Es müßten hundertausende, wenn nicht Millionen Köpfe rollen – Unternehmer, Manager, Politiker, Polizisten, Großkonsumenten und sonstige Rücksichtslose – alle, die gravierende, nicht mehr zu korrigierende Fehler machen bzw. Verbrechen gegen den Lebensraum und die Lebensgrundlagen auf diesem Planeten begehen und auf dem Weitermachen beharren, und alle, die diese Fehler und Verbrechen und das Weitermachen decken. Es ist klar, daß diese Revolution nicht stattfinden wird. Damit ist aber auch klar, daß die Katastrophe unaufhaltbar geworden ist. Wir schaffen es nicht – in einer Revolution gegen uns selber – Millionen Kriminelle, Ignoraten, Marodeure und Zyniker zu entwaffnen, ihnen die Macht und die Werkzeuge zu zertrümmern, um den Planeten weiterhin bewohnbar zu halten. Dagegen – der Planet wird es in seiner Revolution gegen uns schaffen, Millionen, wenn nicht Milliarden, zu beseitigen, wenn seine gesamte Lebensbasis und Lebensfähigkeit kippt.

… und Gestank

     Wir sitzen in einem Käfig. So ist seit Anbeginn, und es ist nie anders gewesen oder geworden. Eine besonders angenehme Einsicht in unsere Grundsituation ist das nicht, aber es dürfte inzwischen unbestreitbar sein. Ein Käfig, den man pfleglich und mit Voraussicht behandeln muß, damit er nicht über uns oder unter uns zusammenbricht. Vom Anfang unserer Zeit an haben wir alles dafür getan, uns von dem beklemmenden Gefühl des Gefangenseins zu befreien: mit Arbeit, mit Denken, mit Feiern, mit Imagination, mit Philosophie, mit Kunst, mit Krieg, mit Religion, mit Wissenschaft und was sonst noch. Einige von uns, und es sind nicht wenige, haben sogar Wege gefunden, sich in Verrücktheit zu retten, wenn sie all das Scheitern und Versagen bei klarem Verstand nicht mehr aushalten konnten. Man kann sagen, wir haben die Gitterstäbe unseres Käfigs immer gesehen und zugleich, metaphorisch gesprochen, an ihnen gerüttelt; in jeder Art, die wir uns über die Zeitalter hinweg selbst beigebracht haben, dasselbe nochmal: Arbeit, Denken, Feiern, Imagination, Philosophie, Kunst, Krieg, Religion, Wissenschaft undsoweiter. Und damit haben wir uns über die Jahrtausende hinweg sogar eine zwar nicht besonders stabile, doch auch nicht ganz ungerechtfertigte Selbstachtung erworben. Aber seit und mit dem gerade vergangenen Jahrhundert haben wir aufgehört, unsere Grundsituation und unser Gefängnis zu sehen und haben stattdessen ein neues Zeitalter der Ahnungslosigkeit gestartet. Und nicht nur das: es genügt uns nicht, keine Ahnung zu haben von dem, was wir tun, wir leugnen obendrein unsere frisch angeeignete Ahnungslosigkeit. Die Zerstörung des Planeten zerstört unausweichlich auch unsere Selbstachtung. Wir rütteln nicht mehr an unserem Käfig, wir scheißen ihn voll. Und inzwischen winseln wir uns gegenseitig an, weil der Gestank unerträglich geworden ist.

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Anhang

     In den Anders-Zitaten geht es zum Tschernobyl, um Reagan, um die Atom-Lobby. Man lasse sich von den Namen nicht ablenken. Die thematischen Bezüge kommen aus der Zeit, in der Anders gelebt hat und aktiv war, aber was er sagt, reicht weit über das Atom-Problem hinaus. Für den Ausdruck „atomare Katastrophe“ oder „atomare Drohung“ kann man, ohne seine Denkweise oder die Zeit-Zusammenhänge zu verfälschen, heute „Umwelt-Katastrophe“ oder „Klima-Zerstörung“ einsetzen. Anders war sich der akuten Umweltzerstörung durchaus bewußt, also auch der zunehmenden Unumkehrbarkeit der faktischen Eingriffe der Menschheit in die natürlichen Gegebenheiten des Planeten. Nur war für ihn zu seiner Zeit das Atom-Problem (Hiroshima – Tschernobyl – Kernenergie – Atomstaat) weitaus virulenter als das der Zerstörung des Planeten durch Erderwärmung und Ressourcenverbrauch. Dieser Zerstörungsprozeß ist uns inzwischen in einem ungleich größere Ausmaß und auf drastische Art und Weise bewußt geworden. Auch wenn einem klar ist, daß die nach wie vor auf dem Planeten lastende atomare Drohung sich keineswegs erledigt hat, und das ist mir vollkommen klar, hat sich, zumindest öffentlich, die Thematik etwas verschoben, jedoch nicht die Dringlichkeit, die aus Anders’ Worten spricht.

