2016 ist das 500. Todesjahr von Jheronimus van Aken alias Hieronymus Bosch. Die Niederlande ehren den Maler mit einer großen Ausstellungund anderen, vielfältigen Aktivitäten. Boschs Werk war und ist Gegenstand der unterschiedlichsten Auslegungen und Interpretationen, die versuchen, seine phantastischen, bizarren und oft schlicht rätselhaften Gestalten, Pflanzen, seine Mischwesen und seine offensichtlich mehrfach codierten Bilderwelten sinnhaft zu entschlüsseln. Surreale, absurde, grausame und komische Bildwelten, die sich tief ins kollektive Gedächtnis gegraben haben, egal, ob man seinen Intentionen gerecht wird oder nicht. Denn Selbsterklärungen oder Aussagen zu seinen Werken gibt es nicht. Nur deren Faszinosum und deren Wirkmächtigkeit. Deswegen haben wir Ulrich Fritsche gebeten, jeden Monat in diesem Jahr ein Bild oder einem Bildausschnitt zu beschreiben und zu erläutern. Zu Folge 1, zu Folge 2, zu Folge 3, zu Folge 4.
Verborgener Sinn im Werk des Jheronimus Bosch (Folge 5)
Diesmal: „Garten der Lüste“. Mitteltafel, Mittelgrund: Ausschnitte
von Ulrich Fritsche
Übersicht
Zuerst werden der Aufbau des Mittelgrunds und der Sinn des „Tierkreises“ skizziert. Dann werden erläutert: der zentrale Frauenteich, die Szenen links und rechts vom Tierkreis, schließlich beispielhaft die beiden letzten Gruppen des Reiterzuges rechts.
Bild 9: „Der Garten der Lüste“, Mitteltafel, Mittelgrund: Übersicht
Bildnachweis: © Wikimedia Commons (public domain)
Der „Tierkreis“ als Sinnbild körperlichen Kreislaufs
Der Mittelgrund ist nach oben durch Gewässer, nach unten durch eine schmale Waldzone begrenzt. Männer reiten um einen Teich, in dem Frauen baden. Im Hinblick auf Fruchtbarkeit im weitesten Sinne werden außen Beziehungen zwischen Männern und innen Beziehungen zwischen Frauen behandelt.
Der „Tierkreis“ läuft wie der astrologische entgegen dem Uhrzeigersinn. Übereinstimmung ist nur insofern beabsichtigt, als der Frauenteich an die Sonne denken lässt und sich die Männer analog zu den Tierkreiszeichen bewegen.
Im enormen Gedränge ist kaum vorstellbar, dass alles Platz hat – diesbezüglich hat sich der Maler Abweichungen von der platten Realität erlaubt.
Frauen befinden sich im Zentrum des Veränderung bewirkenden Kreislaufs: Sie spenden ja Leben. Davon werden die Männer angezogen und in Schwung gehalten. Der Teich hat Ei-Form, ist Gebären doch Frauensache. Hingegen ist die Bewegung beim Zeugungsakt vorrangig Männersache. Die Armhaltung der Frauen charakterisiert den Wunsch zu empfangen.
Zu erinnern ist an den wichtigsten Symbolschlüssel für dieses Gemälde: Vogel, Fisch, Landtier charakterisieren Geist, Seele, Körper von Menschen. Nach dem Tod verbleibt von einem Menschen der geistige Faktor, symbolisiert durch einen Vogel. Dieser kann wie ein Same „Körper“ annehmen, so dass sich neues Leben entwickelt. Das erklärt die Vögel am Frauenteich. Kinder sind hier zwar nicht explizit dargestellt, doch kommen diese nach altem Märchenglauben aus einem Brunnen…
Die Männer reiten auf Landtieren, denn der Trieb zur Vereinigung ist primär körperlicher Natur. Der Reiterzug veranschaulicht also die Vielfalt des körperlichen Faktors im Lebenskreislauf. Früchte zeigen, worauf es ankommt: gute Frucht zu erlangen. Beteiligt sind auch einige Vögel und drei Fische. Von den Seiten her gibt es Bestrebungen, die Geist bzw. Seele charakterisierenden Faktoren in den Tierkreis einzubringen, sind sie doch ebenfalls für Entwicklung und Fruchtbarkeit relevant.
