
Claudia Gehrke: 18 Meter
Die Wand von Marlen Haushofer las ich in diesem Jahr zum dritten Mal. Das erste Mal war vor Jahrzehnten, in einer Zeit, in der ich monatelang alleine in einem alten Haus am Rand eines großen wilden Gartens lebte. „Das passt zu dir“, sagte unser ehemaliger Berliner Auslieferer Christian W. Lutz, als ich ihn auf der Insel besuchte und er mir das Buch schenkte. Er und sein Lebensgefährte waren kurz davor, direkt nach Tschernobyl, nach La Palma ausgewandert. Zu Zeiten, in denen ich Bücher bastelte, besuchte ich die Freundinnen und Freunde nur selten. Natur, alte Lavasteinmauern und ich ganz allein, versunken in Büchern, Blick nach unten über Mandelbäume und Kakteen Richtung Meer. Auch das Nachbarshaus oberhalb des damals dort endenden Holperwegs konnte ich nicht sehen.

Den Roman kennen Sie vermutlich: Eine Frau ist auf Urlaub mit Freunden in einem idyllischen Tal in einem einsamen Haus. Sie möchte nicht unter viele Menschen, und so sind die Freunde alleine in der Stadt zum Einkaufen. Sie kommen nicht zurück. Das Tal wird durch eine unsichtbare Wand vom Rest der Welt getrennt (hinter der Wand scheint alles von einer Sekunde auf die andere erstarrt). Ein Hund ist da, andere Tiere laufen zu, sie kümmert sich um sie, spricht mit ihnen, auch die Pflanzen werden wichtig, sie findet sich hinein in das Leben alleine in der Natur und beginnt, einen Bericht zu schreiben. Die Tage sind ausgefüllt mit den notwendigen Arbeiten, Pflanzen, Gießen, Ernten, Tiere versorgen. Was passiert, wenn plötzlich ein anderer Mensch auftaucht? Die Wand ist eines meiner Lieblingsbücher geworden.
Kaum im Haus angekommen, kamen auch zu mir jedes Mal Tiere und leisteten mir Gesellschaft. In den letzten Jahren war es ein kleiner gescheckter Nachbarshund mit einem Schlappohr. Er setzte sich nachts auf das Kissen an meinem Arbeitsplatz (der draußen auf einer Steinbank in der Ecke des L-förmig gebauten Hauses lag). Kam ich am Morgen heraus, sprang er herunter und nahm zu meinen Füßen Platz. Nach vergeblichen Versuchen, sie zu vertreiben, ignorierte er die Katzen. Es gab Geckos und Eidechsen und in den Sommern einen großen Monarch-Schmetterling, der jeden Tag um die gleiche Uhrzeit kam und sich eine Weile auf die Terrasse oder einen der Liegestühle niederließ.
Mehr als fünfundzwanzig Jahre lang lebte ein Krähenpaar der Inselart (Grajas) in der großen Palme am Rand des Geländes. Jedes Jahr übten neue Junge fliegen. Einmal verteidigen sie ihr Revier auch gegen meine Gäste. Setzten sich bedrohlich auf eine Schulter.
Und es gab Mäuse.

