Von Fischen und Drogen
Von Sonja Hartl
Es ist die einfache und altbekannte Geschichte eines schief laufenden Drogendeals, die Cynan Jones in „Alles, was ich am Strand gefunden habe“ erzählt. Jedoch nutzt er sie lediglich als losen Rahmen, um über drei Männer zu erzählen, die die Möglichkeit, mehr Geld zu machen, in Gefahr bringt. Dass sie es nicht alle überleben werden, macht schon der starke Prolog deutlich: ein Mann liegt tot am Strand, ein anderer fragt sich, was er getan hat. Aber man weiß hier noch nicht, von wem die Rede ist. Vielmehr nimmt hier eine erschütternde Erkenntnis ihren Anfang: Ihre Leben scheinen austauschbar, bedeutungslos.
Es ist diese Bedeutungslosigkeit, gegen sie aufbegehren wollen. Da ist Holden, der seinen besten Freund verloren hat und sich seither um dessen Frau, Sohn und Haus kümmert, damit er ein altes Versprechen halten kann. Er verdingt sich als Fischer, als Jäger, als Gelegenheitsarbeiter, kennt die Gegend an der walisischen Küste – und vor allem die Natur. Außerdem gibt es Grzegorz, der mit seiner Frau und seinem Sohn von Polen nach Wales ging, um ein besseres Leben zu finden. Aber nach über einem Jahr hocken sie immer noch in der Zwischenunterkunft mit zu vielen anderen Menschen und er arbeitet für wenig Geld auf einem Schlachthof. Und schließlich gibt es noch den irischen Dealer Stringer, der lange im Gefängnis war und nun überzeugt ist, dass ihm ein anderer Platz zusteht in der kriminellen Organisation – und im Leben. Verbunden werden diese drei Lebenslinien zum einen durch drei Päckchen mit Drogen, die einer verliert, ein anderer findet und der dritte zurückhaben will. Und zum anderen durch die Wirtschaftskrise, die es auf andere als kriminelle Weise unmöglich erscheinen lässt, sich von der Stelle zu bewegen, eine Besserung zu erzielen.
Nicht ganz kann der Roman das Versprechen einlösen, dass er mit seinem Prolog gibt. Etwas zu häufig greift Cynan Jones auf die Schilderungen von Natur und Tieren zurück, um etwas über die Charaktere auszusagen. Sicherlich verweisen die Schilderungen von dem Ausnehmen der Fische, der Innereien von Rindern, dem Aushöhlen von Kaninchen in der feuchten, stets bewölkten Küstengegend einiges über Holdens und Grzegorzs’ Leben aus, diese für sie alltäglichen Verrichtungen verweisen auf die Leere und die Enge, die die Leben dieser Männer prägen. Aber hier hätte sich Cynan Jones noch kürzer fassen können, wären die wiederkehrenden Schilderungen noch stärker, wenn sie noch reduzierter wären. Aber das ist nur ein kleiner Kritikpunkt an dieser sehr eindringlichen Abhandlung über die menschliche Natur.
Sonja Hartl
Cynan Jones: Alles, was ich am Strand gefunden habe. Übersetzt von Peter Torberg. Liebeskind 2017. 240 Seiten, 20,- Euro