Bestimmte Teile der Tiere können verstärkt ausgeprägt sein, was sekundär wieder auf Geist, Seele oder Körper verweist. Dazu gehören Schnabel oder Geweih als „Auswüchse des Kopfes“ und Schwänze als „Auswüchse des Hinterteils“. So ist ein spitzer Vogelschnabel mit „Stachel“ zu assoziieren und ein Geweih mit „Baum“. Auch die Menschen sind unter dem Aspekt der Polarität zu betrachten, die es zu überwinden gilt.
Der „Tierkreis“ hat für die Landtiere einen Zugang: Vom ersten Gebäude her, das „Geburt“ bedeutet, kommen Reiter auf Pferden. Sie sind noch undifferenziert, der Kreislauf führt zu Vielfalt. Gegenüber ist der Ausgang: rechts am fünften Gebäude, das „Tod“ bedeutet. Geburt und Tod sind gleichsam die Schranken. Streng genommen hat der Reiterzug ovale Form entsprechend antiken Wagenrennen.
Bild 10: „Der Garten der Lüste“, Mitteltafel, Mittelgrund: Frauenteich
Bildnachweis: © Wikimedia Commons (public domain)
Der Frauenteich
Links gleitet eine Frau ins Wasser. Sie ist schwarz, was Isolation bedeutet. Auf dem Kopf ein weitgehend dunkler Pfau, dessen langer Schwanz den Boden berührt: Eitelkeit führt zu geistiger Erniedrigung. Eine Hand ist auf den Boden gestützt, mit der erhobenen anderen Hand wird rote Frucht angeboten: In zwiespältiger Lage ist die Pfau-Trägerin bereit, gute Nachkommenschaft wegzugeben! Zwar haben die hellhäutigen Frauen gegenüber schon je eine rote Frucht auf dem Kopf, wollen aber mehr. Dabei ist Veränderung zu beobachten: Die erste weiße Frau streckt beide Hände aus, die zweite wendet den Kopf, die dritte schlingt einen Arm um den Leib der zweiten. Die noch stärker abgekehrte vierte Frau ist wieder schwarz, hat keine geistige Frucht und verlangt auch nicht mehr nach solcher. Eine bis zum Hals im Wasser steckende Schwarze stellt das nächste Stadium dar: Sie kann wählen zwischen der Frucht auf dem Kopf der Nachbarin am Ufer und jener auf dem herausgestreckten Hinterteil einer gebückten Frau. Offenbar entscheidet sie sich für die körperliche Frucht! Zwar sind beide Früchte rot, doch sollte die geistige Frucht Vorrang haben.
In der Mitte drängen sich weiße Frauen um eine schwarze; die weißen Reiher auf den Köpfen charakterisieren unentschlossenes Verhalten. Ein rötlich-weißer, aufwärts gewandter Vogel verlässt den Teich, was Besserung signalisiert. Drei tief im Wasser steckende Paare – wohl allesamt Frauen – veranschaulichen verschiedene Zweierbeziehungen: Gegeneinander, Miteinander, gleichgültiges Nebeneinander. Die Frauengruppe weiter rechts ist durch schwarze Vögel gekennzeichnet, entsprechend Trend zur Isolation. Zwei größere Vögel neigen sich über den Uferrand um zu trinken. Sie waren wohl beide weiß und verfärben sich nun verschieden! Die Oberseite des einen rötet sich, Unterseite und Schnabel des anderen werden schwarz. Das dem Element Wasser zugeordnete seelische Prinzip ermöglicht also dem geistigen Lebensfaktor, durch Kontakt mit dem Körper besser oder schlechter werden.
Mit der links in den Teich gleitenden Frau kontrastiert die rechts hinaussteigende. Ihre Arme zu Hilfe nehmend ähnelt sie einem Vierfüßler und leitet damit zu den Reitern über.
