Geschrieben am 15. Februar 2016 von für Allgemein, Crimemag, Film/Fernsehen, News

Kino: The Hateful Eight

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Tarantionos achter Film ist sein zweiter Western – Christopher Werth hat sich nach The Revenant auch in diesen Schneesturm gestellt.

Der Guardian hat Tarantino vorgeworfen, seit Jahren nur noch seinen inneren Film-Fan Filme drehen zu lassen, anstatt eigenständige neue Filme zu drehen, wie er es noch bei seinen ersten dreien getan habe. Warum muss man ihm das vorwerfen? Ist nicht grade das der Reiz? In einen Tarantino Film gehen heißt auch bei The Hateful Eight: Zu Gast sein bei einem Kinokenner, der einem voller Begeisterung seine neuesten Errungenschaften kredenzt. Schließlich ist es sein achter Spielfilm – worauf auch der Titel anspielt (Die glorreichen Sieben lassen grüßen).

Zum Beispiel hat er sich hier ein paar Sonderwünsche erfüllen können: Original Filmmusik des Komponisten Ennio Moricone. Oder: Drehen mit 70mm Filmmaterial. Beides wird voll ausgenutzt, mit größtem Genuss eingesetzt und voller Stolz dem Zuschauer serviert.

Der Meister: Ennio Morircone hat schon für Tarantinos großes Idol Sergio Leone unvergessliche Soundtracks geschaffen

Der Meister: Ennio Morircone hat schon für Tarantinos großes Idol Sergio Leone unvergessliche Soundtracks geschaffen

v.l.n.r.: Kurt Russel, Ennio Morricone, Quentin, Michael Madsen

v.l.n.r.: Kurt Russel, Ennio Morricone, Quentin, Michael Madsen

Der erste Teil spielt in einer Kutsche in der sich durch einen Schneesturm gezwungenermaßen die ersten Charaktere zusammenfinden. Im zweiten Teil machen sie Rast in Mimis Habadasherie und treffen auf die übrigen Charaktere. Mimis Habadasherie ist eine Mischung aus Laden und Postkutschen-Autobahnraststätte, mit legendärer Süßigkeiten-Auswahl und unverwechselbarem Stew. Der Schneesturm ist Kulisse und dramaturgisches Mittel, um alle Hauptfiguren erbarmungslos an diesen einen Ort zu zwingen. Und durch eine plötzliche Wendung wird der Film dann zum Krimi, einem blutigen Whodunit, bei dem die Verdächtigen der Reihe nach umgelegt werden. Was geschah mit Mimi? Wer hat den Kaffee vergiftet, von dem die Figuren permanent trinken?

Natürlich gibt es eine aufwendige, blutige Maske, überspitzt ausgestellte Gewalt, Running Gags, Schwarzen Humor, Rassismus-Kritik und vor allem die Spielfreude eines starken Ensembles. Auch eine Art McGuffin ist dabei, ein Brief von Abraham Lincoln – und man weiß nicht, ob er echt ist. Und Lieblings-Stuntwoman Zoë Bell gibt dem Film als Six-Horse Judy Tempo und frischen Schwung.

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Und Endlich wieder konnte Tarantino Monologe für Samuel L. Jackson schreiben. Er ist Major Marquis „Der Kopfgeldjäger“ Warren. Seinen Sound, sagte er, hat er beim Schreiben schon direkt im Ohr. Und das muss man als Zuschauer dann auch im Original erleben. Wie ein Tenor suhlt sich Jackson in seinen Arien und kostet jede Note brillant aus. Auch er hatte sichtlich Spaß, endlich wieder solche Texte zu bekommen. Allerdings hatte Tarantino wohl auch den Sound von Christoph Waltz im Kopf, als er die Texte für Tim Roth als Oswaldo „Der kleine Mann“ Mobray schrieb – seine Figur gerät dadurch zur virtuosen Waltz-Kopie und fällt damit hinten runter. Für den zweifachen Oscar-Gewinner ist so eine Rolle mittlerweile wohl zu klein.

Samuel L. Jackson: Endlich wieder eine große Tarantino-Rolle

Samuel L. Jackson: Endlich wieder eine große Tarantino-Rolle

The-Hateful-Eight-Review

Schnell mit der Zunge – und noch schneller mit dem Colt

Walton Goggins als Chris „Der Sheriff“ Mannix ist eine der besonderen Überraschungen des Films, hatte er doch bis auf eine kleine Rolle in Django Unchained noch nicht so viel mit Tarantino zu tun. Dass er ein großartiger Schauspieler ist, hat er z.B. in der Serie Justified bewiesen. Er spielt hier den skurrilen Sherriff ohne Stern, der noch auf seine Vereidigung wartet.

Jack in the Box des Films ist die Figur von Jennifer Jason Leigh, Daisy „Die Gefangene“ Domergue. Die meiste Zeit in Ketten, immer wieder mit guten Sprüchen, immer wieder Schläge kassierend wartet sie auf ihren großen Auftritt, auf einen tollen Song und die Enthüllung der wahren Identität ihrer Figur.

Man muss wissen, worauf man sich bei The Hateful Eight einlässt. Hier geht es um das Lustprinzip und da darf man sich auch mal an seinem Lieblingsessen überfressen. Und von allen Tarantino Lieblingszutaten ist hier richtig viel drin und dazu gehören immer auch großartige, klug inszenierte Schauspieler. Ein Western-Western, ein Film-Film – das Werk eines großen Kinofressers, der am liebsten kocht und kredenzt, was er sich selbst am liebsten reinzieht.

Christopher Werth

Regie: Quentin Tarantino. Drehbuch: Quentin Tarantino. Musik: Ennio Morricone. Kamera: Robert Richardson. Schnitt: Fred Raskin

Hateful8

Die hasserfüllten Acht als Actionfiguren

Mit: Samuel L. Jackson: Major Marquis „Der Kopfgeldjäger“ Warren. Kurt Russell: John „Der Henker“ Ruth. Walton Goggins: Chris „Der Sheriff“ Mannix. Jennifer Jason Leigh: Daisy „Die Gefangene“ Domergue. Tim Roth: Oswaldo „Der kleine Mann“ Mobray. Michael Madsen: Joe „Der Cowboy“ Gage. Demián Bichir: Bob „Der Mexikaner“. Bruce Dern: General Sandy „Der General“ Smithers. Zoë Bell: Six-Horse Judy. Channing Tatum: Jody Domingray. James Parks: O.B Jackson. Quentin Tarantino: Erzähler im Original

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