Das Mighty Mississippi Music Festival in Greenville, MS
Nach den Reisehinweisen von Rolf Barkowski in den Blues-Himmel am Mississippi (vergl. „BluesMag: Der Blues ist tot – lang lebe der Blues“ in der Septemberausgabe) hier nun sein aktueller Reisebericht. Drei Wochen war er unterwegs auf dem Highway 61, dem Blues Highway. Erste Station: das Mighty Mississippi Music Festival in Greeenville, Mississippi. In der nächsten MusikMag-Ausgabe geht es dann weiter nach Helena, Arkansas, zum King Biscuit Blues Festival. Danach folgen Berichte über die Central Mississippi Blues Society in Jackson und die Bluesszene in Clarksdale.
„Auf dem Highway 61 ist die Hölle los“ titelt die FAZ anlässlich des Literaturnobelpreises für Bob Dylan. Ganz so dramatisch wie in Dylan’s „Highway 61 Revisited“-Titel ist es nicht auf dem Highway. Aber spannend. Wer hören und erleben will, was der Süden Amerikas aktuell an Blues anbietet, folgt dem Blues Highway von Memphis Richtung Süden. Der „Bridging The Blues“-Idee folgend geht es für den Reisenden zuerst nach Greenville zum „Mighty Mississippi Music Festival“.
Der herrliche Warfield Point Park liegt direkt am Mississippi und bietet Ende September an zwei Tagen von Freitag bis Sonntag Programm auf zwei Bühnen. Die Main Stage startet am frühen Freitagabend. Grundsätzlich ist die Main Stage bei diesem Festival mehr das Forum der Country und America Musik im weitesten Sinne. Immer etwas Blues dabei (Kingfish, Ryan Bingham), aber Nashville bzw. moderne Country Musik sind hier angesagt. Machen The Revivalist (siebenköpfige Band aus New Orleans) oder Good Paper of Rev. Rob Mortimer den Bluesliebhaber noch neugierig, Maren Morris oder die Hackensaw Boys muss man schon sehr mögen. Lieber nicht!
Aber für den Bluesfreund gibt es ja die wunderbare Highway 61 Blues Stage:
Samstagmorgen hat Pat Thomas die undankbare Rolle, als Erster vor den wenigen Frühaufstehern das Festival zu eröffnen. Schwer für Pat, aber er macht das Beste daraus. Zuhause ist Pat Thomas in Leland. Wer dem Highway 61 Museum einen Besuch abstattet, bekommt von Pat auf Wunsch eine spezielle Führung. Und jede Menge Blues. Sehr zu empfehlen! (dazu an anderer Stelle mehr).
Auf Pat folgt Cadillac John Nolten begleitet von Bill Abel. Auch wenn nicht mehr alle Einsätze stimmen, die Stimme brüchig geworden ist – großer, großer Respekt für den wohl ältesten Musiker (89 Jahre) der zur Zeit in Mississippi noch regelmäßig auf der Bühne steht.
Nach Libby Watson ist es dann an John Horten und seiner Band, mehr Bewegung in die mittlerweile größere Zuschauerzahl zu bringen. Typen wie John Horton gibt es auch nur hier im Delta. Ausgestattet mit einer Bärenkondition, arbeitet er tagsüber als Bulldozerfahrer; abends spielt er regelmäßig in den Clubs von Greenville. Produzieren, eine CD aufnehmen – nicht sein Ding. „Just for fun…“, das ist seine Devise.
Kenny Brown, begleitet von Bass und Drums, zeigt als nächster sofort, wessen ‚adopted son‘ er ist. In bester Nothern Hills Tradition legt Kenny los: „ms.maybelle, stop breakin`down, skinny woman,let’s work together, shake ‚em on down, you gotta move, gotta boogie“ lautet die Setlist. Als Bill Abel (gerade noch sensibler Begleiter von Cadillac John ) die Bühne betritt und sich mit Kenny fast zehn Minuten lang bei „going down south“ eine Slide-Schlacht liefert und die beiden mit „jumper on the line“ weitermachen, ist klar: Das ist einer der Höhepunkte des Wochenendes. Dafür komme ich hierher.
