Geschrieben am 2. Februar 2020 von für Crimemag, CrimeMag Februar 2020

Schatzsuche: Crime-Neuerscheinungen 2/2020

Eine Vielzahl Krimi-Neuheiten

 … erscheinen jeden Monat, dazu Graphic Novels (vulgo: Comics) und DVDs und BluRays. Unmöglich, das alles zu überblicken und zu rezensieren. CrimeMag siebt und schürft deshalb für Sie und weist hier regelmäßig mit Hilfe von: Kaliber.38 und der befreundeten Buchhandlungen Chatwins (Berlin), Hammett (Berlin), Glatteis (München), Wendeltreppe (Frankfurt) und Buchladen in der Osterstraße (Hamburg) auf interessante Neuerscheinungen hin. Empfehlungen für DVDs, BluRays und Comics geben Katrin Doerksen und Thomas Groh.

Jan Christian Schmidt von Kaliber.38:

Das ist ’n Ding – Larry Beinhart ist wieder da! Der Frankfurter Westend Verlag wagt sich an eine Neuausgabe des Klassikers American Hero von 1993, der unter dem Titel „Wag the Dog“ in Starbesetzung verfilmt wurde. Siehe auch den „Bloody Chop“ in dieser Ausgabe.

Shalom Berlin (Piper) heisst der neue Roman des österreichischen Schriftstellers Michael Wallner, der Auftakt zu einer Berlin-Krimiserie sein soll. Ermittler ist Alain Liebermann, Leiter einer Berliner Spezialeinheit und Spezialist für Terrorbekämpfung – und Mitglied einer großen jüdischen Familie. „Aktuell, aufwühlend, fesselnd“, so verspricht es der Piper Verlag, sei Liebermanns erster Fall um Antisemitismus, Angst und Gewalt. Schön, dass sich auch die Kriminalliteratur des unapptetitlichen Themas Antisemitismus annimmt und von Michael Wallner – auch als Theaterregisseur und Schauspieler aktiv – versprechen wir uns einen mehrdimensionalen Text. Den Namen der Hauptfigur, Alain Liebermann, interpretieren wir als literarische Verbeugung vor Stuart Kaminsky, dessen jüdischer Chicago-Cop Abe Lieberman zwischen 1991 und 2007 in zehn Romanen ermittelte. Apropos – „Kalt wie Gold“ von Marcel Montecino könnte man mal wieder auflegen…

Capitalism kills: In Frankreich endete im Dezember ein Prozess gegen mehrere Ex-Télécom-Manager mit Haft- und Geldstrafen. Die Manager wurden schuldig gesprochen, zur Restrukturierung des Unternehmens ein System der Einschüchterung und Angst unterhalten zu haben, dem sich neunzehn (!) Mitarbeiter nur durch Selbsttötung, zwölf (!) weitere durch Selbstmordversuch zu entziehen wussten. Vor diesem zynischen Hintergrund spielt der Wirtschaftsthriller Die Coachin von Nicolas Verdan (Lenos Verlag, aus dem Französischen von Hilde Fieguth). Eine Frau, als Coachin für Führungspersonal tätig, entwickelt einen ausgeklügelten Plan, um den Suizid ihres Bruders zu rächen. Da sie die Schuld dem Arbeitgeber des Bruders wähnt, der Schweizer Post, wird sie Beraterin eines der Topmanager und versucht, ihn beruflich wie psychisch fertigzumachen. Doch Rache ist nicht nur süß – Nicolas Verdan, so lesen wir in der Ankündigung, zeigt „den Rachefeldzug einer ehrgeizigen Frau, die schließlich von ihrer sozialen Herkunft und von verdrängten Schuldgefühlen eingeholt wird. Die Rache wird zum Bumerang und trifft sie selbst. Ein zynischer Roman noir und eine Anklage an die Gewalt des Neoliberalismus.“. Na also! 21.00 Euro für eine Softcover sind ein stolzer Preis, aber irgendwie müssen wir im Neoliberalismus ja alle überleben …