     Worum es ihm geht, könnte man so zusammenfassen: Wir haben seit und mit dem 20. Jahrhundert einen Zustand in unserer Produktivität und unseren Technologien erreicht, aus dem es kein Zurück mehr gibt. Wir können dem Planeten ein Ende bereiten, und wir sind bereits dabei, das zu tun, obwohl wir zugleich wissen können, daß wir, wenn wir so weitermachen wie in den vergangenen 100 Jahren, genau damit das tatsächliche Ende nicht nur zu einem unabwendbaren machen sondern obendrein noch beschleunigen. Aus beidem, unseren Herstellungs-Fähigkeiten wie den Technik-Fähigkeiten, gibt es schon heute kein Entrinnen mehr. Einmal erlernt, sind solche Fähigkeiten nicht wieder verlernbar. Wir können uns nur noch bremsen, mäßigen, beschränken in unserem Tun, um den völligen Verbrauch des Planeten hinauszuzögern. Aber wir können unsere globalen, das gesamte Leben auf der Erde betreffende Zerstörungs-Fähigkeiten niemals wieder aus der Welt schaffen, noch können wir die schon jetzt wirkenden Folgen unseres Tuns je wieder rückgängig machen. Die konkrete Befähigung, den Planeten zu ruinieren, die unsere Vorfahren jahrtausendelang nicht hatten, haben erst wir. Jetzt vielleicht in der dritten oder vierten Generation. Das ist nicht nur ein Riß im Kontinuum unserer Geschichte, der Menschheits-Geschichte, sondern zugleich ein Riß im Kontinuum der Erdgeschichte, der Naturgeschichte. Es gibt keinen Weg zurück in die Welt vor diesem Wissen und Können, als es uns, als Spezies, zwar auch schon möglich war, Massenmorde zu begehen und ganze Landstriche zu verkrüppeln, aber eben nicht möglich war, den gesamten Planeten – Land und Meer und Luft – in eine so katastrophale Entwicklung hineinzumanövrieren, daß sein Ende als Lebensraum absehbar geworden ist.

     Das ganze unten genannte Buch ist wichtig, auch wenn viele Diskussionsteilnehmer darin fauliges Geschwätz absondern, weil sie sich entschieden haben, mehr an ihrem öffentlichen Image zu arbeiten als an ihrem Denken oder ihrer Courage. Es gibt auch unverstellte Stimmen. So ist als Zurückweisung der gesellschaftlich eingeübten Anpassung und Uneinsichtigkeit besonders der Beitrag von Jürgen Dahl hervorzuheben, aus dem schon völlige Klarheit über den tatsächlichen Zustand der Welt spricht. Diese Sätze wurden vor mehr als 30 Jahren geschrieben, es ist alles wörtlich da – Klimakatastrophe, Artentod, Vergiftung. Sogar das entscheidende Wort ist schon zu finden, das die gesamte Situation am treffendsten benennt: Selbstbetrug. Es erscheint im Zusammenhang mit den allseits bekannten und beliebten „kleinen Verbesserungen“, die sich inzwischen längst als eine Mixtur aus Feigheit und Wahn erwiesen haben.

     Jeder, der sich nicht selber willentlich daran hindert, kann erkennen, daß sich nichts verbessert hat, weder im Kleinen noch im Großen, weder im Halben noch im Ganzen. Nur die Galgenfrist ist noch nicht ganz verbraucht, das Immerweniger ist noch nicht an seinem Endpunkt, dem Nichtsmehr, angekommen. Im Unterschied dazu hat sich der Selbstbetrug deutlich vermehrt; das ist die Stelle in unserer Welt- und Selbstwahrnehmung, von der aus am nachhaltigsten das entschiedene Handeln verhindert wird. Jürgen Dahl wußte das und schreibt:

     »Was also können wir denn hoffen, in einem ganz irdischen und nüchternen Sinne? Was können wir hoffen angesichts einer atomaren Bedrohung durch Reaktoren und Raketen, einer wohl unausweichlichen Klimakatastrophe, eines weltweiten Artentodes, einer globalen Vergiftungswelle, die immer noch weiter anschwillt, und einer Großtechnik, die immer noch beteuert, es werde alles besser, wenn man sie nur noch ein bißchen größer werden ließe.

