Geschrieben am 1. Juni 2023 von für Crimemag, CrimeMag Juni 2023

Tafelfreuden – Kulinarische Bücher (2)

Wer gute Bücher liest, lässt es sich auch sonst gerne schmecken. Hier eine kleine Prise kulinaristischer Bücher, besprochen von Alf Mayer:

Laura Autuori, Herbert Grönemeyer: fatto a mano
Heston Blumenthal: Ist das ein Kochbuch?
Alexander Herrmann: Heldenküche
Katja Mutzenbach: Kronfleischküche 
Jeremy Pang: School of Wok
Siegfried Zelnhefer, Katharina Pflug, Manuel Kohler: Die Bratwurst

Unsere erste Ausgabe erschien im Dezember 2022 und behandelte:
Ixta Belfrage: Mezcla. Rezepte, die begeistern
Jakob Glatz: Das große Nuri Sardinen Kochbuch
The Gourmand’s Egg. A Collection of Stories & Recipes
Jim Heimann: Menu Design in Europa
Jamie Oliver: One. Geniale One Pot Gerichte
Ottolengi Test Kitchen: Extra Good Things
Slow Food Genussführer 2023/24
Thomas Vilgis, Stephanie Arlt, Gabriele Hussenether: Kochen in KupferMaterial, Rezepte, Genuss

Siehe zudem: Alf Mayer und Thomas Wörtche zu Jim Heimann: Menu Design in Europa

Mehr als die Sterneküche erlaubt

(AM) Ja, es ist der Stern der Bayerischen Polizei, der auf diesem Kochbuch von Alexander Herrmann prangt, überhaupt ist hier mehr Polizei drin, als die Sterneküche es erlaubt. Das Vorsatzblatt zeigt doppelseitig 12 x 4 Rezeptfotos, diverse Gerichte angerichtet und arrangiert, wie sie in einem Sternerestaurant kaum je auf einen Tisch kämen. Wohl aber in einer Polizeikantine. Dieses Kochbuch ist eine Reise in die Welt der (bayerischen) Polizei – und dabei sehr informativ. Es ist sicher nicht alltäglich, dass ein Innenminister und seine Beamten bei einer Buchpremiere Spalier stehen: Heldenküche. In der gibt es Fleischpflanzerl auf Zoiglbiersauce (Herrmann stammt aus Franken), Zwiebelfleisch vom Schwein, Hendlhaxen mit Joghurt mariniert, Lasagne, scharfes Thai-Curry, Chili con carne, Spaghetti mit Linsenbolognese, Schäufele mit Kartoffelknödel. Der Sternekoch steuert jeweils drei verfeinerte Varianten bei, eine davon vegetarisch.

Rund 1,3 Millionen Essensportionen gehen jährlich über die Kantinentheken der Bayerischen Bereitschaftspolizei (BBP). Anständige Verpflegung ist ein Muss. Sternekoch Herrmann hatte bereits 2019 mit der BBP einen PowerPantherShake als „gesunde Einsatzverpflegung“ kreiert (Rezept mit Varianten im Buch). Aus dem Kontakt entstand die Idee zu einem „Polizeikochbuch“. Herbert Gröschl, Chef der Pressestelle im BBP-Präsidium Bamberg und der Polizist Thomas Lintl, beide bestens vernetzt, wurden Motoren des Projekts. Das kann sich rundum sehen lassen – und ist zudem eine prima Werbung für die bayerische Polizei und ihre 45.000 Beamtinnen und Beamten.

Hier erhalten sie, jeweils einem Einsatz- oder Fachbereich zugeordnet, sympathisches Gesicht – Kompliment ans Casting – durch 17 Polizistinnen und Polizisten aus ganz Bayern, die von Alexander Herrmann fotowirksam besucht, porträtiert und auch nach Essensgewohnheiten befragt werden. Jedem Porträt zugeordnet ist ein Rezept, als Lieblingsgericht, entwickelt aus Vorschlägen der Chefköche und -köchinnen der Bayerischen Bereitschaftspolizei. Die Personenporträts zeigen die vielfältigen Aufgaben der Polizei, sie haben die Elemente „Wer wir sind/ Was wir machen/ was wir brauchen“ und geben so Einblick in die jeweilige Arbeitswelt.