Im Sommer 2021 las ich Im Bann von Jennifer Egan (Fischer Taschenbuch). Keine „Frau allein in der Welt“-Geschichte, doch hat sie mich vergleichbar mitgerissen. Die Hauptfiguren, zwei Cousins, die sich jahrzehntelang nicht getroffen haben. Einer hatte dem anderen in einem ausgeuferten „Kinderspiel“ etwas Böses angetan. Dieser war zu Geld gekommen und hatte ein riesiges altes Schloss gekauft, das er in ein „Hotel der Stille“ verwandeln wollte; er lud den Cousin ein, mitzuarbeiten. Der kommt und gerät in die Fänge dieser Gruselburg, schwankt zwischen Faszination und Angst vor Rache. Ein schräger hintergründiger „Schauerroman“ oder eine Gothic novel. Im Hintergrund der schaurigen Szenen entpuppt sich die Handlung rund um die historische Vergangenheit des Orts und die Kindheitsgeschichte der beiden Cousins. Der Gast ist onlineabhängig, er kann sich nicht vorstellen, an einem Ort ohne Verbindung zu sein. Um eine Satellitenschüssel zu installieren, schleicht er nach Ankunft mitten in der Nacht um die Burg, statt sie einfach durch den Haupteingang zu betreten. Plötzlich der Blick auf Gebäude und Landschaft, beleuchtet vom Mond. Das verschafft ihm ein „Alto“ – so nannten die Cousins in ihrer Kindheit ein berauschendes Gefühl, das auch beim Blick in Landschaft aufflammen kann.
Ohne in die Ferne abzuschweifen könnte ich nicht arbeiten. Das Gefühl, das in dem Roman „Alto“ genannt wird, überfällt mich beim Hochblicken vom Bildschirm oft. In Tübingen, wo ich in einem großen Dachstockzimmer lebe, der Blick auf Himmel und in der Ferne die geschwungenen Linien eines kleinen Teils der Schwäbischen Alb. Der Himmel kann auch grau sein und ist trotzdem interessant. Und im Lavasteinhaus überkommt es mich beim Blick hinunter über grünes Land, Häuser, Gärten, Bananen-Plantagen, einen großen Ziegenstall (auch wenn der manchmal bis zu uns hoch stank), Wassertanks, das Industriegebiet, zwei Kraterberge, das Meer, der Leuchtturm links der Hügel. Keine Hochspannungsleitung zerschnitt das Bild. Der Blick ist wie eingewachsen. Auch die Spazierwege in der Umgebung, Straßen und Häuser auf den Fahrten zum Meer, zum Einkaufen.
Der Roman Im Bann passte gut in die Bibliothek des Inselzuhauses. (Ich hebe nur Bücher auf, die mich besonders fesseln, es gibt zu viele, die ich im Lauf eines Jahres verschlinge, ich lese viel zu schnell.) Gefesselt haben mich 2021 neben anderen auch Der Tod in ihren Händen von Otessa Moshfegh (Hanser blau), Von hier bis zum Anfang von Chris Whitaker (Piper), von Johannes Groschupf Berlin Heat (Suhrkamp), Max Annas, Der Hochsitz (Rowohlt). Auch Spannendes, was ich vermutlich kein zweites Mal lesen werde, hebe ich auf für Gäste: Joy Fielding, Sweet home; Lucy Foley, Sommernacht; Der Käfig (dritter Band der Trilogie) von Lilja Sigurðardóttir – gefiel mir nicht mehr ganz so sehr wie die ersten beiden (Jahresrückblick 2020), wird als Nummer 3 natürlich in die Bibliothek eingefügt.)


Ich war mit Freundinnen auf der Insel. Es gab wieder Mäuse im Haus. Die Freundinnen fanden sie niedlich, legten heimlich etwas Brot auf das Küchenarbeitsbrett und fotografierten eine der niedlichen Mäuse beim Brotklauen. Wir besorgten Lebendfallen, brachten die Tiere einige Kilometer fort vom Haus, sie tauchten wieder auf. Als die Freundinnen abgereist waren, machte ich alles Essbare unzugänglich. Zu meiner Überraschung waren in einem in der Küche aufgehängten Beutel am Brot am nächsten Tag Mäusebissspuren. Ich hängte den Beutel weiter weg von der Arbeitsplatte und hoffte, sie verschwinden, wenn sie ganz ohne Nahrung sind.

Auch negativen Gefühlen hatte die Figur aus Der Bann einen Namen gegeben: wenn sie sich abhängig, dumm oder Unschönem ausgeliefert fühlte, nannte sie das „Wurm“. Vielleicht habe ich mich, um „Wurm“-Gefühlen zu entkommen, als Kind an den Rand eines kleinen Sumpfes geflüchtet, in einem Wald, der direkt vor unsere Wohnung in Frankfurt-Fechenheim begann. Ein hohler Baum war mein heimliches Haus, in dem ich mich zugleich aufgehoben fühlte und gruselte.
In der darauffolgenden Nacht auf der Insel erwachte ich und eine Maus knabberte an meinem Ellbogen die Hornhaut ab.
Danach kaufte ich Totschlagfallen.
Einmal hörte ich die Falle zuschnappen, ging ins Haus und sah die (vermutlich männliche) Maus noch zucken, ein weißer Tropfen schoss in die Höhe.

