Geschrieben am 2. Mai 2023 von für Crimemag, CrimeMag Mai 2023

Großbritannien als Butler der Unterwelt und der Geldwäscher

Großbritannien, in diesen Tagen, wäre so gerne etwas anderes: ein Land in Glanz und Gloria mit einem neu gekrönten König. Was dort aber glänzt, ist etwas ganz anderes als die obszön vergoldete Kutsche des Monarchen. Der Untertitel des hier vorgestellten Buches sagt es: Wie Großbritannien zum Butler von Oligarchen, Kleptokraten, Steuerhinterziehern und Verbrechern wurde. – Zur Sache mit der Monarchie lesen Sie gerne einen Blick von down under, aus der Feder von Garry Disher, hier bei uns.

Zuerst aber empfehlen wir Ihrer Aufmerksamkeit diesen Textauszug, mit freundlicher Genehmigung des Verlages.

Oliver Bullough: Der Welt zu Diensten. Wie Großbritannien zum Butler von Oligarchen, Kleptokraten, Steuerhinterziehern und Verbrechern wurde (Butler to the World – How Britain became the servant of tycoons, tax dodgers, kleptocrats and criminals, 2022). Aus dem Englischen von Rita Gravert und Sigrid Schmid. Verlag Antje Kunstmann, München 2023. 272 Seiten, 26 Euro. – Alf Mayers Besprechung bei „non fiction, kurz“ in dieser Ausgabe nebenan.

Kapitel 1 – Das Butlergeschäft

VOR EIN PAAR JAHREN fragte ein US-amerikanischer Akademiker an, ob ich mich mit ihm auf einen Kaffee treffen wolle. Sein Name war Andrew. Er recherchierte chinesische Geldanlagen und wollte von mir etwas über Vermögenswerte von Chinesen in London wissen und darüber, wie die britische Regierung sicherstellte, dass die Eigentümer ihren Besitz legal erworben hatten. Ich bekomme gelegentlich derartige Anfragen, weil ich Stadtführer bei den London Kleptocracy Tours bin, einer Rundfahrt zu den Immobilien in den Londoner Stadtteilen Knightsbridge und Belgravia, die Oligarchen gehören, und ich helfe gern, wenn ich kann. 

Wir trafen uns in einem Café im ersten Stock einer Buchhandlung in einem recht stattlichen Gebäude am Trafalgar Square. Um einen Streit beizulegen, hatten ukrainische Oligarchen das Gebäude im Jahr 2016 untereinander getauscht, so wie mein Sohn nach einem Streit auf dem Spielplatz einem Freund eine seltene Fußballkarte gibt. Ein witziger Zufall angesichts des Themas, das Andrew und ich besprechen wollten. 

Andrew kam gut vorbereitet zu unserem Treffen und hatte eine Checkliste, die er abarbeiten wollte. Offensichtlich wollte er von mir Namen hören von Leuten, mit denen er sonst noch reden konnte. Welche Strafverfolgungsbehörde ging in erster Linie gegen chinesische Geldwäsche vor? Mit wem konnte er bei dieser Behörde am besten sprechen? Welche Staatsanwälte hatten die besten Fälle vor Gericht gebracht? Wer hatte die effektivsten Nachforschungen dazu durchgeführt, wie viel chinesisches Geld im Vereinigten Königreich kursierte und in was dieses Geld vor allem angelegt wurde? Welche Politiker wussten am besten über dieses Thema Bescheid, und wie organisierten sie sich? 

Wegen der gemeinsamen Sprache glauben US-Amerikaner und Briten oft, ihre Länder seien sich ähnlicher, als sie es in Wirklichkeit sind. Das geht mir leider genauso. Wenn ich in den USA recherchiere, bin ich immer erstaunt, wie bereitwillig Amtsträger sich mit mir treffen und über ihre Arbeit sprechen. Ich rufe sie ohne Empfehlung an, und doch vertrauen sie mir, dass ich die Details unserer Gespräche vertraulich behandle. Gerichtsakten sind leicht zugänglich und Staatsanwälte bereit, darüber zu reden. Den Politikern scheint es tatsächlich wichtig zu sein, ihre Arbeit einer breiteren Öffentlichkeit nahezubringen, was dazu führt, dass sie sich gerne mit Autoren wie mir unterhalten. US-amerikanische Journalisten beschweren sich über ihre Arbeitsbedingungen wie alle Journalisten überall, aber wenn man als Europäer in den USA über Wirtschaftskriminalität recherchiert, fühlt man sich wie ein Kind im Spielwarenladen. 