Schließlich – Louise Penny wird seit langen Jahren im angloamerikanischen Raum mit Preisen geradezu überschüttet, war aber bei uns nach ein paar Ausgaben bei Limes und Blanvalet vom Markt verschwunden. Jetzt hat die kanadische Autorin im Kampa Verlag eine neue verlegerische Heimat gefunden. Frisch erschienen ist Das verlassene Haus (aus dem kanadischen Englisch von Andrea Stumpf und Gabriele Werbeck), der dritte Fall für Armand Gamache, Inspector der Sûreté du Québec, der früher unter dem Titel „Der grausame Monat“ erschienen war. Der Krimi spielt im idyllischen Küstenörtchen Three Pines, indem sich „schlimme Dinge“ zugetragen haben: „ein Mord, eine Entführung und noch ein versuchter Mord“. Gewiss kein Stoff, der die Herzkranzgefäße gefährdet – wir stellen uns ein auf handwerklich gut gemachte, klassische Krimi-Unterhaltung.

Claudia Denker von der Krimiabteilung im Chatwins in Berlin-Schöneberg

Eigentlich wollte ich hier ein Schild hinstellen: »Wegen Krankheit geschlossen!« aber dann teilte man mir mit, ich solle doch dran denken, dass auch vier Bücher schon eine Schatzsuche seien. 

Na gut.

Ich freue mich riesig auf Lisa Sandlin: Family Business (Delpha ist wieder da!) und nicht weniger auf Andrew Cartmel: Killer Rock (der Vinyl-Detective ist wieder da!), beide Suhrkamp.

Gespannt bin ich auch auf das neue Buch von Ute Cohen: Poor Dogs, Septime.

Gerade begonnen zu lesen, und zwar mit großem Vergnügen: Mercedes Rosende: Falsche Ursula, Unionsverlag.

Gut unterhalten hat mich auch bereits Lesley Kara: Das Gerücht, dtv. Kleinstadtidylle, Mütter und ein Gerücht – das liest sich fluppig weg.

Zum Schluss wieder mal der Beweis, dass man keine Vorurteile haben soll. Stephan Ludwig: Unter der Erde (Scherz), hat mich richtig umgehauen, so gut liest sich das an. Hoffen wir, dass das anhält, bis zum Ende.

Denn jetzt ist hier wirklich »wegen Krankheit geschlossen«.  

Torsten Meinicke, Buchladen in der Osterstraße, Hamburg

Frisch gelesen habe ich in letzter Zeit:
James Lee Burke, Straße ins Nichts (Ü: Georg Schmidt), Pendragon 2020, 435 S., 20 Euro: Band 11 aus der Reihe des Altmeisters. Verlässlich gut. Dave Robicheaux sucht die Mörder seiner Mutter und Clete Purcel sucht (und findet) Ärger.

Frank Göhre, Peter Strohm – Agent für Sonderfälle, Heyne 1989, 155 S., schon lange vergriffen: Auch Nachrufe können Werbung sein. Aber mit weniger Sex als erwartet.
Mercedes Rosende, Falsche Ursula (Ü: Peter Kulzen), Unionsverlag 2020, 204 S., 18,00 Euro, erscheint Mitte Februar: Die falsche Ehefrau soll Lösegeld zahlen. Kurz und knapp aus Uruguay.
Oyinkan Braithwaite, Meine Schwester, die Serienmörderin (Ü: Yasemin Dincer), Blumenbar 2020, 239 S., 20,00 Euro, erscheint im März: Zwei praktische veranlagte Schwestern in Nigeria: Die eine arbeitet als Krankenschwester, die andere bringt Männer um.
Anna Burns, Milchmann (Ü: Anna-Nina Kroll), Tropen 2020, 452 S., 25,00 Euro, erscheint Ende Februar: Eine junge Frau im namenlosen Nordirland während der Troubles zwischen McIrgendwas und anderen Mackern. 