Bild 11: „Der Garten der Lüste“, Mitteltafel, Mittelgrund: links vom Tierkreis
Bildnachweis: © Wikimedia Commons (public domain)
Links vom Tierkreis
Einordnung in den Reiterzug kann schwierig sein. Ganz links bückt sich ein Mann so weit, dass der Kopf tiefer als der Hintern ist und seine Hände die Füße berühren. Eine Art Stachel richtet sich aufwärts gegen das benachbarte Wäldchen. Dieser Mensch verachtet das Leben und sondert sich ab, was zu geistiger Erniedrigung führt. Verstohlen beobachtet er ein hasenähnliches Tier mit Hörnern: Abwehrhaltung resultiert aus Angst.
Die Menschen weiter vorn fassen das Leben als Lehrstück auf.
Das halbkugelige Gebilde mag Teil einer Fruchtschale sein, die Punkte lassen an einen Marienkäfer denken und bedeuten „Samen“. Was daraus sprießt, biegt sich nach rechts und trägt zwei Früchte. Ein nach links gekrümmter Seitentrieb bringt acht kleinere Früchte im Halbrund. Alle Früchte sind blassrot bis auf helle Glanzlichter und schwarze Blütenstipse. Ein Mann hängt dort kopfunter mit ausgebreiteten Armen, als wäre er selbst Frucht. Die Füße nicht zum Gehen, sondern zum Festhalten gebrauchend, vermag er sich nicht zu entscheiden: Sind viele kleine oder wenige große Früchte vorzuziehen? Vermehrung durch bloße Teilung ist nutzlos.
Der Kamerad unter der Halbkugel hat sich nach oben abgekapselt, erkennt die Richtung nur durch einen Spalt. Seine Arme wie Beine benutzend, krabbelt er äußerst mühsam voran. Arme sind gewissermaßen Glieder des Geistes und Beine Glieder des Körpers. Die oberen Extremitäten haben Folgen für die unteren und umgekehrt. „Tat“ und „Weg“ sind gekoppelt entsprechend dem Begriff „Karma“. Was man tut, bestimmt den weiteren Weg. Indem man etwas verändert, wandelt man sich auch selbst! Wer sich abkapselt, nimmt am Kreislauf des Lebens nicht wirklich teil. Selbstsucht lässt die beiden Menschen des Käfer-Motivs das Ziel verfehlen: Rückkehr zu Gott durch Vereinigung. Der obere verweigert sich dem Wandeln, der untere dem Handeln.
Auf dem Weg zum Tierkreis baut sich pyramidenförmig ein äußerst seltsames Wesen mit Vogelmerkmalen auf: weißer Vogelkopf mit überlangem Schnabel, umkrallt von einem der abgespreizten roten Beine. Auch hier ein dunkler Hase als Symbol für Furcht. Auf den Schultern der Pyramidengestalt steht mit den Händen ein Mensch, bis auf die Gliedmaßen eine rote Frucht bildend ‒ sein Kopf scheint mit dem Vogelkopf identisch. Rumpf des Ungetüms ist eine blauschwarze Frucht, anstelle richtiger Flügel sind zwei untaugliche käferartige Flügeldecken vorhanden. Hier ist ein Konflikt zu beobachten: Aus schlechter geistiger Frucht kann gute werden und umgekehrt! Fruchtbarkeit ermöglicht Verbesserung, aber auch Verschlechterung, die zu mangelhaften Fähigkeiten führt.
Wie eine Glucke hütet dieses Wesen zwei Menschengruppen: Die einen drängen sich derart zusammen, dass sie nichts mehr sehen. Die anderen stehen auf dem Kopf und angewinkelten Armen, mit den Füßen den Bauch des Früchte-Vogels stützend. Sie sehen zwar den Reiterzug, können aber nicht dorthin gelangen. Die nach innen gewandten Kameraden müssten sich umdrehen und sehen lernen. Die nach außen gewandten müssten auf die Füße kommen um zu gehen.
Ein einzelner Mensch müht sich nach Kräften, den Früchte-Vogel am Schnabel in den Tierkreis zu ziehen. Das stachlige Gebilde bedeutet Tod, ohne den der körperliche Kreislauf freilich unmöglich wäre. Bewegung tut not!
