Geschrieben am 3. Juli 2024 von für CrimeMag Juli 2024

Sebastian Knauer zum Debut von Bea De Olivera

»Tod auf Mallorca« – Urlaubslektüre zum  Mitdenken

Ein Actionkrimi, der für den Strand zu schade ist. Die Hamburger Autorin Bea De Olivera (alias Bea Schreiner) entwickelt in ihrem Krimi-Debüt „Tod auf Mallorca“ einen rasanten Plot um eine raffiniert getötete Yoga-Lehrerin auf der Mittelmeerinsel. Weitere Opfer stehen offenbar auf der Todesliste einer militant gewordenen Umweltbewegung, die sich gegen die weitere Verschandelung der Insel durch Baulöwen, Finca-Financiers oder Spekulanten wehren will. Die deutsche Ermittlerin Aimée Sander kennt die Insel seit zwanzig Jahren – und auch die Geheimnisse der geschäftstüchtigen Familien dort. Auch ihre minderjährige Tochter Josephine unterstützt die Öko-Bewegung und tauscht angeblich einen gestohlenen echten Andy Warhol gegen die Rettung des Regenwaldes in Südamerika ein. Endlich mal eine Ermittlerin mit Herz, Hirn, Humor und wenn es drauf ankommt auch einer harten Hand.

Das ist alles andere als ein „Strandkrimi“ für die kommenden Wochen auf der Ferieninsel Mallorca, wie der Verlag Piper den Krimi untertitelt. Es ist ein Buch mit einem fein ausgedachten, auch komplizierten Plot und aus einem tiefem Verständnis, was in liebenden Müttern, spanischen Polizisten, profitgeilen Hotelbesitzern oder Halbwüchsigen so vorgeht. Strandlektüre? Bewahre. Keine Perlen vor die Säue. Der ursprüngliche Titel „Mörderische Träume“, der nun als Begleittitel fungiert, hätte mir besser gefallen (im Untertitel hätte man ja auch irgendwas mit „mallorquinisch“ unterbringen können, um lesende Touristen anzusprechen). Die Covergestaltung erinnert eher an ein Plakat aus der Stummfilmzeit als an einen blitzmodernen, feministisch unterlegten Krimi mit einer raffiniert-atemlosen Jagd nach dem Killer.

Da empfehle ich doch als Strandlektüre lieber Sebastian Fitzek, dort ist es völlig egal, auf welcher Seite man einsteigt und wieder schnell aussteigt, da es auf jeder Seite gleich schlecht geschrieben ist und sich die Handlung, gerichtsmedizinisch top kuratiert, vor allem von grausamer Tötungsart zu grausamer Tötungsart hangelt. So etwas ist vor allem offenbar attraktiv für Mütter und junge Frauen, wie man bei den Lesungen des Bestsellerautors beobachten kann. Eine Klientel, die sonst nur beim Sonntagsfrühstück („Heute bring ich ihn aber wirklich um“) literarischen Ehegattenmord begeht und statt zu morden gerne Fünf-Minuten-Eier enthauptet.

Was für eine Erholung mit Bea De Olivera im allgemeinen Krimi-Getümmel, eine fitte, klarsichtige, mitfühlende und trotzdem professionell eiskalte Ermittlerin namens Aimée als Hauptfigur zu haben, für die das Gehirn unter dem Motorradhelm genauso wichtig ist wie die Geschwindigkeit eines prallen Lebens – zwischen den harten Einsätzen bei der Bundeswehr im afrikanischen Mali, der Affäre mit einem Polizisten und den zwischenmenschlichen Abgründen deutsch-mallorquinischer Sippschaften. Dabei immer die Ernsthaftigkeit und Verantwortung des Handelns im Auge behaltend, die ein eigenes Kind mit sich bringt. Und die minderjährige Tochter Josephine schenkt ihrer Mutter im gewissen Alter auch nichts. Die Ermittlerin, und vermutlich auch die Autorin Bea De Olivera, alias Bea Schreiner, hat einen positiv-anarchistisch-aufmüpfigen Charakter, der sie vieles im Leben sehen und verantwortungsvoll ausprobieren ließ. Und wenn sie als Trägerin des schwarzen Gürtels bei Festnamen von Kriminellen, die an Minderjährige Drogen verhökern, mal etwas härter hinlangt und die Verdächtigen erstmal in die Klinik zur Erstversorgung müssen statt zu Polizeiwache, zeigt das von einer klaren Haltung zu den Aufgaben der Sicherheitsbehörden. Zero tolerance, wenn es um Kinder geht.