     Der heilige Zorn packt uns, wenn wir sehen, wie wenig es da zu hoffen gibt, und wie es immer weniger wird, weil Industrie und Politik und Kommerz und Egoismus sich immer tiefer verstrickt haben in Abhängigkeiten und Zwänge, aus denen nur immer wieder neue Verwüstung erwächst, die aber auch nicht ohne Lebensgefahren aufzulösen sind. (…)

     Also gälte es, eine neue Organisationsform für den Großbetrieb Welt zu entwerfen, und in die Tat umzusetzen? Aber was immer wir durch unsere Aktivitäten in dieser Richtung bewirken können, nimmt sich, am Ganzen gemessen, lächerlich aus, so spektakulär es zuweilen den direkt Beteiligten erscheinen mag. Auf die dereinstige Addition der kleinen Verbesserungen zu hoffen, ist Selbstbetrug, solange die tägliche Zerstörung weitergeht, und stets um Größenordnungen über dem äußerst denkbaren Volumen dessen liegt, was mit den verfügbaren Mitteln gerettet werden kann. Der Versuch, die Welt durch Glasrecycling zu retten, hat bestenfalls einen begrenzten didaktischen Wert, schlimmestenfalls verschafft es denen, die den Müll produzieren, wieder einen Aufschub. Und so weiter.

     Die vernünftigsten Argumente werden in den Wind geschlagen, die einleuchtendsten Vorschläge abgetan, die flehentlichsten Bitten abgewiesen, und wo dann endlich verzweifelter Zorn hochkocht, erscheint die Polizei und gibt allein durch ihr Vorhandensein bekannt, daß die höheren Ortes für richtig gehaltenen Lebensformen offenbar nur mit Hilfe von Pistolen und Wasserwerfern durchgesetzt werden können  und durchgesetzt werden sollen. Verwüstung und Vergiftung nehmen ihren Lauf, die Katastrophen auch, sie folgen einander, wenn nicht alles täuscht, in immer kürzeren Abständen. Wo die nächste stattfindet und welche Folgen sie hat, wissen wir nicht.«

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     Wenn ich das heute wiederlese, denke ich: alle, die sich damals für Gewaltlosigkeit entschieden haben, sind Selbstbetrüger bereits gewesen oder haben sich diese besondere Form der Anpassung bzw. Abstumpfung in jenen Jahren für die Zukunft antrainiert, eine Zukunft, die inzwischen eingetreten ist, und von der aus rückblickend ein anderes Bild erscheint. Von heute aus gesehen sind all die friedfertigen Warnrufe, Mahnungen, Demonstrationen, Argumentationen, Expertenrunden, Wissenschaftskonferenzen, Politikergipfeltreffen nichts anderes gewesen als relevante Beiträge zur Verschlimmerung der Situation.

     Ich weise seit 40 Jahren auf Günther Anders hin und werde damit nicht aufhören. Schon gar nicht jetzt, mittendrin im finalen Getöse. Es gibt keinen Philosophen und keinen Intellektuellen, der die im 20. Jahrhundert erzeugten Endzeit-Probleme schneller und besser verstanden und gründlicher bearbeitet hat als er, und es ist unumgänglich, diese einzigartige Pionierarbeit und Genauigkeit ins eigene Denken und Handeln zu integrieren. Man lese, was er geschrieben hat. Angefangen von der „Antiquiertheit des Menschen“, deren erster Band bereits 1956 erschienen ist, „Der Blick von Mond (1970) und „Endzeit und Zeitende“ (1972), dann der zweite Band der „Antiquiertheit (1980), bis hin zu den „Ketzereien“ (1982), daran anschließend „Die molussische Katakombe“ (1992) und den aus dem Nachlaß herausgegebenen Briefwechsel mit Hannah Arendt (2016), mit der er von 1929 bis 1937 verheiratet war. Man lese alles, was man in die Finger und vor Augen kriegen kann. Wer ernsthaft an dem hier in der Überschrift aufgemachten Thema interessiert ist – die Selbstabschaffung der Menschheit – kommt an Günther Anders nicht vorbei. Oder so gesagt: wird unausweichlich früher oder später auf seine Schriften stoßen, auch ohne meine Hinweise.

