Geschrieben am 1. Juni 2023 von für Crimemag, CrimeMag Juni 2023

Schatzsuche Juni 2023 – Lesestoff

Eine Vielzahl von Krimi-Neuheiten …

… erscheinen jeden Monat, dazu Graphic Novels (vulgo: Comics) und DVDs und BluRays. 

Unmöglich, das alles zu überblicken und zu rezensieren. 

CrimeMag siebt und schürft deshalb für Sie und weist hier regelmäßig mit Hilfe der befreundeten Buchhandlungen Chatwins (Berlin), Wendeltreppe (Frankfurt) und Buchladen in der Osterstraße (Hamburg) auf interessante Neuerscheinungen hin. 

Empfehlungen für DVDs, BluRays und Comics und auch Podcasts geben Katrin Doerksen und Thomas Groh.

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Bitte denken Sie daran, dass gerade in diesen Zeiten Ihre lokalen Buchhandlungen besonderer Unterstützung und Solidarität bedürfen. Lieber dort bestellen als bei amazon. Man kann das nicht oft genug sagen – und tun.

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Claudia Denker von der Krimiabteilung im Chatwins in Berlin-Schöneberg:

Fangen wir bei A wie Angoe, Yasmin an: »Echo der Gewalt« (Suhrkamp, deutsch von Karin Diemerling) – die Geschichte um eine Elite-Killerin interessiert mich. Nach der Lektüre von John Brownlows »Seventeen« (s. Schatzsuche April 2023 – wie erwartet super! – Und in dieser Ausgabe Thomas Wörtche, d. Red.) bin ich gespannt, wie sich Nena Knight aus Ghana durch die Seiten schlägt.

Bereits erschienen, aber ich möchte es nicht vergessen: »Last Call Manila« von Jose Dalisay (Transit, deutsch von Niko Fröba) liegt noch auf dem Lies-Mich-Stapel. 

Ich freu mich auf den neuen Yves Ravey: »Taormina« (Liebeskind, deutsch von Sabine Müller und Holger Fock), wieder ein eher schmales Büchlein. Der Vorgänger »Die Abfindung« hatte es mit seinen nur 112 Seiten allerdings in sich.

Bei Argument erscheint ein neuer Kriminalroman von Denis Mina: »Fester Glaube« (deutsch von Karen Gerwig), da kann man nichts falsch machen. Glaube ich.

Über den Titel »Ebenbild« bin ich gestolpert. Einen »Agententhriller mit tiefenpsychologischer Bedeutung« hat Klaus Ferentschik geschrieben (PalmArtPress). Beim Googeln finde ich den Autor auch noch als Professor der HTW, Berlin. Na sowas. Mal ansehen.

Zur Abteilung »Kein Kriminalroman«: »Gentleman über Bord« von Herbert Clyde Lewis (mareverlag, deutsch Klaus Bonn) ist wirklich sensationell!

Aus glaubwürdiger Quelle hörte ich heute: »Das Jahr des Dugong« von John Ironmonger (Fischer, deutsch von Tobias Schnettler) ist eine sehr schöne Erzählung.

Und auch bereits im Mai erschienen: Der Elsinor Verlag hat Texte von Gerhard Henschel ausgewählt: »Grund dafür ist eine Verspätung aus vorheriger Fahrt. Satiren, Grotesken und Vermischtes aus fünf Jahrzehnten.« Macht Spaß.

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Jutta Wilkesmann und Hildegard Gansmüller, Wendeltreppe, Frankfurt:

Wie immer bei uns bunt gemischt:

Pierre Martin: Madame le Commissaire und die Mauer des Schweigens (Knaur)

Cay Rademacher: Stille Sainte-Victoire (DuMont)

Michael Connelly: Zwei Wahrheiten (Kampa, Ü: Sepp Leeb))

Louise Penny: Die Reise nach Paris (Kampa, Ü: Andrea StumpfGabriele Werbeck)

Jürgen Seidel: Schmutziges Licht (Kampa)

Jun’ichiro Tanizaki: Das Geständnis (Septime, Ü: Jan Manus Leupert)

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Torsten Meinicke, Buchladen in der Osterstraße, Hamburg:

Im Rucksack die apulische Küste entlang gewandert sind mit mir:

– John Brownlow, Seventeen (Ü: Stefan Lux), Rowoht 2023, 396 S., 13 Euro: Auftragskiller Nummer 17 soll Auftragskiller Nummer 16 töten. Und umgekehrt. Coole und erbarmungslose James-Bond-Typen, dazu so eine Art Bond-Girls (hier „Mädels“ genannt). Das Ganze kommt schwer mackermäßig daher, ist aber – zugegebenermaßen – höchst temporeich und spannend geschrieben. Und einen zarten politischen Background gibt es auch.

– Mary Paulson-Ellis, Das Erbe von Solomon Farthing (Ü: Kathrin Bielfeldt), Argument 2023, 477 S, 25 Euro: Nach „Die andere Mrs. Walker“ nun der zweite Roman der schottischen Autorin bei Argument. Solomon Farthing ist Erbenjäger und seine Jagd führt ihn weit zurück bis in den Ersten Weltkrieg. Und Paulson-Ellis‘ Roman ist weit mehr als 0815-Krimikost. Glossar dankenswerterweise inklusive. (Siehe auch unsere „Bloody Chops“, d. Red.)

– C. Pam Zhang, Wie viel von diesen Hügels ist Gold (Ü: Eva Regul), Fischer Taschenbuch 2023, 346 S., 14 Euro: Das Buch wollte ich schon lange mal lesen, nun hat es endlich geklappt. Zhang erzählt die Geschichte chinesischer Einwanderer im Kalifornien des 19. Jahrhunderts. Goldsuche und Eisenbahnbau, hart und illusionslos geschrieben. Nur das politsch überkorrekte Interview mit der Autorin am Ende des Buches hätte sich der Verlag getrost sparen können. 

Zur aktuellen Lektüre sind neben meinem Bett gerade gestapelt:

– Ken Bruen, McDead (Ü: Karen Witthuhn), Polar 2023, 140 S., 16  Euro: Kam gerade als Vorabexemplar mit der Post: klein, schwarz, böse. Ken Bruen halt. Ein freudig erwartetes Wiedersehen mit den Drecksäcken in Uniform Brant, Roberts und ihrer schwarzen Kollegin Falls. Und für diesen schmutzigen London-Noir hat die Übersetzerin wieder voll die richtigen Worte gefunden!

– James Lee Burke, Verschwinden ist keine Lösung (Ü: Jürgen Bürger), Pendragon 2023, 464 S., 24 Euro: Chapeau, Günther Butkus! Das nenne ich eine verlegerische Meisterleistung. Denn mit diesem 23. Band ist die Dave-Robicheaux-Reihe nun tatsächlich vollständig. Wer noch nichts davon gelesen hat, hat etwa 12 000 Seiten Lesespaß vor sich. Und mein überfülltes Krimiregal atmet auf.

– Don Winslow, City of Dreams (Ü: Conny Lösch), HarperCollins 2023, 367 S., 24 Euro: Die Fortsetzung von „City on Fire“. Und – wenn der Autor es ernst meint – sein vorletztes Buch, bevor er sich ganz dem Kampf gegen Donald Trump widmen wird. Von diesem zweiten Band der Trilogie erwarte ich nicht weniger als hohe und routinierte Krimikunst. Sicher, das Niveau von „Tage der Toten“ erreicht es sicher nicht, aber so ein Buch schreibt man auch nur einmal im Leben. (Siehe auch unsere „Bloody Chops“, d. Red.)

Ich wünsche lange und sonnige Tage mit kriminell guten Büchern!

Torsten Meinicke

Comic/Heimkino – von Katrin Doerksen und Thomas Groh

American Born Chinese von Gene Luen Yang
Cross Cult, Hardcover, vierfarbig, 244 Seiten, bestellbar

In seiner mehrfach preisgekrönten Comic-Autobiografie erzählt der Autor der Zeichentrick- und Comicserie Avatar – Herr der Elemente von einer Kindheit als einziger chinesischstämmiger Junge an einer fast komplett weißen Schule und führt diese persönliche Identitätssuche mit der Geschichte des Affenkönigs aus dem historischen chinesischen Roman Die Reise nach Westen zusammen.