So kommen wir zum Streifen- oder Kriminaldauerdienst, zur SpuSi und zur BeSi, zur Diensthundeschule (mit Hundekeks-Rezept), zum Unterstützungskommando, zur Motorradstaffel, zur Grenzpolizei und einer Einsatzhundertschaft, zur WSP (Wasserschutzpolizei), zum POB (Polizeiorchester Bayern) und zur Verkehrsprävention, zur Reiterstaffel, zum Spitzensport, zum alpinen Einsatzzug, zur Zentralen Bußgeldstelle oder zur PHuStBy (Polizeihubschrauberstaffel Bayern). Ich kann nur ahnen, wie delikat die Auswahl zwischen Regionen/ Männern/ Frauen war, aber so frisch und appetitlich wie die bayerische Polizei sich hier präsentiert – in den Fotostrecken in nichts hinter der Food-Fotografie zurückstehend –, müsste für Sternekoch Herrmann eigentlich eine Ehrenmitgliedschaft bereits in Arbeit sein.

Alexander Herrmann: Heldenküche. Plassen Verlag, Kulmbach 2023. Hardcover, 248 Seiten, 22,90 Euro.

Ein Stück Heimat, unverwechselbar

(AM) Eigentlich wollte ich mit Homer beginnen, dann hat doch der Fußball gewonnen, der Dreieinigkeit von Fußball, Bier und Bratwurst wegen. Stadionwurst-Ermittlungen haben nämlich in den oberen Ligen oft eine „einheitliche Industriewurst“ wahrgenommen. Je niedriger die Spielklasse umso mehr Geschmack und handgemachte Fleischerqualität, das kann durchaus als Faustregel gelten. „Die Wurst ist ein totales Heimatsymbol“, sagt der Soziologe und Fußballfan Florian Renz.

Für mich fing Heimat bis zum Tod meiner Mutter immer damit an, dass es bei jedem Besuch bei meinen Eltern zuallererst Bratwurst gab. Und zwar von einem bestimmten Metzger und nur eine bestimmte Art: „Wollwürscht“. Die Preußen kennen das nicht, die Bayern in München auch kaum. Die Wollwurst besteht aus feinstem Bratwurstbrät, Kalb oder Jungrind, hat aber keine Haut. Sie heißt auch Geschwollene, Nackerte oder Oberländer. Für mich ist sie ein Markenzeichen des Allgäus. Heimat eben.

Bratwürste gehören in nicht wenigen Gegenden Deutschlands zur DNA einer Region, sagt der Nürnberger Historiker, Journalist und Autor Siegfried Zelnhefer. Zusammen mit Katharina Pflug (Fotos) und Manuel Kohler (50 Rezepte) hat er ein zum Reinbeissen appetitliches Buch über Die Bratwurst verfasst und mit ars vivendi einen bereits vielfach für herausragende Buchgestaltung ausgezeichneten Verlag gefunden, der dem Werk ein großzügiges Format, eine werthafte Ausstattung und ein luftiges Erscheinungsbild (aus der Hand von Julia Schuller) spendiert hat. Es ist minimalistisch schlicht, raffiniert und ehrlich, auf den Punkt. Was man über eine gute Bratwurst ja auch sagen kann – und will. 

Das Buch ist Theorie, Kulturgeschichte und Praxis in einem, bietet, wie es der Untertitel sagt, Geschichten, Hintergründe und Rezepte. Es basiert unter anderem auf Gesprächen mit Metzgerinnen und Metzgern, Jürgen Reck etwa lässt auf einer Bildstrecke in seine fränkische Wurstwerkstatt sehen. Warum die Nürnberger wirklich so klein ist, erfahren wir jedoch trotzdem nicht, es werden immerhin drei Theorien angeboten. Wir lernen über Ansbacher, Bamberger, Coburger, Kulmbacher, natürlich auch Thüringer, Oberpfälzer Bauernseufzer oder Würzburger Geknickte, schweifen ins Ausland zu Merguez, Salsiccia, Norfolk Sausage, baskischer Txistorra oder zur St. Gallener OLMA, so fein, dass Senf dazu verpönt ist.

In meiner Küchenbibliothek kommt das Buch ebenbürtig neben Wolfger Pöhlmanns „Es geht um die Wurst. Eine deutsche Kulturgeschichte“ (Knaus, 2017). Das Wort „Bratwurst“ muss man im Ausland übrigens nicht übersetzen. Die beste je hatte ich (außer meiner Allgäuer Heimat-Wollwurst) auf dem Salamanca Market in Hobart/ Tasmanien: ausgewanderter Oberländer, 3. Generation, indische Ehefrau. Und bitte: Bratwurst NIE in die Friteuse! Das verleidet den Geschmack. Nur Pfanne oder Grill.