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     Andererseits: was heißt schon ernsthaft? Ich kenne noch sehr gut die Atmosphäre der 60er und 70er Jahre, sogar die der 50er, für die ich zwar zu jung war, um sie mitzuerleben, die sich aber ausgedehnt hat bis in die 6oer und 70er Jahre hinein, für die ich nicht zu jung war. Es war eine Atmosphäre des Ausstiegs aus dem selbstgerechten Kontinuum der Normalität bei gleichzeitigem Einstieg in alle möglichen und unmöglichen Alternativen, darunter auch solche von atavistischer Klobigkeit; eine Atmosphäre des Verlangens nach einem Leben in Realitätshunger und Wissensdurst bei gleichzeitiger Indifferenz gegen die herrschende Realität und ihr obstruktives Wissen. Ein Leben in auswählender und kritischer Neugier, von der wir diffus wußten, daß sie sich, nervös und leicht beeindruckbar wie sie im unkritischen und ungeschulten Normalzustand ist, von jedem Fieber und jedem Firlefanz anlocken läßt, was aber trotz dieses Wissens und der daraus gezogenen Selbstbewußtheit nicht immer zu vermeiden war. Alle Wege und Irrwege führten heraus aus den betonierten Klarheiten und hinein in die glänzend ausgedrückten und autonom vorgetragenen Unklarheiten.

     Gleichgültigkeit und Interesselosigkeit sind gute Begleiter, allerdings nur in einem eigenständigen Leben, das sich weigert, Befehle entgegen zu nehmen und zugleich weigert, Befehle zu geben. Wir hatten das Glück, doch immerhin einige (wenn auch viel zu wenige) Politiker in Amt und Würden zu sehen, die noch nicht als Entwerter ihres eigenen Berufes auftraten. Deshalb konnten diese Gleichgültigkeit und Interesselosigkeit es sich leisten, als Spiel aufzutreten, als wiederkehrendes Spiel, um das Reale aus dem selbstgefälligen Gleichgewicht zu bringen. Wenn man sich jedoch den geistigen Zuschnitt des politischen Personals anschaut, das heute die mächtigsten und gewalttätigsten Teile der Welt repräsentiert, kann man nicht mal mehr fatalistisch sagen: besser wird es garantiert nicht mehr, sondern nur noch: rette sich, wer kann. Allein die Schreckensgestalten, die heute das zerbröselnde Europa zu Tode verwalten, allen voran das arrogante Personal in Deutschland, Frankreich, Italien, Polen, Ungarn – und England natürlich weiterhin europäisch mitgemeint – mit einem selbstzerstörerischen US-Amerika zur Seite – unterstützt, befeuert und in die Enge getrieben von der ferngesteuerten Digitalisierung der Mentalitäten – allein dieser Anblick treibt einem jegliche Zuversicht für alle bevorstehende Zukunft aus. Und für alle noch gar nicht erkennbaren sonstigen Zukünfte gleich mit.

     Auch die Wissenschaften – man traut sich kaum, es den Nachwachsenden zu sagen – sind schon lange nicht mehr auf der Seite der Zukunft, schon gar nicht auf der Seite derer, denen diese Zukunft bevorsteht. Alle Wissenschaft hat ihren Urgrund von jeher bis ins 20. Jahrhundert in einer einzigen Gewißheit: daß wir die Welt schlecht kennen. Diese Kenntnisse zu verbessern war der Antrieb, die Wissenschaften, alle, voran zu bringen, und genau das hat sich in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts völlig verloren und schließlich ins Gegenteil verkehrt. Aus dem Bewußtsein der Unzulänglichkeit sind in kürzester Zeit Allmachtsphantasien geworden. Man glaubt, Alles zu wissen, Alles zu können, Alles unter Kontrolle zu haben, und deshalb nimmt man sich das Recht, in Alles einzugreifen: Genetik, Gehirne, Stoffe, Kräfte, Atome, Moleküle, Elemente undsoweiter. Seit einem halben Jahrhundert sind die Wissenschaften, namentlich die Naturwissenschaften, derart von der Erstklassigkeit und Unübertrefflichkeit ihres Wissens, ihres Könnens, ihrer Nützlichkeit und ihrer Heilswirkungen überzeugt, daß man – als deren passive Zuschauer und zukünftige Opfer – nur noch einen Wunsch hat: das eigene Lebensende möge schneller kommen, als das von den Wissenschaften in Gang gesetzte Weltende. Aber dieser Wunsch steht den Schülern und Jugendlichen nicht offen. Jedenfalls sieht es sehr danach aus.