In den letzten Jahren sah ich keine Mäuse, vielleicht, weil viele Katzen in der Nähe waren.
Mit der Verlagsautorin Regina Nössler (ihr aktueller Thriller Katzbach ist zu unserer Freude auf den Krimibestenlisten vom November und Dezember 2021, hier auf CrimeMag schon besprochen) wechselte ich in den Tagen der Mäuse viele Mails. Ich solle mir doch Notizen zu einem „La-Palma-Wand“-Roman machen, schrieb sie. Ich machte mir Notizen. (Inmitten der Verlegerinnenarbeit einen Roman zu schreiben, selbst wenn ich schreiben könnte, klappte natürlich nicht … außer wenigen Notizen gibt es nichts.)
Immer mehr Früchte wuchsen in dem Garten. Es gab große alte, saftig grüne Feigenbäume, Nisperos, Mandeln, Pflaumen, Orangen, Zitronen, später pflanzten wir Äpfel, Guaven, Birnen, Pfirsiche, Nektarinen, manche Bäume trugen zweimal im Jahr, auch ohne dass ich mich viel um sie kümmerte. Wenn niemand im Haus war, bewässerten die Nachbarn. Die letzte Frucht, die ich Ende Juli aß, war ein Apfel, die Feigen waren noch nicht reif. Ich bedauere, die süßen Maulbeeren vergessen zu haben.

Der älteste Nachbar ist vor einigen Jahren gestorben. Als 15-jähriger hat er vom alten „Verlagshäuschen“ aus, in dem seine Vorfahren und er als Kind lebten, den Vulkanausbruch des San Juan gesehen; die Feuerfontänen, als die Aljibes, die Regenwassertanks, explodierten, waren ihm besonders in Erinnerung. Als er heiratete und die beiden ein neues Häuschen bauten, kaufte der Verlags-Romanautor Udo Rabsch das alte Haus samt Gelände unterhalb und überließ es mehr und mehr mir und anderen Autor*innen. Die erste Zeit, bis Strom und Wasser gelegt wurden, lebten wir mit aufgefangenem Regenwasser, Petroleumlampen und einem Campingkocher. Udo Rabsch schrieb drei Romane, die auf der Insel spielen, einer davon, Der gelbe Hund, spielt in der Francozeit und war döblinpreisnominiert. Seine Landschaftsstimmungen gehen unter die Haut.
In einem Jahr stand der alte Nachbar an einem Faschingstag, alle trinken in diesen Tagen extrem viel, vor der Tür. Er fragte, ob wir „es“ machen könnten, die Deutschen seien doch frei und seine Frau, die „Chefin“ des Clans, habe nichts dagegen. Ich schickte ihn weg, während der Nachbar von unten, ein entfernter Verwandter, mit wildem Blick ins Haus sah, sicher war er dem Alten gefolgt, um zu sehen, was er so betrunken und spät in der Nacht von mir wollte. Manchmal schoss der Mann von unten mit seinem Kaninchenjagdgewehr in der Luft herum, um seine Wut auf was auch immer abzulassen, sonst ein sanftmütiger freundlicher Mensch. Eines Morgens lag sein Auto in der Senke neben unserem Gelände, er tot darin, ein Herzinfarkt. Die Chefin des Clans sprach anfangs ziemlich kritisch über Lesben und Schwule, es sei doch so, dass Frauen und Männer heiraten sollten und Kinder versorgen. Als eine Enkeltochter lesbisch wurde, verteidigte sie das Zusammenleben von den beiden Frauen glühend. Die Nachbarskinder und -Enkel bauten nach und nach Häuser im Gelände oberhalb von uns, so war ein ganzes Dorf entstanden, und die Familiengeschichten in dem Dorf böten sicher reichlich Stoff für einen Roman (so wie viele Familiengeschichten). Das Dorf und das Haus lagen anfangs 300 Meter vom Lavastrom entfernt. Die am ersten Tag evakuierten Nachbarn schickten uns ein Drohnenvideo, auf dem alles unbeschädigt zu sehen war. Sie konnten nicht mehr zurück, um etwas aus den Häusern zu holen, die Gaskonzentration war zu gefährlich.
In diesem Jahr wurde es dank eines Corona zu verdankenden Zuschusses von „Neustart Kultur“ konkret mit der schon seit längerem geplanten Gestaltung eines zweisprachigen literarischen La Palma Lesebuchs (das erste war 1985 erschienen) mit Texten von Inselautor*innen und Besucher*innen (auch Regina Nössler ist mit „Im Fenchelwald“ dabei und Yoko Tawada mit einem Auszug aus dem Roman, den sie nach einem Besuch der Insel geschrieben und bis dahin nur auf Japanisch veröffentlicht hatte. Seit Jahren schon blätterte ich imaginär in diesem Buch, das ich nicht lesen konnte, und malte mir eine Geschichte aus). Ich war Juni und Juli dort, begann, Bilder zu bearbeiteten und das Layout. Wir feilten an den Übersetzungen. Einige Begriffe finden sich in keinem spanisch-deutschen Wörterbuch, schöne melodische, ihre Bedeutung anklingen lassende Wörter. Im „kanarisch-spanischen Wörterbuch“ fand ich „magua“, eine besondere Sorte Schmerz oder Bedauern, verbunden mit Sehnsucht.