Andrew musste jedoch feststellen, dass die Überraschung in umgekehrter Richtung nicht ganz so erfreulich war. Er hatte wohl gehofft, dass ich ihm ein paar Kontakte vermitteln würde zu den entsprechenden Leuten in Großbritannien, wie ich sie bei meinen Besuchen in Miami, Washington, San Francisco und New York ohne große Probleme gefunden hatte. Vielleicht befürchtete er auch, dass ich ihm keinen Einblick in mein Adressbuch gewähren würde, aber er schien gar nicht auf die Idee gekommen zu sein, dass ich gar kein Adressbuch hatte, in das er hätte schauen können; dass die Kontaktleute, die er suchte, gar nicht existierten. 

Es gab keine konzertierten Maßnahmen der Strafverfolgungsbehörden gegen chinesische Geldwäsche. Ich sagte Andrew, es gäbe im Grunde keine Ermittler, die mit ihm sprechen könnten. Es gab praktisch keine Strafverfolgung, sodass er sich auch nicht über deren Stand informieren konnte, und es wurde auch so gut wie nicht nachgeforscht, wohin die Gelder fließen, wie sie dorthin gelangen, oder auch nur, wie viel Geld überhaupt im Umlauf ist. 

Er probierte es mit immer neuen Fragen aus verschiedenen Richtungen, als glaube er, er müsse nur das richtige Passwort finden, um die Tür öffnen zu können, hinter der sich die britischen Vollzugsorgane verbargen. Wo war die Entsprechung der International Corruption Squad des FBI? Wer machte die Arbeit der Kleptokratie-Taskforce im US-Justizministerium? Was war mit den Homeland Security Investigations; gab es in Großbritannien etwas Entsprechendes? Trugen britische Staatsanwälte Beweismaterial zusammen, wie man es im Southern District in New York tat? Konnte es für jemanden zum Karrieresprungbrett werden, wenn er einen großen chinesischen Geldwäschering zu Fall brachte? Welche parlamentarische Untersuchungskommission beschäftigte sich mit dem Thema? Irgendjemand musste es doch wohl tun! Während er sprach, sah ich die Situation zunehmend mit seinen Augen und gewann so eine Perspektive, die mir völlig neu war. 

Das Problem war, dass er immer neue Passwörter ausprobieren konnte, bis die Felswände von selbst zusammenfielen, ohne dass es das Geringste brachte: Es gab keine Schatzhöhle, die sich ihm hätte öffnen können. Wenn er herausfinden wollte, wie viel chinesisches Geld nach Großbritannien floss, wer es bewegte und was damit gekauft wurde, musste er die Arbeit selbst machen und dabei ganz von vorn anfangen. Andrew war nach London gekommen, um herauszufinden, wie Großbritannien illegale Finanzgeschäfte bekämpfte, und musste feststellen, dass es gar nicht geschah. Ganz im Gegenteil. 

Natürlich hilft nicht nur Großbritannien chinesischen Kleptokraten und Kriminellen bei der Geldwäsche. Das Schattenbanksystem, dessen sich chinesische Kriminelle bedienen, ist von Natur aus grenzübergreifend. Es überschreitet Ländergrenzen und erhält seine Macht und seine Widerstandsfähigkeit gerade dadurch, dass es nicht auf einen bestimmten Ort angewiesen ist: Wenn es in einem Land zu ungemütlich wird, dann zieht das Geld mühelos in ein anderes Land weiter, das toleranter ist. Und das System wächst pausenlos, weil Anwälte, Buchhalter und andere Akteure Politiker überreden, ihnen zu ermöglichen, an Geldbewegungen zu verdienen. Entsprechendes findet man in Dubai, Sydney, Liechtenstein und Curaçao ebenso wie in der Schweiz oder in New York. Vor allem aber gibt es das in London. 

