Geschrieben am 1. Oktober 2020 von für Crimemag, CrimeMag Oktober 2020

Fotografie & Reallife: Street Scenes – Street Crimes (26)

Liebes CrimeMag-Publikum,

Kriminalliteratur wurde früher gerne als „Asphalt-Literatur“ abgetan. Wir finden, dass das ein Adelstitel ist. Wir mögen Asphalt, wir mögen Großstadt, wir mögen Realität. Deswegen präsentieren wir Ihnen hier eine neue Rubrik, die jeden Monat Bilder des Fotografen Carsten Klindt und manchmal Texte der Polizistin Nadja Burkhardt kombiniert: Street Scenes und Street Crimes. Aus Realität wird Kunst in Bild und Wort, fragmentarisch und  kaleidoskopisch. Freuen Sie sich mit uns! Hier Auftritt Nr. 1Nr. 2, Nr. 3Nr.4Nr. 5, Nr.6, Nr.7, Nr. 8 und Nr.9, Nr. 10 und Nr. 11Nr. 12 und Nr. 13 und Nr. 14 und Nr. 15 und Nr. 16 und Nr. 17. Außerdem: Nr. 18Nr. 19Nr. 20Nr. 21,und Nr. 22 und Nr. 23 und Nr. 24 und Nr. 25

„Key West III“ – © Carsten Klindt 2009/2020 – www.carstenklindt.com

Street Scenes“ ist eine Serie des Berliner Fotografen Carsten Klindt, aus der wir jeden Monat ein Foto präsentieren. Auf der Website von Carsten Klindt können Sie einzelne Bilder auch käuflich erwerben. Seine Homepage hier.

STREET CRIMES

Nadja Burkhardt ist aus Überzeugung Street Cop in Berlin. Und sie hat ein Auge für den alltäglichen Wahnsinn. Denn der ist zwar manchmal kleinteilig und unspektakulär, bildet aber den Zustand unserer Gesellschaft präzise ab. Und Nadja Burkhardt weiß auch, dass vieles sehr, sehr komisch ist. Deswegen ab jetzt bei uns jeden Monat  STREET CRIMES – Miniaturen aus dem Irrsinn ohne Ende, komisch, tragisch, real life …

„Daran ist nichts Männliches, wenn man sich vor den Kindern auf diesem Spielplatz nicht benehmen kann.“ antwortet der eine 16jährige dem anderen auf dessen

„Du bist kein Mann, wenn Du Dich nicht mit mir prügelst!“

Aus meiner Sicht ist der eine bereits ein Mann, der andere noch ein Kind.

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„Auftrag für Sie: 15jährige Ladendiebin bei …! Verbal aggressiv, zickig!“

Bei Betreten des Büros der Ladendetektivin reicht mir eben diese die BVG-fahrCard der tatverdächtigen Person. Ich frage, was denn genau passiert ist.

Ladendetektivin: „Also, sie hat….“

„ICH BIN EIN JUNGE!!!“

Ladendetektivin: „Nein, ist sie nicht, sie ist ein Mädchen!“

Ich schaue auf die fahrCard. Neben einem weiblichen Namen in Klammern steht dort ein Name, der ebenso einem Jungen gehören könnte.

„STOP!“ rufe ich in Richtung der Ladendetektivin. Mir wird schlagartig bewusst, warum die Leitstelle den Zusatz -verbal aggressiv und zickig- meldete…..

„Sam ist ein Junge und als solchen werden wir ihn auch behandeln!“

Mit seiner Mutter, die ihn wenig später abholt, sprechen mein Kollege und ich völlig selbstverständlich über Sam in der männlichen Form. Er ist ihr Sohn. Punkt.

Sam war in unserer Gegenwart zu keinem Zeitpunkt aggressiv, unkooperativ, unfreundlich, zickig.

Womöglich, weil wir ihn respektvoll behandelt haben.Womöglich, weil wir uns nicht derartig übergriffig zeigten, wie es die Ladendetektivin tat. Und was hat es uns gekostet?

Nichts. Einfach nichts.

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„Und dann bin ick direkt auf mein Jesicht gefallen! Einfach so. Mein Auge, total zujeschwollen! Dit hättense mal sehen sollen! Und jetzt warte ick hier schon seit 3 Stunden inner Notaufnahme! Um 2 muss ick aufstehen und zur Arbeit! Aber dit is mit 3,8 uffm Kessel vielleicht och keene jute Idee!“

Hatt er Recht.

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Carsten Klindt wuchs an der Nordsee auf und ist ausgebildeter Werbefotograf. Er wohnt seit über 20 Jahren in Berlin, betrieb elf Jahre lang eine Bar in Kreuzberg und arbeitet als freischaffender Fotograf. Der Werbung hat er schon lange den Rücken gekehrt. Neben Fotografie sind Noirs der Filmgeschichte eine Leidenschaft.

Nadja Burkhardt: „Jahrgang 1978, seit 1996 bei der Berliner Polizei. Nach der Ausbildung 4,5 Jahre Hundertschaftsdienst, seither im Schichtdienst als Zweier-Streife aufm Funkwagen. Mittlerweile Polizeikommissarin, nicht in Berlin geboren und aufgewachsen, aber definitiv ein Kind dieser Stadt. Mein Job ist gefährlich, nervenaufreibend und stressig. Und ich liebe ihn.“

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