     Die hier beschriebenen vitalen damaligen Positionen und Haltungen meiner Generation sind heute nicht mehr aufrecht zu halten. Ich gehe davon aus, daß die (und nicht nur meine) aktuellen Vorstellungen von Jugendlichkeit mit denen jener Zeiten nicht mehr in Übereinstimmung gebracht werden können. Trotzdem mußte gesagt werden, was hier gesagt wurde. Es muß immer gesagt werden, was gesagt werden muß. Was unausgesprochen liegen bleibt, verfault und verwest schon vor seiner Zeit.

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Günther Anders — Gewalt / Ja oder Nein / Eine notwendige Diskussion. Herausgegeben von Manfred Bissinger. München: Knaur Verlag, 1987. Taschenbuch / Originalausgabe

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Aus dem Gespräch zwischen Manfred Bissinger und Günther Anders — „Von Notstand und Notwehr“:

Bissinger: ». . . was aber sollen wir noch tun, um uns Gehör zu verschaffen?«

Anders: »Also, ich will erst einmal  und das mag Sie vielleicht erschrecken oder auch nicht  gestehen: Obwohl ich sehr häufig als ein Pazifist angesehen werde, bin ich inzwischen zu der Überzeugung gekommen, daß mit Gewaltlosigkeit nichts mehr zu erreichen ist. Verzicht auf Tun reicht nicht als Tun.«

Bissinger: »Das ist eine neue Überzeugung?«

Anders: »Es ist seit Tschernobyl deutlicher geworden. Ich bin gerade dabei, ein Buch zu schreiben, das heißt „Notstand und Notwehr“. Wir sind  das kann wohl niemand bestreiten  wirklich in einem Zustand, der juristisch als „Notstand“ bezeichnet werden kann. Nein, muß. Millionen von Menschen, alles Leben auf der Erde, das heißt also auch das künftige Leben, sind tödlich bedroht. Nicht von Leuten, die direkt die Menschen umzubringen wünschen, sondern die das Risiko in Kauf nehmen; und die nur technisch und faktisch denken können . . .

Bissinger: ». . . oder eben ökonomisch . . .«

Anders: ». . . natürlich. Okonomisch und geschäftlich. Wir sind also in einem Zustand, der, juristisch gesehen, ein „Notstand“ ist. Von allen Gesetzbüchern, selbst vom kanonischen Recht, ist Gewalt im Zustand des Notstandes nicht nur erlaubt, sondern empfohlen. ( … ) Es ist nicht möglich, durch liebevolle Methoden, wie das Überreichen von Vergißmeinnichtsträußchen, die von Polizisten gar nicht in Empfang genommen werden können, weil sie ja ihre Schlagstöcke in der Hand halten, effizienten Widerstand zu leisten. Ebenso unzulänglich, nein: sinnlos, ist es, für den atomaren Frieden zu fasten. Das erzeugt nur im Fastenden selbst einen Effekt, nämlich Hunger, und vielleicht das gute Gewissen, etwas „getan“ zu haben. Den Reagan und die Atom-Lobby interessiert das aber gar nicht, ob wir ein Schinkenbrot mehr oder weniger essen. Das sind alles wirklich nur „Happenings“. Unsere heutigen, angeblich politischen Aktionen ähneln diesen Schein-Aktionen, die in den sechziger Jahren aufkamen, wirklich auf erschreckendste. Auch die schillerten schon (oder noch) zwischen Schein und Sein. Die diese durchführten, glaubten zwar, die Grenze des Nur-Theoretischen überschritten zu haben, aber sie blieben doch „actores“ nur im Sinne von „Schauspielern“. Sie spielten nur Theater. Und zwar aus Angst vor dem Wirklichhandeln. In Wirklichkeit lösten sie keinen Schuß, sondern nur einen Schock aus. Sogar einen, der genossen werden sollte. Theater und Gewaltlosigkeit sind eng verwandt.«

Bissinger: »Sie Plädieren für Gewalt, Herr Anders, können Sie präzisieren, was Sie damit meinen?«

