Geschrieben am 27. April 2013 von für Crimemag, Kolumnen und Themen

Zoë Beck über „Frauenspannung“

Neulich, bei „Krimis machen 1“ war es endgültig nicht mehr zu überhören, das ominöse Wort „Frauenspannung“, das seit geraumer Zeit eher im Hintergrunde  herumgedümpelt war. Irgendwas gefühlt Pink-es, hatte man den Eindruck.

Zoë Beck hat sich das Wort genauer angeschaut und ist erschrocken:

Zoe BeckFrauenspannung.

Es gab Zeiten, einst in den 70er und 80er Jahren des 20. Jahrhunderts, da hatte der Begriff Frauenliteratur etwas Kämpferisch-Politisches und war eng mit dem Feminismus verknüpft, wenn nicht synonym. Davor war es anders, als Frauenliteratur gleichbedeutend mit Groschenromanen war, meint: ohne literarischen, gesellschaftlichen, politischen, irgendeinen Anspruch, intellektuell geeignet für sparsam gebildete Menschen, Frauen eben.

Es gab jedoch, und das ist unstrittig, zu jeder Zeit Frauen, die belanglose Liebesgeschichten erzählt haben, und Frauen, die intelligent, kritisch und scharfsinnig die Gesellschaft, in der sie lebten, kommentierten. Interessant ist daher, wie es zu der unterschiedlichen Rezeption des Begriffs kommt. Warum es ihn überhaupt gibt, ist schon ein Thema für sich. Schauen wir uns für den Moment aber einmal an, wie heute damit umgegangen wird.

In den Abteilungen der Buchhandelsketten, die schlicht mit „Frauen“ überschrieben sind, und in den Online-Buchhäusern unter dem Hinweis „Unterhaltung für Frauen“ stapeln sich Liebes-, Landschafts-, Erotik- und Sehnsuchtsromane, bei denen gesellschaftskritische, gendertheoretische oder feministische Fragen außen vor bleiben oder wenigstens nicht zu offensichtlich sein sollen – keine Störfaktoren, bitte! Frauenliteratur wirkt somit als Synonym für passable Unterhaltungslektüre (mit großen Niveauschwankungen) mit Happy End-Garantie. Ein Wellnessprodukt. Die Nachfolge des Groschenromans? Im Inhalt – nicht unbedingt. In der Rezeption – durchaus. Bedanken wir uns an dieser Stelle bei den Filialisten, die genau diese Entwicklung förderten und forderten.

Denise Mina

Denise Mina

Nervenkitzel, huch …

Der Ansatz, Frauen etwas mit Wohlfühlgarantie in die Hand zu drücken, reicht deutlich in die Kriminalliteratur, wo der Begriff „Frauenspannung“ in den Verlagen kursiert. Frauenspannung, das heißt: Die Nerven dürfen (und sollen) gekitzelt werden, aber die Protagonistin bleibt unbeschädigt, und am Ende wird alles gut.

Die Frage, ob Frauen nun endlich erreicht haben, was sie immer wollten – mehr Aufmerksamkeit, mehr Raum, mehr Wertschätzung – stellt sich da fast nicht mehr. Die Abgrenzung zu der Männerwelt ist so deutlich wie eh und je. Die kommerziell erfolgreiche Frauenspannung ist wie das rosafarbene

Kinder-Überraschungsei: Angeblich sollen die Mädchen (Frauen) in ihrer Rolle bestärkt werden. Letztlich werden sie wieder nur ausgegrenzt und in ihre Schranken verwiesen. Die vermeintlich unabhängige Ermittlerin bekommt einen männlichen love interest zugewiesen, der sie am Ende rettet.

Frauenkrimianthologien lesen sich wie augenzwinkernde (!) Anleitungen zum Mord am Ehemann, als gäbe es keine andere Möglichkeit, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Die Probleme der gebrochenen Protagonistin werden thematisiert und behoben, auf dass kein Dreck an ihr kleben bleibe.

