Geschrieben am 15. Februar 2018 von für Crimemag, CrimeMag Februar 2018

Roman: Mike Nicol: Korrupt

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Gerade hat der ANC Jacob Zuma zum Rücktritt gezwungen. In Mike Nicols Roman „Korrupt“, im Original 2014 erschienen, sitzt er fester denn je im Sattel und bastelt sogar schon an einer Art Erbmonarchie. Ein neues Kapitel zum Thema „Fiktion und Wirklichkeit“. Eine Besprechung von Thomas Wörtche.

Unverdrossen und unverdrossen wütend schreibt Mike Nicol die Desillusionierungsgeschichte der Republik Südafrika weiter. Nach der „Rache Trilogie“jetzt mit dem zweiten Band einer „Geheimdienst Trilogie“ (oder „Kapstadt-Serie“, wie der Verlag sagt) um Vicki Kahn und „Fish“ Pescado: „Korrupt“, „Agents of the State“ heißt bezeichnenderweise der Original-Titel, wobei der extrem schillernde Mart Velaze, ein undurchschaubarer, mal benevolenter, mal weniger benevolenter Troubleshooter eines arkanen Dienstes innerhalb des Geheimdienstes der Republik die Klammer zwischen den Trilogien bildet, eine quecksilbrig ambivalente Figur.

Überhaupt, der Staat. Der befindet sich bei Mike Nicol schon fast vollständig im Privatbesitz des Präsidenten der Republik, der hier nicht Jacob Zuma heißt. Der Präsident residiert in einem durchgeknallten Luxuspalast, hockt dort in einem Bunker wie einst der Führer, und scheffelt für sich und seine Sykophanten Geld und Macht galore. Südafrika ist ihm nicht mehr genug, jetzt macht er sich daran, die Zentralafrikanische Republik auszuplündern – und wenn das nur mittels politischem Mord geht, kein Problem. Dafür hat er schließlich seinen Geheimdienst, naja, zumindest Teile davon, und seinen Spezialisten namens Kaiser Vula. Das operative Geschäft überlässt er seinem ziemlich unnützen Sohn Zama, der sich seinerseits mit Menschenhandel ein fettes Zubrot verdient.

Das passt anderen Teilen des Geheimdienstes gar nicht in den Kram und so setzen sie die Ex-Anwältin und jetzige Agentin Vicki Kahn auf Zama an (nicht, dass ihr das von Anfang an klar wäre), die wiederum mit dem surfenden easy-go-lucky Privatdetektiv „Fish“ Pescado liiert ist. Und im Hintergrund zieht Mart Velaze an allerlei sinistren Fäden. Alle beäugen sich misstrauisch, niemand traut niemandem, die Front- und Bruchlinien gehen quer durch die Ethnien und Parteiungen. Morden ist so normal wie Atmen, weswegen Nicol darum auch kein großes Gedöns macht. Und wenn jemand so etwas Lustiges wie Ideale und Prinzipien hat, ist er ein dankbares Objekt für Manipulationen und Machinationen. Heute Assasine im Staatsdienst, morgen ein gesuchter Mörder.

Der labyrinthische Protzpalast des Präsidenten, in dem die Ereignisse eskalieren, ist ein verrottetes, strahlend-dekadentes sprichwörtliches Byzanz, dessen hässliche Ursprünge noch im Apartheids-Regime liegen, dessen toxische Wirkung immer noch anhält. Nicols Wut über die verpasste Chance Südafrika kristallisiert sich immer mehr in scharfkantigem Sarkasmus, in verzweifeltem Spott – und eben in großartigen Romanen. Wenn sie nicht eskapistisch sein will, bleibt der südafrikanischen Kriminalliteratur gar nichts anders als radikal politisch zu sein. Zumindest, was die makrostrukturelle Ebene angeht.

Allmählich neige ich auch dazu, Mike Nicols Gesamtwerk seit der Rache-Trilogie als eine Art Konzept-Kunst zu begreifen. So spannend und gelungen die einzelnen Romane sind, ihre  Panorama-Wirkung (wenn´s nicht so abgekrabbelt wäre, würde ich Zola sagen oder Balzac) wird immer mächtiger, die Verflechtung von fiktionalen und nicht fiktionalen Elementen immer dichter. Was nicht heißt, dass er Sachbücher mit Spielhandlung liefert. Dass die spekulativen Elemente sich immer mehr als „wahr“ herausstellen, spricht höchstens für deren Qualität. Und Nicol versteht wahrlich genug von Literatur, um seine Meditationen über die  südafrikanische Gesellschaft mit genügend V-Effekten auszustatten, die letztendlich ihre Literarizität ausmachen.

Thomas Wörtche

Mike Nicol: Korrupt (Agents of the State, 2014). Roman. Dt von Mechthild Barth. München. Btb 2018, 509 Seiten, € 10,00; Infos zum Roman.

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