Adrian McKinty, Die verlorenen Schwestern (Ü: Peter Torberg), Suhrkamp 2015, 378 S., 9,99 Euro: Diese letzte Lücke in der wunderbaren Sean-Duffy-Reihe habe ich hiermit mit Vergnügen geschlossen.
Ingrid Strobl, Vermessene Zeit. Der Wecker, der Knast und ichEdition Nautilus 2020, 122 S., 18,00 Euro, erscheint Anfang März: Die Militanz der „Roten Zora“, die Forschung zu jüdischen Frauen im Widerstand, das Überleben im Knast. Ingrid Strobl blickt klug zurück und wird am 24. März 2020 bei uns im Buchladen zu Gast sein.
Und der baldigen Lektüre harren:
Attica Locke, Heaven, My Home (Ü: Susanna Mende), Polar Verlag 2020), 322 S., 22,00 Euro: Nach „Bluebird, Bluebird“: Der schwarze Texas Ranger Darren Mathews ist wieder da!

Melba Escobar, Die Kosmetikerin (Sybille Martin), Heyne 2019, 320 S. 9,99 Euro: Ein Krimi aus Kolumbien ganz ohne Narco-Männer!

PS: Eigentlich schön, dass das „Börsenblatt“ am 23. Januar mit dem Spezial Krimi & Thriller erschienen ist, wäre es doch nicht so traurig: Auf der Titelseite die Heyne-Anzeige („Achtsamkeitsprofi Björn Diemel mordet jetzt noch ganzheitlicher“). Alleine dafür sollte der Verlag zur Wiedergutmachung mindestens einen neuen Larry Brown verlegen! Und dann die TOP 25 der meistverkauften Krimis in 2019: 25 Mal mit der Lizenz zum Schütteln. Es gibt noch viel zu tun. Packen wir es an!
Ich wünsche allen kriminell gute Wochen
Torsten Meinicke

Monika Dobler von Buchhandlung Glatteis, München:

Hier die Lese-Tipps von glatteis:

Attica Locke, Heaven, My Home (Polar Verlag, Ü: Susanna Mende) – weiter geht es mit Ranger Darren Matthews. Die Autorin ist eine großartige Erzählerin. 

Michael Robotham, Schweige still (Goldmann, Ü: Kristian Lutze) – Der Psychologe Cyrus Haven löst Joe O‘Loughlin ab. Der Auftakt ist schon mal vielversprechend und die Fans werden nicht enttäuscht sein.

Michael Lüders, Die Spur der Schakale (C. H. Beck) – Der Autor ist Orientalist und Präsident der Deutsch-Arabischen Gesellschaft. Für seinen Politthriller hat er allerdings Norwegen gewählt und beweist wieder einmal, dass nicht nur Nonfiction kann.

Hideo Yokoyama, 2  (Atrium, Ü: Sabine Roth) – nach 64 nun zwei kurze Geschichten. Und wie bei 64 werden die Leser wieder in die Tiefen der japanischen Gesellschaft eingeweiht.

Deborah Crombie, Denn du sollst sterben (Goldmann, Ü: Andreas Jäger) – von den Fans sehnsüchtig erwartet; bereits der 18. Fall für Duncan Kincaid und Gemma James.

Antti Tuomainen, Klein-Sibirien (Rowohlt, Ü: Niina Katarina Wagner und Jan Costin Wagner) – die Begeisterung über diesen finnischen Autor lässt nicht nach. Auch sein dritter Roman ist ein Volltreffer!

Ahmet Ümit, Das Derwischtor (btb, Ü: Sabine Adatepe) – Schon sein erster Roman „Die Gärten von Istanbul“ hat bei glatteis sehr viele begeisterte Leser gefunden und auch dieser läuft schon richtig gut. Toller Erzähler, dieser Autor.