Auch bei Homer warten öfter schon Bratwurst und Grill auf die Helden.
In der Odyssee z.B., 18. Gesang, Vers 40, heißt es:

„Höret, was ich euch sage, ihr edelmütigen Freier!
Hier sind Ziegenmagen, mit Fett und Blute gefüllet,
die wir zum Abendschmaus auf glühende Kohlen geleget.
Wer nun am tapfersten kämpft, und seinen Gegner besieget,
dieser wähle sich selbst die beste der bratenden Würste.“

Siegfried Zelnhefer, Katharina Pflug, Manuel Kohler: Die Bratwurst. Geschichten, Hintergründe und Rezepte. Ars vivendi Verlag, Cadolzburg 2023. 200 Seiten, Hardcover, 28 Euro.

Feinschmeckerküche, „vo vorn bis hint!“

(AM) Wie gut jemand München kennt und wie tief er es liebt erkenne ich an den Gesichtszügen/ an der Reaktion, wenn ich das „Bräuhaus im Tal“ als Treffpunkt vorschlage. Nur wenige Schritte von Marienplatz, Viktualienmarkt und Isartor entfernt, ist dies ein Hoher Tempel der Kulinarik. Das nicht nur, weil dort täglich um 17 Uhr ein neues Fass Weissbier (vulgo: Weizen) aufgestochen wird. Dort, Im Tal 7, wurde vor 150 Jahren das erste bürgerliche Weissbier Bayern gebraut, bis dahin war das nur dem Adel zugestanden. Das Mutter-Bräuhaus Schneider in Kelheim (an Altmühl und Donau) ist die älteste Weissbierbrauerei Bayerns, 1607 vom bayerischen Herzog Maximilian I. gegründet, der das fürstliche Weizenbiermonopol zu einer sicheren Einnahmequelle machte.

Beim Schneider im Tal wird außerdem noch eine weitere Tradition gepflegt, nämlich die authentische Münchner Kronfleischküche. Daraus hat Katja Mutzenbach, die Ehefrau des Bräuhaus-Geschäftsführers Otmar Mutzenbach, ein gewichtiges Kochbuch gemacht. Es ist ein Geheimtipp, 2013 erschienen und vor Ort immer noch im Direktverkauf zu haben. Der Filmemacher Peter Heller hat es mir beim letzten Kneipenbesuch besorgt und geschenkt; ich hatte ihm das Lokal an einem Mittwoch zum Kalbskopf-Essen vorgeschlagen. Sie hätten ihn strahlen sehen sollen. Denn er weiß Bescheid. Und Sie auch, wenn ich Ihnen Kronfleischküche als „Nose to Tail“ übersetze.

Der Londoner Starkoch Fergus Henderson wurde weltberühmt durch sein Konzept, in der Küche das ganze Tier – von der Schnauze bis zum Schwanz – zu verwerten. 1999 erschien sein erstes Buch darüber, die US-Ausgabe von 2004 „The Whole Beast: Nose to Tail Eating“ wurde zum Renner. Auch Bill Buford ließ sich für das Cover seiner Küchen-Erlebnisse mit einem ganzen Schwein über der Schulter ablichten: „Hitze“, 2008. Die sogenannten einfachen Leute wussten und kannten das schon immer, auch im Schneider Bräuhaus gibt es seit jeher das ganze Tier – schon zu Zeiten, als „From Nose to Tail“ noch verpönt war.

Kronfleisch ist küchensprachlich das Muskelfleisch im Zwerchfell des Rinds (auch Kalb oder Schwein), an dem die Nieren des Tieres hängen, deshalb auch als „Nierenzapfen“ bekannt. Das zu den Innereien zählende, grobfaserige und sehr wohlschmeckende Fleisch wird in der Regel als einfaches Suppenfleisch, als Zutat von Bruckfleisch oder als Gulasch verwendet. Es gehört zur Metzelsuppe und zur Schlachtschüssel, heißt auch Schüpf (Oberfranken), Saum- oder Kesselfleisch (Allgäu), in der Steiermark Wammel, auf Französisch Hampe, in den USA Skirt Steak. In der koreanischen Küche ist es die Grundlage von Bulgogi, in der japanischen Küche heißt es Harami (ハラミ) und gehört zum Yakiniku-Menü.

Der Einfachheit halber bezeichen die Bayern die Zubereitung aller Innereien als Kronfleischküche. Neben Kalbskron kommen auch Nieren, Milz, Bries, Schweinsohren, Füsse, Hirn und Kutteln, Leber, Zunge und Lunge auf die Teller. Beim Schneider im Tal gibt es eine täglich wechselnde Kronfleisch-Karte. Derzeit sind das: geschmortes Herz (Montag), in Butter gebratene Leber (Dienstag), Kalbskopf gebacken (Mittwoch), Niere in Pfefferrahm (Donnerstag), Kälberfüße gesotten (Freitag), gesottene Kalbszunge (Samstag) und gegrillte Stierhoden (Sonntag).