Vermutlich deshalb hatten und haben die Romane von Denise Mina (hier mehr bei culturmag) solche Start- und Akzeptanzschwierigkeiten auf dem deutschen Markt. Die Lizenzausgaben, die vor ein paar Jahren noch bei Droemer Knaur erschienen, verkauften sich schlecht, bekamen so gut wie keine Aufmerksamkeit bei der Kritik und zurückhaltende bis sehr schlechte Rückmeldungen von den Leserinnen. Kurz darauf versuchte es der Heyne Verlag mit der Alex Morrow-Reihe, in der die Autorin ein von sozialen Gegensätzen gespaltenes Glasgow zeigt. Ihre Ermittlerin kämpft in der Männerdomäne Polizei ums Bestehen und versucht, Beruf, Ehe und demnächst auch Kinder unter einen Hut zu kriegen.

Die unaufgeregt erzählten, realitätsnahen Probleme von Alex Morrow vor dem Hintergrund eines wenig pittoresken Schottlands und die ungeschönten Milieuschilderungen kommen hierzulande nicht gut an. Zu viel Sozialdrama, und dazu noch eine Frau, die eben einfach mal Alltag hat. Ab Juni versucht es Heyne mit der grandiosen Trilogie um die junge Paddy Meehan, die in den 80er Jahren alles dransetzt, um eine Karriere als Journalistin zu starten. Paddy kämpft nicht mit wehenden Fahnen gegen den alltäglichen Sexismus und die Demütigungen, die ihr durch Kollegen, Familie und Freunde widerfahren, sie erträgt all das mehr oder weniger still, um sich auf ihr erklärtes Ziel zu konzentrieren. Auch hier: exzellente Milieustudien und eine unaufgeregte, wenngleich schonungslose Darstellung der patriarchalen Strukturen.

So etwas hat Publikum. Die Frage ist nur, ob man es findet, wenn Blütencover und wenig aussagekräftige Titel das Alleinstellungsmerkmal von Minas Büchern verwässern.

gran-stadt-der-toten_22609-4Heldinnen zum Liebhaben  

Das vollständige Absaufen drohte auch Sara Gran mit „Die Stadt der Toten“ (Droemer Knaur). Während sich das Lektorat sicher war, hier etwas Besonderes zu haben, schien die Marketingabteilung der Meinung zu sein: Frauenspannung! Aber ein bisschen anders? Machen wir doch ein Cover, das aussieht wie dieser Liebesroman „Zwei an einem Tag“, da stehen Frauen drauf, und wegen Krimi und so kommt noch eine Pistole hin, super, verkauft sich wie geschnitten Brot.

Verkaufte sich gar nicht, anfangs. Wer das erwartete, was das Cover versprach, war milde gesagt enttäuscht. Sara Grans Claire DeWitt säuft, kokst und kifft. Sie ist höchst unzuverlässig, und ihr Humor ist nichts, was der gängigen Vorstellung davon auch nur nahe käme. Die Leserinnen wollten etwas zum Wohlfühlen, eine Identifikationsfigur zum Liebhaben. Keine Frau, die nie mit sich und ihrem Leben ins Reine kommen wird.

„Frauenspannung“ ist der falsche Ort für diese Autorinnen, denn die Versprechen, die Charlotte Link oder auch Elizabeth George, die selbst Tess Gerritsen und Mo Hayder einlösen – dass nämlich am Ende doch irgendwie alles gut ist, dass die Frauen ihren Platz im Leben haben und geliebt werden (wenigstens von den Leserinnen), dass die Welt kein ganz schlechter Ort ist – diese Versprechen werden nicht gegeben. Warum auch.

Der Kriminalroman bietet den Raum, die Gesellschaft mit ihren Abgründen, mit ihrem Dreck und ihrer Ungerechtigkeit abzubilden. Wäre da nicht das verkaufsfördernd gedachte, in erster Linie aber literarische Vielfalt verhindernde Etikett „Frauenspannung“. Es grenzt aus und ab. Wie ein rosafarbenes Überraschungsei.

Zoë Beck

Zoë Becks Homepage und Fanseite bei Facebook. Foto Mina: wikimedia commons, TimDuncan.

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