Wer liest, sammelt Sätze. Manchmal bewußt. Manchmal ist ein einziges Wort ausschlaggebend: hartnäckig taucht es immer wieder auf. Fliege, zum
Beispiel. Oder Mitternacht. Oder Asphalt. In ganz unterschiedlichen Büchern und Zusammenhängen, bei ganz unterschiedlichen Schriftstellern. Solche Fliegensätze oder Mitternachtssätze oder Asphaltsätze finden, immer elf an der Zahl, in der Serie ‚Spielwort‘ ihren Platz. Ein Spaß, ein Zeitvertreib. Und eine andere Art, auf Bücher zu deuten.

Spielwort: Zwiebeln

Elf Zitate zusammengelesen von Ingrid Mylo

            Ich binde mir die Schürze um und schneide Zwiebeln, schneide Zwiebeln, schneide Zwiebeln, ganz dünn, bis ich mir den Finger anschneide.
– Ariana Harwicz: Stirb doch, Liebling

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            (…) // während ich Zwiebeln schneide und weine, // erinnere ich mich an all die schrecklichen Küchen, // (…)
– Mirela Ivanova: Küchen

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            Mir gefällt es, daß es auch Leute gibt, die ohne Zwiebeln weinen; sie weinen besser.
– Sara Baume: Die kleinsten, stillsten Dinge

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            Mein Vater griff sich ein paar Servietten und wischte sich damit über die Stirn; von Zwiebeln geriet er immer ins Schwitzen.
– Rivka Galchen: Die Immobilie

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            Daher führt eine Anweisung wie „man nehme zwei mittlere Zwiebeln“ zu ausgiebigem pedantischen Wühlen im Zwiebelkorb, um eine zu finden, auf die diese Bezeichnung paßt (da „mittel“ ein relativer Begriff ist, muß man dazu natürlich sämtliche vorhandenen Zwiebeln vergleichen).
– Julian Barnes: Feingehackt und grobgewürfelt

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            „In meinem Französichkurs lernen wir diese Woche, wo Loic und Jacques ihre Zwiebeln kaufen.“
– Nina Riggs: Die helle Stunde

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            Ich war in der Gemüseabteilung auf der Suche nach roten Zwiebeln, als mein Bruder sich von hinten anschlich, laut „Hatschi!“ rief und dabei ein Bündel nasser Petersilie durch die Luft wedelte.
– David Sedaris: Jetzt sind wir zu fünft

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            Aber sie hatten beide im letzten Jahr einen leichten Herzinfarkt gehabt, erst sie – ein Gefühl, sagte sie, als hätte sie zum Abendessen zu viele von den gegrillten Zwiebeln gegessen.
– Elizabeth Strout: Winterkonzert

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            Als ich am nächsten Morgen aufstand, schwamm die Zwiebel dort im kalten Öl wie ein Vorwurf.
– Elena Stancanelli: Die nackte Frau

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            Ma sagte, daß das Wort „Zwiebel“ aus dem Schriftzeichen Yang (unendlichkeit, eine Vielzahl enthaltend) besteht, und damit ist Zwiebel die Wurzel der Unendlichkeit.
– Madeleine Thien: Sag nicht, wie hätten gar nichts

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           „Die Sonne scheint, der Regen fällt, und die Zwiebeln wachsen.“
– Paul Jesson als William Turners Vater in Mike Leighs Film ‚Mr. Turner‘

Friedhöfe

Elf Zitate zusammengelesen von Ingrid Mylo

            Die Woche hatte so unglücklich begonnen, und nun stand ich hier auf dem Friedhof und war auf eine seltsame Weise glücklich und aufgeregt.
– Nicolas Barreau: Das Lächeln der Frauen

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            B schaut sie an und versichert, daß er keine Lust habe, irgendeinen Friedhof zu besuchen.
– Roberto Bolañjo: Vagabunden in Frankreich und Belgien

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            Ja, dachte sie, aber von hier aus ist wiederum der Friedhof nicht weit, wo der Rest der Familie liegt.
– Zsófia Bán: Drei Versuche mit Bartók

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            Berühmte Freidhöfe werden gut gepflegt.
– Patricia Cornwell: Blendung

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            Er könne Friedhöfe nicht ausstehen, sagte Nietzsche, wenn er könnte, würde er den Tod abschaffen, im Grunde kämpfe er nicht nur gegen die Dummheit, sondern auch gegen den Tod.
– Christian Schärf: Ein Winter in Nizza