Ob Männer, Geliebte, spätere Freunde, One-Night-Stands oder verschwiegene Siestas unter frisch bezogenen Hotel-Laken, Aimée Sander ist kein Kind von Traurigkeit. Muss ja kein Champagner sein, ein Angebot, das man eigentlich nie ablehnen sollte, wie Aimée sagt, und es trotzdem mit einem eisgekühlten Cava Rosé durchgehen lässt.

Auch die kulinarischen Seiten Mallorcas kommen hier nicht zu kurz, seien es die legendären Ensaimadas, die einem in der Pasteleria die Sinne im Inneren der Mundhöhle explodieren lassen oder die schmackhaften Piementos in Aimées Lieblingstapas-Bar „Josie’s“ im Herzen von Palmas Altstadt.

Wer denkt, dass unsere Heldin mit dem Auto auf der Insel herumschaukelt, irrt. Aimées ganzer Stolz ist ihr geliebtes altes Triumph-Motorrad. Nicht immer, aber auf geeigneten Strecken liebend gerne fährt sie mit dem Tempoanzeiger an der roten Warnlinie und genießt das kurz vor dem Abheben wunderbare Gefühl der ganzen kontrollierten Freiheit, die einen eine solche Rakete mit Druck auf den Brustkorb glücklich spüren lasst.

Aimée Sander ist eine Ermittlerin, die bestimme Basissachen strikt ablehnt, wie beispielsweise die Einstellung eines Ermittlungsauftrags ohne Abschlussbesprechung oder die Annahme von Bestechungsgaben in jeder Form. Außerdem kann sie dem Kaffeetrinken aus einem Pappbecher und das auch noch im Gehen rein gar nichts abgewinnen – warum wurden denn auch Kaffeehäuser gebaut? Coffee to sit und nicht to go. (Der Rezensent ist da parteiisch, da er aus einer Konditoren-Familie stammt und nach wie vor gebrühten Filterkaffe aus Porzellantassen schätzt.)

Im Mallorca-Crime gehts dagegen schonungslos zu Sache. Da ist die ebenfalls neuerdings freiheitsliebende Tochter bereit, einen originalen Andy Warhol aus dem häuslichen Vermögen insgeheim für den Freikauf eines inhaftierten Umweltkumpels und der Rettung des Regenwaldes in Kolumbien zu versilbern. Eine Generation, die wenigstens Ziele hat. Ob hinter dem rätselhaften Tod der äußerst attraktiven Yoga-Trainerin Nima Roth eines Mallorca Wellness-Ressorts tatsächlich die regionale Umweltbewegung steckt, die der anhaltenden Verschandelung der Insel Grenzen setzen will, weiß der Rezensent auch noch nicht. Jedenfalls kommt ein durch den Unfall seiner Frau traumatisierter seltsamer Besucher als potenziell Tatverdächtiger in Betracht. Sein Ziel ist, Menschen, denen es gut geht, zu Leibe zu rücken, auch sie sollen erfahren wie sich Leid und Tod anfühlen. Er scheint reif für die Klapsmühle und nicht für die Insel zu sein. Jedenfalls ein weiterer möglicher Kandidat für die Fall-Aufklärung.

Bea De Oliveiras 340-Seiten Krimi mag man gar nicht zu Ende lesen: nicht, weil das Buch langweilig wäre, sondern im Gegenteil, weil man sich selbst (noch) nicht die Spannung des Finales kaputt machen will. Also bitte selber lesen!

De Olivera ist eine der Autorinnen, die möglicherweise starke und sexy Frauen wie Angelina Jolie als Laura Croft oder die US-Schauspielern Sean Young, die in dem legendären Zukunftsthriller „Blade Runner“ eine aus dem All entsandte Replikantin spielte, zum Vorbild hat. Nachdem sich auf der Leinwand die Replikantin in den auf sie angesetzten, von Harrison Ford gespielten Cop verliebt, und er sich auch offenbar in sie, will das Roboter-humane Wesen von ihm lernen, wie man weint. Um nur wenig später als mordende Schwester nach einem Aufsitzsalto mit dem Druck ihrer Unterschenkel Männer in L.A. auszuknipsen. Es muss schon einen Grund haben, warum Bea De Olivera sich bei den schreibenden „Mörderischen Schwestern“ ehrenamtlich engagiert.

Liebe Autorin Bea De Olivera, alias Bea Schreiner – bitte weiterschreiben!

Sebastian Knauer

Bea De Olivera: Tod auf Mallorca. Piper Verlag, München 2024. 344 Seiten, Broschur, 18 Euro.

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