Cedric Burnside eröffnet sein Set mit drei akustischen Stücken, bevor Trenton Ayers die Bühne betritt und es elektrisch wird. Unerwartet kommt Kenny Brown für zwei Titel mit auf der Bühne. Man kennt sich eben….
Über Mr. Sipp braucht man keine großen Worte mehr zu verlieren. Mit schon fast beängstigender Perfektion und routiniert eingespielter Band agiert er auf der Bühne. Nach 20 Minuten die erste Runde durch das Publikum.
Damit klingt der erste Tag aus.
Der Sonntag gehört alleine der Highway 61 Blues Bühne. Die Main Stage ist schon abgebaut. Und wie es sich für einen Sonntag ziemt, startet die Kairos Blues and Gospel Band mit voller Inbrunst. Gopels und Predigt – der Gottesdienst für die Bluesjünger.
Nächster auf der Setlistdann Jimmy ‚Duck‘ Holmes. Der Betreiber des ältesten Juke Joint (Blue Front Cafe) in MS (laut Holmes sogar der USA) und einer der letzten Vertreter der Betonia School (Skip James). Gitarre und Stimme, mehr braucht es nicht. Holmes spielt einige Titel seiner neuen CD („It Is What It Is“ – Blue Front Records).
Etwas lauter wird es bei Terry ‚Harmonica‘ Bean. Gitarre, Harmonica, Vocals und ausgestattet mit einem gesunden Selbstbewusstsein („I´m the first playing blues on the moon…“), so erleben wir einen seiner routinierten Auftritte. Terry gehört zu den wenigen Musikern aus diesem Kreis, der schon in Europa auf diversen Festivals unterwegs waren
Ähnlich wie Leo ‚Bud‘ Welch. Allerdings musste Leo erst 81 Jahre alt werden, bis er entdeckt wurde. Kurz vor seinem 82. Geburtstag erschien seine erste CD “Sabougla Voices“. Seitdem gilt Leo als einer der angesagten Stars der Bluesszene. Ich kann diese Euphorie nicht ganz teilen. Aber auch hier Respekt, Repekt. Mittlerweile 84 Jahre alt, unterwegs in England, Österreich etc. und regelmäßiger Gast auf den Festivals und Veranstaltungen im Delta. Zur Musik: zweite CD „I Don`t Prefer No Blues“, 2015. Reinhören und eigenes Urteil bilden.
Jericho Road Show mit Libby Watson und Big Time Rhythm and Blues Band (Locals aus Leland und Umgebung) bieten solide Unterhaltung. Bill Abel dagegen, von Bass und Drums begleitet, lässt es noch einmal richtig krachen. Was sich schon bei seinem Auftritt bei Kenny Brown angedeutet hat: War Abel bisher eher als ruhiger Performer mit akustischer Gitarre in Erinnerung – hier zeigt er, was er elektrisch alles kann. Ähnlich wie Kenny Brown – angelehnt an den ruppigen Sound der Northern Hill Musiker – überzeugt Bill Abel mit seinem Gitarrenspiel das Publikum.
Cedric Burnside Projekt mit einem zweiten Auftritt beenden dann das Wochenende.
Resümee:
Drei Tage Musik, davon an zwei Tagen Blues, dargeboten von den Musikern, die hier im Delta zu Hause sind. Kleine Bühne, grüne Wiese, Sonnenschein (27 bis 30 Grad), dazu der Mississippi River. Viel Platz, bescheidene Zuschauermenge, entspannte Stimmung, direkter Kontakt zu den Musikern. Überzeugende, authentische Auftritte. Mag sein, dass der ein oder andere Musiker auch bei uns auf Festivals zu Gast ist (Mr. Sipp), sie hier in der Menge, an diesem Ort zu hören, das ist schon ein Erlebnis. Und allemal eine Reise wert.
P.S. Weiterführende Infos, Tips,Vorschläge zum Thema/für eine eigene Reise gerne beim Autor. Kontakt über die Redaktion CulturMag.
Text und alle Fotos: Rolf Barkowski
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