Geschrieben am 1. April 2019 von für Crimemag, CrimeMag April 2019

James Baldwin & James Shapiro „The Fire Next Time“

Alle Fotos © Verlag Benedikt Taschen/ Steve Schapiro

Zeitdokument erster Güte

Alf Mayer über einen gewichtigen Bildband

Dieses Buch hat – nicht nur im Titel – biblische Dimension (mehr dazu weiter unten), ist dabei ganz und gar menschlich und gegenwärtig, hält Politik & Poesie beisammen, transportiert Humanität, Hoffnung und Mut, lässt nicht unberührt. Warum denn können wir nicht alle Brüder sein und Schwestern? Wir alle. Alle Rassen. Alle Religionen.

So, wie die neuseeländische Premierministerin Jacinda Ardern und mit ihr ein ganzes Land der Welt gerade zeigen, wie man nach dem Rassisten-Massaker von Christchurch trotz 50 Ermordeter dem Hass mit Würde, Stolz und Menschlichkeit begegnen kann, so sind auch James Baldwins unter dem Titel „The Fire Next Time“ bekannt gewordene Texte und die Fotografien von Steve Schapiro – ist dieses Buch – neben aller politischer Analyse ein Leuchtfeuer der Herzen und der Hoffnung. Dies mit „Stoff“ von 1963, aber eben nicht nur.

Querhinweis: Lesen Sie dazu auch in dieser CrimeMag-Ausgabe nebenan von Leonard Pitts Jr., dem Kolumnisten und Autor von „Grant Park“, über „The Challenges of Writing for White People“, Thomas Wörtches Porträt von Chester Himes, die drei Texte zum in Kingston, Jameika, geborenen Victor Headley und seinem „Yardie“ oder in den „Bloody Chops“ vom Ausflug Ta-Nehisi Coates in die Graphic Novel mit  „Captain America #1“ – die Redaktion.

„The Fire Next Time“ ist das Buch von 1963, das James Baldwin weltberühmt gemacht hat, auf das sich bis heute alle zeitgenössischen Bücher zum Thema Rassismus beziehen. Er ruft darin dazu auf, dem rassistischen Albtraum, der die Weißen ebenso plage wie die Schwarzen, gemeinsam ein Ende zu setzen. „Wir, die Schwarzen und die Weißen, wir brauchen uns ganz dringend gegenseitig, wenn wir wirklich eine Nation werden wollen.“ Oder: „Die Welt ist nicht länger weiß, und sie wird nie mehr weiß sein.“ Das war (und ist) provokant: Auch deutsche Zeitungen druckten damals, ziemlich erschrocken und betroffen, Auszüge. „Die Zeit“ im November 1963 unter der Überschrift: „Muss der weiße Mann fallen?“ Zitat aus dem Vorspann:

„Die amerikanischen Neger haben in den sechziger Jahren drei markante Gestalten hervorgebracht: Pastor Martin Luther King, den schwarzen Ghandi; Elijah Muhammed, den Prediger des Hasses an der Spitze der umstürzlerischen Schwarzen Moslems; und James Baldwin, den schwarzen Orpheus aus Harlem. Baldwin hat alle Bitterkeit des Neger-Seins ausgekostet, alle Erniedrigung und allen Schmerz. Dennoch predigt er nicht Haß auf die Weißen, sondern Mitleid, ja Liebe; er mahnt zur Evolution, weil er die Revolution fürchtet. Sein Wort wird weithin gehört: Als Schriftsteller hat er sich in die vorderste Reihe der Literatur seines Landes geschrieben, sein dritter Roman „Another Country“ und sein dritter Essay-Band „The Fire Next Time“ sind Bestseller geworden. Dieser Band wird im Januar (1964 – AM) unter dem Titel „Hundert Jahre Freiheit ohne Gleichberechtigung“ in der Reihe rororo-aktuell erscheinen.“

Zu den Ungeheuerlichkeiten dieses Buches gehörte unter anderem der Angriff auf verbürgte Werte: 

