Geschrieben am 10. August 2013 von für Carlos, Crimemag, Kolumne

Carlos

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Carlos leidet NICHT, darauf legt er Wert, in diesen Zeiten. Nein, er hat gar Glück:

Man möge doch, so lehren uns manche Philosophen, sehr aber Esoterikärsche und Motivationslumpen, immer mal wieder bedenken, wie oft man im Leben Glück gehabt habe, statt sich immer nur wieder in erlittenem Leid zu suhlen.
Gibt es einen besseren Monat als Sonnengott Augustus, um damit ernst zu machen?
Zunächst einmal hatte ich Glück, dass ich nicht im hungernden Biafra, sondern im tödlich hässlichen Pforzheim aufwuchs.
Das erläuterte mir mein Vater stets, wenn ich krank im Bett lag. Zur Verdeutlichung zeigte er mir ein Foto eines afrikanischen Kindes, das in einem umgekippten Karton schlief.
(Mein Vater ist kein schlechter Mensch, sogar ein besonderer: Als einziger mir bekannter Mann hält er „Sieben“ für eine Komödie – er hat den Film gesehen …)

Dann hatte ich nochmal Glück, nämlich, dass ich in Pforzheims bestem Gymnasium war, zumindest behauptete das humanistische Institut solches von sich. Es war ein düsterer Betonbau, erfüllt von Sadismus und Fabrikantennachwuchs – der Sadismus alleine war vergleichsweise angenehm.
In der 7. Klasse zerschlug mir ein Juniorchef die Brille, weil meine Eltern SPD wählten. Anlässlich des Abiturs hatte ich eine Beleidigungsklage meines Lateinlehrers am Hals – zum Glück folgenlos.

Das größte Glück war aber dann 1984 Pforzheim verlassen zu können. (Ich berichtete schon von dieser Schmuckmetropole …) Zunächst bereiste ich drei Monate Indien, wo ich dann wirklich Glück hatte. In einem christlichen Ashram, in dem ich mich sehr unwohl bebetet und sozusagen von Schwärmerei erdrückt fühlte, sprach mich ein junger Mann aus Kerala an: Wer ich sei usw.
Ich nannte meinen Namen, mein Herkunftsland und was ich zu studieren plante: Damals Germanistik und Philosophie.
Der junge Mann wurde nervös, fragte angespannt, wie alt ich sei: Ich war 20. (War ich das wirklich mal?) Er entspannte sich und erklärte auch warum: Ein buddhistischer Mönch habe ihm einst geweissagt, der Antichrist käme bald. (Was das einen Buddhisten zu kümmern hat, ist mir bis heute nicht klar.) Antichrist sei Deutscher, er studiere Philosophie und sei – 22.

Es brauchte eine Weile, bis mir klar wurde, dass der närrische Bruder mich wahrscheinlich ermordet hätte, wenn ich zwei Jahre älter gewesen wäre.

Noch ein großes Glück verbinde ich mit dem indischen Subkontinent, nämlich, dass ich nie mehr dort war.

So. Das war doch jetzt schon mal ein Pfundsglück insgesamt – und natürlich (2.!) Ehefrau, Sohn, alles andere, prima!

Überhaupt geht es ja um Blümelein am Wegesrand. In unserem Sträßchen gibt es die aber nicht, denn Nachbar G., wie er mir verschmitzt mitteilte, tropfe da immer ein wenig Gift darauf, das er noch „von früher“ habe. Mit dem hat er auch schon einen Bambus, einen Efeu und einen Siebenschläfer umgebracht. Wahrscheinlich auch seine Frau, Witwer ist er jedenfalls.

Meine Mutter war eine kluge und mutige Frau, als ich klein war, war sie allerdings schwer depressiv, was mein Vater nicht merkte – wie gesagt: „Sieben“ ist eine Komödie. Das bedeutet für eine sich bildende Identität die ein oder andere Kalamität. Um eine depressive Mutter aufzuheitern, muss man als Dreijähriger alles geben. Ich tat es mit der Formulierung: „Mama, sei gefröhlicht, dass die Schränke nicht umfallen.“

Und wahrlich sage ich heute noch: Schluss mit dem Gejammer wegen ein bisschen Krebs, Nazikindern oder verrückt gewordenem geheiratetem Menschenmüll!

Was für ein Glück, dass die Schränke nicht umfallen!

Carlo Schäfer

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