Bild 12: „Der Garten der Lüste“, Mitteltafel, Mittelgrund: die Szenen rechts vom Tierkreis und die beiden letzten Gruppen des Reiterzuges rechts
Bildnachweis: © Wikimedia Commons (public domain)
Rechts vom Tierkreis
Rechts vom Tierkreis sind 5 Menschengruppen zu unterscheiden. Von der letzten Tierkreisgruppe aus steigt eine Erdfalte an. Die in diese Richtung drängenden Menschen erheben eine rote Zwiebelfrucht als positiven Lebensertrag. Ihre Körper verschwinden, und ihre Köpfe gehen in jungem Baumwuchs auf. Wer in geistiger Hinsicht Gutes geleistet hat, darf künftige Existenz auf höherer Stufe erwarten. Wer diesbezüglich versagt hat, wird mit den Affen konfrontiert, die sich links davon tummeln: zwar menschenähnlich, aber in geistiger Hinsicht mangelhaft.
Die riesige rote Blüte am Boden nahebei illustriert Verhaltensweisen bezogen auf Liebesbereitschaft. Das Halbrund der von weißen Samen-Punkten umrandeten Blütenblätter symbolisiert den Faktor „Seele“. Zahlreiche Menschen befinden sich in der Blüte und andere wollen hinein: Bestäubung als Sinnbild von Zeugung und Empfängnis. Ein Mensch in der Blüte stützt den Kopf träge in eine Hand. Der Vogel obenauf besiegelt den geistigen Charakter dieses Bundes. Das Weiß bedeutet „wertneutral“: Vermehrung beinhaltet Möglichkeiten zur Verbesserung wie zur Verschlechterung.
Die beiden Menschen am abwärts gerundeten Blütenstiel kontrastieren mit der in der Blüte vollzogenen Bindung. Sie berühren einander fast, doch müht sich der obere, den Stiel abwärts zu drücken und der untere, ihn zu heben: So kommt freilich keine Liebe zustande.
Ein dunkles, langschwänziges Kriechtier klimmt an einer Stange empor. Es will die am Ende befestigte Frucht fressen, in der Rot und Schwarz gemischt sind, entsprechend Gut und Böse. Die Haltung dieser Stange kontrastiert mit der durch einen Vogel markierten Arm-Bindung in der zuvor besprochenen Blüte. Für ein Kriechtier wäre eher waagerechte und für einen Vogel senkrechte Orientierung angemessen. Die von besagter Frucht-Stange her kommenden Menschen kontrastieren mit den links von der Blüte in einer Erdfalte verschwindenden, indem ihre Köpfe gewissermaßen Körper erlangen. Die vorderen strecken je einen Arm aus, um neue seelische Verbindung von Geist und Körper zu erlangen: Wiedergeburt!
Das Verlangen richtet sich auf die benachbarte Nixe, Symbol für Schwangerschaft. Sie krümmt sich dermaßen, dass der abwärts gerichtete Kopf die Mitte ihres fast kreisförmig aufwärts gebogenen Schwanzes berührt. Dabei stützt sie ihre ausgebreiteten Arme auf die gespreizten Beine eines gleichfalls umgekehrten Mannes, dessen Kopf und Arme verborgen sind ‒ falls überhaupt vorhanden. Arme sollten mit Armen und Beine mit Beinen Kontakt haben. Auch sollte gemäß mittelalterlicher Auffassung der Körper dem Geist untergeordnet sein wie die Frau dem Mann. Hier verbindet der Fischleib den weiblichen Oberleib mit dem männlichen Unterleib. Daraus resultiert degenerierte Nachkommenschaft. Die Menschen ringsum streben zwar nach innen, erniedrigen und verbergen dabei aber ihre Köpfe. Sie stellen die Hinterteile zur Schau, einer späht unter seinem Penis hervor. Schwarze Vögel zeigen, wie Überbetonung des Geschlechtstriebes geistigen Niedergang bewirken kann.
Das große rote Gebilde weiter links ähnelt einem Fischschwanz: Gemeint ist der auf den Körper bezogene Teil der Seele. In der Öffnung sind die Hinterteile dreier Menschen sichtbar. Der mittlere berührt mit seinen Beinen die der Nachbarn. Der Po dieser Gestalten ist rund wie eine Frucht, allerdings relativ dunkel mit auffallender Furche.