Diese Rezepte und viel mehr, nämlich die besten 56 Rezepte aus 150 Jahren Bräuhausgeschichte, finden sich in dem üppigen Kochbuch. Küchenchef Josef Nagler nennt das Konzept schlicht: „Vo vorn bis hint!“

Katja Mutzenbach: Kronfleischküche – Kochen wie im Weissen Bräuhaus von Aventinus bis Zunge. Verlag Schneider Bräuhaus München. Hardcover, 288 Seiten, antiquarisch (um die 30 Euro).

Schneller gekocht als geliefert

(AM) Auf Chinesisch, erzählt Jeremy Pang, „sagen wir selten nur ‚Hallo’, sondern begrüßen uns mit der Frage: ‚Hast du schon gegessen?’ Und die schnellste Methode, da Abhilfe zu schaffen, ist definitiv der Wok!“ Sein neues Kochbuch School of Wok: Einfache Asia-Rezepte – schneller gekocht als geliefert verspricht „80 geniale Wok-Rezepte, die mit der Wok-Clock-Technik garantiert gelingen“.

Weltenbummler Pang hat vielen Wok-Köchen bei ihrem flinken Tun über die Schulter geschaut, das in seiner Londoner „School of Wok“ perfektioniert und ein gleichnamiges YouTube-Imperium daraus gemacht. Das Herz seines Erfolgsgeheimnisses ist die von ihm erfundene „Wok Clock“: Alle zuvor schon genau abgewogenen und zugeschnittenen Zutaten werden in der Reihenfolge ihrer Verwendung im Uhrzeigersinn angeordnet und bereitgestellt. Das empfiehlt sich beim Kochen generell, macht bei der Schnellkoch-Methode Wok noch einen Zacken mehr Sinn.

Und natürlich kommt es auch auf das richtige Werkzeug und die Technik an. Wie verteilt man Hitze, wie rührt man? Was ist der richtige Wok? Neun hilfreiche Buchseiten geben dazu Auskunft. Ideal ist ein perfekt eingebrannter (wok hei), leichter, runder Wok aus Karbonstahl auf einer möglichst starken Gasflamme. Kein Wunder, warum unser heimisches Asia-Essen aus der Discounter-Wokpfanne (beschichtet und für unsere Glas-Kochfelder abgeflacht) nie so schmeckt wie im billigsten Imbiss. Mit Jeremy Pangs Rezeptbuch aber können wir uns dem näher kochen. Dies durch die Länderküchen von China, Thailand, Vietnam, Singapur und Malaysia, Indonesien und Philippinen sowie Korea und Japan, und auch mit Gerichten, in denen der Wok nicht nur zum Rühren sondern auch als Gargeschirr zum Dämpfen, Dünsten oder Frittieren dient.

Jeremy Pang: School Of Wok– einfache Asia Rezepte. Schneller gekocht als geliefert (School of Wok – Delicious Asian Food in Minutes, 2022). Deutsch von Johanna Hofer von Lobenstein. Verlag Dorling Kindersley, Mübchen 2023. 208 Seiten, 19,95 Euro.

Villa mit Köchin, aber was für eine

(AM) Warum nicht auch mal ein Kochbuch? Die Detailverliebtheit, die Auswahl der richtigen Elemente, die richtige Dosierung, das Durcheinander, die Liebe zur Sache, die Mischung von all dem, der Applaus und die Unmittelbarkeit beim Kochen sind schließlich das Gleiche wie in der Musik, findet Herbert Grönemeyer in der Einleitung zu fatto a mano, eines ihm und seinem Musikproduzenten Alex Silva mit „handverlesenen Rezepten“ gewidmeten (ersten) Kochbuchs der aus Salerno stammenden Meisterköchin Lorena Autuori. Erschienen im at Verlag, mit zwei Lesebändchen und Farbschnitt ausgestattet, großzügig gestaltet und vorzüglich mit Fotos illustriert, ist dies eine Feier der Einfachkeit der italienischen Hausmacherküche (Cucina Casalinga) speziell Umbriens und Kampaniens.