Im Gespräch mit Andrew fiel mir außerdem auf, dass Großbritannien sehr viel stärker in diese Art von Geschäften eingebunden ist als all diese anderen Orte. Finanzbetrug geschieht im Vereinigten Königreich nicht einfach; er wurde hier jahrzehntelang durch konzertierte Bemühungen gefördert. Das ist nur schwer zu begreifen, weil es dem öffentlichen Image Großbritanniens so sehr widerspricht: als das Land von Harry Potter, Königin Elizabeth II. und Downton Abbey; als Ort, der durch Ironie, Tradition und ein gehaltvolles Frühstück definiert wird. Kriminelle Banker sind vulgär, und wenn Großbritannien eines bekanntermaßen nicht ist, dann vulgär. Aber die Fakten sprechen eine andere Sprache. So schlimm die anderen Länder auch sein mögen, Großbritannien ist seit Jahrzehnten schlimmer. Es fungiert als gigantisches Schlupfloch, das die Regelungen anderer Länder unterläuft, Steuersätze drückt, Regulierungen außer Kraft setzt und das Geld ausländischer Krimineller wäscht. 

Großbritannien stellt nicht nur keine Untersuchungen gegen die Gauner an, es hilft ihnen sogar noch. Vor allem bewegt und investiert das Land das Geld dieser Gauner natürlich, aber das ist nur der Anfang: Großbritannien bildet ihre Kinder aus, kümmert sich um ihre Rechtsstreitigkeiten, erleichtert ihnen den Eintritt in die High Society der Welt, verbirgt ihre Verbrechen und vermeidet grundsätzlich, dass sie die Konsequenzen ihres Handelns tragen müssen. All das wusste ich auch vorher schon, aber ich hatte es nie als ein zusammengehöriges Phänomen betrachtet. Erst durch Andrews Fragen kristallisierte sich das Bild heraus. 

»Großbritannien ist wie ein Butler«, versuchte ich schließlich für uns beide zu erklären, was geschah. »Wenn jemand reich ist, ganz egal, ob er Chinese, Russe oder was auch immer ist, und er will, dass etwas getan oder versteckt oder gekauft wird, dann kümmert sich Großbritannien für ihn darum. Wir sind keine Polizisten, wie ihr drüben in Amerika, wir sind Butler, der Welt zu Diensten. Deswegen werden die Probleme, über die wir gesprochen haben, hier nicht untersucht – das gehört nicht zu den Aufgaben eines Butlers.« 

Er sah mich einige Augenblicke lang an, als überlege er, ob ich das ernst meinte.   

»Wie lange geht das schon so?«, fragte er schließlich, und ich musste über die Antwort nicht lange nachdenken. Sie war plötzlich offensichtlich. 

»Es begann in den 1950er-Jahren. Wir brauchten ein neues Geschäftsmodell, nachdem die Vereinigten Staaten die Rolle als Supermacht der Welt übernommen hatte, und das ist dabei rausgekommen.« 

Danach war unser Gespräch rasch beendet, und Andrew ging in Richtung Parlamentsgebäude, wahrscheinlich in der Hoffnung, dort mit jemandem sprechen zu können, der weniger deprimierende Informationen hatte, aber ich blieb sitzen und bestellte noch einen Kaffee. Großbritannien als Butler zu sehen war mir noch nicht in den Sinn gekommen, aber je länger ich darüber nachdachte, umso passender erschien es mir. Butler zeichnen sich durch alles aus, was in Großbritannien besonders geschätzt wird – gute Manieren, Einfallsreichtum, Zurückhaltung –, aber in Form der Unterwürfigkeit eines Dieners, nicht als Noblesse eines Herrn. 

Nachdem ich diese Theorie aufgestellt hatte, wollte ich sie in der realen Welt überprüfen, stieß dabei aber sofort auf ein Problem: Ich war noch nie einem Butler begegnet; ich musste also erst einmal einen suchen, was mir nicht besonders schwierig erschien. Britische Butler sind der Goldstandard weltweit, und in Großbritannien boomte die Ausbildung von Menschen als Butler für die Oligarchen der Welt. Ich vereinbarte also einen Gesprächstermin in einer Butlerschule. Wenige Tage später saß ich in einem Kurs für Blumenarrangement in einem Keller nahe Covent Garden. Eine Blumenexpertin mittleren Alters mit Pferdegesicht brachte einer Gruppe zukünftiger Butler aus vier Kontinenten bei, wie man ein Landhaus mit den Früchten eines englischen Gartens dekoriert. Unterstützt wurde sie von einer Anzahl jüngerer Pendants ihrer selbst, die mit Gartenscheren herumwieselten. 

