Geschrieben am 16. September 2018 von für Crimemag, CrimeMag September 2018

Fotografie & Reallife: Street Scenes – Street Crimes (4)

Liebes CrimeMag-Publikum,

Kriminalliteratur wurde früher gerne als „Asphalt-Literatur“ abgetan. Wir finden, dass das ein Adelstitel ist. Wir mögen Asphalt, wir mögen Großstadt, wir mögen Realität. Deswegen präsentieren wir Ihnen heute zum vierten Mal eine neue Rubrik, die jeden Monat Bilder des Fotografen Carsten Klindt und Texte der Polizistin Nadja Burkhardt kombiniert: Street Scenes und Street Crimes. Aus Realität wird Kunst in Bild und Wort, fragmentarisch und  kaleidoskopisch. Freuen Sie sich mit uns! (Hier Auftritt Nr. 1Nr. 2 und Nr. 3

LS-Buchenwald

„Finsterwalde“ © Carsten Klindt

STREET SCENES

„Street Scenes“ ist eine Serie des Berliner Fotografen Carsten Klindt, aus der wir jeden Monat ein Foto präsentieren. Auf der Website von Carsten Klindt können Sie einzelne Bilder auch käuflich erwerben.

STREET CRIMES

Nadja Burkhardt ist aus Überzeugung Street Cop in Berlin. Und sie hat ein Auge für den alltäglichen Wahnsinn. Denn der ist zwar manchmal kleinteilig und unspektakulär, bildet aber den Zustand unserer Gesellschaft präzise ab. Und Nadja Burkhardt weiß auch, dass vieles sehr, sehr komisch ist. Deswegen ab jetzt bei uns jeden Monat  STREET CRIMES – Miniaturen aus dem Irrsinn ohne Ende, komisch, tragisch, real life …

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„He didn’t respect me.“

… war die erste Antwort des Friseurmeisters, nachdem ich ihm eine Körperverletzung an seinem Kunden vorwarf.

Der Friseurkunde hatte sich doch tatsächlich erdreistet, darum zu bitten, sein Haupthaar linksseitig noch einen kleinen Ticken kürzer zu schneiden, obwohl der Meister den Haarschnitt bereits für beendet erklärt hat.
Und dann, dann setzt der Kunde sich vor dem Bezahlvorgang auch noch seine Wintermütze auf den Kopf (so wie er es immer macht, wenn´s noch kalt draußen is)!

Da kann man als Frisurenmeister dem Kunden schonma derart eine plätten, dass einem die Haut auf den Fingerknöcheln aufreißt.

 In Berlin Mitte-Mitte sindse halt alle irgendwie Künstler. Und Kunst hat man zu respektieren.   

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Mein Kollege hat in der letzten Schicht „Baujahr ´76“ zu mir gesagt.
Versehentlich, meint er.
Auf der Fahrt zum Spätdienst überlege ich gerade, ob ich die Schaufel oder das Klauenbeil nehme.
Wir haben ja beides an Bord.

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„Ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie Ihre Frau sprechen lassen könnten.“

Die Frau ist aufgeregt, als sie eine Anzeige bei mir erstatten will, sie redet viel, auch eigentlich unwichtige Dinge, aber das weiß sie ja nicht, sie ist ja keine Polizistin.
Ihr Mann plärrt ständig berichtigend dazwischen, obwohl ihr die Straftat passiert ist.
Nach meiner harschen Bitte ist er ruhig, verdreht aber ab und an seine Augen, als seine Frau spricht. Ich mag solche Menschen überhaupt nicht.

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Alkoholisierte Intelligenz.

„Sie stehen im Verdacht, eine Telefonzelle demoliert zu haben.“
„Wer will das denn gesehen haben?“
„Ein Taxifahrer.“
„Ha, sehen Sie, deshalb kann das schon mal gar nicht stimmen, mein Kumpel und ich sind nämlich gelaufen.“

„Weiterhin sollen Sie ein Verkehrsschild entwendet haben!“
„Der nächste Fehler! Das kann gar nicht passiert sein, oder sehen Sie etwa ein Schild in unseren Händen?“
(Recht hatter, ein Bankraub ist schließlich auch nie passiert, wenn der Täter vor der Ergreifung durch die Polizei die Beute einfach wegwirft……)

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Spätdienst: Absperren von Gefahrenstellen ohne Ende.
Heruntergefallene Dachziegel, Bauplatten, Solarpaneele, umgestürzte Bäume.

„Entschuldigung? Hallo? Stop! Bitte gehen Sie dort drüben auf dem Gehweg noch etwa 20 Meter weiter und dann erst über die Straße. Hier ist es gefährlich.“

„Aber ich muss hier durch.“

Was Du denkst:
„Meine Fresse, echt jetzt? Biste uff der Wurschtpelle hierherjeschwommen oder wat? Soll ick Dir dann etwa dit Jehirn wieder in den Kopp löffeln, wenn dat janze Gekrösel vom Dach Dir den Schädel jespalten hat??? Ick frier hier nich aus Spaß im Sturm und halte Dich vom Passieren ab, weil ick gerad nüscht Besseret zu tun hab.“

Was Du dann sagst:
„Sie dürfen aber nicht. Gehen Sie bitte (!) ein Stück weiter und dann erst über die Straße. Danke!“

Professionelles Arbeiten.

 

Portrait-Bio-Carsten1

 

 

 

 

Carsten Klindt wuchs an der Nordsee auf und ist ausgebildeter Werbefotograf. Er wohnt seit über 20 Jahren in Berlin, betrieb elf Jahre lang eine Bar in Kreuzberg und arbeitet als freischaffender Fotograf. Der Werbung hat er schon lange den Rücken gekehrt. Neben Fotografie sind Noirs der Filmgeschichte eine Leidenschaft.

NadjaBurkhardt

 

 

Nadja Burkhardt: „Jahrgang 1978, seit 1996 bei der Berliner Polizei. Nach der Ausbildung 4,5 Jahre Hundertschaftsdienst, seither im Schichtdienst als Zweier-Streife aufm Funkwagen.

Mittlerweile Polizeikommissarin, nicht in Berlin geboren und aufgewachsen, aber definitiv ein Kind dieser Stadt. Mein Job ist gefährlich, nervenaufreibend und stressig. Und ich liebe ihn.“

 

 

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