Grönemeyer und Silva hatten sich nach San Gemini in Umbrien zurückzogen, um das neue Album „Das ist los“  – („Und immer wieder Neuanfang / Die Welt dreht sich im Schleudergang…“) – zu produzieren. In der Welt von Vielfach-Millionär Grönemeyer mietet man in solchen Situationen eine ganze Villa, neun Schlafzimmer oder mehr, die Woche für ab runde 20.000 Euro; dafür gibt es Agenturen und einen Concierge-Dienst. Der empfahl Lorena Autuori als Köchin – und was sie auf den Tisch brachte, begeisterte die Musiker so sehr, dass daraus dieses Kochbuch wurde. Grönemeyer-Tochter Marie wurde als Kreativ-Direktorin aktiv.

Sympathisch ist, dass das Buch mit Drinks beginnt (auf Italienisch Aperitivi) und dann völlig unprätentiös, bodenständig und unkompliziert an die 60 Rezepte für Antipasti, Primi, Secondi, Contorni und Dolci präsentiert. Lorena Autuori kommt ausreichend und begeisternd zu Wort. Dies ist ihre Show.

Fatto a mano. Lorena Autuoris italienische Küche – Handverlesene Rezepte für Alex Silva und Herbert Grönemeyer. At Verlag, Aarau und München 2023. Hardcover, 208 Seiten, 94 Farbfotos, 32 Euro.

Perfekt, aber mit Fehlern, Hauptsache Spaß

(AM) Verwunderlicher Weise ist dies das erste Buch des britischen Spitzenkochs Heston Blumenthal in deutscher Sprache. Möglicherweise ist es zudem sein zugänglichstes. Der Autodidakt verfiel dem Kochen, als er 16jährig mit seinen Eltern ein Drei-Sterne-Restaurant in der Provence besuchte. Für sein Restaurant „The Fat Duck“ erkochte er sich die begehrten drei Michelin-Sterne in Rekordzeit, hält sie seit Jahren ununterbrochen. Zweimal schon wurde es zum besten Restaurant der Welt gewählt. 

Hestons Ansatz war lange Zeit wissenschaftlich geprägt, er erforschte und erstellte Molekularprofile und kombinierte scheinbar Unmögliches wie Bacon&Egg-Eis. „In Search of Perfection“ (2006) hieß sein zweites Kochbuch, „Kitchen Chemistry with Heston Blumenthal“ eine seiner TV-Serien. „Multi-sensorisches Kochen“ nennt er seine Kunst. Essen, so argumentiert er, „ist eine der wenigen Aktivitäten, die gleichzeitig alle Sinne involviert“.

Nun also Ist das ein Kochbuch? Abenteuer in der Küche, ein Buch, das auch das Genre neu erfinden will. Eine Denk- und Kochschule mit Rezepten und viel mehr. Das Buch will die Perspektive verändern, mehr Gewicht auf den Spaß legen, auf die sinnliche Anregung, das Erkunden, ohne Angst vor Fehlern. „Vergessen Sie die Perfektion, feiern Sie das Unvollkommene“, feuert Heston uns an. 

Zu den 70 Rezepten gehören ein „achtsames Sandwich“, ein Frühstücksbüffet, ein komponierter Salat, eine Fermentier-Station, ein Treffen bei den Klassikern: bei ihm Steak mit Jus, Fish and Chips, Spaghetti Carbonara, Frischfrikadellen, Käsenudeln, Chili con carne, Brathuhn und Bratensauce. Und natürlich auch einige seiner Signaturgerichte, zum Beispiel seine Besessenheit für Bratkartoffeln mit der richtigen Konsistenz, außen knusprig, innen weich: Er kocht er sie und brät sie dafür zweimal auf dem Blech.

Für sein Kochbuch hat er sich mit dem Comic-Künstler, Grafikdesigner, Kinderbuch-Illustrator, Jazz-Pianisten und Filmemacher David Tench McKean zusammengetan, der mit Neil Gaiman eine Reihe von Graphic Novels schuf. Auf den linken Seiten zeigt das Buch das „Mensch-Tun“: Zutaten, Mengen, Anweisungen, Rezeptfotos. Rechts findet sich das „Mensch-Sein“: Hestons Anmerkungen und McKeans wilde Illustrationen, all die Elemente, die das Rezept für Heston spannend machen, eine Art Portal für die Phantasie und die kulinarische Kreativität. Blumenthal nennt es „Quanten-Möglichkeiten“. Ein Buch also für Quantensprünge. Fröhliches Hechten!

Heston Blumenthal: Ist das ein Kochbuch? Abenteuer in der Küche (Is This A Cookbook? Adventures in the Kitchen, 2022). Aus dem Englischen von Susanne Bonn. Illustrationen von Dave McKean, Fotos von Haarala Hamilton. at Verlag, Aarau und München 2023. Hardcover, 368 Seiten, 42 Euro.

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