Jede Woche durchlief eine neue Gruppe diesen Keller; wie war es möglich, dass nach ihrem Abschluss Nachfrage nach den Diensten all dieser Menschen bestand? »Das ist doch wohl offensichtlich«, antwortete eine dunkelhaarige Kanadierin, die langstielige Blumen zu einem Gitter verwob. »Jeder, der es sich leisten kann, will seinen eigenen Jeeves.« Wenn ich eine Cartoonfigur gewesen wäre, dann hätte in diesem Moment eine Glühbirne über meinem Kopf aufgeleuchtet. Diese Branche, in der Großbritannien weltweit führend war, existierte, um Probleme für ihre Kunden diskret und profitabel zu lösen, so wie der Butler Jeeves es in den Geschichten von P. G. Wodehouse für Bertie Wooster tat. Ich wollte mehr von diesen Auszubildenden wissen und beschloss, ihnen zu folgen, wenn sie in die Häuser der Superreichen einzogen, um herauszufinden, was als Nächstes geschah. 

Leider kam es anders. Der Leiter des Ausbildungszentrums hatte mich wohl gegoogelt und herausgefunden, dass ich über Wirtschaftskriminalität schrieb und nicht etwa über die Arbeit von Hausangestellten. (Siehe, ebenfalls im Verlag Antje Kunstmann: „Land des Geldes. Warum Diebe und Betrüger die Welt beherrschen“, d. Red.) Daraufhin war er deutlich weniger bereit, mir bei Recherchen über sein Gewerbe zu helfen, und ich verlor den Zugang zu echten Butlern. Ich ließ mich daher von den Worten der kanadischen Butlerin in spe inspirieren und wandte mich dem Werk von P. G. Wodehouse zu, der die vielen Geschichten über den Gentleman Bertie Wooster und seinen treuen Diener Reginald Jeeves verfasst hatte. 

Wodehouse beschreibt Jeeves als beruhigende Präsenz, einen Mann mit unendlichem Scharfsinn, der Wooster und seinen Freunden aus so mancher Bredouille hilft, ob es um eine törichte Verlobung mit einem unpassenden Mädchen geht, eine ältliche Verwandte ihre finanzielle Unterstützung zurückzieht, eine rivalisierende Familie einen Koch abwerben will oder einer der Herren ein Diamantcollier gestohlen hat, um Spielschulden zu begleichen, die er als illegaler Buchmacher angehäuft hat. Dank Wodehouse’ einzigartiger, federleichter Prosa kommt alles sehr amüsant daher, kann aber auch überraschend gemein sein. 

In Without the Option wird beispielsweise einer von Berties Freunden verhaftet, weil er einen Polizisten geschlagen hat, und es besteht die Gefahr, dass seine wohlhabende Tante sich von ihm abwendet, wenn sie es herausfindet. Nach einigen Turbulenzen gelingt es Jeeves, der Zugriff auf Geheiminformationen der Polizei hat, alles zum Guten zu wenden. So wie Wodehouse es schreibt, ist alles furchtbar witzig, aber man könnte es problemlos so umformulieren, dass Bertie Woosters Butler in einem völlig anderen Licht erscheint. Wenn man sich auf Jeeves’ Taten statt auf sein schmeichelndes, sanftes Auftreten konzentriert, bekommt man das äußerst düstere Bild eines Söldners, jemand, der gegen Bezahlung die Probleme anderer löst. 

