Volles Risiko: Krisenreporter zwischen mehreren Fronten
In HongKong hat er gerade einen schweren Unfall überlebt, dann soll der Reporter David Jakubowicz für seine Münchener Zeitung am Hindukush die Hintergründe eines US-Luftangriffs auf einen afghanischen Lkw-Konvoi aufklären, bei dem viele Kinder ums Leben kamen. Außerdem muß sich der DAZ-Reporter noch beim internen Powerplay gegen unschöne Intrigen und Machenschaften in seiner Redaktion behaupten. Achim Zons verknüpft im Thriller „Wer die Hunde wecktt geschickt Krimi-, Abenteuer- und Polit-Thriller-Segmente. Von Peter Münder
Bei einem schweren Autounfall in HongKong landet Krisenreporter David Jakubowicz nachts bewußtlos im Hafen von Aberdeen, neben ihm die tote CIA Agentin Sandra. Sie wollte ihm geheime Unterlagen liefern, in denen ein Szenario am Hindukush mit dem deutschen Oberst Westphal durchgespielt wird: Der Chef des deutschen Bundeswehr-Camps plant demnach zusammen mit der US-Airforce die Bombardierung eines afghanischen Lkw-Konvois – was steckt dahinter? Als David sich aus dem sinkenden Auto befreien und mit Prellungen und Rippenbrüchen ins Krankenhaus retten kann, wird ihm klar, dass man ihn als verdächtigen Informanten jagt. Dann wird der afghanische Konvoi tatsächlich bombardiert, wobei unschuldige Zivilisten getötet werden. Oberst Westphal ist inzwischen abgetaucht und David gerät nach seiner Rückkehr in die Münchener Redaktion ins Visier diverser Nachrichtendienste, die ihn gerne in die Mangel nehmen würden, weil er Kontakt zum flüchtigen Westphal aufgenommen hatte.
Die Tragödie der Bombardierung von Kundus mit ca. hundert zivilen Opfern, die ein deutscher Offizier vor einigen Jahren veranlasst hatte, liefert für den ehemaligen SZ-Redakteur Achim Zons, der inzwischen als Drehbuchautor tätig ist, die Ausgangslage für einen spannenden Plot, der zwischen Polit-Thriller und Krimi angesiedelt ist.
So entwickelt sich die Jagd nach dem großen Scoop bei der angeschlagenen DAZ, deren Chefredakteurin Helen versucht, mit einem Einheitshonorar für alle Mitarbeiter als barmherzige Samariterin ihre Position zu festigen. Die Diadochenkämpfe innerhalb einer verknöcherten Hierarchie beschreibt Zons mit schönem Gespür für dramatische Effekte, wobei er den sympathischen Einzelgänger David als mürrisch-indifferenten Beobachter zeigt, der sich weder für die Karriere-Optimierung anderer noch für die Jagd der obskuren Dienste, zu denen auch das „Amt für Schadensbegrenzung“ gehört, instrumentalisieren lässt.
Leicht melodramatisches Timbre
In die Rolle des obersten Schadensbegrenzers wird David selbst unfreiwillig gedrängt: Er muß sich um seinen afghanischen Stringer kümmern, als der von der Chefredaktion gezwungen wird, am Hindukush Details des verheerenden Bombenangriffs zu eruieren und dabei von den Taliban gefangen genommen wird. Bei seiner Rettungsaktion in Afghanistan riskiert David sein eigenes Leben: Nicht nur die Taliban, auch die Amerikaner sind nun hinter ihm her, weil er die angebliche US-Hilfsorganisation „Growth and Life“ als CIA-Tarnung entlarvt und erkennt, wie das US-Militär den deutschen Offizier für ihre eigenen Zwecke eingespannt hat. So weitet Zorn seinen Plot geschickt zum Reporter-Abenteuer mit brisanten militärisch-politischen Aspekten aus und fabriziert nebenher noch ein ebenso spannendes wie überzeugendes Psychogramm des besessenen Wahrheitssuchers David.
Ins Schlingern gerät Zorn jedoch gelegentlich, wenn er sich auf das Erklimmen einer Meta-Ebene kapriziert, auf der ethisch-moralische Fragen erörtert werden. Diese Besinnungs-Einschübe garniert er dann mit leichtem melodramatischem Timbre: Die zum Edlen und Hehren strebende Chefredakteurin Helen etwa zieht beim Aufarbeiten ihrer Fehlentscheidungen das Fazit: „Wenn man unbedingt auf der Seite der Guten sein wollte, musste man damit rechnen, als schwach wahrgenommen zu werden. Wenn man aber das Gute erreichen wollte, musste man stark sein. Und das ging oft nur, indem man erst einmal auf Seiten der Bösen war. Es war vertrackt“. Und wir blättern inzwischen um zum nächsten Kalenderblatt …
Eindeutig auf Seiten der karrieregeilen Macho-Fraktion steht jedoch Davids Kontrahent Khan, ein Monomane ohne Skrupel, für den überhaupt nichts „vertrackt“ ist. Mit Intrigen und Täuschungsmanövern laviert er sich in den Vordergrund und versucht David als depressiven Spinner ins Abseits zu drängen. Daraus entwickeln sich die dramatischen Konflikte, die dem Affen Zucker geben, bzw. den in den Startlöchern hockenden Drehbuchschreibern den für die hochtourige Action nötigen Honig liefern. Eher in die Kolportage-Schublade gehört dagegen die am Romanende beschriebene DAZ-Krisensitzung mit dem verknöcherten am Stock humpelnden Holding-Vorsitzenden, der wie einst Captain Ahab seine Crew am liebsten mit alttestamentarischem Furor in den Orkus schicken möchte.
Trotzdem gehört „Wer die Hunde weckt“ zu den faszinierenden Polit-Thrillern, in denen die nebulösen Grauzonen der Dienste kritisch ausgeleuchtet werden: Die gefährliche, unkontrollierbare Eigendynamik von BND, MAD, Verfassungsschutz usw., die Christian von Ditfurth in „Zwei Sekunden“ und Andreas Pflüger in „Operation Rubikon“ so eindrucksvoll vorführten, können auch die Machenschaften der Männer von Zorns „Amt für Schadensbegrenzung“ entwickeln. Das ist vielleicht der faszinierendste Aspekt dieser neuesten Thriller: Sie demontieren den Mythos der Schlapphüte in ihren gigantischen Silos; deren Apparate werden immer bombastischer, ihre Erkenntnisse jedoch immer diffuser.
Peter Münder
Achim Zons: Wer die Hunde weckt. C.H. Beck ,München 2016.399 Seiten, 14, 95 Euro.