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            Dennoch war es ein Erlebnis für sich, wenn im schwindenden Licht des Spätnachmittags auf dem menschenleeren Friedhof die Melodie von ‚Old Black Joe‘ ertönte.
– Haruki Murakami: Pinball 1973

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            Überhaupt schien ihm der Friedhof der schönste Garten des Dorfes zu sein, hier zu sterben hieß ganz offensichtlich anzukommen, nicht zu gehen.
– Tim Krohn: Letzte Nacht

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            Hör zu, ich will auf keinen Fall auf einem Friedhof bei all den anderen Toten begraben werden.
– Jennifer Clement: Gebete für die Vermißten

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            (…), dachte darüber nach, daß mir manches von dem, was ich schrieb, auf einem öffentlichen Friedhof eingefallen war, auf dem christliche Missionare begraben waren, die zu früheren Zeiten verfolgt und getötet worden waren, (…)
– Jung Young Moon: Vaseline-Buddha

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            Das Seltsame an diesem Friedhof war, daß die Namen sich wiederholten.
– Georgi Gospodinov: Physik der Schwermut

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            Auch Friedhöfe helfen nicht weiter.
– Ilma Rakusa: Graz

Spielwort: Zigaretten

Elf Zitate zusammengelesen von Ingrid Mylo

            Er hatte von Anfang an ziemlich unglücklich ausgesehen, wie er, tief an einer Zigarette ziehend, unter dem Schild BITTE NICHT RAUCHEN stand und die Asche in die Tasche seines Jacketts abklopfte, das ihm zu klein war.
– Siri Hustvedt: Was ich liebte

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           Im Mund hatte er eine nicht angezündete Zigarette, an der er saugen würde, bis sie naß war, dann würde er sie wegwerfen und sich eine neue zwischen die Lippen stecken.
– Åke Edwardson: Eiszeit

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           Gloria hat die Angewohnheit, wenn sie sich eine Zigarette ansteckt, den Rauch ganz schnell durch die Zähne einzuziehen, und dabei macht sie so ein schneidendes Geräusch, als ob sie vor Schmerz aufstöhnt.
– John Banville: Die blaue Gitarre

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            Sie versuchte sich vorzustellen, wie der Täter nach der Untat mit dem Opfer im Arm dalag und mit einer Zigarette zwischen den Lippen den Moment genoß.
– Jo Nesbø: Durst

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           Er wachte früh auf, und während ich nichts wollte als weiterschlafen, zündete er sich eine Zigarette an, lag da und rauchte, und ich lag da und wartete, bis er mit dem Rauchen fertig würde.
– Lydia Davis: das Ende der Geschichte

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            Erst kürzlich habe ich irgendwo gelesen, daß der Betrag, den ein Raucher pro Jahr für Zigaretten ausgibt, reicht, um davon in Urlaub zu fahren: niemand hat untersucht, ob es auch Menschen gibt, die rauchen, um nicht mit ihrer Familie verreisen zu müssen.
– Lize Spit: Und es schmilzt

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            Der Bauarbeiter rauchte seine Zigarette und fing dann aus irgendeinem Grund laut zu lachen an, wobei er sein Zahnfleisch zeigte.
– Durian Sukegawa: Die Insel der Freundschaft

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            Gretchen sagt, die drei besten Gelegenheiten für eine Zigerette sind: 1. nach dem Essen 2. nach dem Sex 3. wenn man geweint hat
– David Sedaris: Wer’s findet, dem gehört’s

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            Zwischen Kunst und Liebe, zwischen Unterdrückern und Unterdrückten gab es immer Zigaretten.
– Julian Barnes: Der Lärm der Zeit

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            mein Mann hatte vor einer Weile mit dem Rauchen wieder aufgehört, dann aber wieder damit angefangen und mir vorgeworfen, die Unruhe, die neuerdings von mir ausginge, habe ihn zu den Zigaretten „zurückgetrieben“
– April Ayers Lawson: Verletzbarkeit

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            Die Packung Zigaretten, die um Mitternacht in die Mülltonne geworfen wird, wird am nächsten Tag wieder herausgefischt: und das ist so wunderbar, wie es das Wegwerfen gewesen war.
– Lena Andersson: Unvollkommene Verbindlichkeiten

Hier ménage à trois (1): Bahnhöfe, Fliegen, Lippenstift
ménage à trois (2): Stühle, Socken, Sterne
ménage à trois (3): Telefon, Zähne, Scherben

Vier Blicke auf Ingrid Mylos neuesten Gedichtband „Überall, wo wir Schatten warfen„
Ingrid Mylo bei uns auf CulturMag.