Und jetzt noch ein paar Taschenbücher, die bei glatteis gerade richtig viel positive Rückmeldungen bekommen:  

K.J. Howe, Das falsche Spiel (Piper, Ü: Bärbel und Velten Arnold)
Alex Beer, Unter Wölfen (Limes)
C.J. Sansom, Feindesland (Heyne, Ü: Christine Naegele)
Anne von Vaszary, Die Schnüfflerin (Knaur)

Jutta Wilkesmann, Wendeltreppe, Frankfurt:

Dino Minardi: Ein Espressso für den Commissario (Kampa)

Stefan Slupetzky: Im Netz des Lemmings (Haymon)

David Ignatius: Quantum Spy (Rowohlt)

Arturo Perez-Reverte: Der Tod, den man stirbt (Insel)

Thomas Ziebula: Der rote Judas (Wunderlich)

Olga Tokarczuk: Gesang der Fledermäuse (Kampa)

Christian Koch, Buchhandlung Hammett, Berlin:

Das neue Jahr beginnt krimimäßig eher ruhig, mit 100 Neuheiten aus 41 Verlagen im Januar.

Wir freuen uns auf neue Romane von Stefan Slupetzky, Im Netz des Lemming (Haymon), von Davide Longo, Die jungen Bestien (Rowohlt), auf den Sommer verschoben, aber vorgemerkt ist Merle Kröger, Die Experten (Suhrkamp).

Wir sind gespannt auf die Romane von Leif Karpe, Der Mann, der in die Bilder fiel, und von Ann Petry, Die Straße (beide Nagel & Kimche).

Und wir haben möglicherweise schon reingelesen in die beiden Ende 2019 schon ausgelieferten Anthologien Berliner morden anders (Dirk-Laker-Verlag) und Wenn im Norden das Licht schmilzt. Krimi, Liebe, Queer (Konkursbuch).

Comic/Heimkino
Oktober 2019 – von
Katrin Doerksen und Thomas Groh:

Thomas Groh ist wegen zu viel Arbeit verhindert, aber Katrin Doerksen konnte sich umsehen.

Alles ist Dada von Fernando Gonzáles Viñas und José Lázaro
avant-verlag, Softcover, Schwarzweiß, erscheint im Februar

Wiederentdeckung und zeichnerisches Porträt der Schriftstellerin und Dichterin Emmy Ball-Hennings, die 1916 mit dem Zürcher „Cabaret Voltaire“ die Geburtsstätte der Dada-Bewegung gründete.

Bug 2 von Enki Bilal
Carsen-Comics, Hardcover, 80 Seiten, bestellbar

Daidalos von Charles Burnes
Reprodukt, Hardcover mit Leinenrücken, farbig, 64 Seiten, erscheint im Februar

Im neusten autobiografisch inspirierten Werk des US-amerikanischen Illustrators und Comickünstler Charles Burnes (Black Hole) erliegt ein talentierter Filmemacher seinen übersprudelnden Tagträumen.

Das lange ungelernte Leben des Roland Gethers von Shane Simmons
avant-verlag, Hardcover, Schwarzweiß, 52 Seiten

Neuauflage eines lange vergriffenen Meisterwerk des minimalistisch-sequenziellen Erzählens: In seinen Longshot-Comics verfolgt Shane Simmons die epische Geschichte einer Familie walisischer Minenarbeiter durch das Viktorianische Zeitalter sowie beide Weltkriege, wobei jede Figur nur ein Punkt in einem der 3840 Panels ist.

Fante Bukowski – Ein amerikanischer Traum von Noah Van Sciver
avant-verlag, Hardcover, vierfarbig, 416 Seiten, erscheint im Februar

Deutsche Erstausgabe des US-amerikanischen Kultcomics über einen versoffenen Rechtsanwaltsgehilfen, der sich selbst für das größte Genie der Literaturgeschichte hält.

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