„Die Begriffe ‚zivilisiert’ und ‚christlich’ nehmen einen seltsamen Klang an – besonders in den Ohren derjenigen, die man bisher weder für zivilisiert noch für christlich gehalten hat -, wenn sich ein christliches Land einer so schmutzigen und gewalttätigen Orgie hingibt wie das Deutschland des Dritten Reiches. Wegen des Verbrechens ihrer Abstammung wurden Millionen Menschen mitten im 20. Jahrhundert und im Herzen Europas – der Festung Gottes – in einen so ausgeklügelten, so scheußlichen und so qualvollen Tod geschickt, wie ihn sich kein Zeitalter vor diesem erleuchteten hat ausdenken, geschweige denn ausführen und registrieren können. Die Weißen waren und sind überrascht von der Massenvernichtung in Deutschland. Sie haben nicht gewusst, dass sie sich so aufführen können. Aber ich bezweifle sehr, ob die Schwarzen ebenso überrascht waren.“

Über die Jahre gab es viele Auflagen von „The Fire Next Time“, zuerst 1963 als Sammelausgabe zweier Essays bei The Dial Press erschienen, 1964 deutsch als „Hundert Jahre Freiheit ohne Gleichberechtigung oder The Fire Next Time. Eine Warnung an die Weißen“, zuletzt jetzt Ende Januar 2019 als Hardcover bei dtv, neu übersetzt von der skrupulösen, klugen Miriam Mandelkow und mit einem Nachwort von Jana Pareigis ausgestattet, unter dem Titel „Nach der Flut das Feuer“. Bei Wikipedia und in vielen anderen Quellen herrscht ein gehöriges Durcheinander, wie es sich mit „The Fire Next Time“ verhält. Gerne wird behauptet, das Buch sei zuerst im Magazin „The New Yorker“ erschienen, wo auch illustre Autoren wie Norman Mailer, Susan Sontag, Mary McCarthy, John Updike ein Forum hatten.

Jubiläumsausgabe, „The New Yorker“

Richtig ist: Der „New Yorker“ hatte Baldwin mit einem Text über die politische Lage in Afrika beauftragt, der aber sah sich lieber vor der Haustür um und beschäftigte sich mit der Lage der Schwarzen in den USA. Im Süden geschrieben – da, wo es immer noch die Rassentrennung gab und jeder kleine Schritt gerichtlich durchgesetzt werden musste, was noch lange keinen Frieden gab – entstand Baldwins Essay “Down At The Cross”, der bei seiner Erstveröffentlichung im „New Yorker“ am 17. November 1962 noch “Letter From A Region Of My Mind” hieß – Brief aus einer Region meines Geistes.

In dieser Ausgabe vom Dezember 1962 erschien Baldwins Brief an seinen Neffen

Der Beitrag war stattliche 85 Magazinseiten lang. Er macht den Hauptteil von „The Fire This Time“ aus. Der zweite, weit kürzere Buchbestandteil erschien zuerst im Dezember 1962 in „The Progressive“ (andere Angaben nennen den 1. Januar 1962, was Unsinn ist) – als Brief mit der Überschrift “My Dungeon Shook”, der Adressat “My Nephew on the One Hundredth Anniversary of the Emancipation” – deutsch: „Mein Kerker bebte. Brief an meinen Neffen zum hundertsten Jahrestag der Sklavenbefreiung“. Anlass dafür war der hundertste Jahrestag der Emanzipationsproklamation, mit der die Regierung Abraham Lincolns am 22. September 1862 die Abschaffung der Sklaverei in den Südstaaten einleitete (die sog. Emancipation Proclamation). „Dieses Land feiert hundert Jahre Freiheit hundert Jahre zu früh“, konstatierte Baldwin.

Diese beiden Texte lösten eine landesweite Debatte aus, strahlten über die Grenzen. Der Verlag The Dial Press brachte sie 1963 zusammen als Buch heraus. Der Titel: „The Fire Next Time“. Wie manche Texte von George Orwell ist auch dieses Buch ein die Zeiten überdauerndes, bewegendes, literarisch-politisches und dazu ausnehmend poetisches Dokument.