Anders: »O ja! Das könnte ich wohl, werde es aber nicht ausführlich tun, weil Sie dann mit Ihrer Veröffentlichung in Schwierigkeiten geraten könnten. Jedenfalls halte ich es für erforderlich, daß wir diejenigen, die die Macht innehaben und uns (ein millionenfaches „Uns“) bedrohen, einschüchtern. Da wird uns nichts anderes übrig bleiben, als zurückzudrohen und diejenigen Politiker, die gewissenlos die Katastrophe in Kauf nehmen oder direkt vorbereiten, ineffektiv zu machen. Schon die bloße Androhung könnte vielleicht und hoffentlich eine Einschüchterung zur Folge haben.«

[ S. 23 / 24 ]

Bissinger: »Sie sagen, nach Tschernobyl gebe es eine neue Qualität von Widerstand. Was sollen die machen, die schlicht Angst haben?«

Anders: »Das Problem der Angst ist sehr schwierig. Die meisten Leute haben Angst vor der Angst. Und halten für gefährlich nur die bewußten Angstmacher wie mich. Und was die schon halb Einsichtigen betrifft  wenn die dann zu Tausenden zusammenkommen, vergessen sie, daß sie zusammenkommen, um zusammen Angst zu haben und etwas gegen das Ängstigende zu tun. Denn sobald hunderttausend zusammen sind, wird automatisch ein lustiges Volksfest daraus. Dann gibt es Würschtl, Tschernobyl mit Würschtl. Und dann kommen die Gitarren. Und wo die anfangen, da fängt auch der emotionale Schwachsinn an. Denn die meisten Gitarrenspieler bedienen sich nur dreier Akkorde, die jeden Hörenden oder Mitsingenden so trivialisieren, daß sie nicht mehr fähig sind, das Ungeheure, das sie zusammengetrieben hat, wirklich zu spüren.«

[ S. 27-28]

Bissinger: »Was sagen Sie zu der These, man dürfe den Menschen die Hoffnung nicht nehmen.«

Anders: »Ich glaube, Hoffnung ist nur ein anderes Wort für Feigheit. Was ist überhaupt Hoffnung? Ist es der Glaube, daß es besser werden kann? Oder der Wille, daß es besser werden soll? Noch niemals hat jemand eine Analyse des Hoffens durchgeführt. Auch Bloch nicht. Nein, Hoffnung hat man nicht zu machen, Hoffnung hat man zu verhindern. Denn durch Hoffnung wird niemand agieren. Jeder Hoffende überläßt das Besserwerden einer anderen Instanz.«

[ S. 32 ]

     Und damit es nicht mit dem nichtswürdigen Mitsingen und der wertlosen Besserhoffnung aufhört, rate ich noch zum ebensowenig klärenden oder gar hilfreichen Nachlesen der beiden Kapitel Das Geheimnis und Die Ratlosigkeit in: Henri Lefebvre und Catherine Régulier  Die Revolution ist auch nicht mehr, was sie mal war / München: Hanser Verlag 1979 (falls zur Hand). Wer die Apokalypse an die Wand malt, hat nicht mehr die Wahl zwischen Sprechen oder Verstummen. Das Sprechen erledigt sich von selber, aber die Ratlosigkeit macht dann doch wieder gesprächig.

© 2019, Felix Hofmann

Als es sie gab, hat Felix Hofmann für die Zeitschrift Filmkritik gearbeitet und sich im Sommer als Zimmermann Geld verdient, das erlaubte ihm zum Beispiel die Freiheit einer Biographie von Peter Lorre: „Portrait des Schauspielers auf der Flucht„.
Zusammen mit Ingrid Mylo hat er das „100-Tagebuch. Documenta (13)“ geschrieben, tatsächlich einhundert Tage lang jeden Tag auf dieser Kunstausstellung. CulturMag-Besprechung hier.
Sein Essay über die Unfehlbarkeit erschien bei uns im Oktober 2018.

Hinweis der Redaktion auf jemand, der etwas tut: 
GOBUGSGO – SET NATURE FREE‘ ist eine Non-Profit-Organisation (NGO) die versucht LEBENSRAUM für Insekten, Vögel und wilde Tiere zurückzugewinnen. Die institution wurde im Dezember 2018 vom Künstler/Filmmacher Edgar Honetschläger, dem Ökonomen David Wöss und der Kunsthistorikerin Henny Ulm mit Hilfe der Rechtsanwälte von DLA PIPER, sowie Biologen und Ökologen ins Leben gerufen.

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