»Um Himmels willen, Jeeves! Sie haben ihn doch nicht etwa bestochen?« 

»O nein, Sir. Aber er hatte letzte Woche Geburtstag, und da habe ich ihm ein kleines Geschenk überreicht.« 

Das ist natürlich sehr amüsant, aber ich habe ukrainische Anwälte darüber reden hören, wie sie knifflige Rechtsstreitigkeiten mithilfe eines »kleinen Geschenks« beigelegt haben, und so wie sie es sagten, klang es nie witzig. Wenn man hinter Jeeves’ makellose Erscheinung, seinen gebildeten Akzent und die Mark-Aurel-Zitate blickt, sieht man keinen Butler mehr, sondern einen Consigliere, einen hochrangigen Ratgeber in einer Mafia-Familie. Die Bestechung von Polizeibeamten ist noch das geringste seiner Talente; bei einer Gelegenheit schlägt er einen Polizisten k.o., bei einer anderen bringt er einen Faschisten zum Schweigen, indem er ihm androht, die Quelle seines geheimen Reichtums zu enthüllen. Mit seiner Intelligenz könnte Jeeves in fast jedem Bereich erfolgreich sein, aber er beschränkt sich darauf, den Superreichen dabei zu helfen, den Konsequenzen für ihr Handeln zu entgehen, und verdient dabei – über sein eigentliches Gehalt hinaus – ganz ordentlich an ihren Trinkgeldern. (…) 

Großbritannien sieht sich gern als Ort, der weiß, was er will, und der sich nicht fürchtet, auch allein dafür zu kämpfen. Doch dieses Selbstbild passt immer weniger zum Verhalten Großbritanniens in den letzten Jahrzehnten, in denen es sich sehr viel mehr darauf konzentriert hat, für andere zu erreichen, was sie wollten, und dabei gut zu verdienen, als seine eigene Vision einer besseren Welt zu präsentieren. Wenn Diktatoren irgendwo auf der Welt ihr Geld verstecken wollen, wenden sie sich an Großbritannien. Wenn Oligarchen ihre Weste weißwaschen wollen, kommen sie nach Großbritannien. 

Das meine ich, wenn ich sage, dass sich Großbritannien wie ein Butler verhält: jemand, der gegen Geld alles ermöglicht, ein Vollstrecker gegen Barzahlung, der die Realität dessen, was er tut, hinter kauzigen Traditionen, literarischen Anspielungen, makellos geschneiderten Anzügen, Verweisen auf den Zweiten Weltkrieg und Arroganz versteckt. Aber wenn Großbritannien ein Butler ist, für wen arbeitet es dann? Wer sind die heutigen Entsprechungen der Flaneure und Salonlöwen, in deren Namen Jeeves Polizisten angriff, silberne Raritäten stahl und die perfekte Dinnerbekleidung bereitlegte? Diese Frage möchte ich in diesem Buch beantworten. 

Eines lässt sich auf jeden Fall jetzt schon feststellen: Während Jeeves’ Kunden dümmliche Herren der Gesellschaft waren, gehören die Kunden Großbritanniens zu den übelsten Menschen, die es gibt; und die Schwierigkeiten, aus denen sie befreit werden müssen, sind alles andere als amüsant. Ihre Opfer im echten Leben verlieren weit mehr, als Großbritannien gewinnt. Folglich wird die Geschichte, die ich zu erzählen habe, nicht annähernd so witzig wie die von Mr. Wodehouse. Tatsächlich könnte diese Angelegenheit nicht ernster sein. 

Aber Großbritannien hilft Kleptokraten nicht nur dabei, das Geld beiseitezuschaffen, sondern es bietet ihnen auch gleich einen Ort, an dem sie es ausgeben können. Zu Beginn der COVID-Krise, als alle internationalen Reisen gestoppt wurden, standen wohlhabende Nigerianer plötzlich vor dem Problem, dass sie nicht mehr zu ihren Ärzten konnten, die alle in London ihre Praxen hatten. Dass die nigerianische Elite Zugang zur weltbesten Gesundheitsversorgung hat, sorgt schon lange für Wut bei ihren ärmeren Landsleuten, die keine andere Wahl haben, als unterfinanzierte und überlastete Kliniken aufzusuchen, wenn sie krank sind. Vor der Wahl versprechen Politiker regelmäßig, daran etwas zu ändern, tun dann aber nichts, sondern fliegen selbst lieber ins Ausland. Im Jahr 2019 beliefen sich die Gesundheitsausgaben der nigerianischen Regierung auf gerade einmal elf US-Dollar pro Person, was etwa einem Achtel dessen entspricht, was die Weltbank empfiehlt, um den grundlegenden Bedarf zu decken. Die medizinischen Einrichtungen in Nigeria verfallen, Medikamente sind nicht verfügbar und viele junge Ärzte wandern nach ihrem Abschluss einfach aus. Großbritannien bietet in der Gesundheitsversorgung ebenso wie bei Rechtsangelegenheiten, im Bankwesen und vielem anderen eine Luxusalternative für die Eliten anderer Länder, die die Systeme in ihren eigenen Ländern ruinieren und sich an ihnen bereichern, statt zu regieren. 

