Geschrieben am 15. November 2016 von für Bücher, Crimemag

Roman: Franz Dobler: Ein Schlag ins Gesicht

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Es gibt exzellente Kriminalromane, die ticken anders als man sich es gemeinhin vorstellen mag. Franz Doblers neues Buch „Ein Schlag ins Gesicht“ ist so ein Fall. Thomas Wörtche freut sich.

Hommagen an die ganz Großen von Jim Thompson bis Elmore Leonard durchziehen Franz Doblers „Ein Schlag ins Gesicht“, seinem zweiten Roman mit dem (mittlerweile) Ex-Cop Robert Fallner, der hier in der Securityfirma seines Bruders anheuert und eine Ex-Schauspielerin (die in Alois-Brummer-artigen Filmen à la „Die Satansmädels von Titting“ in den 1970s Kult war) von einem fiesen Stalker befreien soll.

Das ist, von der Intensität des Crime-Elementes her, eher low level, aber das schadet dem Roman überhaupt nicht. Fallner treibt mit melancholisch-nostalgischem Blick und herrlichen Sprüchen, auf den Punkt genau sitzenden Dialogen (das Gegenteil von Tarantino´schem Geplapper), und wisecracks durch die Überbleibsel der alten Münchner Kneipenszene um den Hauptbahnhof, hat mit den wunderlichsten Gestalten und Typen zu tun, die in den Nischen unsere durchformatisierten Welt ihr trotziges, aber selbstbehauptendes Dasein fristen.

An solchen Stellen ist Fallner ein naher Verwandter von Friedrich Anis Vermisstenfahnder Süden, der auch prompt von Fallner vermisst wird, denn man wisse nie so genau, wo Süden sich gerade rumtreibt. Auch Fallner ist eine Figur, die zutiefst mit der offiziellen Anordnung von Realität nichts anfangen kann. Das vorgegebene Millimeterpapier für Ordnung, gesellschaftlichen Status, Recht und Gesetz, Moral und Anstand dient höchstens dazu, ignoriert zu werden. Oder um dagegen anzuleben, auch wenn das wehtut. Glücklicherweise ist diese Konfrontation bei Dobler nicht pathetisch, sondern lakonisch, sardonisch und ziemlich sehr komisch.

Die Kunst des Erzählens

Dobler erzählt eher mosaikhaft, episodisch, vermischt Narratives mit inneren Monologen, mit Reflexionen und Anekdotischem, mit streng durchrhetorisierten Passagen, switcht durch verschiedene Sprachebenen, hat, s.o., eine hohen Sinn fürs Komische, fürs Bizarre, fürs Poetische, das bei ihm auch in den abwegigsten Ecken aufscheinen kann. Nebenbei kommt dabei noch eine kleine Kulturgeschichte der 70er Jahre zum Vorschein, all die Moden, Interieurs, Filme (natürlich auch der Neue Deutsche Film und R. W. Fassbinder) und Musik und die politische Wetterlage selbstverständlich auch. Tempi passati zwar, aber kein Hauch von „früher-war-alles-besser, was nicht heißt, dass heute alles gut ist. Au contraire.

Überhaupt: von wegen „Gesetze des Genres“, allmählich sollte diese Hohlformel mal aus den Köpfen verschwinden, und ein Top-Autor wie Franz Dobler ist unter anderem deshalb so wichtig, weil er mit seinen wunderbaren Büchern genau an der Tilgung dieses Unfugs beteiligt ist und zeigt, wie man „Genre“ unbeschadet und kreativ aus angeblichen normativen Korsetts befreien kann, ohne es auf dem Altar kleinbürgerlicher Vorstellungen von Literatur zu opfern.

WeilEin Schlag ins Gesicht“ ein wunderbarer München-Roman ist, der genau hinschaut, präzise und überraschend aus einem sehr originellen Blickwinkel, ist er auch ein großartiger Kriminal-Roman sui generis, der sich seiner Minen und Quellen und  Voraussetzungen sehr bewusst ist, und damit ein großartiger Roman.

Thomas Wörtche

Franz Dobler: Ein Schlag ins Gesicht. Roman. Stuttgart: Tropen, Klett/Cotta 2016, 365 Seiten, € 19,95

Franz Dobler: Mehr Infos. Auch hier bei CULTurMAG (über den starken Roman „Ein Bulle im Zug“) und Kaliber38.

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