Geschrieben am 1. August 2017 von für Litmag, SEXMAG, Specials

Theresa S. Grunwald: GO TO HELL!

Theresa S. - Weib:DämonGO TO HELL! DAS WEIB UND DER DÄMON MANN

Wer hat Angst vor der neuen Prüderie? Nobody? Na, dann will ich euch mal einen gehörigen Schrecken in die steifen Glieder fahren lassen!

KUNST EROTISCHER LUSTVOLLENDUNG

In der „Kunst erotischer Lustvollendung“ von Eugen Seiler aus dem Jahre 1956 heißt es: “Das Weib… sucht oft nur die Erregung, der Mann jedoch Befreiung von der Erregung.“ (S. 31) Übertrumpft wird diese Aussage nur noch durch das Vorwort des Obermedizinalrates Brandt: “Die Grundeinstellung des Mannes ist mehr sexueller, die der Frau mehr erotischer Natur.“

EIN HOCH AUF DIE BEGATTUNGSKRAFT!

Immerhin verschrieb sich der Autor der Mission, durch Aufklärung mehr Freude in die deutschen Betten zu bringen. Biologische Fakten werden genauso ausführlich erläutert wie die „Vermischung der Körper“ und die Eigenheiten der weiblichen Libido: „Hat die Geschlechtsspannung eine bestimmte Höhe erreicht, so ist der Organismus des Weibes beherrscht von einem einzigen Willen, einem einzigen Gefühl, einer Geschlechtstätigkeit, neben der alles andere versinkt: der Begattungskraft.“

ARS EROTICA FÜR MAD MEN

Bescheiden will er sich natürlich nicht mit diesem unwiderstehlichen Drange. Stattdessen fordert er eine Rückbesinnung auf die Ars erotica, die sowohl dem Sexus als auch der ganzheitlichen Sinnlichkeit, dem „passiveren“, aber auch „konstanteren“ weiblichen Trieb gerecht wird. Genau da liegt aber der Hase im Pfeffer! Es ist ja durchaus lobenswert, dass er den deutschen Mad Men eine Lektion in Sachen Klitoris erteilen wollte, allerdings verdammt er die Frau zu Passivität und dezentem Hinter-bzw. Untergrundwirken. Die Kenntnis der Anatomie dient letztlich wieder dem männlichen Lustgewinn, da das Weib somit ihrem biologischen Zweck gehorcht und dem Manne damit eine noch größere Portion Pläsier beschert.

ANANGA RANGA – SHAKE IT, BABY!

Apropos Pläsir! Zwar ist Herr Seiler der Ansicht, dass das großartige Ananga Ranga, eine Art Kamasutra, um es mal auf die verbale Missionarsstellung herunterzubrechen, nicht mehr zeitgemäß sei. Er gibt allerdings diverse Anleitungen zum Stellungswechsel, um zumindest im Bett Monotonie und „Partnermüdigkeit“ zu entgehen. Die „gekonnte Liebestechnik“ könne sogar Tragödien verhindern und trägt natürlich unbedingt zu Monogamie und zur Stabilisierung der Gesellschaft bei. Keine Sittenwächter, Anstandswauwaus mehr vonnöten, wenn Mann und Frau den Gipfel der erotischen Künste erklimmen. Ohne chinesische Schlittenfahrt und zumindest rudimentäre Beherrschung des Deepthroatings keine Silberhochzeit! Die Dolls und Dames der 50’s werden also dazu angehalten, nicht nur die drei K’s hochzuhalten, sondern auch die Super-Balls der Ehemänner!

Für die fünfziger Jahre war das schon revolutionär. Das waren die ersten Anklänge einer Porno-Aufklärungskultur, die in den 70ern ihre Hochblüte erlebte. Ein Porno der Dick-Dekade sieht ungefähr so aus: Mutti schwingt Orangen im Einkaufsnetz. Cut. Vatis Hände greifen nach den Titten der Geliebten. Mutti erlernt, um Vati nicht zu verlieren, auf Swinger-Parties, wherever… die Künste der ausgebufftesten Liebesdienerinnen. Mr. Seiler an dieser Stelle Lob und Dank für seine zarten Gehversuche in Richtung sexuelle Befreiung!

SEXIST BULLSHIT?

Posthumes Lob und Retro-Sex – schön und gut! Ist das alles jedoch Schnee von gestern? Von wegen. Wenn ich mir die derzeitige Tantra-Landschaft, softerotischen Beraterinnen und selbsternannten Hüterinnen einer niveauvollen Sexualität ansehe und deren Propagandaschriften lese, schwant mir Übles. Unter dem Gender-Mäntelchen verbergen sich nicht selten Hardcore-Softies, die jeden Nipple-Blitzer der Facebook-Polizei melden. Das alles natürlich zum Wohle der Frau, die ja nicht nur als Sexualobjekt begehrt und als ein Stück Fleisch zur Schau gestellt werden will. Hey, was soll das? I will, ähm, ich will! Mein Körper gehört mir und ich stelle ihn zur Schau, mache damit, was ich will. Natursekt auf den Pfeilern der Tugend hat noch niemandem geschadet!

SPRÖDIGKEIT – NE SOIS PAS FAROUCHE!

Wer nun glaubt, die aktuelle Sprödigkeit sei einfach Koketterie, täuscht sich gewaltig. Die Asexualität der Intelligenzija ist legendär hierzulande. Was in Deutschland als Ritterschlag der Denker und Denkerinnen gilt, gilt in La belle France eher als Stigma. Houellebecq scheut sich nicht Klartext zu sprechen, während man hier mit S.E.X. nobel hinter dem Busch hält. Es könnte ja womöglich jemand auf die Idee kommen, dass das Hirn im Verteilungskampf mit den Genitalien zu kurz kommt. Öffentlich hat jedenfalls noch keine Frau von Rang und Verstand ihre Vorliebe für good old Russ Meyer und seine Double D-Krankenschwestern kundgetan!

Diese Haltung ist schon verdammt nah dran an Seilers „Sprödigkeit“ aus „Furcht vor der Gewalt der eigenen Triebe“.

GEH MIR AUS DER SONNE, SCHATZ!

Und übrigens: Wenn sich nach der Samenentleerung die Jäger und Sammler wieder dem Kampfe zuwenden, um es in der floralen Sprache der 50’s-Aufklärer zu sagen, da es einem gesunden Manne unmöglich sei, „dass dauernd das Weib im Mittelpunkt der Dinge stünde“ (Möbius), dann empört euch nicht pour rien!

Hand aufs Herz: Wer hat nicht schon mal den schnarchenden Liebhaber nach vollbrachtem Akt dahin gewünscht, wo der Pfeffer wächst?
Theresa S. Grunwald

 

THERESA S. GRUNWALD

Ekstatische Verzückung, Devotion, deutsche Romantik – Theresa S. Grunwald, das Pseudonym dient als sprachliche Verhüllung, lebt nicht nur in einer pornographischen, von einem leisen Hauch Katholizismus durchwehten Welt. Der Durchbruch ins Animalische gelingt nicht immer, Hölderlins Liebe greift sie manchmal hart am Schopfe. Masken sind aber durchaus ein probates Hilfsmittel, um extreme Widersprüche, Sex und Liebe ist nur einer davon, in Genuss umzuwandeln.

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