Der Buchtitel entstammt einem Zitat am Ende des großen Essays “Down At The Cross”, das Baldwin in der Buchausgabe als Motto wählte, es ist die Paraphrase eines Bibelspruchs durch den Gesang eines Sklaven, ein Couplet aus dem noch aus dem Bürgerkrieg stammenden Spiritual „Mary Don’t You Weep“. 2018 wurde davon eine von Prince im Jahr 1983 aufgenommene Version veröffentlicht (als erster Track von „Piano and a Microphone 1983“), der Song kommt auch im Spike-Lee-Film „BlacKkKlansman“ vor. Die entsprechenden Zeilen lauten:

God gave Noah
the rainbow sign,
no more water,
the fire next time!

„Im Regenbogen gab Gott dem Noah ein Zeichen: Es kommt kein Wasser mehr – das nächste Mal kommt Feuer!“

Der Fünf-Tages-Marsch auf Washington – die amerikanische Flagge war das natürliche Symbol einer Bewegung, die sich an die Nation wandte, deren Prinzipien zu leben.

Den hier besprochenen Bildband „The Fire Next Time“ brachte der Verlag Benedikt Taschen dem Jahr der Erstveröffentlichung entsprechend 2017 zuerst als „Limited Edition“ mit einer Auflage von 1.963 Exemplaren heraus, im teuren Hochdruckverfahren und auf zwei verschiedenen Papiersorten gedruckt, Manuskriptseiten eingeklebten , signiert und im Schuber, 275 Euro teuer (und vergriffen). Der Volksausgabe jetzt sieht man ihren schlanken Preis von 40 Euro überhaupt nicht an. Dies ist ein gewichtiger Fotoband mit ebenso gewichtigem Textanteil. Ein Buch für die Ewigkeit. Dem Urteil des „Guardian“ ist nicht zu widersprechen: „Schapiro und Baldwin führten vor, was ein engagierter Text und engagierte Fotografie zu ihrer Zeit zu leisten vermochten. Auch heute noch vorbildhaft.“ 

Dr. Martin Luther King Jr.

Nina Wiener und Lawrence Schiller sind es, die für dieses – hervorragend gestaltetes – Werk Baldwins Texte mit mehr als 100 Fotografien von Steve Schapiro zusammengebracht haben, die meisten von ihnen Schwarzweiß, nicht wenige von ihnen von ikonografischer Kraft. Steve Schapiro, als Schüler von W. Eugene Smith ein dezidierter Reportage-Fotograf, dessen Aufnahmen die Titelseiten von „Time“,„Life“, „Look“, „Paris Match“, „People“ und „Sports Illustrated“ machten und in vielen Museen zu finden sind, hat bei Taschen seine Setfotografien in „The Godfather Family Album“ und „Taxi Driver“ sowie einen Band über Barbra Streisand veröffentlicht. Weitere Bücher sind sein grandioses „American Edge“, „Schapiro’s Heroes“ und „Then and Now“. In Hollywood hat Schapiro an mehr als 200 Filmen mitgearbeitet; zu seinen berühmtesten Filmplakaten zählen die zu Asphalt Cowboy, Taxi Driver und Der Pate III.

James Baldwin, Mai 1963 auf dem Cover von „Time“

Nachdem Steve Schapiro damals im „The New Yorker“ den Flammenschrift-Essay des 38-jährigen Schriftstellers las, der damit eine nationale Debatte entfachte, überzeugte er die Zeitschrift „Life“ davon, ihn eine Fotoreportage über Baldwin machen zu lassen. Vor Twitter waren es Fotos, die Botschaften in die Welt trugen, die 1970er Jahre waren das Jahrzehnt der Fotoreportage. Schapiro reiste mit Baldwin einen Monat durch die Südstaaten. Die Reise begann in Harlem, führte nach North Carolina, Mississippi und New Orleans, in die heute ikonografischen Orte Selma und Birmingham. Baldwin brachte ihn mit den Führungsgestalten der Bürgerrechtsbewegung zusammen, darunter dem Reverend Dr. Martin Luther King Jr., mit Ralph Abernathy, Jerome Smith, Andrew Young und einem jungen John Lewis, heute US-Kongressabgeordneter und mit einem bewegenden Text auch im Buch vertreten.