Ein anderes Wort ließ sich auch in diesem Wörterbuch nicht finden. Wir gaben der Zeile den Sinn, den wir vermuteten. Das Wort, „lisura“, gibt es wohl nur auf La Palma. Es bezeichnet eine kleine kompakte runde Wolke (an blauem Himmel), die Regen andeutet. Die Wolke, ein Wassermond. Das letzte Mal in diesem Haus unterhielt ich mich über eine Wolke und aß einen Apfel.
Als der Vulkanausbruch begann, war das Buch im Druck. Ich ließ den ersten Bogen noch einmal drucken und ergänzte auf der ersten Seite einen kurzen Hinweis. Die meisten Orte, von denen erzählt wird, gibt es noch, manche nicht mehr. Wenn es einmal zu einer Nachauflage kommen sollte, würde ich die Adressen und Namen des Verschwundenen zu den Fotos und Texten hinzuschreiben.
Als die Lava die ganze Gegend rund um das Haus begrub, waren hinter einem der rasenden Höllenströme die starken Lavasteinmauern unseres Hauses noch lange zu sehen, nur das Dach mit einem Dachstuhl aus jungem Holz war verbrannt, innendrin ein schwarzer zusammengebackener Klumpen aus der Bibliothek der Bücher, die mich über die Jahre begeistert hatten, und von Verlagsbüchern für den Verkauf auf der Insel, aus Manuskripten und anderen Dingen des Teils des Verlagsarchives, das dort lagerte. Die Türen aus dem feuerresistenten Kernholz der kanarischen Kiefern waren noch sichtbar, und auch die größte Palme, in der jahrzehntelang das Graja-Paar lebte. Sie war das Letzte, was von der Gegend erkennbar war, sah gespenstisch aus zum Schluss, gleichzeitig bewundernswert. Wie lange sie sich hielt! (In der Zeit gab es viele Videos, wo das zu sehen war, nicht allein Drohnenvideos, sondern auch mit Gasmasken direkt von einem Hügel neben dem Haus und den Palmen aus aufgenommene. So nah an der Eruptionsstelle waren die Ströme spektakulär schnell.)



Es sind laut Copernicus-Satellit rund 3000 Gebäude verschwunden oder stark beschädigt, Gärten, Plantagen, nicht alle beim Katasteramt registriert. ((In manchen deutschen Medien klingt es so, als wären die Leute, da dort gewohnt haben, unvernünftig gewesen, quasi selbst schuld am Verschwinden ihrer Lebensgrundlagen. In einem Spiegel-Artikel („Herzschlag der Erde“ Nr. 52, 24.12.21) hieß es jetzt zum Beispiel: „Allerdings muss man sich fragen, warum die Siedlungen, die nun von der Lava überflossen wurden, direkt an den erkalteten Lavaströmen von 1949 gebaut wurden.“
Die „Siedlungen“ wurden nicht erst nach 1949 gebaut. Viele der Häuser standen schon Hunderte von Jahren vorher, wie bei uns bauten Verwandte um das Ursprungshaus herum weitere Häuser; andere, darunter viele Auswanderer, renovierten alte Häuser. Die „Siedlungen“ selbst, beispielsweise Todoque, waren viele Generationen alt. Mit einem Ausbruch dieses Ausmaßes ließ sich nicht rechnen, auch wenn allen bewusst war, dass irgendwann wieder ein Vulkan ausbrechen kann – aber es wurde mit weit weniger Ausstoß gerechnet, denn die Lavaströme aller historisch dokumentierten Vulkane zuvor, es gibt Aufzeichnungen seit dem 16. Jahrhundert, überflossen viel weniger Land. Über einen langen Zeitraum hinweg gedacht könnte es vielleicht auch in Deutschland Gegenden geben, wo besser niemand siedeln sollte.))

