Geschrieben am 1. Juni 2024 von für Crimemag, CrimeMag Juni 2024, Musikmag

Eric Goulden »The Wreckless Eric Manual«

„The Whole Wide World“

Zur Neuausgabe der Autobiografie des unverwechselbaren  Wreckless Eric – von Joachim Feldmann

Im Herbst 1976 gab der 22-jährige College-Absolvent Eric Goulden eine Kassette mit selbstgeschriebenen Songs im Büro der neuen Plattenfirma  Stiff Records ab. Die hatte gerade ihre erste, von der Musikpresse viel beachtete, Single (Nick Lowe „In the Heart of the City“) herausgebracht. Der Anruf kam einen Tag später. Am Apparat war einer der zwei Label-Gründer, der legendäre Jake Riviera,  höchstpersönlich. Ob er mal vorbeikommen könne, denn man wolle eine Platte mit ihm produzieren.  Goulden, der kurz zuvor seinen Job in einer Limonadenfabrik an den Nagel gehängt hatte, konnte sein Glück kaum fassen. 1977 erschien die Single„(I’d go) the Whole Wide World“, wurde zum Hit und für Wreckless Eric, so sein Künstlername, begann eine Karriere, die bis heute andauert. Wunder geschehen. Oder auch nicht.

Denn diese so schön klingende Geschichte stimmt leider nur zum Teil. Die Musik-Kassette, auf der sich vorher Eric Claptons „Rainbow Concert“ befunden hatte, gab es wirklich, ebenso wie den Anruf und die erfolgreiche Debütsingle. Aber zum Popstar taugte der heute 70-jährige Sänger mit der unverwechselbaren Stimme nur bedingt. Eric Goulden war ein schwerer Trinker und bekam erst Mitte der 1980er Jahre sein Alkoholproblem, verantwortlich für zahlreiche verunglückte Auftritte, in den Griff. Zwar produzierte er kontinuierlich weitere Platten für eine treue Fangemeinde, doch der große Ruhm blieb aus.

Kein Wunder, dass seine 2003 erstmals erschienene Autobiografie den Titel „A Dysfunctional Success“ trug. Hier nämlich lässt sich lernen, wie man es nicht machen soll. Doch das macht die Lektüre nicht weniger lohnend, auch wenn die Erfahrungen des jungen Mannes im Popgeschäft eher eine Nebenrolle spielen, Cameo-Auftritten von Ian Dury, Elvis Costello und Nick Lowe zum Trotz. Stattdessen wird eine nicht untypische Lebensgeschichte erzählt, vom Reihenhaus der Familie in Newhaven/Sussex über eine miserable Schullaufbahn bis zum Arts College im nordenglischen Hull, wo Eric Goulden mit Ach und Krach einen Abschluss erwirbt, um anschließend einer Reihe mäßig bezahlter Gelegenheitsjobs, unter anderem als Qualitätskontrolleur für Bananen, nachzugehen und sehr, sehr viel zu trinken. So lässt sich diese mit reichlich Selbstironie getränkte Autobiografie auch als Sittengeschichte des krisengeschüttelten Britanniens in den 1970er Jahren lesen.

Passend zum runden Geburtstag des Künstlers am 18. Mai hat nun der emsige Ventil Verlag „The Wreckless Eric Manual“ (Untertitel)  wieder aufgelegt – im englischen Original und mit einem neuen Vorwort versehen.

Eric Goulden: A Dysfunctional Success. The Wreckless Eric Manual. Die selbstironische Autobiografie. In original englischer Sprache. Ventil Verlag, Mainz 2024. 271 Seiten, 22 Euro.

PS: Enttäuschend war die Lektüre für mich nur in einer Hinsicht. Aber das hat nichts mit der Qualität des Buches zu tun, sondern mit meinem Musikgeschmack. Ich hätte nämlich nicht gedacht, dass Goulden „The Wonderful Word of Wreckless Eric“ (seine erste richtige LP und seit Erscheinen 1978 eine meiner Lieblingsplatten) überhaupt nicht schätzt, sie sogar ziemlich grässlich findet. Einschließlich der feinen (finde ich) Coverversion von Tommy Roes Hit „Dizzy“ („dreadful, syrupy“).

Wreckless Eric mag weder LP noch Coverillustration – dennoch eine der Lieblingsplatten des Rezensenten, erworben direkt nach Erscheinen 1978

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