Baldwin und der Bürgerrechtler Medgar Evers, der bald danach erschossen wurde
Reverend Fred Shuttlesworth von der Southern Christian Leadership Conference aus Birmingham. Er wurde geschlagen, verhaftet, seine Haus und seine Kirche zerbombt.

In Mississippi fotografierte Schapiro, wie Baldwin sich intensiv mit Medgar Evers unterhielt, nur wenige Monate vor dessen Ermordung. Schapiro fotografierte den Marsch auf Washington für Jobs und Freiheit, er fotografierte die „Freedom Summer Voting Rights Campaign“ und zwei der drei Märsche in Selma, Alabama. Kurzum. Er wurde zum Chronisten der Bürgerrechtsbewegung. Er war da, wo die action war.

Die schlimmsten Befürchtungen wurden wahr, als man am 23. Juni 1964 den Wagen der verschwundenen Bürgerrechtler Chaney, Schwerner und Goodman fand – später im Film „Mississippi Burning“ aufgearbeitet (mit Gene Hackman und Willem Dafoe)
Schapiros erster Stop in Memphis – nachdem er von der Ermordung Martin Luther Kings gehört hatte – war die Pension, von der aus die Schüsse abgegeben wurden.

Seine Fotos zeigen die Gesichter dieser Zeit und die Stimmung, die von Demonstranten und Aktivisten ebenso wie von Polizisten und Politikern. Er zeigt eine Gesellschaft im Aufruhr, zeigt die Spuren des Hasses und den Widerstand. Zeigt von weißen Rassisten zerbombte oder niedergebrannte Häuser, auch das aus dem Wasser gezogene Auto der „Mississippi Three“, zeigt die Kraft und die Würde, die dem Protest und der gerechten Sache innewohnt. 
Eines der letzten Fotos zeigt die Nachricht von Martin Luther Kings Ermordung im Hotelfernseher. Auf einem anderen hat sich ein Demonstrant „Vote“ auf die Stirn geschrieben, auf einem anderen hält eine schwarze Frau ein Protestschild, auf dem nur drei Worte stehen: „Stop police killings.“ Diese beiden Fotos könnten auch 50 Jahre später in Ferguson, Missouri, entstanden sein – nichts von dem ist tot, was damals James Baldwins Sache war. (Siehe auch CulturMag ###: „Wenn der Krieg nach Hause kommt.“)

Erstaunlich, bis heute, und weißen Gedankengängen nach wie vor ziemlich fremd, ist das mehr als simple, aber eben überhaupt nicht einfache Rezept, das Baldwin für die Überwindung all der Gräben und Wunden hat: Liebe und Respekt. Hannah Arendt schrieb ihm damals einen Leserbrief: „Your article in the New Yorker is a political event of a very high order“. The Meaning of Love in Politics, die Beduetung von Liebe in der Politik, setzte der „New Yorker“ als Überschrift dazu (ihr Brief hier).

„Es ist auch dein Haus, aus dem du nicht vertrieben werden kannst; große Männer haben hier große Dinge vollbracht und werden es wieder tun, wir können aus Amerika machen, was Amerika werden muss“ – Amerika wieder groß zu machen nämlich, aber eben nicht so, wie Trump es pervertiert, indem er auf dem beharrt, wie Amerika einmal war, keine Vision dafür hat, wie es einmal sein soll.

