Liebes CrimeMag-Publikum,
Kriminalliteratur wurde früher gerne als „Asphalt-Literatur“ abgetan. Wir finden, dass das ein Adelstitel ist. Wir mögen Asphalt, wir mögen Großstadt, wir mögen Realität. Deswegen starten wir heute mit einer neuen Rubrik, die jeden Monat Bilder des Fotografen Carsten Klindt und Texte der Polizistin Nadja Burkhardt kombinieren: Street Scenes und Street Crimes. Aus Realität wird Kunst in Bild und Wort, fragmentarisch und kaleidoskopisch. Freuen Sie sich mit uns!
STREET SCENES
„Street Scenes“ ist eine Serie des Berliner Fotografen Carsten Klindt, aus der wir jeden Monat ein Foto präsentieren. Auf der Website von Carsten Klindt können Sie einzelne Bilder auch käuflich erwerben.

© Carsten Klindt
Alltag ist Wahnsinn. Erst recht Polizeialltag. Wahnsinn ist nicht sensationell. Er entsteht aus einem unendlichen Strom kleiner, irrer Situationen. Street Cops sind damit konfrontiert, 24/7.
Nadja Burkhardt ist aus Überzeugung Street Cop in Berlin. Und sie hat ein Auge für den alltäglichen Wahnsinn. Denn der ist zwar manchmal kleinteilig und unspektakulär, bildet aber den Zustand unserer Gesellschaft präzise ab. Und Nadja Burkhardt weiß auch, dass vieles sehr, sehr komisch ist. Deswegen ab jetzt bei uns jeden Monat STREET CRIMES – Miniaturen aus dem Irrsinn ohne Ende, komisch, tragisch, real life …
STREET CRIMES
Gestern, auf dem Weg zum Dienst, fordert mein Kollege einen Mann auf, sich doch bitte nicht das Heroin auf dem Bahnsteig vor allen Leuten aufzukochen …
Antwort: „ICH BRING DICH UM! WENN ICH WIEDER GESUND BIN, DANN ÜBERFAHRE ICH DICH MIT MEINEM ROLLSTUHL!!!!“
Ich bin ja jemand, der sich sofort alles Mögliche bildlich vorstellt.
Es ist sehr schwer, da ernst zu bleiben.
Gedankengänge zu möglichen Antworten auf die Frage:
„Mit DIESER Frisur/DIESER Haarfarbe darf man wirklich bei der Polizei arbeiten???“, nachdem wir in Uniform am Einsatzort aus einem als solchem gekennzeichneten Polizeifahrzeug ausgestiegen sind …
„Nein. Ich stecke nur ganz zufällig in dieser Uniform.“
„Was? Wie kommen Sie denn auf sowas? Oh mein Gott, oh mein Gott, ich hab schon wieder dieses blaue Zeug an, oder? Hab ich, hab ich? Gerade war ich noch auf dieser irren Technoparty … und jetzt? Oh Mann, was mach ich denn jetzt? Können Sie mir helfen, bitte?“
„Mist. Mutti hat mir heute Morgen wieder das Falsche angezogen.“
„Verdammt, ich muss mal mit dem Techniker reden. Eigentlich wollte ich in das Jahr 2017.“
„Natürlich nicht. Ich bin Zahnärztin/Heilpraktikerin/Pferdewirtin/Sekretärin etc. Ach quatsch, alles Blödsinn. Ich bin Kassiererin bei ALDI. Deshalb war ich ja auch so schnell hier.“
„Nein, denn wir sind die STRIIIPPPEEER! Tadaaaaaaaaaaaaaaaaa!“
„Ja, offensichtlich.“
„Ja.“
(Wir entscheiden uns regelmäßig für die letzte Antwort)
Wenn Du, Amorekasper, einen netten ersten Abend mit Deiner Internetbekanntschaft verbringst, sie bereitwillig den ganzen Abend finanziell aushältst, diese nun aber während der gemeinsamen Schwooferei einen polnischen Abgang hinlegt, dann rufe nicht die Polizei. Wir werden nicht eine komplette Tanzwirtschaft durchsuchen und Deinen angesichts des für Dich unbefriedigenden Ausgangs des Dates nunmehr zurückgeforderten Betrag in Höhe von 10 Euro für Dich eintreiben.
No Notruf.
No.
No.
Nein.
Ein entschiedenes Nö.
Echt jetz.
12 Stunden Tagesdienst mit Bettflucht um 4.30 Uhr bedeutet eben auch, dass Du Dir nach Dienstschluss zwei Brötchen mit Hummus zum Tunken reinpfeifst, versuchst, mit einem dieser Brötchen den Cursor Deines Laptops zu bewegen und Dich dann auch noch wunderst, warum das nicht funktioniert.
Huch.
Das Highlight des Nachtdienstes.
„Scheiß Ausländer! Ich bring Dich um!“ sagt der tiefdunkelbraune Mosambikaner zu der islamkonvertierten, kopftuchtragenden Deutschen.
Der U-Bahn-Waggon ist voll mit Menschen.
Als er sie auch noch körperlich attackieren will, ist es einzig und allein ein syrischer Flüchtling, der sie beschützt.
Gute Nacht.
Carsten Klindt wuchs an der Nordsee auf und ist ausgebildeter Werbefotograf. Er wohnt seit über 20 Jahren in Berlin, betrieb elf Jahre lang eine Bar in Kreuzberg und arbeitet als freischaffender Fotograf. Der Werbung hat er schon lange den Rücken gekehrt. Neben Fotografie sind Noirs der Filmgeschichte eine Leidenschaft
Nadja Burkhardt: „Jahrgang 1978, seit 1996 bei der Berliner Polizei. Nach der Ausbildung 4,5 Jahre Hundertschaftsdienst, seither im Schichtdienst als Zweier-Streife aufm Funkwagen.
Mittlerweile Polizeikommissarin, nicht in Berlin geboren und aufgewachsen, aber definitiv ein Kind dieser Stadt. Mein Job ist gefährlich, nervenaufreibend und stressig. Und ich liebe ihn.“