Hypericum von Manuele Fior
avant-verlag, Hardcover, vierfarbig, 144 Seiten, bestellbar

Wer sich in die Freiräume, die unendlichen Möglichkeiten, die Aufbruchsstimmung im Berlin der 1990er Jahre zurücksehnt, wird im neuen Comic des Italieners Manuele Fior (Ikarus) fündig. Der verwebt sanften Striches die Liebesgeschichte eines Künstlers und einer Museumsmitarbeiterin mit der Entdeckung des Grabes von Tutanchamun. 

Terza Visione Filmfestival in Frankfurt am Main, 19. bis 23. Juli (Vorglühen am 18. Juli)

Wenn es draußen heiß und feindlich ist, ist der gekühlte Kinosaal des Filmmuseums wahrscheinlich der beste Rückzugsort, den man in Frankfurt am Main für wenig Geld stundenweise buchen kann. Zumal vom 19. bis 23. Juli, wenn dort einmal mehr das mittlerweile berühmt-berüchtigte Festival Terza Visione zum Filmurlaub einlädt. Für wenige Tage lang liegt dann Italien am Main, denn es geht um die Köstlichkeiten des italienischen Genrefilms der Fünziger- bis Achtzigerjahre: Vom Italowestern über Komödien und Musicarellis bis zu Horror, Gialli und Erotikthriller führt die Reise. Das eine Besondere: Gezeigt werden ausschließlich 35mm-Kopien, in hartnäckiger kuratorischer Wühlarbeit diversen Sammlern und Archiven abgetrotzt. Das andere Besondere: Der Fokus liegt auf Neu- und Wiederentdeckungen – schon manch einer kam für einen geliebten Genreklassiker und kehrte mit drei neuen Lieblingsfilmen zurück, von denen er zuvor noch nie gehört hat. Und das dritte Besondere: Kein geringerer als Giallo-Maestro Dario Argento wird diesmal als Ehrengast erwartet. Weshalb sich die Anreise schon am 18. Juli lohnt: Da gibt es quasi schon ein Argento-Vorglühen.

Infos zum Festival
Infos zur Hommage Dario Argento
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Lubi – Ein Polizist stürzt ab, SWR/Studio Bummens, alle Folgen online 

Kriminalkultur-Spezialisten wissen eh: Polizisten und Kriminelle sind mitunter Fleisch vom selben Fleisch. Beweismittel A: der SWR-Podcast „Lubi – Ein Polizist stürzt ab“. Der Polizist, den alle nur Lubi nennen, genießt seine Einsätze am Berliner Brennpunkt Görlitzer Park. Bis er selber in einen Sog von Kokain und Autoschmuggel abstürzt. Dieser Gesprächs-Podcast lebt von seiner intimen Atmosphäre – und davon, dass Lubi einer ist, der gerne von sich erzählt, vielleicht sogar aufschneidet. So entsteht das Porträt eines notorischen Lügners, vielleicht sogar geborenen Troublemakers: einer, den man nicht zum Freund haben will, aber der einem – ob willentlich oder unwillentlich – viel darüber erzählt, wie Polizisten ticken.

Mafialand, SWR, alle Folgen online 

Die Clankriminalität in Berlin-Neukölln hält ganz Deutschland in ihrem Bann. Lange Zeit gut lachen hatte da das organisierte Verbrechen im beschaulichen schwäb’schen Ländle. Hier ist die ‚Ndrangheta gut in großen und kleinen Geschäften mit dabei, ohne dass man groß davon Notiz genommen hätte – bis vor kurzem eine internationale Groß-Razzia für Schlagzeilen sorgte. Der SWR-Podcast „Mafialand“ kam kurz zuvor gerade zur rechten Zeit: Er beleuchtet Connections und Hintergründe, reist von einer schwäbischen Pizzeria bis ins tiefste Kalabrien. Und zeichnet dabei das Bild einer sich zusehends in ihrem Netz einnistenden Spinne, deren Arme weit reichen – mitunter bis nach ganz oben.

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