Demonstranten und Polizisten in Selma, Alabama – für Schapiro eines seiner wichtigen Fotos, „weil es zwei Haltungen zeigt, wie auf einer Münze“

Hier nun ein längeres Zitat: „Wenn man dauernd das Schlimmste überlebt, was das Leben bringen kann, erlischt schließlich die Furcht vor dem, was das Leben bringen kann; was immer es bringt, es muß ertragen werden. An diesem Punkt der Erfahrung beginnt man seine Bitterkeit zu schmecken, und der Haß wird ein Sack, zu schwer zum Tragen.

Es gehört große geistige Widerstandskraft dazu, den Hassenden, der seinen Fuß auf seinen Nacken setzt, nicht zu hassen, und das Unterscheidungsvermögen und die Nächstenliebe, die dazu gehören, dein Kind nicht den Haß zu lehren, grenzen an ein Wunder. Die Negerjungen und -mädchen, die sich heute dem Pöbel gegenübersehen, stammen aus einer langen Geschlechterfolge illustrer Aristokraten – den einzigen wirklichen Aristokraten, die dieses Land hervorgebracht hat.

Es ist der große Vorteil des amerikanischen Negers, daß er nie an jene Mythen geglaubt hat, an die die weißen Amerikaner sich klammern: daß alle ihre Vorfahren freiheitsliebende Helden seien, daß sie in dem größten Land, das es auf dieser Welt je gegeben habe, geboren oder daß Amerikaner unbesiegbar im Kampf und weise im Frieden seien, daß die Amerikaner sich stets anständig benommen hätten gegenüber Mexikanern und Indianern und allen anderen Nachbarn und Unterlegenen, daß die amerikanischen Männer die aufrechtesten und männlichsten der Welt. Und die amerikanischen Frauen rein seien.

Neger wissen weit mehr über weiße Amerikaner; man kann fast sagen, daß sie über weiße Amerikaner soviel wissen wie Eltern – oder wenigstens Mütter – über ihre Kinder und daß sie die weißen Amerikaner sehr oft so betrachten.

Ich weiß, was ich verlange, ist unmöglich. Aber in unserer Zeit, wie in jeder Zeit, ist das Unmögliche das mindeste, was man verlangen kann – und man wird schließlich ermutigt vom Schauspiel der menschlichen Geschichte im allgemeinen und der Geschichte des amerikanischen Negers im besonderen, denn sie legt Zeugnis ab für nichts Geringeres als die ständige Verwirklichung des Unmöglichen.

… Als ich an Elijah Muhammeds Tisch saß (er ist der Führer der Schwarzen Moslems) und das Baby betrachtete, die Frauen und die Männer und wir über Gottes – oder Allahs – Rache sprachen, fragte ich mich: Wenn einmal die Zeit der Rache gekommen, was wird dann aus all dieser Schönheit?

Ich sah auch, daß die Unnachgiebigkeit und Unwissenheit der Weißen jene Rache unvermeidlich machen könnte – eine Rache, die nicht von irgendwelchen Personen oder Organisationen abhängt und nicht von ihnen geübt und die von keiner Polizeimacht oder Armee verhindert werden kann: eine historische Rache, eine kosmische Rache, fußend auf dem Gesetz, das wir anerkennen, wenn wir sagen: „Was steigt, muß fallen.“

Booby Simons 1965 auf dem Marsch für das Wahlrecht

Wenn wir – und ich meine jetzt die Weißen und die Schwarzen, denen einigermaßen bewußt ist, worum es geht, und die, wie Liebende, dieses Bewußtsein im anderen stärken oder wecken müssen – jetzt nicht erlahmen in der Ausübung unserer Pflicht, können wir vielleicht, obwohl wir nur eine Handvoll Menschen sind, den Alptraum der Rassenfrage beenden und unser Land gestalten und den Lauf der Weltgeschichte ändern.