Nach hinten zu wird das rote Gebilde immer schmaler, die vielfache Kammerung lässt an einen Skorpion denken. Ein einzelner Kerl will das Ende heranziehen, stemmt sich jedoch mit den Füßen dagegen: Handeln, ohne sich wandeln zu wollen, kann nicht gelingen! Ein Partner wäre nötig, um das Untere nach oben und das Äußere nach innen zu kehren.
Zahlreiche Kameraden tragen das Schwanzgebilde auf Händen und Köpfen, laufen damit Richtung Tierkreis, obwohl sie das Ziel noch kaum erblicken. Es gilt, den Lebenskreislauf, dessen Bewegung dem Körper zu verdanken ist, durch das Prinzip „Seele“ zu bereichern. Das ist grundsätzlich gut, wie die rote Farbe zeigt, doch bedeuten der kleine dunkle Bär mit schwarzem Vogel obenauf, dass schlechter Körper und schlechter Geist für die Seele zur Last werden können.
Dreizehnte Gruppe des Reiterzuges
Neben einem Kamel blickt man auf die Hinterteile von Pferden abgestufter Farbe. Ein Reiter fällt durch die Frucht auf, welche seinen Kopf bedeckt. Sie besteht aus mehreren kugeligen Teilfrüchten, doch spricht das Rot für Zusammenhalt. In geistiger Hinsicht hat dieser Mann demnach Gutes geleistet. Sein schwärzliches Reittier lässt allerdings auf Isolation in körperlicher Hinsicht schließen. Um entsprechenden Kontakt zu bekommen, berührt er seinen Nebenmann hinterrücks am Gesäß, was diesen veranlasst, sich zweifelnd an den Kopf zu greifen.
Gegenstück zu der roten Frucht ist ein blaues Boot, das zugleich an eine riesige aufgeplatzte Fruchtschale denken lässt. Die Menschen darin sind zum Aussteigen bereit. Ihre Haltung ähnelt jener von Ungeborenen im Mutterschoß. Gemeint ist „körperliche Frucht“.
Fazit: Geistige Frucht bewirkt hier Vereinigung, körperliche Frucht Trennung. Das lässt sich als gut bzw. schlecht bewerten, aber Leben beinhaltet beides!
Vierzehnte Gruppe des Reiterzuges
Drei Reiter am Ende des Lebenskreislaufs. Die Pferde unterscheiden sich sehr. Das schwarze klemmt seinen Schwanz furchtsam zwischen die Beine. Das weiße schleift seinen überlangen, glatten Schwanz achtlos hinterher. Das rote hat einen Stummelschwanz. Der körperliche Faktor hat also verschiedene Qualität angenommen. Was die Menschen vor sich haben, ist gleichsam der Ertrag ihres Lebens: Ein großer blaudunkler Fisch liegt auf dem Rücken, im scharfzähnigen Rachen ein kleinerer roter Fisch. Gemeint ist die Seele, das zwischen Geist und Körper vermittelnde Prinzip. Der schlechte Ertrag droht den guten zu verschlingen. Der dunkle Hase obenauf bedeutet Furcht. Die Reiter erwarten die „Abrechnung“ in unterschiedlicher Haltung. Der linke sieht zu dem mittleren hin, welcher sich bei dem rechten unterhakt. Letzterer stützt sich auf sein Pferd und berührt den dunklen Fisch, den alle gemeinsam zu tragen haben. Nur dieser Mann ist bereit, das selbst verursachte Schicksal anzunehmen.
Fazit: Mehr oder weniger berechtigt fürchtet man, das Ergebnis schlechter Taten würde jenes guter Taten vernichten. Die Bilanz am Lebensende fällt unterschiedlich aus, und das gilt in körperlicher, seelischer und geistiger Hinsicht. Die Leistung der Menschen in weitestem Sinne, ihre „Früchte“ bestimmen, was sich daraus in künftigem Leben entwickeln wird.
Ulrich Fritsche
Ulrich Fritsche ist Autor von bislang drei schön aufgemachten Büchern über Hieronymus Bosch und kommentiert auf Facebook regelmäßig Bosch-Bilder.
Im Taschen Verlag ist die ultimative Werkausgabe von Bosch erschienen, auf die wir hier hingewiesen haben.
Abbildungen: „Der Garten der Lüste”, Bildnachweis: © Wikimedia Commons (public domain)