Geschrieben am 23. August 2014 von für Bücher, Crimemag

Dominique Manotti: Madoffs Traum

Manotti_Madoffs-Traum_cmyk_300dpiEine Traum-Novelle

– Das Wirken von Bernie Madoff beobachten wir schon seit einiger Zeit sehr aufmerksam (hier bei CulturMag). Umso mehr freut es uns, dass eine so politisch profilierte Autorin wie Dominique Manotti (hier bei CM) sich dem Skandalon Madoff mit einem interessanten Twist angenommen hat. Nur, unserem Madoff-Spezialist Mike Wuliger reicht ihre kleine Novelle „Madoffs Traum“ längst nicht aus …

Bernard Madoff ist eine Kriminallegende. 65 Milliarden Dollar Kundengelder waren verschwunden, als der führende New Yorker Investmentbanker 2008 wegen Betrugs festgenommen wurde. Die Liste der Betrogenen las sich wie ein Who’s Who des internationalen Jetsets: Das Showbusiness (Steven Spielberg, John Malkovich, Uma Thurman) war ebenso vertreten wie die Politik (Friedensnobelpreisträger Elie Wiesel, New Yorks Ex-Gouverneur Eliot Spitzer), der Geldadel (Familie Thyssen) und der Sport (Fußballtrainer Louis van Gaal, Baseballlegende Sandy Koufax. Nicht zu vergessen – so gut wie alle großen Banken und Versicherungen der Welt, von der Schweizer UBS bis zur deutschen Allianz. Dafür wurde Madoff 2009 zu 150 Jahren Haft verurteilt, die er im Butner-Bundesgefängnis in North Carolina verbüßt.

So was ist Stoff für Fiktion. Woody Allen ließ sich von Madoff für seinen Film „Blue Jasmine“ inspirieren, ebenso Nicholas Jarecki für „Arbitrage“, wo Richard Gere eine Madoff-ähnliche Figur spielt. In einer HBO-Produktion wird kein Geringerer als Robert de Niro den Großbetrüger verkörpern.

BernardMadoff (wikomedia commons/Quelle) http://de.wikipedia.org/wiki/Bernard_L._Madoff

BernardMadoff (wikimedia commons/Quelle)

Auch die Französin Dominique Manotti hat sich des Themas angenommen. „Madoffs Traum“ heißt ihre Novelle, die auf Deutsch Mitte August im Hamburger Argument-Verlag herausgekommen ist. Manotti ist als Autorin für das Thema doppelt qualifiziert. Nicht nur hat sie eine ganze Reihe von Hard-boiled-Thrillern verfasst, die ihr etliche internationale Krimipreise eingetragen haben. Unter ihrem richtigen Namen Marie-Noelle Thibault war sie Dozentin für Wirtschaftsgeschichte, bevor sie mit 50 ihre literarische Karriere begann.

Auf 53 Seiten lässt Manotti ihren Antihelden über sein Leben, seine Geschäfte und seinen Untergang monologisieren, von den bescheidenen Anfängen als kleiner Börsenmakler über den Aufstieg in den Reagan-Jahren und mit dem Technologie-Boom bis zum Subprime-Crash von 2008, in dessen Gefolge Madoffs Schwindel aufflog. Wobei die Autorin ihn nicht so sehr als Betrüger zeichnet, sondern als eigentlich gewöhnlichen Finanzhai, nicht schlimmer als die anderen Raubtiere im Wall-Street-Becken. Für Manotti ist Madoff nur der zugespitzteste Ausdruck eines radikalisierten Kapitalismus – mit Marx ausgedrückt, eine Charaktermaske.

Dominique Manotti (2006) (Quelle: wikimedia commons) http://de.wikipedia.org/wiki/Dominique_Manotti

Dominique Manotti (2006) (Quelle: wikimedia commons)

Da kommt Dominique Manottis politische Haltung ins Spiel. Die frühere Gewerkschaftsaktivistin ist, wie sie sagt, von Antonio Gramsci und Rosa Luxemburg ebenso inspiriert wie von James Ellroy. „Madoffs Traum“, schreibt sie im Nachwort, „ist eine moralische Erzählung. Ich habe diesen Monolog im Zorn geschrieben.“ Madoff sei, glaubt sie, so hart bestraft worden, weil er die Elite abgezockt habe, statt, wie seine Kollegen in anderen Investmentfirmen, die Unter- und Mittelschicht. „In den vereinigten Staaten hat man das Recht, die Armen zu berauben, nicht aber die Reichen. Daher mein Zorn.“

Vor lauter Zorn freilich hat die Autorin die Chance verpasst, aus dem Madoff-Stoff einen wirklich guten Thriller zu schneidern. Dabei liefert sie ist das Schnittmuster dafür selbst. In ihrer Novelle stellt Dominique Manotti die ökonomisch berechtigte Frage, wie es kommen konnte, dass Madoffs Schneeballsystem über Jahrzehnte funktionieren konnte, wo doch in der Regel diese Art Betrugsmanöver nach maximal sechs Monaten auffliegen müssen, weil dann der Vorrat an Trotteln aufgebraucht ist und kein neues Geld mehr reinkommt. Ihre Antwort: Madoffs Schneeballsystem war keines, sondern nur Tarnung für eine gewaltige Geldwaschanlage mafiöser Art. Das hat etwas Plausibles. Es könnte einen guten Plot für einen wirklich spannenden Finanzthriller abgeben. Wäre schön, wenn Dominique Manotti sich die Zeit nehmen würde, ihn zu schreiben.

Michael Wuliger

Dominique Manotti: Madoffs Traum (Le Rêve de Madoff, 2013). Novelle. Deutsch von Iris Konopik. Hamburg: Ariadne 2014. 64 Seiten. 8,00 Euro. Verlagsinformationen zum Buch. Mehr zu Dominique Manotti. Michael Wuliger ist Kulturredakteur der »Jüdischen Allgemeinen«.

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