Geschrieben am 7. März 2015 von für Bücher, Crimemag

Mike Nicol: Bad Cop

nicol_bad copDas Böse trägt Krokodil

– Nach seiner zu Recht vielgepriesenen „Rachetrilogie“ (dazu hier mehr auf CM) über die sozial- und psychopolitischen Spätfolgen der Apartheid in Südafrika, beschäftigt sich Mike Nicol auch in seinem neuen Roman „Bad Cop“ mit den Verwicklungen der offiziellen und klandestinen Politik des Landes mit allen möglichen Formen des organisierten Verbrechens. Eine Rezension von Thomas Wörtche.

Die erstaunliche Blüte südafrikanischer Kriminalliteratur hat vermutlich einen eher betrüblichen Grund: Gewalt und Korruption bedrohen das nach der Apartheid noch keinesfalls stabile Miteinander der Ethnien, Verteilungskämpfe und ein irrwitziges Gefälle zwischen arm und reich sorgen für ein bedrückendes gesellschaftliches Klima. In den Romanen von u.a. Malla Nunn (hier auf CM), Andrew Brown (hier) oder Deon Meyer (hier mehr) – so verschieden sie auch sein mögen – geht es im Grunde immer um diese beängstigende Entwicklung. Besonders prononciert allerdings bei Mike Nicol, dem wohl schärfsten, aggressivsten und gnadenlosesten Sezierer südafrikanischer Verhältnisse.

Nach Mike Nicols’ Rache-Trilogie, die sich mit den Nachwirkungen des bewaffneten Kampfes gegen das Apartheidregime in der heutigen Republik Südafrika beschäftigt hatte, erzählt sein neuer Roman „Bad Cop“ (ein typisch deutscher Lektoratstitel. Das Original „Of cops and robbers“ ist vielschichtiger, steinbecksch und auch noch ironisch) von den enormen Möglichkeiten, die entschlossen kriminelles Handeln hat, wenn es nur gut genug mit den offiziellen Stellen und Institutionen vernetzt ist. Und davon, dass jeder noch so skrupellose Gangster naiv ist, wenn er nicht daran denkt, dass im Hintergrund womöglich noch viel skrupellosere Mächte lauern.

„Waterberg Nashorn1“ von Ikiwaner - Eigenes Werk. Lizenziert unter GFDL 1.2 über Wikimedia Commons - http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Waterberg_Nashorn1.jpg#mediaviewer/File:Waterberg_Nashorn1.jpg

Breitmaulnashörner in Namibia (Foto: Ikiwane/Wikimedia Commons)

Todesschwadrone und Misswahlen

Der Bad Cop hier heißt Jacob Mkezi, war Polizeipräsident von Kapstadt, wurde wegen Korruption aus dem Amt gejagt, ist jetzt freischaffender Krimineller mit besten Verbindungen zu den gesellschaftlichen Eliten aus Business, Medien und Unterwelt, liebt Krokodillederstiefel (man beachte die Funktion von Schuhwerk bei Mike Nicol en general, ein schönes Magisterarbeitsthema) und beschäftigt ein PR-Büro zur Imagepflege, das fast genauso kriminell ist wie er selbst. Also alles fast wie im richtigen Leben, dem Nicol seinen Stoff abgeschaut hat. Dummerweise kommt der Surfer, Gelegenheitsdealer und Privatdetektiv Bartolomeu „Fish“ Pescado – einen schönen Gruß an den Kollegen Don Winslow – dem Schurken aus verwickelten Gründen ins Gehege. David gegen Goliath, sollte man meinen.

Aber so einfach ist natürlich die Welt, wie sie Mike Nicol beschreibt nicht. Mkezi hat eine Vorgeschichte, die aufs Engste mit einer Todesschwadron des alten Apartheid-Regimes verknüpft ist, deren Wirken bis heute Unheil über Menschen bring. Das ist bei Mike Nicol eine ständige wiederkehrende Denkfigur: Die nicht verarbeitete Vergangenheit vergiftet die Gegenwart. Und Letztere ist absurd genug. Ein wichtiger Motor der Handlung besteht in einem riesigen Lager von Rhinozeroshörnern, die in einer gespenstisch geschilderten Höhle als Kapitalreserve des MK (also des ehemals militärischen Arms des ANC) dienten und die mittlerweile einen Marktwert von 200 Millionen Dollar haben. Herzzerreißend grotesk auch eine Miss-Wahl in Angola, bei der das schönste Landminenopfer gekürt wird: Miss-ohne-Fuß, Miss-ohne-Bein – auch das leider keine Fiktion, aber von Mike Nicol höchst würde- und respektvoll, wenn auch bissig geschildert.

Miss Landmine Cambodia 2009… stets das Gute schafft?

Und natürlich geht es nicht nur um eine persönliche Konfrontation von Gut und Böse. Dafür sorgt die sehr mephistophelische Figur des Mart Velaze. Der ist Trouble Shooter für eine Macht, die noch über den Strippenziehern im politischen Olymp zu sitzen scheint und für Balance hienieden zu sorgen hat. Kein netter Mensch, ein bösartiger, aber humorbegabter Killer, der das Böse will und stets das Gute schafft. Wenn man Großironiker und Realzyniker ist, die Dinge so zu sehen. Also wie Mike Nicol.

Wie überhaupt Coolness, Sarkasmus und Lakonie die Erzählhaltung des Romans am besten charakterisieren.

Immerhin, am Ende, akzeptiert auch Mike Nicol das Privileg von Literatur, laut dem poetische Gerechtigkeit herrschen darf. Auch, wenn sie sehr grimmig rüberkommen mag.

PS: Für Nicol-Fans: Ein paar Handlungsfäden führen zu seinem zusammen mit Joanne Hichens verfassten Roman „Out to score“ (2000) zurück, dass die beiden 2009 unter dem gemeinsamen Pseudonym Sam Cole als „Cape Greed“ überarbeitet haben. Und den ultracoolen Mart Velaze kennen Nicol-Leser auch schon. Was wir nicht kennen, ist der seltsame Umgang mit der Zeitenfolge (wo Perfekt oder Plusquamperfekt stehen müsste, steht oft Imperfekt), den wir nicht von der etatmäßigen Übersetzerin Mechthild Barth gewöhnt sind.

Thomas Wörtche

Mike Nicol: Bad Cop (Of Cops and Robbers, 2013) Roman. Deutsch von Mechthild Barth. München: btb 2015. 543 Seiten. 9,90 Euro. Verlagsinformationen zum Buch.
(Dieser Text ist die extended version einer Fassung, die Sie hier finden, und hier zum Nachhören)

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