Geschrieben am 1. Februar 2012 von für Musikmag

Leonard Cohen: Old Ideas

Leonard Cohen: Old IdeasRelaxte Ironie

– Seit ein paar Tagen sind die „Old Ideas“ auf dem Markt und schon kann man sich, weil schon viel und überall artig besprochen, kurz fassen: Zwölftes Studio-Album, das erste seit acht Jahren, von Leonard Cohen, inzwischen – meine Güte – schon 77 Jahre alt. Zehn neue Songs, davon zwei schon auf den letzten Tourneen angetestet. Stimmung & voll geglücktes production design: Extrem entspannt.

Ein paar großartige Zeilen: „He is a lazy bastard who lives in a suit“ oder „You want to live where the suffering is/I want to get out of town/C´mon baby give me a kiss/Stop writing everything down”. Minimalistische Musik („Anyhow”, mit gespenstischen Background-Vocals der immer grandiosen Background-Mädels), komplizierte Beziehungskisten, minimalistisch auf den Punkt gebracht: „Different sides”. Lakonische Selbstironie („Going Home“): „I love to speak with Leonard/He´s a sportsman and a shepherd …” und opulentes Herumgespiele mit allerlei transzendentem Schnickschnack, der sich aber um Himmels willen nicht irgendwie festlegen lässt.

Poetisch und rätselhaft eben, wie ein Song über ein bedrohliches, kaputtes Banjo („Banjo“), schon wieder mit einer wunderbaren Zeile: „It´s coming for me darling/No matter where I go/Its duty is to harm me/My duty is to know“. Was machen wir denn damit? Hoffentlich gibt´s nicht bald (oder gibt´s die schon?) bescheuerte Cohen-Auslegezirkel, die sich wie bei Arno Schmidt in Exegesen und Dechiffrierungen ergehen und in ziemliche jede Kontingenz-Falle eifrig hineinstolpern…

Letzte Dinge

Anyway, hitverdächtig, wenn man denn bei Cohen von „Hits“ reden kann, also eher klassikerverdächtig: „Darkness“ und „Different Sides“, vermutlich weil mit größerer Band, fetter Orgel und bluesigem Piano nicht ganz so minimalistisch aufgezogen. Wobei es ziemlich müßig ist, die musikalische Cohen-Formel auseinander zu klamüsern. Ist sowieso alles drin und auch wieder nicht, weil zu einem einzigen signifikanten Cohen-Sound amalgamiert, was wir auch gar nicht anders wollen. Die „Old Ideas“ sind glücklicherweise keine hektischen Experimente, sondern eine Art Essenz, geballte, jahrzehntelange musikalische Entwicklung.

Und natürlich die Stimme – tiefer, raspeliger denn je (falls das noch geht), eher sprechend denn singend, aber alles das nicht als Verfallserscheinung. Cohen kann ganz tief gehen, ganz langsam werden (neee, für Fans flotter Rhythmen ist diese CD nicht empfehlenswert), ohne deswegen gleich brüchig, moros oder sonst wie endzeitlich wirken zu wollen. Wie überhaupt die ganze CD natürlich mit den letzten Dingen herumspielt – auch die Engelschöre der Webb-Sisters, von Sharon Robinson, Dana Glover und Jennifer Warnes könnten in diese Richtung deuten –, aber erstens gab es das schon immer bei Meister Cohen und zweitens ist die ganze CD von derart relaxter Ironie durchzogen, dass auch diese Interpretation nicht aufginge. Aber warum sollte man sich auch auf Sinnsuche machen, wenn doch das bestens funktioniert, was Cohen schließlich macht: Musik. Sexy, rätselhaft, mit Witz und größter Könnerschaft.

Thomas Wörtche

Leonard Cohen: Old Ideas. Sony Music (auch als Doppel aus CD & Vinyl erhältlich). Zur Homepage von Leonard Cohen.

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