Geschrieben am 1. März 2021 von für Crimemag, CrimeMag März 2021

Kurzgeschichte von Robert Rescue

Chiefs from Ramstein Air Base Germany pose for a group photo in the Army and Air Forces Exchange Service bakery plant in Gruenstadt, Germany. The plant distributes to more than 100 locations in 25 countries and has been in business since 1953. © U.S. Air Force photo/ Staff Sgt. Ryan Crane

Bäcker gesucht 

„Also, Herr Schweiger, Sie haben sich bei „We serve today für a better tomorrow“ als Bäcker beworben. Ihnen ist aber klar, dass wir keine Bäckerei im üblichen Sinne sind? Und wir sind kein Stromanbieter, wo wir jemanden für unsere Kantine suchen oder ein Start-up für irgendeinen unnützen Internet-Scheiß. Unsere Dienstleistung unterstützt die außenpolitischen Interessen der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika. Wir sind in Kandahar im südöstlichen Afghanistan stationiert und das ist, dass müssen Sie vorab wissen, kein sicherer Ort. Meine Frauen und Männer sind jeden Tag unzähligen Gefahren ausgesetzt und alle diese Gefahren tragen den Namen Taliban. Diese Schafhirten sind das hinterhältigste Banditenpack, das seit den Vietcong den Frieden der Menschheit bedroht und deshalb leisten wir einen wertvollen Dienst. Machen Sie sich das bewusst. 

Sie schieben bei uns keine vorgefertigten Brötchen in einen Industrie-Backofen oder packen Kuchen aus einer Massenproduktion aus und schmeißen je ein Stück auf einen Papp-Teller. Ich erwarten von Ihnen höchste handwerkliche Kunst, denn Ihr Beitrag ist die Moral der Truppe und damit der Endsieg über diese verkommenen Bastarde da draußen, die in Felsspalten hausen, Gewehrhülsen auslutschen und das für Haute Cuisine halten und sich gegenseitig, ach, das will ich mir gar nicht ausmalen. Ein Beispiel: Kennen Sie „Agent Orange“? Also, jetzt nicht dieses Entlaubungsmittel, auf das die Vietcong so überempfindlich reagiert haben. Ich meine einen Flammkuchen, den wir gerne nach Einsätzen genießen. Großartiges Zeug, kann ich Ihnen sagen. Also Sie müssen das nicht zubereiten, wenn Sie das nicht wollen, aber Sie würden uns allen eine große Freude bereiten. 

Sie sind fortan unser Head Baker und damit gleichberechtigt mit den anderen an vorderster Front. Ich will offen mit Ihnen sein, Herr Schweiger, denn unbedingtes Vertrauen zueinander ist der Grundpfeiler unserer täglichen Mission. Sie haben, wie ich Ihren Unterlagen entnehme, bei den Grenztruppen der DDR gedient und haben damit Kampferfahrung. Es ist mir gleich, wie lange das her ist. Sie bekommen eine Auffrischung auf die modernsten Waffensysteme. Sie fragen sich, warum? Nun, als Teil von „We serve today for a better world“ sind Sie ein Teil der kämpfenden Truppe, denn der Drecks-Taliban hält Ihre Handwerkskunst nicht im geringsten so hoch, wie wir es tun. Butter bei die Fische. Ihren Vorgänger hat es erwischt, ebenso wie den Koch. Ich bin seit 30 Jahren für Amerika im Dienst und habe eine Menge gesehen, bis vor kurzem habe ich geglaubt, dass ich alles gesehen habe. Aber ich habe noch nie erlebt, dass eine Gulaschkanone zum Angriffsziel werden kann.