Wenn wir jetzt nicht alles wagen, droht uns die Erfüllung jener Prophezeiung, die ein Sklave nach der Bibel im Lied neu verkündete: „Im Regenbogen gab Gott dem Noah ein Zeichen: Es kommt kein Wasser mehr – das nächste Mal kommt Feuer!“ (Alle Zitate: James Baldwin in der Übersetzung von Hans Georg Heepe, 1964)

Und um noch einmal auf Neuseeland zu kommen, wo eine junge Premierministerin – die jüngste weltweit – gerade einen globalen Standard für „Leadership“ setzt. Jacinda Ardern lebt in Worten und Taten ganz im Sinne von James Baldwin eine jedem von uns mögliche Reaktion auf Rassen- und Religionshass vor: „Die Antwort liegt in unserer Menschlichkeit“, betont sie. „Jeder kann über sie verfügen, jeder hat sie – sie liegt in unseren Worten, in unseren Taten, in unserer ganz alltäglichen Freundlichkeit. Lasst uns das das Vermächtnis des 15. März 2019 sein.“

Alf Mayer – Fotos mit freundlicher Genehmigung des Verlags Benedikt Taschen/ Steve Schapiro.

  • James Baldwin, Steve Schapiro: The Fire Next Time. Mit Texten von John Lewis, Gloria Karefa-Smart, Marcia Davis. Achtung: nur englische Ausgabe, kein deutscher Text. Verlag Benedikt Taschen, Köln 2019. Hardcover, Format 23,6 x 33,3 cm, 276 Seiten, 40 Euro. Verlagsinformationen hier.
  • Ebenfalls empfohlen, für den deutschen Text: James Baldwin: Nach der Flut das Feuer (The Fire Next Time, 1963). Aus dem amerikanischen Englisch von Miriam Mandelkow, mit einem Nachwort von Jana Pareigis. Dtv Verlagsgesellschaft, München 2019. 128 Seiten, Hardcover, 18 Euro. Verlagsinformationen und weitere Bücher von James Baldwin in deutscher Übersetzung. Karsten Herrmann über zwei davon bei CulturMag.
  • Die Website von Steve Schapiro hier.
  • Das Vorwort von Michelle Alexander zu ihrer Streitschrift „The New Jim Crow. Masseninhaftierung und Rassismus in den USA“ hier bei uns.

PS: Der als geistiger Nachfolger Baldwins angesehene Ta-Nehisi Coates veröffentlichte im Juli 2015 in „The Atlantic“ eine modernisierte Version von Baldwins Brief an seinen Neffen, nannte den Text  “Letter to My Son”. Daraus wurde das Buch „Zwischen mir und der Welt“(Between the World and Me), das sich in Form und Inhalt auf Baldwin bezieht und über den Nicht-Fortschritt resümiert. Ta-Nehisi Coates operiert als Autor auch im Medium der Graphic Novels. Siehe dazu die „Bloody Chops“ in dieser Ausgabe oder auch hier, zur Comic-Serie „Black Panther“: Wer hat Angst vorm Schwarzen Mann?

Der 2016 herausgekommene poetische Dokumentarfilm „I Am Not Your Negro“ von Raoul Peck basiert auf Baldwins unvollendetem Manuskript „Remember This House“. Der 93minütige Film verbindet die Bürgerrechtsbewegung mit mit aktuellen Protestbildern von „Black Lives Matter“, Samuel L. Jackson liest aus Baldwins Manuskript über Malcom X, Martin Luther King und Medgar Evars.

In der von Jesmyn Ward („Singt, ihr Lebenden und ihr Toten, singt“) herausgegebene Essaykollektion „The Fire This Time“ spricht heute „eine neue Generation“ über Rasse und bezieht sich dabei nicht nur im Titel auf Baldwins ernüchterte Gesellschaftsanalyse von 1963.

Ganz aktuell schreibt Damon Young, Chefredakteur der Popkulturkritik-Website Very Smart Brothas über die „Absurdität, schwarz zu sein“. Seine Biografie trägt den Titel „What Doesn’t Kill You Makes You Blacker”.

Und als Bonus: James Brown „Say it loud – I’m black and I’m proud“, 1968:

Sowie Prince „Piano and a Microphone 1983“

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