Ich werde in den folgenden Kapiteln einige sehr große Zahlen nennen. Hunderte von Milliarden Pfund werden jedes Jahr über das britische Bankensystem gewaschen. Dabei handelt es sich um Geld, das Menschen gestohlen wurde, die es dringend brauchen, mit dem die Gehälter von Krankenpfleger*innen oder Lehrer*innen bezahlt oder Straßen und Stromleitungen gebaut werden sollten. Stattdessen landete das Geld dank der Diskretion und der Fertigkeiten des Butlers Großbritannien auf den Offshore-Konten von korrupten Politikern oder betrügerischen Geschäftsleuten. Wenn man von 1 auf 100 Milliarden Pfund zählen wollte, würde man, bei einem Pfund pro Sekunde, mehr als 3000 Jahre dafür brauchen. Man hätte um die Zeit des Trojanischen Krieges anfangen müssen, um jetzt ungefähr bei 100 Milliarden angelangt zu sein. 

»In Nigeria gibt es zwei Gesundheitssysteme. Wer kein Geld hat, geht zu Priestern und Imamen und betet dort um ein Wunder«, berichtete mir der nigerianische Romanautor und Essayist Okey Ndibe. »Wer einen Haufen Geld hat und politisch gut vernetzt ist, fliegt ins Ausland und erhält dort eine gute Behandlung. Wenn die Reichen krank werden, lassen sie sich gern per Flugzeug nach Großbritannien bringen.« (…)

Wenn man als Butler denkt, schließt das Mitgefühl für jene, die weniger Glück haben als man selbst, aus. Solidarität gibt es in der Welt von P. G. Wodehouse nicht; Jeeves hilft jenen, die sich seine Dienste leisten können; alle anderen müssen allein klarkommen. Wodehouse ist sich dieser Ironie durchaus bewusst und macht sich in einer Szene sogar darüber lustig, in der Jeeves einer Familie von Revolutionären – die durch eine Reihe unwahrscheinlicher Wendungen in der Handlung in Woosters luxuriösem Apartment zu Abend essen – ein reichliches Mahl serviert. 

»Wissen Sie, was Sie sind, mein Junge? Sie sind ein Relikt eines explodierten Feudalsystems«, sagt ein Revolutionär zu Jeeves. 

»Sehr wohl, Sir«, antwortet dieser. 

Das ist erst der Anfang. Es gibt noch viele wohlhabende Klienten da draußen, denen Großbritannien mit Rat und Tat zur Seite stehen kann, und noch viele junge Universitätsabsolventen, die in ihre Dienste gelockt werden können, was unweigerlich dazu führt, dass sich die Qualität der Dienstleistungen für alle anderen im Land verschlechtert. Inzwischen ist es für intelligente und gut vernetzte Briten so profitabel, als Butler zu fungieren, dass immer mehr begabte Landeskinder lieber das Familiengeschäft übernehmen, als etwas Konstruktiveres oder Selbstloseres zu tun… 

... als Anhang der Redaktion a few moments of research on twitter:

Svetlana Maniovich is the wife of the Russian Deputy Minister of Defence. The person responsible for invading Ukraine and killing thousands of innocent people. His name is Timur Ivanov. And yes, that’s actually them together…. Ivanov is the head of construction for the MoD. His job is to build everything from army barracks to this seriously weird military church dearly beloved by Putin. Now he’s responsible for ‘rebuilding’ Mariupol, the city Putin has wiped off the face of the earth and occupied… Of course they have property in London and France… Svetlana still goes shopping there.

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