Ich bin der Meinung, eine Gulaschkanone werde laut den Genfer Konventionen gleich behandelt wie ein Lazarett. Ein ehrbarer Gedanke, aber so etwas ist den Taliban natürlich fremd. Eine Gulaschkanone mit einer Panzerfaust zu attackieren, das geht gar nicht. Ich meine, Sergeant Miller hatte an dem Tag seinen 250zigsten Kill und Anderson, Ihr Vorgänger, hatte ihm dafür eine Erdbeertorte mit Schokorand versprochen. Alle Kameraden haben ihn angefeuert an dem Tag. Verstehen Sie, Miller hat sich gefreut an dem Tag und die verdammten Taliban haben ihm diese Freude verdorben. Aber, Glück im Unglück, Miller hat überlebt, war aber derart sauer, dass er das 15 von den Koran-Filzbärten hat wissen lassen. Aber natürlich war die Trauer um Anderson und Kasulke, den Koch, gewaltig und wir haben uns alle geschworen, dass so etwas nie wieder passieren darf. Seien Sie sich gewiss, dass die Augen Ihrer Kameraden allzeit auf Ihnen ruhen werden, denn das, was Sie an Torten und Frühstücksbrötchen zaubern werden, ist das, was Ihre Kameraden motiviert, diesen verdammten Krieg zu führen. Diese Kameradschaft gilt für alle unsere Support-Mitarbeiter. Ich möchte Ihnen ein Beispiel dafür geben: Vor einigen Tagen haben die Taliban unsere liebe Tamana entführt, unseren Support für Bodenhygiene. Ein absolut abscheuliches Verbrechen. Die liebe Tamana, die klaglos den Scheiß ihrer Kameraden weggeräumt hat, die die Lache verschütteten Dosenbiers aufgewischt hat, die die Toiletten so sauber gehalten hat wie die Mama zuhause. Ihre Familie lebt in den Bergen und genießt unseren Schutz. Wir schauen da gelegentlich nach dem Rechten und lassen Geschenke da. Für die lieben kleinen Süßigkeiten, die Anderson gebacken hat und worüber sich die Kinder total freuen. Für die Frauen Aufklärungs-Broschüren und für die Männer eine Flasche Schnaps, damit die sich mal ein wenig entspannen können. Ich meine, wie die da leben, diese Bauern. Ich könnte das nicht. 

Was ich sagen will: auf Tamana lassen wir nichts kommen, da können Sie jeden hier im Lager fragen. Das ist Ehrensache. Sie können sich vorstellen, was wir gemacht haben. Die Patronengurte gefüllt, die Nachtsichtgeräte eingepackt, die Geländewagen vollgetankt und dann ab zu den Taliban. Es gibt Grenzen in der gegenseitigen Konfrontation und eine davon haben diese Schaf-Ficker überschritten. Wir haben Tamana rausgeholt und den Taliban deutlich gemacht, dass sie so etwas nie werden tun werden. Achten Sie auf meine Worte. Sie werden das nie wieder tun, verstehen Sie. Es ging dabei nicht um eine Abreibung bzw. eine Geiselbefreiung. Es ging um eine robuste Lektion, die erteilt werden musste. Für die Brüder von denen, die da noch in den Felsen rumkriechen.

Sie sehen, die Arbeitsbedingungen und die Gesundheit unserer Mitarbeiter liegen uns am Herzen. Und die Bezahlung ist grandios. 

Und sSe haben ihren Enkeln was zu erzählen. Sie können, nach dem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst natürlich, ein Buch über Ihre Erlebnisse schreiben. Das stelle ich mir spannend vor. Da wird jeder Verlag zugreifen und Sie verdienen ein Schweinegeld mit dem Verkauf. Sie sehen, diese Aufgabe hier bietet eine Menge Vorteile und, wie ich glaube, keinen einzigen Nachteil.“

Robert Rescue bei CrimeMagZu seiner Webseite mit Terminen, Veröffentlichungen etc. geht es hier, einen einschlägigen Beitrag von ihm finden Sie in der Anthologie „Berlin Noir“ und beim Talk Noir im Neuköllner Froschkönig ist er regelmässig unser Stargast.

Im Herbst 2020 Corona zum Trotz erschienen: Robert Rescue: Das Leben hält mich wach. Berlins müdester Lesebühnenautor trotzt dem alltäglichen Wahnsinn mit Humor. Edition MundWerk, Berlin 2020. 146 Seiten, 12 Euro.

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