Vor Kurzem las ich Mars von Asja Bakić aus dem Verbrecher Verlag. In einer Geschichte reist eine Frau für eine Reportage durch eine unheimliche Steinlandschaft. Das Dorf, das sie sucht und in dem die Menschen wohnen, die sie interviewen soll, zieht öfter um. In der düsteren Landschaft gibt es kleine Steine, die nur dann grün zu leuchten beginnen, wenn sie berührt werden. Das Grün kommt immer wieder, mitten im Steinland. Jede der Erzählungen sog mich hinein wie in einem surrealen Thriller, ob sie von Kindern handeln oder nach dem Tod oder auf dem Mars spielen. Vielleicht hat mir das Buch auch deshalb gut gefallen, weil raffiniert in jede Geschichte etwas rund ums Schreiben, um Geschriebenes eingewoben ist, Manuskripte, Zeitschriften, Notizbücher kommen vor, ein Schreibwettbewerb von Verstorbenen, posthum geschriebene Manuskripte, Kinder finden Zeitschriften über Ufos und in Schallplattenhüllen versteckte Pornos, die, wie ihre Oma schnell behauptet, von Opa im Hauseingang gefunden und nur zum Fensterputzen hochgebracht worden seien, und „Leidenschaften“ schildert ein Verwirrspiel um die Autorin eines pseudonym veröffentlichten Buchs – ein Genuss, durch das Buch zu rauschen.
Auch Lyrik gibt es unter meinen Büchern des Jahres: ein kleines illustriertes Buch (Illustrationen bitte ins Licht halten) aus dem Berenberg Verlag: Die Sterne, ein traumhaftes, langes Gedicht von Eliot Weinberger, darin poetische und naturwissenschaftliche Bilder über das, was Sterne im menschlichen Blick von hier unten aus gesehen sein könnten. Meiner Großnichte habe ich dieses Weihnachten (obwohl ich sonst zu schönem Nonsense-Sprachpiel-Büchern tendiere) etwas pädagogisch Angehauchtes geschenkt: Das großartigste Ding der Welt von Ashley Spires (Jacoby & Stuart) – vermutlich, weil ich mich selbst beim Schreiben oder Bücherbauen wiederfand und der „pädagogische Zeigefinger“ auch mir und vielen anderen Erwachsenen gelten könnte. Ein Mädchen möchte mit ihrem Assistenten (einem Hund) etwas Großartiges basteln. Im Kopf ist das Ding fertig und perfekt, heraus kommt nur was Unperfektes, Falsches. Sie probiert es immer wieder, wird wütend, explodiert, bis sie bemerkt, dass die Dinge, wenn auch anders als im Kopf gestaltet, trotzdem auf ihre Weise funktionieren und unperfekt perfekt sind.
Vor ein paar Tagen fand ich in einer der La Palma Seiten den Link zu einer „Lavakarte“. Es lässt sich die Adresse eingeben und dann auf die Stelle klicken. „Calle El Frontón, 7“ klickte ich: Lavahöhe 18 Meter. Auch meine erste, zweimal gelesene Die Wand (eine der frühen Ausgaben, mit einem dunklen Baumgerippe auf dem Cover und der Schrift in der Ecke) liegt jetzt unter 18 Metern Stein.
Claudia Gehrke führt den kleinen, feinen Konkursbuchverlag. Themenschwerpunkte sind Frauen, Erotik und Kunst sowie allgemeine Literatur, inklusive Thriller, sowie die Reihe „Konkurbuch“ mit unterschiedlichen Themen. Die im Herbst 2020 erschienend Anthologie „Tod“ bei uns von Alf Mayer besprochen.
